Protokoll der Sitzung vom 21.09.2017

(Beifall der AfD)

Zur Erwiderung hat Herr Dr. Enders das Wort.

In aller Kürze: Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass ich der Ansicht bin, der neue Notfallsanitäter oder die Notfallsanitäterin – davon gibt es mittlerweile auch viele – sind ein Ersatz für den Notarzt. Ich habe nur deutlich machen

wollen, sie kompensieren das Dilemma, dass wir nicht genügend Notärzte haben, besser, als es bisher war.

Ich verfolge das in meiner beruflichen Vita seit fast 30 Jahren und habe die Entwicklung sehr genau miterlebt.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Völlig anderer Sachverhalt!)

Ich bin dagegen, dass wir irgendwann dahin kommen, dass wir die Notärzte ersetzten. Die Amerikaner haben das im Paramedic-System. Das ist mit Sicherheit nicht besser. Wenn man sich intensiv damit beschäftigt, wird man das merken.

Umgekehrt ist aber festzustellen, unser Personal, die erfahrenen Rettungsdienstmitarbeiter – egal wie ihre Berufsbezeichnung jetzt ist –, sind langjährig erfahren und in der Lage, die Phase bis zum Eintreffen des Notarztes zu überbrücken.

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Sehr richtig, Dr. Enders!)

Das ist der entscheidende Punkt. Ich würde mir wünschen, wir hätten die Hilfeleistungsfrist von 15 Minuten. Da stimme ich Ihnen insofern zu. Wir müssen die Realität sehen. Wir haben das mit der Qualifikation ein bisschen ändern müssen, weil wir sonst ein Gesetz gehabt hätten, was man nicht einhalten kann. Unser Glas ist zu 90 % voll. Es läuft nicht über. Aber 90 % sind besser als 50 %. Von daher bin ich damit zufrieden. Gleichwohl fordere ich eine Verbesserung.

(Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Man muss immer daran arbeiten. Aufgrund der jetzigen Rahmenbedingungen, die wir nicht zu verantworten haben, kann man nichts anderes machen. Da sehe ich keine Möglichkeit.

Warum Sie das unbedingt in § 23 haben wollen, erschließt sich mir nicht. Ich verfolge das Rettungsdienstgesetz jetzt seit 1998 parlamentarisch. Es gehört da hinein, wo die Hilfeleistungsfrist definiert ist. Das ist in § 8. Das kann man anders nicht machen.

(Beifall der CDU)

Da mir aus den Fraktionen keine Wortmeldungen mehr vorlegen, gehe ich davon aus, dass für die Landesregierung Herr Staatsminister Lewentz spricht. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Enders, zunächst mal sage ich, es macht immer wieder Freude, mit Ihnen über diese Punkte zu diskutieren. Das gilt auch für meinen Referatsleiter, Herrn Hitzges. Wir wissen, dass wir bei Ihnen auf viel Fachverstand treffen. Auch wenn wir nicht bis ins letzte Detail immer einer Meinung sind, haben wir, glaube ich, erkannt – das gilt auch für Frau Scharfenberger –, dass das ein

sehr wichtiges Thema ist.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, nicht auf die Einzelpunkte einzugehen – das können wir in den Ausschussberatungen machen –, sondern einmal grundsätzlich zu sagen, wie wir – Sie haben das als Personenkreis Mitarbeiter des Rettungsdienstes bezeichnet – zu diesen für uns alle enorm wichtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die antragstellende Fraktion hat mit ihrem Gesetzentwurf ein Thema aufgegriffen, das von der Landesregierung als Kernthema behandelt wird und somit höchste Priorität genießt, nämlich die Sicherstellung einer optimalen und flächendeckenden rettungsdienstlichen Versorgung der rheinland-pfälzischen Bevölkerung. Dazu gehört die fortlaufende konzeptionelle Weiterentwicklung der notfallmedizinischen Einsatztaktik mit allen am Rettungsdienst in Rheinland-Pfalz beteiligten Partnerinnen und Partnern. Dies sind die Sanitätsorganisationen, die zuständigen Behörden für den Rettungsdienst, die an der Notfallversorgung beteiligten Krankenhäuser, Gewerkschaften und natürlich die Kostenträger des Rettungsdienstes.

