Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kollegen! Bereits vor etwas mehr als zwei Monaten habe ich unsere Position als AfD zu diesem nun in etwas verbesserter Form vorliegenden Antrag erläutert. Es ist erfreulich, dass jetzt neue wichtige Punkte ihren Platz in dem Forderungskatalog gefunden haben. So wurde der Appell an die Bürgerschaft und die Kommunen sowie an das Land hinzugefügt, zur Erhaltung historischer Orte jüdischen Lebens in unserem Land – zum Beispiel ehemalige Wohnhäuser jüdischer Mitbürger, zerstörte Synagogen und jüdische Friedhöfe – beizutragen und den Erhalt und die Pflege von Soldatenfriedhöfen und Kriegsmahnmalen als Erinnerung und Mahnung vor den Folgen des Krieges wertzuschätzen.
Mit großer Zustimmung nehmen wir auch eine Ergänzung im vierten Absatz wahr, wo von der „Befreiung vom Unrechtsregime der DDR 1989“ die Rede ist. Im Zusammenhang mit Letzterem sowie mit der Pflege deutsch-jüdischen Kulturerbes möchte ich an die am 22. Februar dargestellten Leitgedanken meiner Fraktion zu dem sehr wichtigen Thema Gedenkkultur erinnern.
Die AfD stimmt ausdrücklich den im ersten Absatz dieses Antrags neben dem Gedenken an alle Weltkriegstoten formulierten antitotalitären Konvent zu, der sich von den Verbrechen der nationalistischen Sozialisten der NSDAPDiktatur bis zum Unrechtsregime der kommunistischen SED spannt.
Auch wir bekennen uns ganz klar, wie am Schluss des Antrags formuliert, zu einer gesellschaftlich breit verankerten, im wesentlichen Teil ehrenamtlich getragenen Gedenkkultur. Als patriotische Partei setzen wir uns für ein viele Jahrhunderte umfassendes ganzheitliches Geschichtsbewusstsein und die Erkenntnis ein, dass die Historie aller Länder und Völker von Höhen und Tiefen geprägt ist. Ein kollektives Verantwortungsgefühl für die eigene Nationalgeschichte, für die schlechten wie für die guten Zeiten, sollte gesamtgesellschaftlicher Konsens sein.
schließt nach wie vor unsere Kritik an. Sie bezieht sich auf massive Mängel bei der Konkretisierung der Erinnerungskultur gerade im so bedeutsamen Gedenkjahr 2018. Als positiver Erinnerungs- und Identitätsanker hätte sich bei uns in Rheinland-Pfalz in besonderer Weise der Erfindergeist von Johannes Gutenberg angeboten; denn in diesem Jahr gedenkt die Stadt Mainz bekanntlich dessen 550. Todestag. Für das Land Rheinland-Pfalz ist dies allerdings nur ein regionales Ereignis, wie mir als Reaktion auf eine Kleine Anfrage mitgeteilt wurde. Das ist sehr schade.
Da wird in völlig einseitiger Weise für einen fragwürdigen, ja zum Glück von den Bürgern gestoppten Bibelturm getrommelt, während es für die substanziellen Möglichkeiten eines landesweiten Gutenberg-Marketings an Elan und Kreativität fehlt.
Noch haarsträubender ist die völlig unkritische Erinnerung an den 200. Geburtstag von Karl Marx, die wir heute zu unserem Thema der Aktuellen Debatten wieder eindrücklich vorgeführt bekamen.
Hinzu kommen die nicht berücksichtigten bedeutsamen Ereignisse wie das sich im November zum 100. Mal jährende Ende des Ersten Weltkrieges, der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts.
Darüber hinaus ist uns die Erinnerung an den vor 400 Jahren mit dem Böhmisch-Pfälzischen Krieg begonnenen Dreißigjährigen Krieg wichtig oder auch die Befassung mit dem Prager Frühling, der vor fünf Jahrzehnten mit dem Einmarsch sowjetkommunistischer Panzer in Prag sein blutiges Ende fand.
