Protokoll der Sitzung vom 12.07.2016

Die Aussage ist übrigens mehr als interessant, dass nur er schuld war, wenn man sich die Unterlagen ansieht, die uns am vergangenen Freitag aus dem Innenministerium übersandt worden sind.

Frau Dreyer, es gibt sehr eklatante Widersprüche zu Ihrer Aussage; denn offenbar war es der von Ihnen in der Staatskanzlei beauftragte Beihilfeexperte, Herr Dr. Traupel, der seinerzeit die Firma KPMG ins Boot holte. Er war es, der die Finger sehr entscheidend mit im Spiel hatte, und damit die Staatskanzlei. Es war also die Staatskanzlei, Herr Dr. Traupel, der in Ihrem Auftrag handelte. In einem Schreiben der KPMG an die Landesregierung aus dem Januar 2013 heißt es ganz klar, dass er bei einem etwaigen Investorenauswahlverfahren mit dabei ist.

Es geht weiter. Der Vertrag mit der KPMG trägt die Unterschrift Ihres Beihilfeexperten aus der Staatskanzlei. Die Vergütungsvereinbarung mit KPMG, sie trägt die gleiche Unterschrift, Bezug Staatskanzlei.

Es geht wieder weiter. Im August 2015, also nach dem 1. Oktober 2104, schrieb die KPMG eine Mail an das Land. In dieser Mail empfahl KPMG eine weitgehende Recherche zu den Hintergründen der einzelnen Bieter. Es ging darum, welche Erkundigungen über die Hahn-Bieter eingeholt werden sollten. In dieser Mail heißt es: „Im Nachgang auch zur Besprechung in der Staatskanzlei (...) möchten wir sie (...) um eine Rückmeldung zu folgender Handlungsempfehlung bitten.“ – Also Frau Dreyer, doch Staatskanzlei. Und Sie, Sie zeigen aufs Innenministerium.

(Beifall der CDU)

Adressat dieser Mail neben zwei Vertretern des Innenministeriums ist Ihr Beihilfeexperte aus der Staatskanzlei, Dr. Traupel, und „Cc“ Ihr Chef der Staatskanzlei, Herr

Hoch, im Verteiler. Im August 2015 war das Beihilfeverfahren doch längst abgeschlossen. Also war die Staatskanzlei immer informiert und immer im Boot.

Eine Regierungschefin, die nicht für sich selbst Verantwortung übernimmt, sondern es auf andere schiebt, eine solche Regierungschefin sät Misstrauen. Deshalb kann ich für meine Fraktion sagen, wir vertrauen Ihrem Regierungshandeln nicht mehr, weil Ihre Worte nicht mehr stichhaltig sind.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Frau Ministerpräsidentin, wir können festhalten, KPMG wurde durch einen Mitarbeiter Ihrer Staatskanzlei ins Boot geholt, auch für das Verkaufsverfahren. Ihr Mitarbeiter der Staatskanzlei hat die Vergütungsvereinbarung an KPMG unterschrieben. Ihr Mitarbeiter und Ihr Chef der Staatskanzlei, wie Sie ein Jurist, waren im Verteiler, als es um die Überprüfung der Geschäftspartner durch die KPMG ging. Während des Verfahrens gab es eine zentrale Besprechung in Ihrer Staatskanzlei. Bei dieser Aktenlage stellen Sie sich hier hin und tun so, als hätten Sie mit dem Verkaufsprozess nichts zu tun gehabt. Frau Dreyer, ich muss Ihnen sagen, das hätte ich selbst Herrn Beck nicht zugetraut.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat in den vergangenen Tagen immer wieder betont, die KPMG sei für die Überprüfung der Käufer zuständig gewesen. KPMG habe ausgewählt. Darauf habe man sich sehr verlassen.

Heute lesen wir aber etwas ganz anderes in der „RHEINPFALZ“. Jeden Morgen lesen wir etwas Neues. Scheibchenweise kommt von Ihrer maximalen Transparenz Ihre maximale Intransparenz zum Vorschein. Es gab sehr wohl auch aus der Landesregierung Warnungen vor diesem chinesischen Käufer. Im Finanzministerium habe es kritische Fragen gegeben, was das Finanzministerium auszeichnet, vielleicht auch erklärt, warum das Finanzministerium bei den Verkäufen nicht eingebunden war und nicht sein wollte.

Liebe Kollegen, insbesondere der FDP und der Grünen: Wussten Sie das eigentlich? – Das sind nur zwei Beispiele, bei denen wir feststellen müssen, offensichtlich hat die Landesregierung, die Ministerpräsidentin nicht die Wahrheit gesagt; denn wenn ein Minister aus dem Kabinett grünes Licht gibt und eine andere Ministerin ein rotes Licht gibt, dann muss einer entscheiden, der höher ist, ob man das rote Licht beachtet oder das grüne. Frau Dreyer hat sich für das grüne Licht, für das Weiterfahren entschieden. Deshalb haben Sie es zur Chefsache gemacht, und deshalb sind Sie verantwortlich, Frau Dreyer.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Deshalb fragen wir uns immer wieder, was noch zum Vorschein kommt. Jeden Tag kommt etwas Neues zum Vorschein. Ich kann mir vorstellen, gerade die FDP-Kollegen fragen sich, was noch alles zum Vorschein kommt.