Zurzeit arbeitet die Landesregierung – das ist angesprochen worden – an einer Reform des Rettungsdienstgesetzes, die sich mit vielen Aspekten auseinandersetzt. Dabei spielt die Frage, was Rettungsdienst heute leistet und morgen leisten können muss, eine zentrale Rolle. Bei diesem Prozess müssen die heutigen Rahmenbedingungen, Zahlen und Fakten genauestens untersucht, Probleme benannt und ihre Ursachen analysiert werden. Der Sicherstellung der Notarztversorgung gilt dabei sicherlich ein ganz besonderes Augenmerk.

Dass wir in diesem Bereich vor besonderen Herausforderungen stehen, ist den Mitgliedern der Landesregierung bewusst.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat in diesem Jahr – wie bereits im Jahr 2013 – eine umfängliche Untersuchung zur Notarztstruktur in Rheinland-Pfalz beauftragt. Aus unserer Sicht ist es dabei nicht ausreichend, sich lediglich mit der Eintreffzeit und der standortbezogenen Verfügbarkeit von Notärztinnen und Notärzten statistisch auseinanderzusetzen. Die aktuellen Bedingungen im Rettungs- und Notarztdienst müssen vielmehr in ihrer Gesamtheit zunächst genauer beleuchtet werden, damit die daraus resultierenden Handlungsnotwendigkeiten abgeleitet werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf der antragstellenden Fraktion berücksichtigt nicht die aktuellen Entwicklungen und Zusammenhänge des Rettungsdienstes. Er wird im Übrigen auch in keiner Weise unserem hoch professionellen und gut geschulten Rettungsdienstpersonal gerecht. Wir haben hoch professionelles und gut geschultes Personal, das sich wie kein anderer Gesundheitsfachberuf seit nunmehr fast zehn Jahren einer jährlichen Überprüfung des Wissens und des praktischen Könnens unterzieht. Seit nunmehr fast zehn Jahren unterziehen sich diese Damen und Herren einer

jährlichen Überprüfung. Deswegen empfinde ich diesen eingeschränkten Gesetzentwurf, den ich inhaltlich eben bewertet habe, als ein falsches Signal.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Rettungsdienst in Rheinland-Pfalz gehört zu den fortschrittlichsten in der Bundesrepublik. Daran habe ich keine Grundkritik gehört. Darauf bin ich sehr stolz.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja!)

Zahlreiche Fakten haben dies schon belegt. So führten wir in Rheinland-Pfalz bereits Jahre vor Inkrafttreten des Notfallsanitätergesetzes die 30-stündige jährliche Pflichtfortbildung für das gesamte nichtärztliche Personal ein. Alle Rettungsassistenten werden seit 2008 in den sogenannten erweiterten Versorgungsmaßnahmen geschult und geprüft. Dieser Prüfungsnachweis ist Voraussetzung, um in der Notfallrettung eingesetzt werden zu dürfen.

Durch die konsequente Einführung der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst wurde von Beginn an eine fachliche Überwachung und Qualitätskontrolle aller Behandlungsmaßnahmen gewährleistet. Die Ärztlichen Leiter Rettungsdienst sind bei den jeweils örtlich zuständigen Rettungsdienstbehörden als ärztliche Direktoren des Rettungsdienstes angesiedelt. Sie sind mit ihren persönlichen Kenntnissen nahe dran.

Gemäß den rettungsdienstgesetzlichen Vorschriften, die durch den Landesrettungsdienstplan Rheinland-Pfalz konkretisiert werden, sind sie für die Festlegung der medizinischen Behandlungsstandards für das nichtärztliche Personal im Rettungsdienst zuständig. Dies geschieht unter anderem durch die verbindliche Vorgabe von Standardarbeitsanweisungen, die sogenannten SOP. Sie regeln damit auch die Durchführung der sogenannten Erweiterten Versorgungsmaßnahmen durch das nichtärztliche Personal, zu denen auch ärztliche Notfallmaßnahmen gehören. Diese dürfen entsprechend einer Empfehlung der Bundesärztekammer bei bestimmten Erkrankungen oder Verletzungen durch Rettungsassistenten im Rahmen dieser SOP angewendet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insoweit können wir an dieser Stelle festhalten, dass professionelle lebensrettende Maßnahmen nicht erst nach dem Eintreffen der Notärztin bzw. des Notarztes beginnen. Vielmehr werden diese bei Gefahr für Leib und Leben des Patienten bereits seit 2008 von den sehr gut ausgebildeten Rettungsassistentinnen und -assistenten vor dem Eintreffen des Notarzteinsatzfahrzeuges bzw. des Rettungshubschraubers durchgeführt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das neue Berufsbild der Notfallsanitäterin bzw. des Notfallsanitäters bringt weitere Verbesserungen. Das Notfallsanitätergesetz sowie die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter dienen der Erweiterung der Kompetenzen des Rettungsfachpersonals und tragen auf diese Weise zu einer weiteren Qualitätssteigerung in der präklinischen Notfallversorgung bei.