Hier möchte ich anmerken, dass es mich schon stört, wenn in der Öffentlichkeit immer wieder ebenso emphatisch wie oberflächlich europäisches Bewusstsein beschworen wird, aber bei einer so symbolträchtigen Veranstaltung wie dem Gedenken an den Prager Frühling an diesem Montag im Mainzer Kino Capitol kein einziges Mitglied des Landtags außer mir vertreten war.
Obwohl wir den in dem Antrag dargelegten Grundzügen der Gedenkkultur zustimmen, wird sich die AfD-Fraktion wegen der nach wie vor nicht vorhandenen angemessenen Distanzierung vom Vater des Kommunismus der Stimme enthalten; denn gerade hier in Rheinland-Pfalz wäre eine eindeutige Aussage notwendig, erst recht in diesen Tagen und Wochen, da in Trier ein regelrechter Kult rund um den 200. Geburtstag von Karl Marx und ein völlig überdimensioniertes Denkmal zu beklagen sind.
Ich möchte auch erwähnen, dass heute parallel, fast gleichzeitig zu unserer Marx-Debatte, eine Marx-Debatte im Sächsischen Landtag stattfand und dort der Diskussionsverlauf ein völlig anderer war.
Ich bringe in aller Kürze die Position der CDU auf den Punkt, die man mit „Marx ist tot“ zitieren kann.
Herr Geis, eine kurze Anmerkung. Auch mich hat Lidice sehr bewegt, wie alle Abgeordneten die auf der Kulturreise dabei waren. Allerdings ist mir auch in Erinnerung geblieben, was mir tschechische Abgeordnete über das Marx-Spektakel in Trier erzählt haben. Da war das kalte Grausen zu spüren.
Auch die deutschen Aussiedler und Heimatvertriebenen, die zu Hunderttausenden nach Rheinland-Pfalz gekommen sind, unter uns leben und ihre eigene Erfahrung mit totalitären Systemen gemacht haben, finden in diesem Gedenkkultur-Antrag bedauerlicherweise keine Erwähnung.
Der CDU-Antrag „Leistung und Geschichte von Aussiedlern wertschätzen“, den die Ampelparteien mit unterstützt haben, hat eben doch nur einen Alibicharakter.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute auf breiter Basis über einen fraktionsübergreifenden Antrag von SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema Gedenkkultur beraten. Dies zeigt, dass die genannten Fraktionen dem Thema einen Stellenwert einräumen, der weit über die Tagespolitik hinausgeht.
Es geht um das Gedenken an die Opfer von Krieg, Gewalt, Unterdrückung und damit auch um einen demokratischen Grundwert. Zwei Weltkriege, die Opfer der NS-Ideologie, die Opfer des DDR-Regimes, immer wieder wurden Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgeübt. Hinter diesem Satz offenbart sich eine Fülle von unendlichem Leid, Gewalt und Tod. Es scheint, als habe jede Zeit ihre Katastrophen.
Umso wichtiger ist es – insbesondere für die nachwachsenden Generationen –, junge Menschen zu erreichen, sie zu informieren, sie stark zu machen, sie zu sensibilisieren für antidemokratisches und menschenverachtendes Handeln im politischen Raum. Meine Damen und Herren, wer glaubt, wir hätten die Zeit der Ausgrenzung aufgrund
religiöser, kultureller oder sexueller Orientierung hinter uns gelassen, wird allein durch die tägliche Berichterstattung eines Besseren belehrt.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch auf die kürzliche Verleihung der ECHO-Preise Bezug nehmen. Es hat überhaupt nichts mehr mit dem Grundrecht auf Kunstfreiheit zu tun, wenn mit menschenverachtenden und die Opfer des Holocaust verhöhnenden Textzeilen Aufmerksamkeit und letztlich auch kommerzieller Erfolg generiert wird. Das ist erbärmlich, dumm und billig!
Viele Menschen in unserem Land arbeiten an der Auseinandersetzung und Aufarbeitung der dunklen Seiten unserer Vergangenheit. Dem Ehrenamt kommt hier eine herausragende Stellung zu. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich hier und heute ausdrücklich für diesen Einsatz zu bedanken.
