Protokoll der Sitzung vom 16.05.2019

Nächster Redner ist der Abgeordnete Lohr für die Fraktion der AfD.

(Zuruf von der CDU: Die SPD ist doch jetzt dran!)

Ich habe hier eine Reihenfolge vorgefunden, und die habe ich übernommen.

Herr Lohr, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Überraschung: Pünktlich zur Europawahl bespre

chen wir die Große Europa-Anfrage der Grünen. Man konnte gerade schon sehr deutlich in den Redebeiträgen hören, dass es hier überwiegend um eine Sache geht: ein nahezu kritikloses Loblied auf die Europäische Union und eine einseitige Betrachtung der Tatsachen.

Schon in der Einleitung der Großen Anfrage darf man bei nachfolgendem Satz aufhorchen: „Viele Umwelt- und Naturschutzprojekte konnten nur durch europäische Gesetzgebung und Förderung gelingen.“ Es mag zwar richtig sein, dass Rheinland-Pfalz viele Fördermittel erhält, doch man muss hier ganz einfach die Frage stellen, woher diese EU-Fördermittel kommen.

Einige in diesem Hause glauben scheinbar tatsächlich, dass der Ursprung dieser finanziellen Mittel irgendwo in Brüssel liegt. Deshalb werde ich Ihnen noch einmal erklären,

(Zuruf des Abg. Marco Weber, FDP)

woher das Geld eigentlich kommt. Die EU finanziert sich überwiegend aus den Beiträgen der Mitgliedstaaten. Auf Deutschland bezogen heißt das, wir geben viele Milliarden nach Brüssel, diese werden dort umverteilt, und einen Teil des Betrags erhalten wir wieder zurück. Zusammenfassend kann man sagen, wir fördern uns selbst, die EU ist lediglich der Verteiler, der Förderer ist Deutschland.

(Beifall der AfD – Zuruf der Abg. Elfriede Meurer, CDU)

Auch das Thema „Wirtschaft“ ist hier sehr erwähnenswert. Es ist vollkommen klar, dass der europäische Binnenmarkt gut für die rheinland-pfälzische Wirtschaft ist. Das hat mein Kollege Matthias Joa gestern auch so gesagt, auch wenn der eine oder andere Redner dies nicht mehr in seinem Skript anpassen wollte und uns eine gegenteilige Ansicht unterstellte. Die AfD bekennt sich ganz klar zum Binnenmarkt, und wir begrüßen es natürlich, wenn sich rheinland-pfälzische Produkte und Dienstleistungen hoher Beliebtheit erfreuen.

Dennoch gibt es auch hier eine andere Seite der Medaille – eine Schattenseite –, auf die ich eingehen möchte. Die Target-Salden der Deutschen Bundesbank steigen ins Unermessliche und betragen mittlerweile knapp 1 Billion Euro. Die Bundesbank hat also einen sehr, sehr hohen Betrag an Forderungen innerhalb des europäischen Auslands. Unser wirtschaftlicher Export lebt quasi vom Anschreiben bei der Bundesbank durch gewährte Überziehungskredite seitens der EZB. Wir bezahlen also auch unsere Exporte selbst, und statt diese Target-Salden immer weiter aufzublähen, sollte man schleunigst darauf hinwirken, dass die Salden ausgeglichen werden und nicht dieses Damoklesschwert über uns schwebt.

(Beifall der AfD – Abg. Matthias Joa, AfD: Jawohl!)

Als überzeugte Europäer spielen für uns als AfD-Fraktion

(Heiterkeit der Abg. Christine Schneider, CDU)

die kulturellen und grenzüberschreitenden Projekte eine

wichtige Rolle. So möchte ich an dieser Stelle eine Lanze für das Vierernetzwerk brechen. Die AfD begrüßt ausdrücklich den Partnerschaftsverband mit den Regionen Burgund, Oppeln und Mittelböhmen.

(Abg. Joachim Paul. AfD: Genau!)

Hier wird hervorragende Arbeit geleistet. Deshalb herzlichen Dank an die jeweiligen Akteure.

