Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Schellhammer für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Gruppe der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Heimatvertriebenen ist eine nicht unerhebliche und wichtige Gruppe in Rheinland-Pfalz, die unser Land geprägt hat. Diese Tatsache haben wir als Landtag gewürdigt, indem wir gemeinsam mit grüner Unterstützung vor einem Jahr den Antrag „Leistung und Geschichte von Aussiedlern wertschätzen“ beschlossen haben.
Ich erwähne übrigens, eine Blitzumfrage bei uns hat ergeben, dass nicht nur Abgeordnete, sondern auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Fraktion dieser Gruppe angehören. Deswegen haben wir uns sehr intensiv darüber ausgetauscht, vor welchen spezifischen Herausforderungen und Problemen sich diese Gruppe gestellt sieht. Es ist sehr spannend, sich damit auseinanderzusetzen; denn es sind sehr spezifische Probleme, beispielsweise bei der Ankunft in Deutschland und Rheinland-Pfalz und bei der Integration vor Ort. Einige werden auf den CDU-Antrag angesprochen.
Zu nennen sind beispielsweise Probleme der Anerkennung von Berufs- und Hochschulabschlüssen, Altersarmut oder Sprachprobleme.
In Rheinland-Pfalz haben wir – das wurde bereits erwähnt – bereits einen Landesbeauftragten für Migration und Integration, der sich sozusagen mit Wanderungsbewegungen und Migration auseinandersetzt. Er ist selbstverständlich auch Ansprechperson für die Heimatvertriebenen und Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in RheinlandPfalz, für diejenigen, die schon da sind, und für diejenigen, die noch kommen werden.
Den Bedürfnissen von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern wird Rechnung getragen, indem das Integrationsministerium auf seiner Internetseite ein spezielles An
gebot für diese Gruppe macht. Es gibt nicht nur ein Angebot, sondern es gibt konkrete Ansprechpersonen mit ihren Telefonnummern, die jederzeit kontaktiert werden können. Das finden Sie ganz einfach, wenn Sie bei Google „Spätaussiedler“ und „Rheinland-Pfalz“ eingeben. Sie kommen dann direkt auf diese Seite.
Die Frage der Anerkennung von Berufs- und Hochschulabschlüssen halten wir für einen ganz wichtigen Aspekt. Darum müssen wir uns selbstverständlich weiter kümmern.
In Ihrem Antrag fordern Sie, die Kultur und Geschichte der Vertriebenen und Aussiedler auf Dauer zu bewahren. Als Historikerin bin ich immer dafür, Geschichte und Kultur zu schätzen und zu pflegen. Ich sehe dabei keinen Widerspruch zu der nötigen Integration in die Gesellschaft des Aufnahmelandes, sondern, im Gegenteil, Rheinland-Pfalz wird durch die kulturelle Vielfalt bereichert. Geschichte und Kultur sind Teil der eigenen Identität.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, uns sind die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie Heimatvertriebenen wichtig. Wir müssen uns um ihre spezifischen Probleme und Bedürfnisse kümmern. Dafür haben wir den Landesbeauftragten für Migration und Integration und ein Integrationsministerium. Die Schaffung von Parallelstrukturen lehnen wir ab und damit auch den Antrag der CDU.
Den Antrag der AfD lehnen wir auch ab. Es gibt schon einen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung. Wir haben es gehört. Die Bündelung mit dem Weltflüchtlingstag am 20. Juni halten wir für richtig und sehen keine Veranlassung, einen weiteren Gedenktag einzuführen.
Was Zuschüsse vom Land anbelangt, ist im Haushalt bereits ein Betrag für Zuschüsse für Betreuungsaufgaben und für Maßnahmen zur Pflege und Erhaltung des Kulturgutes für Vertriebene und Flüchtlinge eingestellt.
Kurzum, wir werden beide vorliegenden Anträge ablehnen. Das bedeutet aber nicht – das möchte ich ausdrücklich für meine Fraktion und für die vielen Personen, die mit uns über ihre Hintergründe sprechen, betonen –, dass uns die Belange der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie Heimatvertriebenen egal sind. Viel wichtiger als neue Strukturen, wie zusätzliche Beauftragte oder zusätzliche Gedenktage, zu schaffen, sind die Wertschätzung und Aufmerksamkeit, die wir diesen Menschen für ihre Lebensleistung und die ihrer Vorfahren in guten Strukturen in Rheinland-Pfalz entgegenbringen.
