Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe der Integrierten Gesamtschule Zell. Herzlich willkommen im Mainzer Landtag!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist richtig, die Einführung einer Wohnsitz
Meine Damen und Herren, ich bin froh darüber, dass es in der Diskussion ist; denn immerhin geht es um ein Thema, das tief in das Leben von Menschen eingreift. Dementsprechend hatte es sich diese Koalition auch nicht einfach gemacht, hierüber eine Entscheidung zu fällen.
Ich gebe zu, bei uns als Freien Demokraten überwiegen die Vorteile der Wohnsitzauflage. Die Planbarkeit für die Kommunen und die ehrenamtlichen Helfer vor Ort spielen dabei für uns eine große Rolle. Die Belastbarkeit der Städte und Gemeinden ist maßgeblich für das Gelingen von Integration. Vor Ort muss es planbar sein, welche Maßnahmen vorzuhalten oder gar einzurichten sind.
Aus unserer Sicht muss ebenso gewährleistet sein, dass Schulen über ausreichende Kapazitäten verfügen. Es ist auch wichtig, dass genügend Unternehmer in der Region vorhanden sind, die ihren Teil zur Integration beitragen können, indem sie zum Beispiel Praktikumsplätze zur Verfügung stellen. Hierfür ist ein ganz enger Kontakt zwischen Kommunen und dem Land von höchster Priorität, meine Damen und Herren.
Eine Wohnsitzauflage soll dem Erwerb von Qualifikation und Sprachkenntnissen dienen. Darüber hinaus soll sie den Kontakt mit der sonstigen Bevölkerung fördern.
Meine Damen und Herren, dennoch respektieren wir den Einwand, dass ein Gesetz, das den Flüchtlingen den Wohnort vorschreibt, ein sehr, sehr starker Eingriff in die Freiheitsrechte ist, besonders wenn dieser Eingriff rückwirkend geschieht.
Meine Damen und Herren, es muss jedem verständlich sein, dass Flüchtlinge, die einen langen und schweren Weg hinter sich haben, erst einmal danach streben, dorthin zu ziehen, wo sie auf Menschen treffen, die ihnen vertraut sind. Nach Abwägung der Vor- und Nachteile sind wir in der Koalition daher zu dem Ergebnis gekommen, dass über diese Frage in der Tat weiterhin diskutiert werden muss. Nun liegt es an der Bundesregierung, auf die Forderungen des Bundesrates nach Nachbesserung im Integrationsgesetz zu reagieren.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal feststellen, dass es sehr begrüßenswert und gut, eigentlich überfällig ist, dass die Bundesregierung unseren grünen Vorschlag aufgegriffen hat, dass es in Deutschland nun endlich ein Integrationsgesetz geben soll,
und zwar ein Integrationsgesetz, das vor allem erkennt, dass es für die Menschen, die zu uns kommen und die bei uns bleiben werden, die Möglichkeit geben muss, sich hier entsprechend integrieren zu können. Das betrifft viele richtige Vorschläge, was Lockerung beim Zugang zum Arbeitsmarkt angeht. Ich hoffe, dass wir die Vorrangprüfung im weiteren Verfahren noch ganz abschaffen können. Das betrifft, dass die Bundesregierung endlich zur Erkenntnis gekommen ist, dass es ausreichend Sprachkurse für die Menschen geben muss, und vor allem auch, dass es ausreichend Integrationskurse geben muss und jeder Mensch, der hier bei uns bleibt, einen solchen Integrationskurs, egal wo er in Deutschland ist, besuchen muss.
Das geht schon in die richtige Richtung, auch wenn wir uns vieles von dem, was wir als Recht auf Integration bezeichnet haben, noch mutiger hätten vorstellen können.
Frau Klöckner, von Ihrem Pflichtenheftchen à la engstirniger Leitkultur ist da nicht mehr viel übrig geblieben. Da hat die Kanzlerin einmal mehr Ihre Vorschläge hier aus Rheinland-Pfalz kassiert, liebe CDU.
Das ist vielleicht auch der Grund, warum Sie hier sozusagen etwas hyperventilierend auf einen Punkt, den wir beim Integrationsgesetz durchaus sehr kritisch sehen, versuchen herumzureiten. Das ist das Thema der Wohnsitzauflage. Ich glaube, man sollte sich bei jeder Regelung zunächst einmal fragen, aus welcher Analyse der Situation eigentlich eine Regelung entsteht. Man sollte nur etwas regeln, wo auch tatsächlich ein Regelungsbedarf – das heißt, ein Problem – besteht. Es ist hier jetzt gesagt worden, es wird befürchtet, dass es sozusagen eine massenhafte Binnenwanderung von ehemaligen Flüchtenden gibt. Es geht um die, die einen sicheren Aufenthaltsstatus haben. Der ist deutlich so nicht erkennbar, und den hat es auch in der Vergangenheit nicht gegeben. Es wurde vorgetragen, man befürchtet sozusagen eine Ghettoisierung innerhalb der Städte.
Ja, wir haben auch in Deutschland, glücklicherweise nicht so wie in anderen Ländern Europas, Tendenzen von Ghettoisierung erlebt. Jetzt müssen wir uns das aber einmal genau anschauen.
Es gab ja bis vor knapp zehn Jahren eine Wohnsitzauflage im Sozialrecht und durchaus auch im Aufenthaltsrecht, bevor die richterlich und auch gesetzlich gekippt worden ist. Die Ghettoisierung hat ja vorher stattgefunden.
