Protokoll der Sitzung vom 23.08.2018

(Zuruf von der SPD: 85!)

85, selbst 90 –,

(Abg. Michael Hüttner, SPD: Und nächstes Jahr noch 100!)

aber wenn Sie wüssten – dann hätten Sie sich jetzt nicht gemeldet –, dass in Wien 500 Millionen Euro investiert werden und in Biberach Milliarden in mehreren Jahren investiert werden, dann ist dieser Anteil in Ingelheim immer noch wichtig.

(Zuruf des Abg. Benedikt Oster, SPD)

Auch uns muss doch zu denken geben, was unsere Schwerpunkte sind. Wir haben heute Morgen von einem Journalisten in der Presse gelesen – mich hat es zumindest nachdenklich gestimmt –, dass die Aktuelle Debatte mehr und mehr zur Scheindebatte wird und immer das Gleiche wieder aufgewärmt wird.

Mein Wunsch wäre es, wenn wir über Mittelstandspolitik und Industriepolitik reden, dass wir darüber reden, ob wir uns alle einig sind, dass es das Ziel sein muss, jeder, der in Rheinland-Pfalz wohnt und hier arbeiten will, schafft auch einen Arbeitsplatz. Dann müssen wir eine konzertierte Aktion machen und Arbeitsplätze schaffen, nämlich mindestens die, die die westdeutschen Flächenländer schaffen.

(Glocke des Präsidenten)

Dazu gehört das vereinfachte Ausweisen von Gewerbegebieten. Dazu gehört ein Konzept für den Mittelstand, das in Ihrem Koalitionsvertrag steht, aber bis heute noch nicht vorliegt, und es gibt ein Konzept, wie wir uns als Standort Rheinland-Pfalz im europäischem Wettbewerb – Stichworte Künstliche Intelligenz, Wettbewerb zwischen Frankreich, Saarland und Rheinland-Pfalz – positionieren wollen.

(Abg. Marco Weber, FDP: So wie die Bundesregierung!)

Das sind unsere Aufgaben.

(Beifall der CDU)

Nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bollinger von der Fraktion der AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben schon viele Zahlen genannt. Die Industrieumsätze in Rheinland-Pfalz sind im ersten Halbjahr 2018 gegenüber dem Vorjahreszeitraum kräftig gestiegen:

(Beifall des Abg. Marco Weber, FDP)

um 4,4 %, und die Auslandsumsätze sogar um 9,8 %, beides oberhalb des Bundesdurchschnitts. Die Industrie

produktion lag in Rheinland-Pfalz im ersten Halbjahr erstaunliche 17,1 % über der des Vorjahreszeitraums.

(Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Und die bei den anderen?)

Die Beschäftigtenzahl konnte damit leider nicht mithalten, stieg aber gleichwohl in der Industrie um 2,1 %.

(Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: So ist es!)

Meine Damen und Herren, hier gibt es kein Vertun. Das sind beeindruckende Zahlen. Bloß weil wir im Landtag die Rolle der Opposition innehaben, müssen wir das nicht schlechtreden.

Diese Gesamtzahlen werden allerdings wesentlich durch eine Sonderentwicklung in der pharmazeutischen Industrie bestimmt. Die Umsätze der pharmazeutischen Industrie sind laut Statistischem Landesamt im ersten Halbjahr 2018 um 87,3 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen.

Leider geht diese Entwicklung in der pharmazeutischen Industrie nicht mit einem Beschäftigungsaufbau einher, ganz im Gegenteil; denn die Zahl der Beschäftigten in dieser Branche ist sogar um 11,3 % gesunken. Das ist schade und relativiert diese Erfolge etwas; denn der Anstieg der Beschäftigung – das wurde schon gesagt – ist aus volkswirtschaftlicher Sicht ein wesentlicher Aspekt einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung.