Zu einer Kurzintervention hat sich der Abgeordnete Schmidt von der Fraktion der AfD zu den Ausführungen von Frau Schellhammer gemeldet.
Liebe Kollegen! Auch wenn der Kernpunkt unseres eigenen Antrags die Forderung nach institutioneller Förderung ist, möchte ich noch ein paar Worte zu dem sagen, was Frau Schellhammer wiederholt hat, nämlich zu dem Gedenktag, den es angeblich schon gäbe, weshalb man keinen eigenen bräuchte. Den Gedenktag, den es gibt, ist der 20. Juni, wo zeitgleich zum Weltflüchtlingstag auch den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden deutschen Heimatvertriebenen und Aussiedlern gedacht wird. An diesem 20. Juni geht regelmäßig das Gedenken an die deutschen Heimatvertriebenen und Aussiedler vor dem Hintergrund des Weltflüchtlingstags unter. Deswegen ist es sehr berechtigt, nach einem eigenen Gedenktag für diese große Gruppe zu verlangen.
Herr Dr. Braun gerne. Ich will an die Adresse der Grünen betonen, dass es in Hessen so etwas gibt und die dortige schwarz-grüne Regierung diesen eigenen Gedenktag am 2. Sonntag im September als eine Erfolgsgeschichte wertet.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Rheinland-Pfalz nimmt seine Migrationsgeschichte sehr ernst. Daher haben wir als Integrationsministerium das bundesweit erste und bisher einzige von einer Landesregierung finanzierte virtuelle Migrationsmuseum ins Leben gerufen, das unter anderem das Schicksal der Russlanddeutschen oder der Vertriebenen würdigt. Zugleich haben wir einen Landesbeauftragten für Migration und Integration.
Herr Brandl, Sie haben vorhin von einem Kümmerer gesprochen. Miguel Vicente ist sein Name. Er ist unser Kümmerer. Ihm möchte ich an dieser Stelle für sein hervorragendes Engagement als Landesbeauftragter danken.
Er ist selbstverständlich Ansprechpartner und Unterstützer für die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie die Vertriebenen. Er steht mit diesen in Kontakt.
Sie haben vorhin gefragt, was seit dem letzten Antrag gemacht wurde. Darauf möchte ich gerne eingehen. Wir haben momentan eine Veranstaltungsreihe in Schulen zum Online-Migrationsmuseum, in der diese Thematik eine Rolle spielt. Es ist dem Integrationsministerium und mir persönlich ein Anliegen, dass wir die Erinnerung daran an die nächste Generation weitergeben. Deshalb machen wir das an den Schulen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist wichtig bzw. kann nicht schaden, einen Bezug zu diesem Thema zu haben. Den habe ich; denn meine Großmutter väterlicherseits ist aus Königsberg.
Spätaussiedler sind für mein Ministerium ebenso Zielgruppe unserer Integrationspolitik wie andere Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. So halten wir es im Integrationskonzept der Landesregierung fest. Die Landesregierung hat diese Gruppe im Blick und zeigt auf vielfältige Weise Unterstützung und Wertschätzung.
Wir, meine Staatssekretärin und ich, haben bereits am 25. Januar und am 22. März letzten Jahres dem Parlament im Rahmen einer Plenarsitzung ausführlich dargelegt, wie die Landesregierung die Leistungen und Geschichte dieser Menschen im Rahmen von Veranstaltungen, Studientagen, Publikationen und im Fachlehrplan Geschichte wertschätzt und aufarbeitet.
Dabei zeigt gerade die Vielzahl an Landesinstitutionen, die bei dem Thema aktiv sind – angefangen von der Landeszentrale für politische Bildung über die Johannes Gutenberg-Universität und das Integrationsministerium bis hin zum Pädagogischen Landesinstitut –, dass das Thema „Kulturelles Erbe der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler bewahren“ im Rahmen unserer gesellschaftspolitischen Aufgaben und Zuständigkeiten breit verankert ist.
