Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart. Wer meldet sich für die antragstellende Fraktion zu Wort? – Der Kollege Lammert. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit einigen Monaten können wir einen Rückgang der positiven Asylentscheidungen feststellen. Gleichzeitig tritt dadurch aber ein anderes Problem in den Vordergrund, gerade hier in Rheinland-Pfalz: die Abschiebepraxis.
Wie sollen wir eine Akzeptanz für unsere Flüchtlingspolitik nur ansatzweise in der Bevölkerung erreichen, wenn es gerade in Rheinland-Pfalz nicht gelingt, abgelehnte Asylbewerber und insbesondere ausländische Straftäter zeitnah abzuschieben?
Das ist derzeit auch ein großes Thema in den Medien. Das können Sie heute in der Rhein-Zeitung nachlesen; es gibt Umfragen, die zeigen, dass es eben nach wie vor ein
Thema ist und die Bevölkerung beschäftigt. Eine aktuelle Kleine Anfrage meines Kollegen Dr. Gensch und mir hat gezeigt, dass rund 334 ausländische Straftäter, darunter eine Vielzahl von Intensivtätern, Straftaten in unserem Land begangen haben, aber ein nur verschwindend geringer Teil von ihnen bislang abgeschoben worden ist. Wie kann das sein?
Bis jetzt sind offensichtlich fünf Abschiebungen erfolgt, und sie prüfen bei 18 Menschen eine weitere Abschiebung. Insgesamt haben wir 334 ausländische Kriminelle, die hier praktisch keiner Abschiebung zugeführt werden. Und wieso ist das so? – Weil es letztendlich ein großes Problem in Rheinland-Pfalz ist, da wir nicht die notwendige Zentralisierung haben.
Es ist ein Problem auch dadurch, dass sich das Integrationsministerium und das Innenministerium offensichtlich immer wieder streiten. Man sieht es daran, der Innenminister ist jetzt nicht anwesend, und ich gehe davon aus, dass gleich die Integrationsstaatssekretärin antwortet. Aber das ist in anderen Ländern anders. Da läuft das, da funktioniert es. Und hier funktioniert es nicht. Das ist das, was wir immer wieder angesprochen haben.
Das Problem ist auch noch, dass die Landesregierung ständig mit verschiedenen Erlassen die Kommunen durcheinander macht. Das ist schon ein riesiges Problem. Deswegen hätten wir gerne eine Zentralisierung.
Viel schlimmer ist aber, dass diese fehlenden Strukturen, das fehlende Informationsmanagement dazu führen, dass die Abschiebungen erst gar nicht vorgenommen werden können, weil schlicht unbekannt ist, wo sich die betreffenden Personen aufhalten. 334 ausländische Intensivstraftäter, und im Fall von 273 Straftätern ist eine Meldeanschrift nicht gesichert. Das geht aus unseren Anfragen hervor. Im Fall von 273 Personen wissen wir nicht genau gesichert, wo sie sich befinden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann doch wohl nicht wahr sein, nicht zu wissen, wo sich die Personen aufhalten. Obwohl sie unseren Schutz wollen, haben sie hier Straftaten begangen, und wir wissen nicht, wo wir diese Personen suchen wollen. Deswegen hätten wir uns auch gerne wieder für eine Wohnsitzauflage starkgemacht, aber das lehnen Sie vonseiten der Landesregierung ja seit Jahren ab.
Auch bei der Rückführung der Straftäter, vor allem im Fall von 80 asylsuchenden Intensivstraftätern aus Afghanistan, ist bei den letzten Rückflügen, die über die Bundespolizei und den Bund organisiert wurden, nicht einer mitgeflogen. Da fragt man sich auch, warum andere Länder sich daran beteiligen, Rheinland-Pfalz sich aber nicht daran beteiligt, obwohl gleichzeitig auf Bundesebene wieder darüber diskutiert wurde, dass ein Abschiebestopp für Afghanistan nicht erfolgen muss.
Es gibt eine ausführliche Studie – ich gehe davon aus, die kennen Sie auch, vom Auswärtigen Amt, sehr umfänglich –, in der ganz klar gesagt und die Situation neu bewertet worden ist: Selbstverständlich kann man auch nach Afghanistan abschieben. – Deswegen würden wir uns freuen, wenn Sie das einmal täten. 80 ausländische Straftäter allein aus Afghanistan in Rheinland-Pfalz, und nichts wird gemacht. Das kann doch wohl nicht wahr sein, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich will abschließend noch eines sagen. Das ist auch immer das Problem: Seit Jahren verweigern Sie immer wieder die Anerkennung der entsprechenden Länder als sichere Herkunftsländer. Das ist immer wieder verhandelt worden, auch von der Ministerpräsidentin. Für den Koalitionsvertrag der Großen Koalition ist verhandelt worden, die Maghreb-Staaten aufzunehmen. Nichts passiert hier vor Ort. In Berlin wird etwas verhandelt, hier vor Ort läuft es komplett anders. Sie richten sich nicht danach, und das kann im Grunde genommen ebenfalls nicht sein! Hier könnten wir zügig Menschen in die sicheren Herkunftsländer abschieben.