Nach wie vor ist unklar, was dem Kabinett bei seiner Entscheidungsfindung vorlag. Welche Unterlagen? Was haben Sie sich angesehen, als Sie dort die Hand für den Verkauf hoben? Haben Sie den Businessplan jetzt gelesen oder nicht, Frau Dreyer? Auch diese Antwort sind Sie der Öffentlichkeit noch schuldig.

Wer den Businessplan gelesen hat, wie viele in meiner Fraktion und ich selbst auch, der konnte sofort erkennen, dass hier etwas nicht stimmen konnte.

Frau Ministerpräsidentin, bis heute haben wir noch kein klares Wort von Ihnen zu Ihrer eigenen Verantwortung gehört. Sie haben gesagt, es seien schlimme Fehler passiert. Ja, das ist richtig. Es gab grobe Fehler. Ein Fehler ist noch kein Grund, einen Misstrauensantrag zu stellen. Aber die Wiederholung und die Systematik von Fehlern und Vertuschung sind ein Grund, einen Misstrauensantrag zu stellen.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Es gab grobe Fehler. Aber wer hat sie gemacht? Wer steht dafür gerade?

Uns ist aufgefallen, genau wie Ihr Vorgänger Kurt Beck sieht Ihr Sprachgebrauch nur vor, es wurden Fehler gemacht. Sie sagen selbst nach den aufgedeckten Vorfällen noch nicht einmal: Ich habe Fehler gemacht.

Herr Lewentz hat in der Plenardebatte in der vergangenen Woche nur ein einziges Mal gesagt: Es tut mir leid. – Das bezog sich aber nicht auf den Hahn, sondern darauf, dass er aus vertraulichen Unterlagen zitiert hat.

Herr Schweitzer sagte, die SPD steht zu ihrer Verantwortung.

Herr Schweitzer, Verantwortung und Haftung gehören zusammen. Wenn die Übernahme von Verantwortung nicht von Taten begleitet wird, ist dieser Satz gar nichts mehr wert und wahrscheinlich eher der Versuch, ein Signal an einen Koalitionspartner zu setzen, der allmählich kalte Füße bekommt.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Verehrte Frau Dreyer, Sie delegieren Verantwortung auf Herrn Lewentz. Sie sagen, Sie hätten mit dem Verkauf nichts zu tun. Sie übernehmen die Verantwortung, nein, anders, Sie sagen, Sie geben Fehler des Innenministeriums zu. Das ist schon eine besondere Redewendung. Das Innenministerium hätte den Prozess noch enger begleiten müssen, sagte Frau Dreyer. Nach Lesart der Ministerpräsidentin war der Innenminister schuld. Trotzdem bleibt Herr Lewentz im Amt. Dazu sagten Sie der BILD-Zeitung: Der Minister müsse sich darum kümmern, dass das Verkaufsverfahren erfolgreich beendet wird. – Was ist, wenn es nicht erfolgreich beendet wird?

Warum aber verhandelt dann plötzlich der Wissenschaftsstaatssekretär den Verkauf der Grundstücke, wenn doch Herr Lewentz dafür zuständig ist? Da fragt man sich doch: Brauchen Sie Herrn Lewentz wirklich, um das Verkaufsverfahren abzuschließen, oder brauchen Sie ihn etwa als

„Bad Bank“ für alles, was in den kommenden Wochen und Monaten noch zum Vorschein kommen wird?

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Eines ist auch wieder klar: Herr Lewentz delegiert die Verantwortung an Herrn Stich, oder warum sonst hat er die Aufklärung in China ihm überlassen? Herr Stich gibt es an KPMG weiter. Damit KPMG etwas weitergeben kann, haben Sie wieder Berater eingestellt, wie heute zu lesen war, die die Berater beraten sollen. Das kennen wir schon vom Nürburgring. Man delegiert Verantwortung dadurch von sich weg, dass man Gutachter Gutachten begutachten lässt.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hören von Ihnen als Begründung, warum Sie KPMG, von denen Sie sich laut eines Interviews in der RheinZeitung nicht ausreichend beraten fühlen, weiter beschäftigen: weil Sie jetzt eingearbeitet seien. – Da fragen wir uns: Eingearbeitet ins Falschberaten oder eher ins Kopf-für-Siehinhalten? Das liegt ziemlich nahe, Frau Dreyer.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU – Abg. Hedi Thelen, CDU: Sehr gut!)

Sie und Ihre Regierung gehen derzeit mit größerem Engagement an die Delegation von Verantwortung als an die Lösung der eigentlichen Probleme.