Die Landesregierung führt darüber hinaus regelmäßig Gespräche mit den Vertriebenenverbänden und unterstützt deren Anträge, und das im Übrigen auch schon seit vielen Jahren. Spätaussiedler sind auch strukturell in die Integrationspolitik des Landes eingebunden. So ist der Landesverband „Zusammenarbeit mit Osteuropa“ (ZMO) seit 2006 Mitglied des Landesintegrationsbeirats.
Am Rande sei auch bemerkt, dass mein Haus mit finanzieller Unterstützung des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien die Wanderausstellung „Das RusslandsDeutsche-Haus“ für das rheinland-pfälzische OnlineMigrationsmuseum „Lebenswege“ filmisch aufbereitet und als Dauerausstellung bereits 2014 implementiert hat. Im Übrigen gehen wir auf unserem Flyer explizit auch auf die Leistungen der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler ein.
Im Kontext dieser Ausstellung haben wir gemeinsam in Zusammenarbeit mit den Communities der Aussiedlerinnen und Aussiedler vor Ort drei Veranstaltungen, unter anderem auch in der Landesvertretung in Berlin, durchgeführt und haben somit die Integrationsleistungen der Aussiedlerinnen und Aussiedler gewürdigt.
Die zu uns nach Rheinland-Pfalz gekommenen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Vertriebenen haben, wie auch die anderen Migrantengruppen, unsere Gesellschaft mit ihren Talenten, Ideen und Fähigkeiten bereichert, unser Rheinland-Pfalz mit aufgebaut und zu einem wunderbaren Bundesland gemacht. Am Beispiel der Integration von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern sowie Vertriebenen ist es beispielhaft gelungen, was für die Integration aller nach Rheinland-Pfalz neu Zugezogenen gelten sollte, dass sich eben zahlreiche Institutionen, Organisationen und Verbände sowie die Politik verantwortlich fühlen und sie sich engagieren.
Diese interkulturelle Öffnung ist genau das, was wir brauchen, und auch die interkulturelle Verantwortung unserer Gesellschaft. Wir werden weiterhin die Leistungen und Geschichte dieser Menschen durch Veranstaltungen, Projektförderungen, Publikationen und vieles mehr würdigen. Die Landesregierung wird selbstverständlich auch weiterhin mit den Verbänden der genannten Gruppen Gespräche führen, und auch Miguel Vicente, der Landesintegrationsbeauftragte, wird weiterhin zur Verfügung stehen als wichtiger Ansprechpartner und Bindeglied der Landesregierung; denn wir werden als Landesregierung dieses wichtige Erbe weiterhin bewahren.
Zu einer Kurzintervention hat sich der Abgeordnete Schmidt von der Fraktion der AfD gemeldet. – Bitte schön, Herr Schmidt, Sie haben das Wort.
Liebe Kollegen, das wird jetzt meine letzte Wortmeldung für heute sein, und dann können wir alle in den Feierabend übergehen.
Aber Frau Ministerin, ich muss das doch noch kurz kommentieren. Ich habe Ihren durchaus empathischen Ausführungen mit Interesse zugehört, auch durchaus mit positiven Gefühlen. Wenn in der Realität diese Gedanken auch so ausgefüllt würden, dann würde man sich freuen.
Aber wenn Sie überlegen, dass auf der digitalen Seite Migration ein sehr großes Lob für die Beteiligung der Gast
arbeiter am Wirtschaftswunder gezollt wird, und wenn Sie dann kein Wort darüber verlieren, was die anderen, also die Heimatvertriebenen, zum Wiederaufbau des Landes nach Kriegsende und nach den ganzen Zerstörungen beigetragen haben und nicht einmal eine institutionelle Förderung von 25.000 bzw. jetzt 30.000 Euro gewähren, die die AfD übrigens in beiden Verhandlungen über den Doppelhaushalt gefordert hat, dann ist das nicht ehrlich. Herr Roth, wir haben das immer wieder gefordert; aber wenn nicht einmal diese kleine Summe dafür übrig ist, dann, muss ich sagen, finde ich das beschämend.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht mehr vor. Es wurde keine Ausschussüberweisung beantragt, dann können wir unmittelbar über die Anträge abstimmen.
Wir stimmen zunächst über den Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/8654 – ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Danke schön. Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU bei Enthaltung der AfD abgelehnt.