Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Debatte um das Kirchenasyl wird immer wieder der Eindruck erweckt, und so ein bisschen kam das auch herüber, es gäbe ein Humanitätsdefizit in den Entscheidungen unseres Staates, das auszugleichen Sache der Kirchen sei. Eine solche Argumentation verkennt die Eigenart eines Rechtsstaats; denn hier ist es geradezu die Aufgabe des Rechts, grundlegende Menschenrechte durchzusetzen und so für ein humanes Zusammenleben zu sorgen.
Die heute oft beschworene Wertegemeinschaft ist deshalb so problematisch, weil Werte subjektiv sind und daher sehr unterschiedlich sein können. Auch totalitäre Staaten haben Werte, nur eben andere, als die unsrigen.
Allein das Recht, das auf der Anerkenntnis von Menschenwürde und Grundrechten beruht, garantiert die Einhaltung der Menschlichkeit und humanitärer Standards. So dient das Recht der Humanität. Daher war es schon eine üble Entgleisung, dass Frau Rauschkolb im Integrationsausschuss behauptet hat, das rechtsstaatliche Handeln der demokratisch gewählten Regierung Italiens sei nicht der Humanität verpflichtet.
Herr Minister, ich habe ausdrücklich nicht von rechtsfreiem Raum gesprochen. Ich habe davon gesprochen, dass der Rechtsstaat ausgehöhlt wird. Das ist etwas anderes.
Der Generalvikar des Bistums Trier hat selbst in einer internen Mitteilung zugestanden, dass es erhebliche Defizite im Dossierverfahren gibt. Etwa die Hälfte aller Kirchengemeinden und Orden, die ein Kirchenasyl durchführen, halten sich nicht an diese Regeln. Es bleibt dabei, dass das Ende dieses Verfahrens dann nicht eindeutig geregelt ist, wenn nach einem Dossier das BAMF erneut einen ablehnenden Beschluss ergehen lässt. Das ist doch genau das Problem, das wir haben.
Jetzt kommt die Ministerin und will eine weitere Mediation machen. Da sehen wir in diesem gesamten Verfahren eine Ungleichbehandlung gegenüber unseren Bürgern, denen in anderen Rechtsstreitigkeiten nicht ein solcher ausufernder Instanzenweg zur Verfügung gestellt wird.
(Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie verstehen es nicht! Das ist Quatsch, was Sie jetzt sagen!)
Das hatte seinen guten Grund – ich habe das erklärt – in einer Zeit, in der der Staat nicht für Recht und Gerechtigkeit gesorgt hat. Es ist nicht zufällig so, dass mit Beginn des 19. Jahrhunderts diese Rechtstradition praktisch ausgestorben ist. Das hatte seinen Grund, weil wir rechtsstaatliche Wege installiert haben, die das Kirchenasyl im Grunde genommen überflüssig machen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, zunächst vielen Dank für die rechtliche Einordnung und Klarstellung. Es ist im Prinzip alles gesagt.
Liebe Kollegin Marlies Kohnle-Gros, dennoch ein herzliches Dankeschön für die Klarstellung vonseiten der CDU, das klare Bekenntnis zum Kirchenasyl.
Das war in der letzten Zeit nicht immer so deutlich. Zuletzt hat Herr Landrat Bröhr noch bei einem kleinen Einspieler in der Sendung „hart aber fair“ von einem rechtsfreien Raum gesprochen, den es nicht geben dürfte. Das war der völlig falsche Zungenschlag.
Herr Minister, Sie haben es ausgeführt. Es gibt ab einem gewissen Zeitpunkt keinen Schutz mehr vor Strafverfolgung. Formalrechtlich, ja. Aber es muss doch unser Ziel sein, zu deeskalieren und nicht zu eskalieren. Es muss möglich sein, konfliktfreie Lösungen zu finden und nicht der Staatsanwaltschaft und der Polizei die Lösung des Problems zu überlassen.