Nach § 4 Abs. 2 dieses Gesetzes werden Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter durch ihre Ausbildung dazu

befähigt, eigenverantwortlich den Gesundheitszustand von erkrankten und verletzten Personen beurteilen zu können. Sie sind in der Lage, eine vitale Bedrohung zur erkennen und entscheiden, ob eine Notärztin beziehungsweise ein Notarzt oder weitere Rettungsmittel nachgefordert werden müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber hinaus sind sie in der Lage – das ist die Besonderheit – eigenverantwortlich medizinische Maßnahmen der Erstversorgung beim Patienten im Notfalleinsatz durchzuführen. Aus all dem, was ich ausgeführt habe, folgt, das Notfallsanitätergesetz berechtigt und qualifiziert Notfallsanitäterinnen und -sanitäter zur eigenverantwortlichen notfallmedizinischem Heilkunde. Das will ich wiederholen.

Als Fazit sage ich: Wir glauben, wir sind gut aufgestellt. Wir glauben, wir sind auf einem guten Weg. Wir sind gern bereit, einzelne Positionen auch in den Ausschussberatungen – lieber Herr Dr. Enders insbesondere mit Ihnen – zu diskutieren. Aber wir dürfen feststellen – ich will das an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich tun –, dass wir in Rheinland-Pfalz eine gute Aufstellung im Sinne und Interesse unserer Bevölkerung haben – das ist wichtig –, und diese muss immer wieder weiterentwickelt werden. Die Notfallsanitäter und Notfallassistenten habe ich als Beispiel genannt. Die Grundaufstellung ist eine gute.

Herr Dr. Enders, wenn noch hinzukäme, dass wir tatsächlich mehr Geld in das System bekämen, dann hätten wir manches Problem nicht. Ich weiß, dass Notärzte eigentlich mehr Geld verdienen, als ihnen im Moment angeboten wird. Das ist auch ein Stück der Wahrheit.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Frau Abgeordneter Dr. Groß das Wort.

Meine Damen und Herren! Wir hatten uns eigentlich geeinigt – nicht wahr, Herr Lewentz –, dass wir in diesem Saal keine Beleidigungen zulassen wollten.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das haben nicht Sie zu entscheiden!)

Beleidigungen beziehen sich nicht nur auf Orte oder Termini. Beleidigungen sind auch Sätze, die gesprochen werden.

(Abg. Martin Haller, SPD: Dafür haben wir einen Präsidenten und eine Geschäftsordnung!)

Wir haben den Antrag eingebracht. Wir möchten auch mit einbezogen werden. Sie als Innenminister sollten sich das ruhig einmal merken.

(Beifall der AfD – Staatsminister Roger Lewentz: Ich habe zweimal von der antragstellenden Fraktion gesprochen!)

Wenn Sie von einer optimalen Versorgung sprechen, dann kann man das nicht sagen. Mit einer optimalen Versorgung ist man aufgestellt, wenn man dem Notarzt die Bedeutung beimisst, die er auch eigentlich verdient,

(Abg. Astrid Schmitt, SPD: Haltlose Vorwürfe!)

nämlich eine explizit für ihn ausdrücklich formulierte 15minütige Hilfeleistungsfrist.

(Zurufe der Abg. Alexander Fuhr, SPD und Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe Ihnen vorhin darzustellen versucht, dass die präklinische notfallmedizinische Versorgung durch den Notarzt ein starker prädiktiver Faktor für die Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten ist. Aber das scheint Sie offenbar nicht zu interessieren.