Protokoll der Sitzung vom 21.02.2019

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt geht das wieder los!)

Frau Lerch, ich wollte noch einmal auf Ihre Anmerkung „Ausländer raus“ zu sprechen kommen.

(Abg. Helga Lerch, FDP: Ja!)

Es geht hier nicht um „Ausländer raus“. Deutschland braucht hoch qualifizierte Migration, und das ist im aktuellen Punkt auch nicht streitig.

Es geht auch nicht um Polen, Italiener oder Franzosen,

(Abg. Helga Lerch, FDP: Jetzt wird es ja noch schlimmer!)

sondern es geht um bestimmte Migrantengruppen, die oft kulturfern sind und sich weitgehend abschotten. Ich weiß, wovon ich spreche.

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Sie sprechen von Rassismus!)

Ich war in Germersheim auf der Schule, und es gibt doch ein Klientel, es gibt Gruppen, die Sie auf normalem Weg kaum noch erreichen können.

Wir müssen doch auch ein positives Bild von Deutschland gerade für diese Schüler abgeben. Wir müssen die Schüler zu Demokraten und Patrioten erziehen. Es geht nicht nur um Demokratie, sondern wir müssen unser Land positiv besetzen. Wir müssen die deutsche Kultur und die deutsche Lebensart positiv besetzen; denn nur dann sind wir auch attraktiv für Migranten, die sich anstrengen. Also, es ist auch zum Teil unser eigenes Problem.

Ich möchte auch noch eine Anmerkung zum Migrationshintergrund an sich machen. Das habe ich ein Stück weit herausgehört aus Ihrer Argumentation. Das Kriterium Migrationshintergrund für sich genommen ist natürlich zu

schwach; denn auch Menschen wie der fleißige Pole oder Russlanddeutsche haben einen Migrationshintergrund. Wir müssen dazu kommen, dass wir den Migrationshintergrund näher untergliedern und auch genau wissen, wo die Voraussetzungen in den einzelnen Regionen und Schulen liegen. Daher macht es durchaus einen Unterschied, ob ich Schüler aus Polen, Russland, Spanien oder Italien habe, oder ob sie aus ganz anderen fernen Kulturkreisen kommen. Um dieses Verständnis geht es, und um dieses Verständnis möchte ich auch hier einmal werben.

Es ist keine gute demokratische Art, dies zu vereinfachen nach dem Motto „Ausländer raus“. Darum geht es nicht. Es geht um bestimmte Werte, die wir vorleben müssen, und es geht auch um bestimmte Forderungen, die wir aktiv einfordern müssen.

(Beifall der AfD)

Zur Erwiderung erteile ich der Abgeordneten Lerch das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin dankbar für die Klarstellung. Für uns als Freie Demokraten gibt es keine Ausländer erster und zweiter Klasse; denn genau das haben Sie eben gesagt.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Köbler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Deswegen haben wir auch im Landeshaushalt sowohl beim Bildungsministerium als auch beim Integrationsministerium in den letzten Jahren immer wieder Schwerpunkte gesetzt, gerade was die Sprachförderung und das Erlernen der deutschen Sprache angeht.

Wissen Sie, was das Beste ist für Kinder, die aus einer nicht deutschprachigen Familie kommen, um die deutsche Sprache zu erlernen? – Deutsche Freundinnen und Freunde.

(Abg. Matthias Joa, AfD: Ja, bei 95 %! – Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Dann gibt’s aber kein Deutsch mehr!)

Deswegen lernen bei uns Schülerinnen und Schüler mit oder ohne deutsche Muttersprache in unseren Schulen zusammen, und das ist der Regelfall. Darüber hinaus gibt es für Kinder, die gerade erst zugewandert sind, und solche, die noch keine Deutschkenntnisse haben, die Deutschintensivkurse in der Primarstufe mit 10 bis 15 Stunden pro

Woche und in der Sekundarstufe I mit 15 bis 20 Stunden pro Woche.

Weiterhin ist es für Kinder, die zwar schon Deutschkenntnisse haben, aber erhebliche Defizite haben, möglich, vier Stunden pro Woche zusätzliche Deutschförderung zu bekommen. Auch für diejenigen, die schon ganz gut Deutsch sprechen können, die aber noch Nachholbedarf haben, gibt es noch einmal eine abgestufte Möglichkeit in den Schulen, zwei weitere Stunden Förderung zu bekommen.

Herr Brandl, das denke ich mir nicht einfach aus, und es ist auch nicht in irgendeiner Weise willkürlich, sondern es steht alles in der gültigen Verwaltungsvorschrift für den Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in Rheinland-Pfalz.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Die ich auch zitiert habe!)

