Protokoll der Sitzung vom 22.08.2019

(Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Für die AfD-Fraktion spricht die Abgeordnete Dr. Groß.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen! In vielen zurückliegenden Plenarsitzungen haben wir den mit Wucht auf uns zukommenden Ärztemangel in der ambulanten Versorgung debattiert, auch die Mangelsituation im ÖGD. Die Landesregierung hat das sich schon lange, vor zwölf Jahren bereits abzeichnende Problem ignoriert, sodass jetzt keine wirksame Maßnahmen mehr greifen könnten. Durch den Masterplan zeichnet sich kein substanzieller Erfolg ab.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die Landesregierung nun Maßnahmen ergreifen bezüglich der ärztlichen Grundversorgung und den Nachwuchs im ÖGD sicherstellen. – Begrüßenswert! So sollen Vorab-Quoten eingeführt werden von 6,5 % für Medizinstudenten, die sich nach ihrer Ausbildung zum Allgemeinmediziner verpflichten, zehn Jahre lang in den ihnen zugewiesenen unterversorgten Regionen als Hausarzt tätig zu werden. Das entspricht 13 Studienplätzen pro Semester.

1,5 % – die zweite Quote – soll für diejenigen Medizinstudenten eingeführt werden, die sich nach ihrer Ausbildung zum Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen verpflichten, zehn Jahre lang in denjenigen Landkreisen tätig zu

werden, für die ein besonderer öffentlicher Bedarf festgestellt wurde. Dies entspricht drei Medizinstudienplätzen pro Semester.

Meine Damen und Herren, der Mangel an Hausärzten lässt sich nicht nur insbesondere in ländlichen Gebieten beobachten, sondern erfasst auch inzwischen zunehmend urbane Regionen. Tendenziell vom Mangel betroffen ist auch die Fachärzteschaft, wie die Zahlen zeigen.

In der Kategorie ÖGD waren mit Stand Oktober 2018 15 Stellen oder 12 % nicht besetzt. Bis zu ihrer Besetzung braucht es manchmal 45 Wochen bis zwei Jahre. In den kommenden zehn Jahren, so sagt die Landesregierung ja auch, scheiden zwei Drittel der ÖGD-Ärzte aus, die dann nicht mehr zur Verfügung stehen.

In der Kategorie der ambulanten Versorgung müssen bis 2022 4.000 Vertragsärzte nachbesetzt werden, und bis Ende nächsten Jahres müssen 1.467 Stellen im hausärztlichen Bereich nachbesetzt werden.

Kann man angesichts dieser erdrückenden Zahlen jetzt glauben, dass 13 bzw. drei Studienplätze pro Semester – ich zitiere Sie – „ein wirksames Mittel“ sind – ja, die Betonung liegt auf „wirksames“ –, um den erwarteten Landarztmangel und den Mangel im ÖGD zu bekämpfen? Steht das Verhältnis von Mangel und Maßnahmen zu dessen Behebung nicht in einem krassen Missverhältnis?

(Abg. Joachim Paul, AfD: Sehr richtig!)

Durch die 13-%-Quote können im günstigsten Fall 2031 – in elf Jahren! – 26 Hausärzte pro Jahr ihre Tätigkeit aufnehmen, im Sektor ÖGD drei.

Meine Damen und Herren, die Sicherstellung der ärztlichen Grundversorgung in Rheinland-Pfalz mittels festgelegter Quoten ist zumindest ein Schritt und kann als ein Modul beziffert werden. 70 % der Medizinstudenten sind Frauen, was eine erhebliche Quote an Teilzeitarbeit zur Folge hat, durch den Wunsch einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dementsprechend braucht man inzwischen drei Ärzte, um einen Hausarzt zu ersetzen. Diesem Umstand wird durch die Quotenregelung nicht Rechnung getragen. Der Faktor Teilzeitarbeit ist bei der Festlegung der Anzahl der Medizinstudienplätze zwingend zu berücksichtigen; denn nicht die Köpfe der Ärzte sind entscheidend, sondern deren jeweiliges Versorgungsäquivalent, und das hat bis heute keine Berücksichtigung gefunden.

(Beifall der AfD)

Das heißt, wir werden in den nächsten zwölf Jahren mit einer Mangelversorgung zu leben und umzugehen haben, weil die Landesregierung jahrelang das sich abzeichnende Problem nicht sehen wollte. Jetzt haben wir die Misere angesichts der Zahlen, die ich Ihnen gerade genannt habe.

(Beifall der AfD)

Damit sich die Ärzte wieder auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können, wird man daher den überbordenden Bürokratismus outsourcen, bestimmte ärztliche Tätigkeiten auf nichtärztliche Praxisassistenten und Versorgungsas

sistenten in der Hausarztpraxis übertragen müssen. Auch speziell ausgebildete Pflegekräfte werden bestimmte ärztliche Tätigkeiten übernehmen müssen. Das wird die Ressourcen der noch zur Verfügung stehenden Ärzte erhöhen.

Ich zitiere Frau Bätzing-Lichtenthäler vom 14. Februar 2019 in Kirchberg. Sie sagte, „die ärztliche Versorgung ist das zentrale soziale Zukunftsthema“. Frau Ministerin, diese Einsicht kommt sehr spät.

(Beifall der AfD)

Wenn dem so sein sollte, dann bedenken Sie auch den zunehmenden Fachärztemangel, der im Gesetz keine Berücksichtigung findet und ebenso gravierend spürbar sein wird wie der Mangel an Hausärzten.

Wir können nur hoffen, dass zügig das Angebot an Medizinstudienplätzen erhöht wird und das Standortprojekt Trier zum Wintersemester 2020 seinen Betrieb aufnimmt, damit Ausbildungsplätze für den klinischen Studienabschnitt geschaffen werden können.