Meine Damen und Herren, vor wenigen Tagen wurde in Mainz – Herr Geis hat schon darauf hingewiesen, und auch ich war unter den Besuchern –, nur einige Schritte vom Landtag entfernt, das „Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz“ in einer beeindruckenden Art eröffnet. Beeindruckend deshalb, weil unter anderem Schülerinnen und Schüler der Sophie-Scholl-Schule in Mainz die Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur, die Ausgrenzung der Juden bis hin zur Ermordung in den Konzentrationslagern nachgestellt haben. Ich bin mir sicher, dass die Gäste von der Darstellung sehr berührt waren.
Das „Haus des Erinnerns“ leistet in herausragender Weise Bildungsarbeit für Jugendliche und Erwachsene – ich zitiere aus dem Flyer –, um demokratisches Bewusstsein und eine Haltung für Akzeptanz zu fördern. Dieses Haus steht für eine offene Gesellschaft im Sinne von Freiheit und demokratischem Zusammenleben. Ich möchte allen Initiatoren herzlich für diesen Einsatz danken.
Meine Damen und Herren, Gedenkstättenarbeit und politische Bildung gehen Hand in Hand. Ich bin deshalb froh, dass wir uns im vorliegenden Antrag fraktionsübergreifend für eine Stärkung der Landeszentrale für politische Bildung ausgesprochen haben. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, fiel doch in Niedersachsen die Landeszentrale vor einigen Jahren dem Rotstift zum Opfer. Erst vor einiger Zeit wurde sie wieder etabliert.
Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf“ – so heißt es in einer Inschrift im Isenburg-Karree des Landtags. Deshalb ist es richtig, dass der Landtag heute mit diesem Antrag ein klares Bekenntnis ablegt.
Auch der Gedenkarbeit an unseren Schulen kommt eine hohe Bedeutung zu. Ob im Rahmen außerschulischer Lernorte, im Austausch mit Zeitzeugen oder in dem Bekenntnis zur „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, jeder Mosaikstein ist wichtig und nachhaltig.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch meine Fraktion ist sehr froh, dass wir heute, da wir zum zweiten Mal über diesen Antrag debattieren, zu einem gemeinsamen Antrag mit der CDU-Fraktion gekommen sind. Ich möchte mich an der Stelle noch einmal bedanken für die gute und konstruktive Zusammenarbeit an diesem Antrag mit dem Ziel, ein gemeinsames und wirksames Zeichen zu setzen, dass wir uns hier gemeinsam zu einer starken Gedenkkultur und Erinnerungskultur in Rheinland-Pfalz bekennen.
Im Vorfeld der Plenarsitzung wurde über diesen Antrag berichtet. Es wurde berichtet, der Antrag steht im Vordergrund, er ist wohl wichtig, aber es steht eigentlich nichts Neues darin. Das mag sein, aber ich finde, er ist trotzdem notwendig.
Warum ist er notwendig? – Weil wir uns mit diesem Antrag ganz klar zu einer Erinnerungs- und Gedenkkultur bekennen, weil wir uns dagegen verwehren, dass ein Schlussstrich gezogen wird, weil wir uns dagegen verwehren, dass es ein Erinnerungsende gibt, und weil wir uns mit diesem Antrag dem Gedenken und dem Erinnern an das „Nie wieder“ verschreiben.
Ich möchte nach vielem, was heute schon richtigerweise gesagt worden ist, noch einmal ein besonderes Augenmerk auf das bürgerschaftliche Engagement in der Gedenkkultur legen; denn auch ich bin im Nachgang unserer Debatte von einigen angeschrieben worden, die es sehr gefreut hat, dass sich der Landtag dieses Themas angenommen hat.
Es gibt in unserem Land viele Initiativen, die sich um die Geschichte der Orte, in denen sie leben, kümmern, die Gedenkstätten und Gedenkorte konzipieren, die Spenden dafür einwerben, die diese Orte dann auch pflegen oder die Bildungsangebote organisieren.