Protokoll der Sitzung vom 23.11.2017

(Abg. Uwe Junge, AfD: Eben nicht alle!)

die wirklich Hilfe und Unterstützung in der Familie brauchen. In dem Bereich sollten wir alle zusammenarbeiten.

(Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Kohnle-Gros von der Fraktion der CDU.

Ich bin froh, dass diese Bemerkungen von der AfD noch

gekommen sind. Das gibt mir die Gelegenheit, noch einmal etwas zu sagen.

Meine Damen und Herren, nach der Wiedervereinigung haben wir in Deutschland eine intensive Debatte darüber geführt, wie wir mit der Frage des Schwangerschaftsabbruchs umgehen sollen. Es kam die Fristenlösung. Es kam das Bundesverfassungsgericht. Es gab eine eindeutige Entscheidung, als wir das gemeinsam im Strafgesetzbuch verankert haben. Das war ein gesellschaftlicher Konsens, soweit er überhaupt möglich war.

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir stehen zu diesem Konsens, weil wir sehen, dass er auch in der Gesetzgebung seinen Niederschlag gefunden hat. Das Bundesverfassungsgericht hat uns als Gesetzgeber eindrücklich aufgetragen, dann die entsprechenden Regelungen für Beratung zum Schutz des ungeborenen Lebens zu schaffen.

Das, über was wir jetzt bei pro familia reden, sind diese Regeln, die wir uns auf Bundes- und Landesebene gegeben haben. Ich muss Ihnen sagen, diese sind in Ordnung. Das wird professionell von den Trägern plural für diejenigen, die über die Schwangerschaftskonfliktberatung hinaus Familienberatung und Beratung für das Aufziehen ihrer Kinder brauchen, gemacht. Wir stehen zu diesem pluralen Angebot. Natürlich werden wir auch immer wieder kontrollieren, dass das, was im Gesetz und in der Verordnung steht, tatsächlich so umgesetzt wird.

(Beifall der CDU)

Das haben wir auch in der Vergangenheit gemacht. Dazu brauchen wir Sie nicht.

Ich lasse mir einfach nicht gefallen, dass Sie Dinge, die in einem Rechtsstaat mit demokratischen Mehrheiten gesetzlich verankert sind, aus einem populistischen Ideal heraus infrage stellen. Das muss ich Ihnen sagen.

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das entblößt Sie wirklich total. Sie gehen 40, 50 Jahre zurück. Wir hatten völlig andere Situationen – das ist eben genannt worden – bei der Verhütung und der Aufklärung in den Schulen usw. Es muss einem nicht alles gefallen, was gemacht wird, und man kann sich auch dagegen stellen,

(Zurufe von der AfD)

aber man kann nicht das, was ein gesellschaftlicher Konsens ist, der gesetzlich und vom Bundesverfassungsgericht so abgesegnet worden ist, grundsätzlich aus populistischen Erwägungen heraus,

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil man einzelne Gruppen und Menschen zu eigenen Wählern machen will, infrage stellen. Das lehne ich strikt ab.

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen dem Präsidium zu diesem Teil der Aktuellen Debatte nicht mehr vor.

Wir kommen zum zweiten Thema der

AKTUELLEN DEBATTE

Situation in rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalten auf Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/4548 –

Ich darf Herrn Fraktionsvorsitzenden Junge das Wort erteilen.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Seit einigen Jahren gibt es massive Klagen aus dem Justizbereich. Seit 2014 sind Berichte von Massenschlägereien, Gewalt gegen Vollzugsbeamte und Mithäftlinge, Drogen, Kriminalität und Schutzgelderpressungen an der Tagesordnung. Diese Vorgänge sind Grund genug, die Lage in unseren Justizvollzugsanstalten kritisch zu hinterfragen.

Nach Aussagen des Landesvorsitzenden des Bundes für Strafvollzugsbedienstete, Winfried Conrad, sind die Gefangenenzahlen von 2013 bis 2017 deutlich angestiegen. Auch die Überbelegung ist signifikant. So ist sie in Frankenthal auf 106 %, in Koblenz auf 113 %, in Rohrbach auf 104 %, in Trier auf 106 % und in Wittlich auf 102 % angestiegen.