Frau Dreyer, anlässlich Ihrer Kabinettsumbildung – Sie erinnern sich; viele erinnern sich sehr genau – im November 2014 machten Sie deutlich – das war schon beeindruckend für viele; darauf haben Sie Ihr Vertrauen aufbauen wollen und auch immer damit im Wahlkampf gearbeitet –, dass ein Rücktritt bedeute, politisch die Verantwortung zu übernehmen.

Wörtlich sagten Sie – ich zitiere –: „Es gehört aber zum Wesen von Politik, dass auch abgesicherte, fundierte Entscheidungen“ – was es hier noch nicht einmal gab – „sowie die beste Absicht nicht die politische Verantwortung nehmen. Durch die Rücktritte wird der Weg frei gemacht, dass wir den Blick nach vorne richten können.“

Frau Dreyer, heute sagen Sie, Verantwortung zu übernehmen heißt für mich nicht sofort, einen Minister zu entlassen. Was sollen wir Ihnen glauben, was gilt?

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Frau Dreyer, was muss in diesem Land eigentlich noch alles passieren, damit sich in Ihrer Regierung jemand zu seiner Verantwortung bekennt? Was muss passieren, damit in Ihrer Regierung jemand wegen eines Fehlers zurücktritt und Verantwortung und Haftung dann zusammenkommen, wie in anderen Berufsbereichen außerhalb eines Parlaments?

Was heißt für Sie Verantwortung, Frau Dreyer? Eine Chefsache – dazu hat Frau Dreyer den Hahn gemacht – wird nicht über Nacht zur Sache des Innenministers, nur weil die Dinge vollkommen aus dem Ruder laufen und Frau Dreyer

sich damit nicht identifizieren will. Frau Dreyer hat vor der Landtagswahl mit einer persönlichen Integrität geworben. Sie hat versprochen, ein Desaster wie am Nürburgring werde sich nicht wiederholen. Das Gegenteil ist der Fall. Bereits dort hat sich Frau Dreyer damals im Insolvenzverfahren in der Öffentlichkeit gegenüber dem damaligen Käufer, Herrn Wild, stark exponiert, der dann schon die zweite Rate nicht bezahlen konnte. Der Verkauf platzte.

Das heißt, es ist nichts Neues, was hier passiert. Die Frage ist: Können wir einer Ministerpräsidentin trauen, die Fehler wiederholt, die schon einmal mit Ansage passiert sind? Ich habe da meine Zweifel.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Wir werden es gleich wieder hören, die Koalitionäre empören sich, weil es einen Misstrauensantrag gibt. Dazu möchte ich die heutige RHEINPFALZ zitieren: „Auch der Misstrauensantrag gegen Dreyer ist nicht überzogen, wie jetzt SPD-Fraktionschef Schweitzer glauben machen will. Er ist kein Vorschlaghammer. Der Antrag ist vielmehr die passende Antwort der Opposition auf das schier unglaublich schlampige Agieren der Landesregierung beim HahnVerkauf. Hätte ein Manager eines Wirtschaftsunternehmens sich solch eine Luftnummer geleistet, er müsste ganz sicher gehen.

Dreyer muss sich schon deshalb dem Misstrauensvotum stellen, weil sie in ihrer Verteidigungslinie selbst aufgedeckt hat, dass sie sich gar nicht groß um den Hahn-Verkauf gekümmert hat. Mit den chinesischen Käufern habe sie persönlich keinen Kontakt gehabt, sagt sie. Aus Sicht Dreyers soll das für sie entlastend sein. Doch dieses Eingeständnis zeigt nur, wie kopflos die Regierung bei wichtigen Entscheidungen handelt.“ Dazu kann man mehr gar nicht sagen.

(Beifall bei CDU und AfD – Zuruf des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Rhein-Zeitung von heute bringt es in Bezug auf die FDP weiter auf den Punkt: „Politisch ist die Hahn-Affäre für sie ein GAU. Erst wenige Wochen in der Regierung, werden sie unweigerlich in den Sog der gescheiterten Verkaufsverhandlungen im Hunsrück gezogen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihre Fraktionsvorsitzenden haben bereits gestern angekündigt, dass sie in zwei Tagen einstimmig abstimmen werden. Auch die Sätze des damaligen Fraktionsvorsitzenden im Jahr 2012 – das ist im Landtagsprotokoll beim Misstrauensantrag gegen Herrn Beck zu lesen; damals war Herr Hering der Fraktionsvorsitzende; es ist interessant, wie sich Sätze wiederholen –, klangen ähnlich. Da hieß es folgendermaßen – ich zitiere –: „Es gibt keine inhaltliche Alternative zur Politik der Landesregierung, aber es gibt auch keine personelle Alternative zu Ministerpräsident Kurt Beck. Wir werden gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten, gemeinsam mit Kurt Beck, auch die Probleme am Nürburgring lösen.“

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Das war eine Drohung!)

Was übrig geblieben ist, das wissen wir.