(Beifall der AfD)

Die Regionalpartnerschaften von Rheinland-Pfalz haben für uns einen sehr hohen Stellenwert. Hier wird ein europäisches Bewusstsein von unten, und damit bürgernah und lebendig gelebt. Wir stimmen der Landesregierung zu: Der trinationale Studiengang Europa-Master ist ein Leuchtturmprojekt. Wir finden es in der Tat ausgezeichnet, dass alle Teilnehmer gemeinsam das erste Semester in Oppeln, das zweite Semester in Mainz und das dritte Semester in Dijon studieren.

Mindestens genauso wichtig ist für uns aber auch, die berufliche Bildung nicht zu vergessen. Deshalb freuen wir uns über das Modell „Erfolg ohne Grenzen“. Es ist sehr wichtig, dass Jugendliche am Oberrhein die Möglichkeit haben, während ihrer Ausbildung ein Betriebspraktikum im Nachbarland zu absolvieren.

Ich möchte auch noch kurz auf das Thema „Umweltschutz“ zu sprechen kommen, da man aus unserer Sicht hier sehr oft mit der ideologischen Schiene kommt und die Zweckmäßigkeit außer acht lässt. Ja, es ist sinnvoll, wenn jeder bei sich privat anfängt, Ressourcen zu sparen und unnötigen Abfall zu vermeiden. Aber ein Verbot von Plastiktrinkhalmen wird doch nicht dafür sorgen, dass die Gewässer auf einmal plastikfrei werden. 90 % des Plastikmülls kommen aus Asien und Afrika. Ich kann Ihnen sagen, was passieren wird: Für jede eingesparte Tonne Plastikmüll in Deutschland werfen die Chinesen 2 Tonnen zusätzlich in den Jangtsekiang.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Das bedeutet, dass wir einfach so weitermachen?)

Es gibt auch innovativere Lösungen, ich habe es vorhin schon angesprochen. Es gibt mittlerweile die Möglichkeit, Plastikflaschen zu 100 % zu recyceln. Man muss nur beim Getränkehersteller Vöslauer nachschauen. Es gibt hier nicht nur Schwarz und Weiß.

Ad absurdum geführt wird die Umweltthematik dann, wenn jene, die umweltfreundliche Enthaltsamkeit predigen, genau gegenteilig handeln. Ich möchte einige Beispiele aufzählen: Claudia Roth fliegt 41.000 km nach Bangladesch und auf die Fidschi-Inseln, um das Klima zu retten. Oder Cem Özdemir: Er möchte den Diesel abschaffen und fliegt nach Peru oder nach Argentinien. Andere sollen verzichten, nur nicht die Grünen. Man könnte diese Liste der Doppelmoralisten ewig lang fortführen.

(Beifall der AfD – Zuruf von der AfD: Sehr gut!)

Es wird auch gemunkelt, die Grünen seien bei den Flug

gesellschaften beliebter als alle anderen Parteien, weil sie die fleißigsten Flugmeilensammler sind und in jedem Bonusprogramm die Spitzenplätze belegen. Ein klassisches Beispiel von Wasser predigen und Wein trinken. Wer selbst eine CO2-Bilanz wie ein Kreuzfahrtschiff aufweist, darf sich nicht als kleines Schlauchboot mit Paddeln ausgeben.

(Beifall der AfD – Abg. Christine Schneider, CDU: Haben Sie die falsche Rede nach vorne mitgenommen? – Abg. Martin Haller, SPD: Peinlich!)

Am gestrigen Tag wurde auch von der Notwendigkeit gesprochen, dass Europa mit einer Stimme spricht. Wir als AfD-Fraktion halten das auch für sinnvoll, wenn man einmal auf die richtigen Stimmen hören würde. Ein Beispiel wäre Italien oder Österreich. Oder vielleicht kann sich die CDU einmal an Kanzler Kurz orientieren, der hervorragende Arbeit leistet.

(Beifall bei der AfD)

Und wenn wir uns alle daran orientieren würden,

(Glocke des Präsidenten)

wäre es in Europa wahrscheinlich auch deutlich besser.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der AfD – Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Sehr gut!)

