Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Geräuschpegel nimmt immer mehr zu. Würden Sie ihn ein bisschen absenken, damit die Kollegin noch durchdringt? – Danke schön.
Gott sei Dank sind wir in Rheinland-Pfalz sozusagen mit einem blauen Auge davongekommen. Wir sind durchaus damit einverstanden und begrüßen es, dass auf Bundesebene heute die Entscheidung getroffen wurde, in ihrer Existenz bedrohten Landwirtinnen und Landwirten unter die Arme zu greifen. Wir befürworten auch, dass dafür öffentliche Gelder des Steuerzahlers genutzt werden.
Aber auch die Landwirtschaft muss ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten und auf künftige extreme Wetterereignisse gut vorbereitet sein. Ich weiß nicht, wer am Sonntagabend die Sendung mit Anne Will und unter anderem
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gesehen hat. Dort war auch Professor Schellnhuber zu Gast. Er hat sehr deutlich gemacht, dass wir, wenn es ein „Weiter so“ gibt, nicht nur nicht erreichen,
dass sich die Atmosphäre weniger als 2 Grad Celsius aufheizt, sondern dann sogar mit 4 oder 5 Grad Celsius rechnen müssen.
sondern wir bei den Zahlungen und den Steuermitteln darauf achten, dass sie zu einem Umbau der Landwirtschaft in Richtung Bio und Öko führen.
Besten Dank. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Agrarbericht 2018 erscheint zu einem wichtigen Zeitpunkt. Wir stehen kurz vor dem Start der europäischen Trilogverhandlungen zu den Legislativvorschlägen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020. Auch national stehen wir auf der Schwelle wichtiger Weichenstellungen. Die Herbstagrarministerkonferenz wird sich schwerpunktmäßig mit der GAP nach 2020 befassen ebenso der Bundesrat.
Wenn wir uns die Einkommenslage der Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 2016/2017 anschauen, dann können wir einerseits sagen, endlich hat sich etwas deutlich verbessert. Im längerfristigen Vergleich allerdings stagniert sie bei zunehmend volatilem Verlauf auf dem Niveau der Jahre 2006 und 2007.
In den letzten drei Jahren haben dazu auch die erheblichen Wetterkalamitäten beigetragen. Seit ihren Anfängen setzt sich die GAP bei nach wie vor unveränderter Zielstruktur im Landwirtschaftskapitel des EU-Vertrags mit dem Einkommensziel auseinander. Bis heute ist das Paritätsziel mit außerlandwirtschaftlichen Sektoren nicht erreicht worden.
Mit dem im Wirtschaftsjahr 2016/2017 erzielten Einkommen von 28.474 Euro pro Arbeitskraft in der rheinlandpfälzischen Landwirtschaft im Haupterwerbsbetrieb bei einer Durchschnittsgröße von 66,3 ha können wir sagen, dass die Lage nicht zufriedenstellend ist. Im Vergleich dazu erwirtschafteten die Haupterwerbsbetriebe im Bundesvergleich bei einer durchschnittlichen Fläche von 82,9 ha land
Im Haupterwerb des ökologischen Landbaus schnitten mit 442 Euro pro Arbeitskraft und Hektar bei einer Durchschnittsgröße von 89,3 ha landwirtschaftlicher Fläche die ökologischen Betriebe am besten ab. Ich erwähne den Bundesdurchschnitt, weil es keinen Landesvergleich zwischen den beiden Agrarbewirtschaftungsformen gibt.
Wir haben natürlich Freude daran, wenn ökologisch wirtschaftende Betriebe ein hohes Einkommen erzielen. Deswegen finde ich die Debatte, konventionellen und ökologischen Landbau gegeneinander auszuspielen oder aufzuwiegen, nicht mehr zeitgemäß. Weil hier suggeriert worden ist, wir hätten in der Landesregierung damit irgendwelche Probleme, ist zu sagen, die haben wir nicht.
Für mich als Wirtschafts- und Landwirtschaftsminister muss es beides geben. Es liegt allerdings in der Verantwortung der Betriebe, wie sie sich aufstellen. Es gibt einerseits die Möglichkeit, im ökologischen Landbau höhere Marktpreise zu erzielen, was sehr wichtig zur Stabilisierung der heimischen Landwirtschaft ist, andererseits aber gibt es höhere Risiken. Wir haben das mit der PeronosporaEpidemie erlebt und sehen es beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Aber es liegt in der Verantwortung der Betriebe selbst, wie sie sich aufstellen. Wir jedenfalls verfolgen das Ziel eines 20 %igen Anteils ökologisch wirtschaftender Betriebe, weil wir die Notwendigkeit am Markt sehen.