Die Ghettoisierung ist auch Ausfluss einer verfehlten Wohnraum- und Sozialpolitik. Da ist es in den letzten zehn Jahren eher besser geworden als schlechter. Ich finde, den
Weg mit einer mutigen und aktiven Wohnraumpolitik gilt es gemeinsam weiter zu gehen, meine Damen und Herren.
Dann stellen wir uns doch einmal die Frage, was hier eigentlich suggeriert wird. Wir alle wissen, warum Menschen eigentlich umziehen, wenn sie einmal ihren Wohnsitz haben. Dafür gibt es eigentlich drei Hauptgründe. Das eine ist, dass sie Arbeit finden. Der Gesetzentwurf sagt ganz genau da, wenn die Menschen einen Arbeitsplatz gefunden haben, dann dürfen sie auch umziehen. Dann greift die Wohnsitzauflage nicht.
Der zweite Grund ist die Familie. Menschen ziehen um, weil sie zu ihrer Familie möchten. Auch da sagt der Gesetzentwurf, wenn Angehörige da sind, wenn sozusagen Familienzusammenführung stattfindet – das ist richtig, das ist integrationspolitisch fördernd –, greift der Gesetzentwurf nicht.
Dann gibt es noch einen dritten Grund. Das ist, wenn ich eine Wohnung finde, die mir besser gefällt, die vielleicht meine eigene ist, wo ich nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft wohne. Deswegen ziehe ich auch um. Jetzt sagt der Gesetzentwurf, genau dann ist eine Wohnsitzauflage zu verhängen, wenn eine angemessene Versorgung mit Wohnraum nicht zur Verfügung steht. Wenn aber ein Mensch, der hier einen Aufenthaltsstatus hat, eine Wohnung findet, dann steht im Umkehrschluss logischerweise genug Wohnraum zur Verfügung, sonst hätte er keine Wohnung gefunden. Also auch das kann nicht der Regelungsgrund sein.
Frau Beilstein, ich bin Ihnen dankbar, es geht gar nicht so sehr um die sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen, sondern es geht faktisch um die Sorge der Kommunen und insbesondere der Städte vor höherem finanziellen und organisatorischen Aufwand, die ich als Kommunalpolitiker nachvollziehen kann. Aber genau da – so sagt unsere Verfassung, das hat der Europäische Gerichtshof jetzt wieder bestätigt – liegt Verfassungswidrigkeit vor, wenn ein solcher harter Eingriff – die Kollegin Becker hat es gesagt – in die Freizügigkeit eines Individuums damit begründet wird, dass die Lastenverteilung innerhalb des Staates schief liegt und geordnet werden muss. Genau das darf nicht geschehen.
Deswegen müssen wir uns schon die Frage stellen: Kann es eigentlich sein, dass wir eine völlig fehlgeleitete Verteilung von Finanzen bundesweit aufgrund des Bundes, was
die Übernahme von Sozialleistungen angeht, zuungunsten der Städte in unserem Land auf eine Bevölkerungsgruppe abwälzen wollen, die unter Umständen noch von Leistungen des Staates abhängig ist?
Da sage ich ganz klar Nein. Dieses staatspolitische Versagen muss innerhalb der Bund-Länder-Finanzierung und innerhalb der Kommunalfinanzen geregelt werden. Deswegen muss das, was im Koalitionsvertrag Ihrer Regierung steht, endlich umgesetzt werden, dass insbesondere auch die Städte von den Kosten der Sozialleistungen bei der Eingliederungshilfe und den Kosten der Unterkunft entlastet werden.
Dann haben Sie den Städten wirklich geholfen, und nicht deswegen, dass Sie hier den Flüchtlingen innerhalb ihrer Freiheit unsinnig einseitig Steine in den Weg legen. Darüber müssen wir reden. Dann sind wir auch zu guten gemeinsamen Lösungen für die Integration in unserem Land bereit.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wir führen die aktuelle Debatte hier unter einer falschen und von Ihnen nicht belegten Behauptung. Sie haben nämlich beantragt, über die ablehnende Haltung von Ministerpräsidentin Dreyer zur Einführung einer Wohnsitzauflage für asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge zu debattieren.
Ich vermute, es ist eine versehentliche Ungenauigkeit. Ich will Ihnen nicht unterstellen, dass Sie nahtlos an den Stil, den Sie am Jahresanfang an den Tag gelegt haben, anknüpfen wollen.
Sie hätten auch seriöserweise die Haltung der Landesregierung zu dieser Frage thematisieren können. Aber auch dann hätte ich Ihnen gesagt, die Haltung der Landesregierung zu dieser Frage ist, dass die im Integrationsgesetz vorgesehene Wohnsitzauflage, die eine Verteilung unter den Bundesländern vorsieht, von der Landesregierung im Bundesrat nicht aufgehalten werden wird, sondern ihn so passieren wird. Wir rechnen damit im Moment am 8. Juli. In der vergangenen Sitzung hat der Bundesrat auch mit Unterstützung der Landesregierung dazu sehr umfangreich Stellung genommen. Wir sind im Großen und Ganzen nämlich ganz zufrieden mit dem vorgelegten Integrations
gesetz, auch wenn die Landesregierung nicht verheimlicht hat, dass sie sich viel mehr von der Bundesregierung gewünscht hat.