Nun erteile ich das Wort der Abgeordneten Scharfenberger von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestern Abend fand in der Staatskanzlei ein Konzert anlässlich des EUBeitritts Polens vor 15 Jahren statt. Von allen Rednern wurde zum Ausdruck gebracht, welche große Bedeutung die EU für die einzelnen Länder hat und wie positiv gerade die Beziehung von Rheinland-Pfalz zum Beispiel in dem Vierernetzwerk mit den Partnerregionen Burgund, Oppeln und Mittelböhmen sind.

Leider habe ich dort keinen Vertreter von Ihnen gesehen. Wenn es Ihnen so wichtig ist, wären Sie vielleicht gekommen.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Vielleicht sind wir nicht eingeladen worden, wie das üblich ist! – Abg. Christine Schneider, CDU: Das sagen Sie auch bei jeder Podiumsdiskussion! – Zurufe aus dem Hause)

Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz liegt im Herzen Europas. Durch die gemeinsamen Grenzen mit Frankreich, Belgien und Luxemburg gab und gibt es schon immer grenzüberschreitende Beziehungen in vielfältiger Form.

Auch zum Beispiel mit der Nordschweiz gibt es enge Beziehungen.

Ab dem 1. Juli übernimmt Rheinland-Pfalz den Vorsitz der Europaministerkonferenz für ein Jahr. Dabei stehen wichtige, schwierige Themen zur Beratung an, unter anderem der mehrjährige Finanzrahmen oder auch die weiteren Verhandlungen zum Brexit. Aber es werden auch Akzente gesetzt werden, die besonders für Rheinland-Pfalz wichtig sind.

Die Beantwortung der Großen Anfrage zeigt deutlich, wie vielfältig diese Beziehungen sind und wie die EU dazu beigetragen hat, dass diese Beziehungen intensiviert wurden. In vielen Bereichen gibt es einen Mehrgewinn durch die EU. Gerade auch in den Kooperationsräumen am Oberrhein oder in der Großregion nimmt Rheinland-Pfalz eine herausragende Stellung ein; denn hier ist Europa gelebter Alltag.

Bereits gestern haben wir uns intensiv in der Aktuellen Debatte mit den positiven Auswirkungen des europäischen Binnenmarkts befasst. Dabei spielen die grenzüberschreitende Arbeitsmarktmobilität und die wirtschaftliche Mobilität eine große Rolle; denn diese ermöglichen eine dynamische wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Die Menschen insbesondere in den Grenzgebieten leben täglich die europäische Integration. Regionale Arbeitsmarktakteure arbeiten grenzüberschreitend immer stärker zusammen. Die steigende Zahl der Grenzpendler zeigt dies deutlich.

Im Rahmen der beruflichen Bildung können Betriebspraktika im Ausland gemacht werden, ja sogar Ausbildungsabschnitte können im Nachbarland absolviert werden. Viele weitere Beispiele finden Sie in den Antworten der Großen Anfrage.

Aber ohne die europäisch geregelte Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Dienstleistungsfreiheit oder die Niederlassungsfreiheit wäre dies alles nicht möglich. Hieran müssen wir künftig weiter arbeiten. Die Proklamation der „Europäischen Säule sozialer Rechte“ war ein wichtiger Schritt. Ich darf, mit Erlaubnis des Präsidenten, Präsident Juncker zitieren: „Vom Recht auf faire Löhne und Gehälter bis zum Recht auf Gesundheitsversorgung, vom lebenslangen Lernen, von besserer Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben über die Gleichstellung der Geschlechter bis hin zum Mindestlohn – mit der europäischen Säule sozialer Rechte tritt die EU für die Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger in einer sich rasch wandelnden Welt ein.“

Deshalb setzen wir uns bereits seit Jahren für die Einführung gleicher sozialer Mindeststandards in den Mitgliedsländern ein. Es muss eine Rechtsraum für Mindestlöhne und Grundsicherungssysteme entwickelt werden, damit Menschen eben nicht ausgebeutet werden. Ein gutes Beispiel zeigt das gerade gefällte Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum besseren Schutz der Beschäftigten; denn die Dokumentation der Arbeitszeit ist wichtig, um Verstöße gegen die wöchentlichen Ruhezeiten und täglichen Höchstarbeitszeiten aufzudecken.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen weiteren Punkt hinweisen, der das Gerechtigkeitsempfinden anspricht. Es kann nicht sein, dass sich Firmen über Steu