Neben Sondereffekten verstecken sich hinter den Gesamtzahlen für das erste Halbjahr sehr wohl einige Probleme. Der Umsatzzuwachs in der Chemie sowie in der Herstellung von Kfz bzw. Kfz-Teilen lagen unter der allgemeinen Inflationsrate. Damit sind zwei der drei größten Industriebranchen im Land angesprochen.

Bei der Herstellung von Kfz bzw. von Kfz-Teilen gab es sogar einen Beschäftigungsabbau, was alarmierend ist. Ich glaube, es leuchtet unmittelbar ein, das Gerede von Diesel-Fahrverboten in einer solchen Situation hilft der Branche nicht unbedingt.

(Beifall der AfD)

Regional ist die rheinland-pfälzische Wirtschaft insbesondere in der Pfalz durch Industriebetriebe geprägt, wobei es dort in hohem Maße um Großunternehmen geht, gerade in der Pharmaindustrie, die durch ihre besonders positive Umsatzentwicklung angesprochen wurde.

Mittelständische Unternehmen sind demgegenüber, dem Mittelstandsbericht der Landesregierung zufolge, zu drei Viertel im Dienstleistungssektor tätig. Vor diesem Hintergrund ist die im Titel der Fragestellung, respektive der Debatte implizierte direkte Verknüpfung zwischen der Entwicklung der Industrieumsätze und der Lage des Mittelstands fraglich, auch wenn eine gewisse Korrelation sicherlich anzunehmen ist.

Sei es darum, natürlich profitiert auch der rheinlandpfälzische Mittelstand von der guten allgemeinen Konjunkturlage trotz des unzureichenden Breitbandausbaus und

trotz der sanierungsbedürftigen Verkehrsinfrastruktur im Lande.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Ja, trotz!)

99,5 % der rheinland-pfälzischen Unternehmen gehören zum Mittelstand. Doch auch wenn es den letzten Zahlen zufolge seit 2016 wieder einen leichten Zuwachs gab, ist die Zahl der mittelständischen Unternehmen seit 2010 um 10 % gesunken. Das sind fast 18.000 Unternehmen weniger.

Trotzdem nahm die Zahl der Arbeitsplätze in den mittelständischen Unternehmen in den letzten Jahren zu, und auch der Gesamtumsatz der mittelständischen Wirtschaft steigt seit 2010.

Meine Damen und Herren, ja, unsere mittelständischen Unternehmer sind tüchtig, innovativ und erfolgreich. Ziel einer verantwortlichen Wirtschaftspolitik muss es nun sein, die Rahmenbedingungen für die unternehmerische Tätigkeit optimal zu gestalten. Wenn man die Einschätzungen aus der rheinland-pfälzischen Wirtschaft zur Kenntnis nimmt, besteht definitiver Verbesserungsbedarf.

Schon in unserer Aktuellen Debatte zum Thema „Wirtschaftspolitik“ im Mai dieses Jahres hatten wir die vielstimmige öffentliche Kritik aus den Industrie- und Handelskammern und dem Technologiebeirat an der Wirtschaftspolitik der Landesregierung zum Thema gemacht.

Frau Szczesny-Oßing, die Präsidentin der IHK Koblenz, hat hier klare Worte gefunden: Der Mittelstand, die Öffentlichkeit und die Wähler hätten keine Ahnung davon, mit welchen Themen sich Minister Wissing für den Mittelstand starkmachen wolle und welche Agenda er gegebenenfalls auch gegen Widerstände in der eigenen Landesregierung durchzusetzen bereit sei. –

Mitgliedsunternehmen der IHK Pfalz gaben der Landesregierung in der Wirtschaftspolitik eine Note von 3,5. Das ist eine 4+. Auch heute beklagen die Vertreter der Wirtschaft in Gesprächen mit uns, dass die Ampelregierung wenige bis keine zielführenden Impulse in der Wirtschaftspolitik setze. Wobei gar nichts zu machen, das sagen die gleichen Vertreter ebenfalls, schon ein Fortschritt gegenüber der vorherigen rot-grünen Regierung sei, die mit einigen Vertretern immer noch Teil der heutigen Regierung ist.