Das ist genau der Geist der Vereinbarung, die im letzten Jahr von Frau Ministerin Spiegel, Herrn Minister Lewentz mit den Kirchen, kommunalen Spitzenverbänden und Polizei getroffen wurde. Alle haben diese Vereinbarung ausdrücklich gelobt. Gerade was Herrn Landrat Bröhr anbelangt, bin ich der Auffassung, wenn man einer Partei angehört, die das C im Namen trägt, hat man eine besondere Verantwortung.
Was der Sache wirklich besser dienen würde, ist eine Problemlösungsstrategie – daran arbeitet die Landesregierung – und keine Profilierungsstrategie eines ambitionierten Landrats.
Wir stehen als SPD-Fraktion und Koalition klar zum Instrument des Kirchenasyls. Die Kirchen können sich darauf verlassen, dass wir das nicht nur halbherzig oder strikt formal sehen. „Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat“ ist die Überschrift der Aktuellen Debatte. Ja, das passt zusammen.
Sie haben aber einen wesentlichen Aspekt des Artikels 28 Grundgesetz unterschlagen, meine Damen und Herren der AfD. Das spielt bei Ihnen offenbar gar keine Rolle. Dort heißt es, die Bundesrepublik ist ein demokratischer, sozialer Rechtsstaat. –
Herr Minister Mertin, es gab in der Tat eine ausdrückliche Anweisung an die Kreisverwaltung, keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen in diesem Fall zu ergreifen.
Das ist schon ein bisschen mehr als das, was Sie sagen, dass man jetzt darüber reden möchte, wie man das handhabt. Zunächst aber einmal gab es eine Weisung, dass nichts passieren darf, und das zu einem Zeitpunkt, an dem noch die Sechsmonatsfrist gegolten hat. Ich beziehe mich jetzt noch einmal auf das Urteil des Verwaltungsgerichts in dieser Sache, damit das noch einmal ganz klar ist.
Der Tenor lautet: Der Vollstreckungsgläubiger – das ist die Kreisverwaltung – wird bis zum 11. Juli dieses Jahres – das sind die sechs Monate, um die es nach Dublin-III geht – ermächtigt, selbst oder mithilfe von im Wege der Vollstreckungshilfe tätigen anderen Behörden zum Zwecke der Abschiebung des Vollstreckungsschuldners nach Italien entsprechend dem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20. Dezember 2017 die Wohnung – usw. – zu öffnen oder öffnen zu lassen und bei Widerstand gegebenenfalls mit Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane Gewalt anzuwenden. – So viel zur Kavallerie.
Kavallerie reden, wenn die Polizei – die Bundespolizei oder die Landespolizei, Herr Minister Lewentz, vielleicht stellen Sie sich auch einmal vor die Leute – tatsächlich nicht nur aufgrund der Rechtsgrundlage handelt, sondern spezifiziert nach einem Urteil dafür die Ermächtigung hat.
Das bezieht sich natürlich auch auf den Landrat. Meine Damen und Herren, er vollzieht die Gesetze im Auftrag des Landes.
Das müssen Sie ein Stück weit akzeptieren. Dann stehen Sie dazu, wenn Sie eine andere Meinung haben.
Ich möchte noch einen Satz sagen. In den letzten Monaten gab es eine öffentliche Diskussion, dass die Dublin-Fälle bei den Verfahren zum Kirchenasyl eine immer größere Rolle gespielt haben. Man hat bewusst auf Zeit gespielt. Herr Minister Lewentz – jetzt komme ich wieder auf Sie –, in diesem Zusammenhang hat die Innenministerkonferenz auf Vorlage des Bundesinnenministeriums die Regeln verschärft
und die Sechsmonatsfrist ausgeweitet, dass man also noch darüber hinaus solche Abschiebungen vollziehen kann. Das war bisher nicht der Fall, es kam dann das Selbsteintrittsrecht.
Sie drehen das jetzt um und sagen, wir haben jetzt mehr Zeit, weil es nun die 18 Monate und nicht mehr die sechs Monate gibt. – Sie nehmen also keine Verschärfung, sondern eine Erleichterung an