Als Sie die Aussprache zu der Großen Anfrage beantragt haben, habe ich mich schon gefragt: Was wollen Sie eigentlich? Worüber reden wir?

(Abg. Martin Brandl, CDU: Haben Sie die Zahlen nicht verstanden oder nicht gelesen?)

Worüber reden wir eigentlich? Ich muss sagen, an Ihrem Redebeitrag ist mir das auch nicht klar geworden. Das Einzige, was Sie erreicht haben, ist, dass die AfD jetzt wieder ihre ausländerfeindliche und rassistische Soße ausbreiten kann.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Michael Frisch, AfD: Das ist Verleumdung, sonst gar nichts!)

Meine Damen und Herren, die AfD hat die Grundschule Mainz-Weisenau als Beispiel genannt. Dazu kann ich etwas sagen, dort war ich nämlich heute Morgen, weil ich meine Kinder zur Schule gebracht habe. Wenn Sie mir erzählen, dass es an dieser Grundschule, weil sie vielleicht statistisch gesehen einen höheren Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund als andere Grundschulen hat – das liegt vielleicht auch an der Sozialstruktur der Stadt oder des Stadtteils –, irgendwie schlimmer sei oder es Probleme gebe, dann kann ich Ihnen sagen, ich bin dort fast jede Woche, manchmal sogar täglich. Ich kenne dort fast jedes Kind, ich kenne jeden Lehrer. Ich kenne den Schulleiter seit vielen Jahren. Sie machen eine ganz hervorragende Arbeit an dieser Schule.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist schon angeklungen: Es geht auch nicht um die Frage, Migrationshintergrund ja oder nein, sondern es geht ganz konkret um die Frage, Sprachförderungsbedarf ja oder nein. Dann kommt es gar nicht darauf an, welchen Pass die Eltern oder die Kinder haben,

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Da gibt es doch ganz offensichtlich eine Korrelation!)

sondern es kommt darauf an, dass wir erreichen müssen, dass alle Kinder an unseren Schulen entsprechend Deutsch lernen und die Sprache so lernen, dass sie sich verständigen können, dass sie auch den anderen Unterrichtsfächern folgen können, aber vor allem, dass sie später bei uns mitten in der Gesellschaft integriert sind. Dafür tun wir viel. An unseren Schulen und unseren Kitas wird sehr viel getan.

Herr Brandl, ich bin gern bereit, mit Ihnen zu diskutieren, an welcher Schule wir vielleicht noch ein Problem haben und wo wir noch mehr machen können. Dann müssen wir es konkret machen. Wir können dann darüber reden.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Das steht in der Anfrage, die Sie nicht gelesen haben!)

Wir sind uns im Ziel vielleicht sogar einig.

Ich will noch etwas zum herkunftssprachlichen Unterricht sagen, weil es so ein alter Hut ist.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Keine Ahnung ganz offensichtlich!)

Es ist seit Jahren erwiesen, dass nur derjenige, der seine Muttersprache einigermaßen korrekt beherrscht, auch in der Lage ist, eine aus seiner Perspektive fremde Sprache zu erlernen. Dort, wo die Muttersprache zu Hause nicht Deutsch ist, ist Deutsch zunächst einmal eine Fremdsprache.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Ihm fehlt die Lesekompetenz!)

Wer die deutsche Sprache als Schlüssel zur Integration für alle Kinder ernst nimmt – das tun wir –, der muss dafür sorgen, dass die Kinder zuerst ihre Herkunftssprache gut lernen. Deswegen machen wir beides, herkunftssprachlichen Unterricht und Deutsch als Regelsprache, Sprachförderung passgenau für alle Kinder in unserem Land.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Joa das Wort.

Herr Köbler, ich glaube, Sie sollten einen Ausflug in die Realität wagen. Sprechen Sie einmal mit Lehrern in Germersheim. Ohne das näher auf die konkrete Schule einzugrenzen, kann ich Ihnen sagen, was die Ihnen im vertraulichen Gespräch erzählen. Die sagen, wir können nicht mehr, wir werden hier verheizt.

(Zuruf der Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD)

Um Unterrichtsvermittlung geht es praktisch überhaupt nicht mehr.

Das Zitat mit der Schule in Mainz vorhin war ein Zitat aus der Allgemeinen Zeitung. Ich glaube, hier liegt unser Problem, indem wir sämtliche reell und real vorhandenen Probleme ableugnen und sagen, das ist überhaupt kein Problem, wir brauchen nur mehr Förderung, mehr Lehrer und Sozialarbeiter. Damit verleugnen wir die reale Lage.