(Beifall der AfD)

Meine Damen und Herren, in der zweiten Runde möchte ich darauf eingehen, wie wir unsere Wirtschaft besser unterstützen können.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Nun erteile ich das Wort Frau Abgeordnete BlatzheimRoegler von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Rheinland-Pfalz ist Mittelstandsland und zugleich ein überaus erfolgreicher Wirtschaftsstandort. Das hat auch keiner negiert. Die Zahlen – rund 160.000 mittelständische Unternehmen und rund 700.000 Menschen, die dort Beschäftigung finden – sind bereits genannt worden.

Der mittelständische Unternehmergeist und die ausgeprägte Innovationsbereitschaft im rheinland-pfälzischen Mittelstand sind wirklich tragende Säulen der guten Gesamtentwicklung dieses Landes. Vielleicht nenne ich einfach einmal ein paar Namen, damit es greifbar wird: zum Beispiel den Eifeler Unternehmer Matthias Kuhl, Inhaber von Premosys. Das ist eine Firma, die in Kalenborn-Scheuern und nicht im Speckgürtel von Mainz sitzt, spezialisiert auf Digitalisierung und elektronische Geräte für einen vielfältigen Markt. Matthias Kuhl – da möchte ich ihm auch von dieser Stelle noch einmal ganz herzlich gratulieren – ist in den Rat für Technologie des Landes Rheinland-Pfalz berufen worden. Es ist wirklich ein Unternehmer, der auch weltweit unterwegs ist.

Ein zweites Beispiel ist Werner Zimmermann von Rhenocoll aus Konken, auch nicht gerade eine Großstadt, im Kreis Kusel. Er vertreibt gesunde Farbe, das heißt Farbe, die umweltfreundlich ist, und exportiert in insgesamt 75 Länder – auch ein super Beispiel für einen tollen Unternehmergeist in Rheinland-Pfalz.

Eine Firma aus meinem Kreis habe ich vor Kurzem mit dem Minister besucht: Müllers GmbH in Kröv, zwei sehr pfiffige junge Männer, die eine Firma aufgezogen haben als Dienstleistungsanbieter im Bereich Steillagenweinbau, die also Landtechnik anbieten und selbst eine Maschine gebaut haben, die in der Lage ist, auch in der Steillage den Boden nachhaltig zu bearbeiten, aber auch zu ernten, und die als zweites Standbein einen bundesweiten Winterdienst anbieten.

Das sind drei Namen und drei Beispiele aus RheinlandPfalz. Es gibt – dafür ist Rheinland-Pfalz bekannt – eine ganze Menge an Hidden Champions. Das macht das Rückgrat unseres Mittelstands aus.

Im Vergleich zu den westdeutschen Flächenländern und zu Deutschland insgesamt leistet das produzierende Gewerbe, das in Rheinland-Pfalz von der Industrie dominiert wird, einen überdurchschnittlichen Beitrag zur Wertschöpfung. Aktuell weist das Land für das produzierende Gewerbe ohne Baugewerbe mit 30 % hinter Baden-Württemberg und dem Saarland den dritthöchsten Wertschöpfungsanteil aus. Auch das ist eine Zahl, die sich sehen lassen kann.

Die positive Entwicklung der Erwerbstätigkeit spiegelt sich auch in einer sinkenden Arbeitslosigkeit wider. Die jahresdurchschnittliche Zahl der registrierten Arbeitslosen verringerte sich nach Angaben der Bundesagentur in RheinlandPfalz von 120.000 im Jahr 2010 auf ca. 106.000 im Jahr 2017. Das ist ein Rückgang um 11 %.

Wenn gesagt wird, wir würden in Rheinland-Pfalz nicht mit dem Aufwuchs an Arbeitsplätzen im Verhältnis zu ande

ren Bundesländern mithalten, dann muss man aber auch deutlich sagen: Sehen Sie sich einmal die Region Trier an. Dort gibt es keine Arbeitslosigkeit. Im Gegenteil, dort sucht man händeringend Beschäftigte.