Protokoll der Sitzung vom 23.08.2019

2. Wie beurteilt die Landesregierung das grundsätzliche Wiederaufleben der Debatte um eine Pkw-Maut, insbesondere im Hinblick auf die Grenzverkehre von Rheinland-Pfalz?

3. Wie schätzt die Landesregierung mögliche Effekte einer flächendeckenden Pkw-Maut auf Verkehrsflüsse auf Landes- und Kommunalstraßen ein?

4. Welche möglichen Auswirkungen sieht die Landesregierung mit Blick auf die Pendlerinnen und Pendler in der Grenzregion?

Für die Landesregierung antwortet Staatsminister Dr. Wissing.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Entscheidung des höchsten europäischen Gerichts gegen die Pkw-Maut der Bundesregierung

(Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

war auch eine wichtige politische Klarstellung. Wer meint, europafeindliche Vorurteile über den Umweg der Verkehrspolitik bedienen zu müssen, wird scheitern. Das ist gut und richtig so.

Bei der Pkw-Maut ging es der CSU weniger um die Lösung eines verkehrspolitischen Problems. Es ging ihr darum, europafeindliche Ressentiments zu bedienen. Insofern ist das Scheitern der Pkw-Maut eine gute Nachricht für Europa.

Wie es besser gehen kann, zeigen die Entwicklungen bei der Lkw-Maut, wenngleich auch hier viele Aspekte zu beachten waren und sicher nicht alle Anregungen und Wünsche Berücksichtigung finden konnten. Grundsätzlich halte ich die bei der Lkw-Maut eingeschlagene Richtung, das heißt weg von der Steuer hin zur Nutzerfinanzierung, für den richtigen Weg.

Wer die Straßen stärker nutzt, sollte auch mehr an der Finanzierung der notwendigen Instandhaltung, Instandsetzung und Erneuerung beteiligt werden. Daher sehe ich in der Nutzerfinanzierung für alle Fahrzeugarten, somit auch für Pkw, eine potenziell gerechtere Lösung. Zugleich müssen jedoch Nachteile einer solchen Regelung vermieden werden. Bestimmte Regionen wie die grenznahen Regionen oder einzelne Nutzergruppen wie Berufspendler sollten nicht Leidtragende einer Neuregelung sein.

Darüber hinaus sollte die Minimierung des regulatorischen und administrativen Aufwandes im Mittelpunkt stehen. Deshalb sollte der bereits bestehende europäische Ansatz aus rheinland-pfälzischer Sicht beschleunigt werden; denn er ist deutlich erstrebenswerter als nationale Alleingänge. Viele Probleme im grenznahen Raum würden mit einer europäischen Lösung erst gar nicht auftreten.

Ich möchte an dieser Stelle nur einige dieser Probleme wie die notwendigen Ausnahmeregelungen, den Dschungel an Tarifsystemen oder die Flut an Plaketten an der Windschutzscheibe benennen.

Im Einzelnen beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Aus rheinland-pfälzischer Sicht ist das Scheitern der Pkw-Mautpläne der Bundesrepublik Deutschland differenziert zu betrachten.

Das Scheitern der Mautpläne führt dazu, dass vom Bund eingeplante Finanzmittel nicht im vorgesehenen Rahmen

zur Verfügung stehen. Das könnte auch Auswirkungen auf die Investitionen in die Infrastruktur des Bundes bei uns in Rheinland-Pfalz haben.

Zugleich hat das Scheitern der Mautpläne die prognostizierten negativen Auswirkungen auf die Grenzräume in Rheinland-Pfalz verhindert.

Wie Sie wissen, gab es auch aus rheinland-pfälzischer Sicht Kritik am Vorgehen der Bundesregierung, da das Ziel eines zusammenwachsenden Europas sowie die grenzüberschreitenden gutnachbarschaftlichen Beziehungen damit konterkariert würden.

Tatsächlich waren notwendige Ausnahmen im Grenzraum nicht vorgesehen. Dies hätte nicht zuletzt zu wirtschaftlichen Nachteilen und Kaufkraftverlusten in den grenznahen Städten und Gemeinden geführt, auch nicht gewollte Verkehrsverlagerungen in das untergeordnete Straßennetz wären die Folge gewesen. Deshalb habe ich insbesondere in der Sitzung des Bundesrates im März 2017 für die Aufhebung, zumindest aber die grundlegende Überarbeitung des Mautgesetzes geworben.

Zu Frage 2: Wie ich zuvor ausführte, sehe ich die Ausweitung der Nutzerfinanzierung grundsätzlich als richtigen Schritt an. Aus Sicht der Landesregierung ist die Beschleunigung des europäischen Ansatzes gegenüber nationalen Alleingängen zu bevorzugen.

Zu Frage 3: Mögliche Effekte der flächendeckenden PkwMaut sind maßgeblich von der Höhe und Ausgestaltung der Nutzungsgebühr abhängig. Bei einer streckenabhängigen oder gar dynamischen Nutzungsgebühr könnte diese auch zur Verkehrslenkung genutzt werden, etwa um besonders sensible Bereiche oder Zeiträume herum. Demgegenüber ist eine mögliche Lenkungswirkung von den mit Vignetten verbundenen Zeittarifen als gering zu bewerten. Ich halte die Vignetten-Lösung – offen gesagt – für veraltet und nicht in die Zeit passend.

Zu Frage 4: Zu möglichen Auswirkungen auf Pendlerinnen und Pendler gelten meine Ausführungen zu Frage 3 entsprechend.

Anmerken möchte ich, dass Mehrbelastungen für Pendlerinnen und Pendler in jedem Fall zu vermeiden sind. Damit würden Fehlanreize geschaffen werden, die die Wohnungs- und Verkehrsprobleme in den Ballungsräumen weiter verstärken würden.