Ich sage noch ein Wort zu dem, was Frau Dr. Machalet gesagt hat.

(Glocke der Präsidentin)

Ende. Dazu kommen wir vielleicht später noch. Im Ausschuss werden wir noch genügend Gelegenheit haben, einzelne Unklarheiten im Gesetzentwurf zu diskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Steven Wink.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Zum Thema, bitte!)

Verehrte Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie wir in den vielen letzten Plenarsitzungen diskutiert haben, wird aufgrund der älter werdenden Bevölkerung und der Altersstruktur der Ärztinnen und Ärzte die zukünftige Mehrbelastung sehr wahrscheinlich steigen. Wir Freien Demokraten haben immer wieder betont, dass die Stärkung und Sicherstellung der ärztlichen Versorgung für uns eine sehr wichtige Aufgabe ist.

Daher haben wir uns bei der Erarbeitung der Landarztoffensive sehr intensiv, wie unsere Koalitionspartner in der Ampel auch, in die Debatte eingebracht und mitgeholfen. Für uns ist klar, dass aufgrund der Dringlichkeit nur ein Paket aus mittel-, kurz-und langfristigen Maßnahmen zielführend sein kann.

Mit der Landarztoffensive wollen wir nichts unversucht lassen, um die Versorgung zukünftig sicherzustellen. Für uns gehört es zu verantwortungsvoller Politik, in herausfordernden Situationen rational zu entscheiden. Die Landarztof

fensive mit der Quotierung der mehr geschaffenen Studienplätze – Herr Dr. Enders hat das betont – wird jungen Menschen die Möglichkeit gegeben, Ärztin oder Arzt zu werden. Sie ist nur ein Teil des Maßnahmenpakets, das wir als Ampelkoalition auf den Weg gebracht haben.

Im Rahmen des Doppelhaushalts 2019/2020 lag ein Schwerpunkt auf der Verbesserung der telemedizinischen Angebote. Wir wollen, dass die Chancen der Digitalisierung zur Verbesserung der medizinischen Versorgung genutzt werden können. Die Förderung solcher Behandlungsmethoden soll mittelfristig zur Verbesserung der patientennahen und arztentlastenden Versorgung beitragen. Auch die sektorenübergreifende Versorgung kann hierdurch positiv gefördert werden.

Daher haben wir als Ampelkoalition im Haushalt 600.000 Euro zur Stärkung der Telemedizin in den Haushalt eingestellt. Mit den Telemedizin-Assistenzen nimmt das Thema Fahrt auf.

Die Auswahl der Modellregionen wurde sehr bedacht vorgenommen. Man kann zum Beispiel in diesen Modellregionen momentan etwas benachteiligte Seniorenheime sehr gut einbinden, wenn es darum geht, die Kopplung an die Hausärzte herzustellen. Die individuelle Förderung mit Ausbildung und Ausstattung, auch mit E-Autos, sind Bausteine dieses Modells.

Die breite Beteiligung vieler verschiedener Partner zeigt, dass wir unseren Forderungen nach einer Stärkung der Telemedizin und der Landarztoffensive im Ganzen den Geist der Zeit getroffen haben. Es geht hierbei nicht darum, irgendetwas auszuprobieren, sondern es geht darum, modernste Technik und neue Ärztinnen und Ärzte in die Fläche zu bekommen.

Wir Freien Demokraten sehen es daher als unabdingbar an, dass wir mit dem Zukunftsprogramm „Gesundheit und Pflege – 2020“ eine stärkere Zusammenarbeit der Akteure des Gesundheitswesens veranlassen. Gerade die Verzahnung von Akteuren vor Ort und deren Bedarfsanalyse kann Synergien und Vorteile erzeugen.

Um den Wunsch der Ärztinnen und Ärzte, sich zu vernetzen, zu entsprechen, halten wir den weiteren Ausbau allgemeinmedizinischer Weiterbildungszentren für einen wichtigen Schritt.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, dass wir ein breites Maßnahmenpaket auf die Füße gestellt haben. Wir freuen uns auf die Umsetzung und auf die Diskussion im Ausschuss.

Herr Dr. Enders, ich durfte Sie erst vor drei Jahren kennenlernen und mit Ihnen im Ausschuss zusammenarbeiten. Man hat sich ab und an etwas gekabbelt, aber das gehört dazu. Im Großen und Ganzen war es ein sehr respektvoller Umgang. Das Gerücht vom Ausstand nächste Woche habe ich schon gehört.

(Vereinzelt Heiterkeit bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf sagen, vielen Dank für die Zusammenarbeit. Viel

leicht sieht man sich irgendwo einmal wieder.

Danke schön.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Binz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Oft haben wir darüber im Gesundheitsausschuss, im Wissenschaftsausschuss und im Plenum diskutiert. Heute liegt uns endlich der Gesetzentwurf vor. Die Landarztquote kommt.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Endlich!)

Ergänzt wird sie – das begrüßen wir ausdrücklich – durch eine Quote für den ÖGD; denn auch den ÖGD plagen Nachwuchssorgen. Ihm kommen aber gesellschaftlich unverzichtbare Aufgaben zu. Deswegen ist es richtig, hier anzusetzen.

Möglich ist dieser besondere Weg in das Medizinstudium durch die Bildung einer sogenannten Vorabquote bei der Hochschulzulassung, also einer Quote, die nach den Prinzipien des Gemeinwohls und des Sozialstaats gebildet wird. Verbunden ist die Landarztquote mit einer Verpflichtung, nämlich jener, nach Studium und Facharztausbildung zehn Jahre in einem unterversorgten Gebiet zu arbeiten.