Darüber gibt es Einigkeit in der Landesregierung. Wenn ich es richtig sehe, verfolgt auch die Bundeslandwirtschaftsministerin das gleiche Ziel auf Bundesebene, wenngleich – es ist hier schon gesagt worden – wir in Rheinland-Pfalz erfolgreicher sind als der Bundesdurchschnitt.
Meine Damen und Herren, die wichtigsten Agrarmärkte sind nach der Krise zu einer positive Entwicklung mit mittelbis langfristigen nachfragebestimmten Perspektiven zurückgekehrt. Einzig der Zuckermarkt zeigt noch Anpassungsreaktionen im Lichte der beendeten Zuckermarktordnung 2017.
Die rheinland-pfälzische Landwirtschaft unterliegt allerdings infolge ihrer ungünstigen Agrarstruktur und insbesondere unzureichender Betriebsgrößen und als Realteilungsgebiet mit dem größten Strukturwandel in Deutschland. Wenn wir Vergleiche ziehen mit anderen Bundesländern, ist das immer interessant. Das machen wir in vielen Wirtschaftsbereichen, aber es würde keinen Sinn ergeben, Bundesländer zu haben, wenn sie alle exakt gleich wären. Deswegen gibt es sehr unterschiedliche Herausforderungen, und es ist wichtig, regionale, sprich Landesagrarpolitik zu betreiben, weil das, was unsere Betriebe brauchen, andere Anforderungen sind als das, was Betriebe etwa in Ost- oder Norddeutschland brauchen.
Insbesondere die divergierenden Betriebsgrößen machen die rheinland-pfälzische Landwirtschaft zu einer besonderen Herausforderung. Wir sind vom Strukturwandel besonders stark betroffen, was nicht für die Weinbaubetriebe gilt, sondern auch für die übrigen Agrarbetriebe. Der Strukturwandel lässt sich, wie in jeder Branche, auch in der
Agrarwirtschaft nicht aufhalten, aber er bedarf einer Flankierung. Er muss vernünftig gestaltet werden.
Dazu hat die Landesregierung mit dem Entwicklungsprogramm EULLE eine breit angelegte Wettbewerbs- und Innovationsoffensive gestartet. Eine besondere Frage ist dabei die Hofnachfolge. Damit steht die junge Generation im Mittelpunkt. Sie will wissen, wohin die Reise geht. Sie braucht Verlässlichkeit. Sie braucht eine klare Ansage. Wenn junge Menschen ihre Zukunft planen, wollen sie wissen, was die Landwirtschaft ihnen bietet. Deswegen halten wir auch nichts davon, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dort ständig zu verändern.
Man könnte jetzt lange über Pflanzenschutzpolitik und über die Dinge sprechen, die wir gegenwärtig erleben. Wenn ich mir allein anschaue, wie wir mit dem Zuckerrübenanbau umgehen, man einerseits Neonicotinoide verbietet, aber in den nächsten sechs Monaten kein Betrieb weiß, wie er Neonicotinoide bei der Saatgutbeize ersetzen soll, dann ist das ein Problem. Das sind keine guten Signale. Deswegen wünschen wir uns von der Bundesregierung Klarheit und klare Entscheidungen. Diese Dinge darf man nicht aussitzen, weil sie sich nicht von selbst lösen. Man kann Neonicotinoide ersetzen, aber dann muss man auch einen Weg haben, wie das passieren soll.
Wir begleiten diesen Wandel auch in der Pflanzenschutzpolitik konstruktiv, aber wir brauchen Antworten. Einfach nur zu meinen, man könne alles streichen, und dann lösen sich die Probleme irgendwie in Luft auf, wird den Bedürfnissen nicht gerecht und begeistert vor allem junge Menschen nicht, dann in einen solchen Betrieb zu gehen.
Ich halte diese Sechs-Monats-Phase, in der wir uns jetzt befinden, für ein echtes Problem. Wenn ich ein junger Mensch wäre, würde ich mir genau anschauen, dass sich vielleicht Vater, Mutter, Onkel und Tante die Frage stellen, ob sie ihr Geschäftsmodell als Zuckerrüben anbauender Betrieb aufrechterhalten können, die Politik noch zu einer Lösung kommt oder das jetzt in eine Krise geht. Das kann eine Entscheidung für oder gegen eine Hofnachfolge ganz massiv beeinflussen.
Deswegen dürfen wir uns in der Agrarpolitik – ich sage das mit allem Ernst – solche Hängepartien und Regulierungslücken nicht erlauben, wie wir sie gegenwärtig in dieser Frage haben.