Überbelegungen haben Folgen, die sich letztlich natürlich in Aggressionen und Gewalt Luft machen. Wenn da noch ethnische und kulturelle Konflikte hinzukommen und die Bedienstetenzahlen permanent weiter sinken, dann kann sich das zu einem explosiven Gemisch entwickeln. Dies auch deshalb, weil der Anteil von Ausländern in Haft landesweit mittlerweile auf 30 % gestiegen ist und diese sich meist nicht in der deutschen Sprache verständigen können. Meine Damen und Herren, die Dolmetscherkosten haben sich von 2012 bis 2016 verzehnfacht und liegen derzeit bei fast 85.000 Euro im Jahr.

Gerade die unzureichende Kommunikation untereinander und gegenüber den Vollzugsbeamten erhöht natürlich das Konfliktpotenzial. Darüber hinaus sind zunehmend psychisch auffällige Gefangene, Gefangene mit schweren Persönlichkeitsstörungen und Gefangene mit einem erhöhten Aggressionsverhalten zu verzeichnen. Fakt ist, dass die Gewaltbereitschaft untereinander, aber auch gegenüber den Beamten deutlich angestiegen ist. Sie stieg zwischen 2012 und 2015 von acht Fällen auf 25 Fälle an. Die Gewalt von Gefangenen gegen Mitgefangene stieg von 50 Fällen in 2012 auf 108 Fälle in 2016 an.

In diesem Klima von steigender Gewalt und permanenter Verrohung sowie zunehmender kultureller Fremdheit

verbunden mit unzureichender Kommunikation muss man sich wundern, dass Menschen überhaupt noch bereit sind, unter diesen Umständen Tag für Tag ihre Gesundheit zu riskieren. Man könnte meinen, dass diese besonderen Herausforderungen den Dienstherrn dazu verleiten könnten, seine Leute im Rahmen der Fürsorge zumindest gut zu alimentieren und dafür zu sorgen, dass sie zumindest durch Mehreinstellungen entlastet werden. Weit gefehlt!

Trotz steigender Bedrohung gegen Leib und Leben am Arbeitsplatz sind die Besoldungssituationen im zweiten Einstiegsamt – ich sage einmal, im unteren mittleren Dienst in A 6, A 7 – mit mageren 2.200 Euro brutto sehr düster. Wir bezahlen diese wackeren Leute nicht nur schlecht, sondern wir bauen auch noch deren Planstellen kontinuierlich ab, meine Damen und Herren, im Jahr 2014 um sieben Stellen, im Jahr 2015 um 31 Stellen, im Jahr 2016 um 13,5 Stellen. Im Jahr 2018 sollen landesweit weitere fünf Planstellen abgebaut werden.

Mehr als 156.000 Überstunden wurden von den Justizwachtmeistern im Jahr 2016 geleistet. Im Jahr 2012 wurde seitens der SPD-geführten Landesregierung die Möglichkeit gestrichen, den Jahresurlaub in das nächste Jahr mitnehmen zu können. Wie unsozial ist das denn? Unfassbar! Das bedeutete, dass in 2016 581 Urlaubstage nicht genommen werden konnten. In 2015 waren es sogar 638 Urlaubstage. Meine Damen und Herren, dann wird so getan, als ob die Beamten freiwillig auf ihren Urlaub verzichten würden. Wer das glaubt, ist selig oder Sozialdemokrat, meine Damen und Herren.