Ich möchte abschließend noch sagen, für alle demokratischen Fraktionen hier im Haus ist doch die Humanität die Leitlinie unserer Politik. Das hat absolut oberste Priorität, so denke ich. Wir dürfen aber schlicht und ergreifend nicht dulden, dass asylsuchende Menschen unsere Hilfsbereitschaft dadurch missbrauchen, dass sie bei uns Straftaten begehen und dann nichts passiert.
Das wollen wir nicht. Deswegen sind wir mit unserem Antrag mit Lösungsvorschlägen gekommen. Wir würden uns freuen, wenn Sie diesem Antrag zustimmen würden.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Humanität ist die Leitlinie der Politik, hat Herr Lammert gesagt. Ja, ich würde das ausdrücklich unterstreichen. Aber bei vielen Äußerungen in der Bundesrepublik, auch bei dem Streit zwischen CSU und CDU auf der Bundesebene, sind erhebliche Zweifel angebracht, ob die Humanität die Leitlinie der Politik ist.
Vor welchem Hintergrund diskutieren wir diese Fragen? Es sind schwierige Fragen. Es geschieht vor dem Hintergrund, dass die UNO uns gerade gesagt hat, dass noch nie so viele Menschen auf der Flucht waren wie heute
Die meisten Länder, die ganz viele Flüchtlinge aufnehmen müssen, sind Länder, die nicht die Ressourcen wie wir als Land und als Bund haben. Sie machen es.
Natürlich wissen sie, dass wir Exportweltmeister sind, dass wir Geschäfte mit der ganzen Welt machen und ein Teil unseres Wohlstands darauf beruht. Das beinhaltet auch, dass wir Lasten zu tragen haben. Das beinhaltet bei unserer politischen Vorstellung, dass man versucht, menschlich umzugehen.
Ich empfehle all denjenigen, die über Abschiebung sprechen – wir praktizieren sie in Rheinland-Pfalz, ja –, zu sehen, dass wir, wenn man bei aller Unsinnigkeit von Vergleichslisten die Länder vergleicht, allein bei den Abschiebungen an der vierten Stelle der Länder liegen, die abschieben.
Zusammen mit den freiwilligen Ausreisen liegen wir auf Platz 3. Herr Lammert, dann sagen Sie, in allen Ländern passiert das besser und anders als bei uns.
(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das kann doch nicht stimmen, was Sie erzählen, Herr Lammert!)
Das ist nicht die Tatsache. Ich empfehle Ihnen allen eine Dokumentation von Hauke Wendler, „Protokoll einer Abschiebung“ im NDR. Es ist am 1. August 2016 gesendet worden und hat den Grimme-Preis 2017 bekommen. Dort wird im Übrigen ein Satz zitiert: „‚Jeder Asylbewerber sollte aus diesen Bildern lernen‘, ist einer der zahlreichen und eher hilflosen Sätze, die hier von einem Politiker zu Protokoll gegeben werden.“
befördert das Nachdenken und die Entwicklung einer eigenen Position. Das ist Aufklärung und Bildung im besten Sinne. Davon wünscht sich die Jury mehr im deutschen Fernsehen.“
Ich glaube, unsere Aufgabe ist es nicht, den Menschen, den Mitbürgerinnen und Mitbürgern Angst zu machen, sondern Verständnis zu wecken und für den Rechtsstaat zu werben. Alle Menschen haben einen Anspruch, dass sie rechtsstaatlich behandelt werden.
Das gilt auch für Flüchtlinge. Das gilt auch dafür, dass wir nicht mit zweierlei Maß messen. Um zu Ihren konkreten Forderungen zu kommen, möchte ich sagen, wir haben natürlich in Rheinland-Pfalz Maßnahmen ergriffen. Es ist positiv, wenn das Innenministerium abschätzt, von welchen Menschen möglicherweise ein Stück mehr Gefährdung ausgeht. Es sind aber nicht Gefährder im Sinne dessen, was wir auf Bundesebene für Begrifflichkeiten vereinbart haben. Man darf nicht fahrlässig mit so etwas umgehen. Solche Einschätzungen über Menschen kann man auch nicht in die Öffentlichkeit bringen. Der Pranger ist irgendwann abgeschafft worden. Das ist eine Errungenschaft im deutschen Rechtssystem.