Speziell im Hinblick auf die Grenzregionen möchte ich an dieser Stelle nochmals die Bedeutung des europäischen Ansatzes hervorheben.

Ich möchte noch einmal bekräftigen, die Landesregierung sieht den Wechsel von der Steuer- hin zur Nutzerfinanzierung der Infrastruktur grundsätzlich als richtig an. Der Weg dorthin ist jedoch mindestens genauso wichtig wie das Ziel selbst. Mehrbelastungen der Wirtschaft, der Bürgerinnen und Bürger sollten dabei vermieden werden.

Aus Sicht der Landesregierung sollte der europäische Ansatz weiter verfolgt werden. Mit seiner Lage in der Mitte von Europa können in Rheinland-Pfalz bei einer europäischen

Lösung viele Nachteile einer nationalen Betrachtung im Interesse der Grenzregionen und insbesondere ihrer Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürgern vermieden werden.

Statt zu versuchen, mit der Verkehrspolitik eine Politik gegen Europa zu machen, wie es die CSU praktiziert hat, müssen wir Europa in der Verkehrspolitik mitdenken. Nur so werden wir zu Ergebnissen kommen, die einem exportorientierten Wirtschaftsstandort wie Rheinland-Pfalz gerecht werden.

Vielen Dank.

Ich möchte zunächst als Gäste im Landtag Schülerinnen und Schüler der Oberstufe des Lina-Hilger-Gymnasiums aus Bad Kreuznach begrüßen. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Oster.

Sehr geehrter Herr Minister, danke schön für die Ausführungen.

Bezüglich der Verkehrsministerkonferenz hätte ich eine Frage: Wie stehen Ihre anderen Länderkollegen zu dieser Thematik? Gibt es dort eine einheitliche Linie, und wie wird auf Bundesebene weiter agiert?

Einige meiner Kollegen haben die Mautpläne auch kritisch gesehen. Wir sind als rheinland-pfälzische Landesregierung in besonderem Maße betroffen. Wir grenzen an drei europäische Länder an und haben dort erfreulicherweise „im wahrsten Sinne des Wortes“ einen europäischen Wirtschaftsraum und europäische Lebensräume geschaffen. Nationale Alleingänge bei der Mobilität stören uns in unseren Bemühungen, Europa in unserem Alltag zu leben.

Die Haltung meiner Kolleginnen und Kollegen zur Frage der Nutzerfinanzierung entspricht nach meiner Einschätzung weitgehend der eigenen. Es ist so, dass wir uns mit Fragen der Infrastrukturfinanzierung im Hinblick auf neue Mobilitätsformen befassen müssen.

Wie Sie wissen, trägt die Mineralölsteuer in einem nicht unerheblichem Maße dazu bei, Infrastruktur zu finanzieren. Wenn wir Mobilitätsformen haben, die beispielsweise wie die Elektromobilität keine Mineralölsteuer bezahlen, müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, wie wir diese Mobilitätsformen bei der Finanzierung der Infrastruktur künftig berücksichtigen. Solche Fragen stellen sich im Zusammenhang mit neuen Mobilitätsformen ganz selbstverständlich, und das in allen Bundesländern.

Eine Zusatzfrage von Frau Abgeordneter BlatzheimRoegler.

Sehr geehrter Herr Minister, die Verträge mit Eventim enthalten sozusagen Schutzbestimmungen für den Fall, dass die Maut nicht eingeführt werden könnte.

Können Sie nach dem Urteil abschätzen, wie hoch die Rechnung an Bundesverkehrsminister Scheuer bzw. an den Steuerzahler ausfallen wird?

Frau Kollegin Blatzheim-Roegler, die Verträge sind unmittelbar von der Bundesregierung geschlossen worden. Mir liegen sie auch nicht vor. Ich kann im Konkreten dazu nichts sagen. Allerdings beschäftigt sich nach meinen Informationen der Deutsche Bundestag intensiv mit dieser Frage.

Aus der Sicht der Landesregierung ist es bedauerlich, dass wichtige Mittel, die wir für den Infrastrukturausbau brauchen, möglicherweise jetzt in Form von unnötigen Zahlungen zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen ausgegeben werden. Das bringt keinerlei Nutzen für die Infrastruktur in Deutschland. Das ist deswegen so bedauerlich, weil aus meiner Sicht absehbar war, dass diese auch so bezeichnete Ausländermaut europarechtswidrig ist.

Ich habe selbst in meiner juristischen Ausbildung im Europarecht diesen klassischen Fall als ein Musterbeispiel der Ausländerdiskriminierung kennengelernt. Es war deswegen erwartbar, dass der Europäische Gerichtshof die bisherige Rechtsprechung fortsetzt. Ich halte das für mehr als bedauerlich. Ich habe das Risiko, dass das auffliegt, für von vornherein so hoch gehalten, dass ich es unverantwortlich finde, dass man diesen Weg auf Bundesebene gegangen ist.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordnete Paul.

Herr Minister, vielen Dank für Ihre Ausführungen.

Nach meinem Kenntnisstand bedienen sich Slowenien und Österreich des Vignetten-Modells. In Italien muss man bar zahlen. Übrigens, auch wenn ich von der Republik Österreich nach Slowenien fahre – Karawankentunnel –, muss ich bar zahlen. Das in sich zusammengenommen, sagen Sie, ist veraltet, überkommen und aus der Zeit gefallen.

Jetzt müsste ich fragen: Können Sie auch begründen, warum, weil ich davon ausgehe, dass diese Zahlmodelle in diesen Ländern eine hohe Akzeptanz genießen?

Daran im Anschluss: Wie könnte denn einer quasi nutzerabhängige – – –

(Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine Frage!)

Eine Frage.