(Beifall der AfD – Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Der Bürgerbeauftragte hat in seinem Bericht vom März 2017 dargelegt, dass ein überdurchschnittlich hoher Krankenstand zu verzeichnen sei. Tatsächlich sind inzwischen 32 Beamte aktuell mehr als sechs Monate erkrankt. 132 Beamte sind dauerhaft in ihrer Verwendung eingeschränkt. Die durchschnittlichen Krankheitstage lagen im Jahr 2016 bei mehr als 25. Im Dienstleistungsgewerbe sind es zum Vergleich etwa 16 Tage. Das sagt doch etwas aus.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Die Häftlingszahl steigt unaufhörlich, und die Überbelegung in den Gefängnissen wächst. Die Zahl der fremden Kulturen in unseren Gefängnissen nimmt stetig zu. Brutale Bandenkriminalität und Drogenhandel breiten sich auch hinter Gittern aus. Permanenter Stellenabbau gefährdet die Sicherheit aller. Die fürsorgelose Ausbeutung unserer Vollzugsbeamten – das habe ich den Gesprächen mit den Vollzugsbeamten so entnommen – demotiviert und lässt die Zahl kompetenter Bewerber weiter sinken.

(Glocke des Präsidenten)

Ich komme zum Schluss. Der Druck im Kessel steigt gefährlich an. Lieber Herr Justizminister, Sie haben diese Missstände nicht ursächlich zu vertreten und zu verantworten, aber nach eineinhalb Jahren kommen Sie zunehmend in die Phase der Mitverantwortung. Es ist dringender Handlungsbedarf geboten. Mehr dazu in der zweiten Runde.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Nun erteile ich Herrn Abgeordneten Denninghoff von der Fraktion der SPD das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Auf Antrag der AfD-Fraktion debattieren wir heute im Rahmen der Aktuellen Debatte die – ich zitiere – „Situation in rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalten“. Lassen Sie mich dazu gleich eingangs betonen, die SPD-Fraktion – Sie werden sicher gleich erleben, die gesamte Ampelkoalition – hat ebenfalls ein großes Interesse daran, sich mit der aktuellen Situation in unseren Justizvollzugsanstalten auseinanderzusetzen. Wir verschließen uns keiner – ich betone dies –, auch keiner kritischen Debatte.

Die AfD hat die Überschrift für die heutige Debatte so gewählt, dass man beim Blick auf die Tagesordnung meinten könnte, wir würden heute die Aussprache zur Großen Anfrage der Kolleginnen und Kollegen der CDU mit fast demselben Titel durchführen. Gemeint ist die 81 Fragen und mit den Antworten etwa 75 Seiten umfassende Große Anfrage, zu der der Rechtsausschuss in seiner zurückliegenden Sitzung eine umfassende Expertenanhörung im Januar beschlossen hat.

Vor dem Hintergrund, dass der zuständige Fachausschuss eine ernsthafte und vertiefte Beschäftigung mit der Situation im rheinland-pfälzischen Justizvollzug gerade auf die Schiene gesetzt hat, muss die Frage erlaubt sein: Auf welcher Basis soll heute im Rahmen einer Aktuellen Debatte eigentlich debattiert werden? – Oder vielleicht noch ein Stück ehrlicher: Welchen Zweck verfolgt die antragstellende Fraktion eigentlich mit der Anmeldung dieses Themas? –

(Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Die Aktuelle Debatte nach § 101 unserer Geschäftsordnung soll dazu dienen, Themen von aktuellem und allgemeinem Interesse in diesem Hause politisch miteinander zu besprechen.

Ich denke, ich tue diesem bewährten Instrument unserer Landtagsdebatten nicht unrecht, wenn ich sage: Für die parallele Beratung schwieriger Themen bei einer gleichzeitig laufenden Fachdebatte in den Ausschüssen ist das Format der Aktuellen Debatte insbesondere dann, wenn man an der Lösung von Sachfragen orientiert ist, gänzlich ungeeignet.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Wir haben den Antrag vorher eingebracht, Herr Kollege!)

Das lässt sich in einer einfachen Frage zusammenfassen: Wofür noch eine Anhörung und stundenlange Ausschussberatungen, wenn wir hier so tun, als wären alle Fragen beantwortet, wäre jede Herausforderung besprochen, wären

die Schuldigen gefunden und stünden sämtliche Lösungen parat?

(Abg. Uwe Junge, AfD: Sie müssen unterscheiden zwischen Debatte und Beratung!)