Es ist viel gesagt worden über die Akzeptanz der Agrarpolitik oder der Agrarwirtschaft in der Gesellschaft. Das sind alles wichtige Themen. Es ist gut, dass es hier klar ausgesprochen wird. Wir leben in einer Marktwirtschaft, die auch nachfrageorientiert ist. Deswegen müssen wir das, was sich die Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen, wie zum Beispiel die Anbaumethoden, ernst nehmen. Das ist ganz wichtig. Wir können nicht einfach sagen, ihr wünscht euch eine bestimmte Agrarwirtschaft, aber wir machen etwas völlig anderes. Das kann in der Marktwirtschaft nicht erfolgreich sein. Deswegen müssen wir schon ernst nehmen, was die Verbraucherinnen und Verbraucher sagen.
Wir müssen aber auch politisch so agieren, dass diese Wünsche umsetzbar sind, ohne dass dabei vergessen wird, dass die Bäuerinnen und Bauern, die Winzerinnen und Winzer für diese Leistungen, die die Verbraucherinnen und Verbraucher einfordern, bezahlt werden.
Ich glaube, das ist die größte Herausforderung in der Agrarpolitik der nächsten Jahre, dafür zu sorgen, dass zusätzliche Anforderungen, die an die landwirtschaftlichen Betriebe herangetragen werden, mit einer höheren Vergütung über die Marktpreise korrelieren. Das hat die Politik nicht geschafft.
Das ist im Übrigen eine der größten Schwächen auch der europäischen Agrarpolitik, die wir gemeinsam angehen müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass Mehrkosten bei der Produktion zu höheren Verbraucherpreisen führen. Das muss ganz im Fokus der Gemeinsamen Agrarpolitik stehen.
Wir haben in vielen Bereichen in Rheinland-Pfalz Grund, optimistisch zu sein, aber wir stehen auch noch vor großen Herausforderungen.
Wir werden heute Abend noch viel über Agrarwirtschaft sprechen, auch im Rahmen des Parlamentarischen Abends. Deshalb will ich abschließend nur noch einige Sätze zu der Dürresituation sagen. Sie ist in der Tat eine große Herausforderung für viele Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern. Hier in Rheinland-Pfalz sind wir relativ gut durch die Dürre gekommen.
Nun hat der Bund gemeinsam mit den Bundesländern ein Programm mit 170 Millionen Euro Bundesmitteln aufgelegt, zu dem 14 Bundesländer 170 Millionen Euro hinzugeben, weil sie vor Ort Betriebe haben, von denen sie sagen, sie sind in einer nennenswerten Zahl in ihrer Existenz gefährdet.
Solche Betriebe haben wir in Rheinland-Pfalz nicht und haben uns deswegen diesem Programm nicht angeschlossen, auch um zu vermeiden, dass Bürokratie geschaffen wird; denn diese Verfahren sind sehr bürokratisch. Die Betriebe können nicht einfach sagen, ich habe wegen der Dürre Erntemindererträge, sondern sie müssen eine Existenzgefährdung des Betriebs nachweisen. Jeder kann sich einigermaßen vorstellen, welchen Aufwand das bedeutet. Man muss den gesamten Betrieb transparent machen.
Weil wir in Rheinland-Pfalz eine durchschnittliche Ernte, in manchen Ecken sogar eine etwas überdurchschnittliche Ernte haben, können wir davon ausgehen, auch nach Rücksprache mit den Bauern- und Winzerverbänden, dass wir hier keine Existenzgefährdung der Betriebe infolge der Dürre haben. Ich will nicht sagen, dass die Betriebe alle in rosigen Zeiten leben, aber es muss eine Existenzgefährdung aufgrund der Dürre nachgewiesen werden. Deswegen macht es keinen Sinn, dass wir ein solches bürokratisches Verfahren mit einem Riesenaufwand produzieren, um am Ende eine Masse an Ablehnungen von Bescheiden zu produzieren.
Deswegen gibt es hier für uns ein gewisses Aufatmen nach diesem Jahr. Es war wieder eine Herausforderung, wieder eine extreme Wetterlage, aber wir konnten doch ganz gute Ernten erzielen. Deswegen war auch nach Rücksprache mit der Branche für uns klar, dass wir ein solches bürokratisches Verfahren nicht brauchen.
Selbstredend stehen wir weiterhin in engem Kontakt, beobachten ganz genau, was auf den Feldern und in den Betrieben passiert, und haben das Ohr ganz nah an der Branche, was die Menschen auch verdient haben.
Aufgrund der verlängerten Redezeit der Landesregierung stehen den Fraktionen jeweils weitere 5 Minuten Redezeit zur Verfügung. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Aussprache zu diesem Bericht erledigt.
Ich darf nicht nur zum Parlamentarischen Abend einladen, sondern auch ganz herzlich zur nächsten Parlamentssitzung. Wir beginnen morgen um 09:30 Uhr.