Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich das mehrgliedrige Schulsystem etabliert. Die Volksschule ging Mitte der 60er-Jahre in die Hauptschule auf. 1963 gingen 386.000 Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz auf die Hauptschule. 1992 gingen nur noch 81.819 RheinlandPfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer auf die Hauptschule, und 2010 waren es nur noch 9.403. Das bedeutet in knapp
Deswegen wurde die Hauptschule im Jahr 2014 folgerichtig in Rheinland-Pfalz abgeschafft; denn es war de facto der Elternwille. Das war Ergebnis einer gesellschaftlichen Entwicklung. Das waren über 250 Jahre, die offenbar an Ihnen vorbeigegangen sind.
Nun wollen Sie auf die Herausforderungen unserer heutigen Gesellschaft und die Herausforderungen, vor denen unser Bildungssystem steht, im Jahr 2019 mit den Lösungen des 18. Jahrhunderts reagieren.
Sie merken es doch selbst, Sie leben noch weiter in der Vergangenheit, als selbst ich bisher gedacht habe.
Meine Damen und Herren, bei noch einem Punkt machen Sie hier Politik gegen die Eltern, nämlich bei der verpflichtenden Schullaufbahnempfehlung. 2017 hat die TU Darmstadt eine Studie herausgegeben, in der herausgekommen ist, dass diese Übergangsempfehlungen sehr oft nicht mit dem Leistungspotenzial der Schülerinnen und Schüler übereinstimmen, sondern sie sehr stark durch soziale Ungleichheiten und den Bildungshintergrund der Eltern geprägt sind. Damit sind Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern bei Schullaufbahnempfehlungen systematisch gegenüber Akademikerhaushalten benachteiligt, selbst bei gleichen Kompetenzen, gleichem kognitiven Potenzial und bei gleichen Noten in der 4. Klasse.
Der Chancenvorteil für Grundschulkinder aus Familien mit hohen Bildungsabschlüssen ist fünfmal höher bei gleichem kognitivem Potenzial als bei Kindern aus bildungsfernen Schichten. Das hat zur Folge, dass bei verpflichtenden Schullaufbahnempfehlungen das kognitive Potenzial der Kinder nicht optimal genutzt wird, wenn Sie sagen, es muss verpflichtend nach der 4. Klasse gesiebt werden.
Deswegen setzen wir in Rheinland-Pfalz auf den Elternwillen, eingebettet in eine gute Bildungspartnerschaft zwischen Eltern, Schulen und den Schülerinnen und Schülern selbst.
Sie wollen an diesem Punkt einmal mehr die Eltern entmündigen. Nein, Ihre Vorschläge sind elternfeindlich, sie sind bildungsfeindlich, sie sind rückwärtsgewandt und – um DIE RHEINPFALZ zu zitieren – „In Schulnoten ausgedrückt, verdient der Vorstoß der AfD-Fraktion im Mainzer Landtag ein ,Mangelhaft‘.“ Ich füge hinzu: Sie haben die Versetzung ins 21. Jahrhundert nicht geschafft.
Zu den Ausführungen des Abgeordneten Köbler gibt es zwei Kurzinterventionen. Zunächst darf ich dem Abgeordneten Frisch das Wort erteilen.
Danke, Herr Präsident. – Herr Kollege Köbler, zunächst einmal ist es bemerkenswert, dass Sie für alle drei Ampelfraktionen sprechen. Das zeigt sehr deutlich, welchen Stellenwert die Ampel unserer Bildungspolitik zumisst.
Es zeigt zum Zweiten, dass die FDP offensichtlich keine eigene Meinung hat, die in irgendeiner Form abweichen würde, obwohl sich Frau Kollegin Lerch in der Vergangenheit durchaus immer wieder mit interessanten Ansätzen von dem rot-gelb-grünen Einerlei abzuheben versucht hat.
Herr Köbler, wenn Sie sagen, wir sind nicht zeitgemäß, dann darf ich Sie daran erinnern, dass nicht nur damals ein durchaus kluges Bildungssystem installiert worden ist, sondern dass das, was Sie hier genannt haben, nämlich die Hauptschule, bis heute Praxis in Bayern ist. Bayern ist die erfolgreichste Bildungsnation in unserem Land. Sie können nicht so tun, als ob das etwas sei, das keine Antworten auf die Bedürfnisse unserer Zeit mehr gibt, wenn es in einem großen deutschen Bundesland mit großem Erfolg praktiziert wird.
Ein zweiter Punkt: Die Hauptschule wurde in der Tat von den Eltern nicht mehr akzeptiert, aber das hat viele Ursachen.
Wir betrachten das als eine Fehlentwicklung. Wenn man sich jetzt einmal ansieht, wie sich die Dinge seitdem fortentwickelt haben,
dann muss man sagen, dass diese mangelnde Akzeptanz mittlerweile bei der Realschule plus angekommen ist.
Schauen Sie sich einmal die Anmeldezahlen an. Wir haben einen ungebrochenen Trend zum Gymnasium, einen Trend zu den Privatschulen
und einen Trend zu den IGS. Das heißt, die Eltern vertrauen der Realschule plus eben nicht mehr in dem Maße, weil sie den Eindruck haben, dass sie – ähnlich wie früher die Hauptschule – mittlerweile zu einer Restschule geworden ist.
Wenn der Landeselternbeirat sagt, es ist ein Desaster auf allen Ebenen, dann finde ich es einfach sehr billig, das damit wegzuwischen, dass man sagt: Sie wollen zurück ins 18. Jahrhundert. – Das ist mittlerweile Ihr Standardspruch geworden, wobei wir jedes Mal 50 Jahre weiter nach vorne kommen. Irgendwann sind wir dann bei Christi Geburt angelangt.
(Vereinzelt Heiterkeit bei der AfD – Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bäume, die die CDU pflanzt!)
Es ist aber nicht einmal konservativ, es ist geradezu reaktionär, wenn man einen Missstand aussitzen will, indem man einfach so weitermacht wie bisher.
Wir stellen fest: Das Bildungssystem funktioniert an vielen Stellen nicht mehr. Das können wir uns als eine Nation, die von der Intelligenz, dem Fleiß und der Motivation ihrer Menschen lebt, mangels natürlicher Ressourcen schlichtweg nicht leisten.
Deshalb ist unsere Bildungspolitik in Wahrheit fortschrittlich; denn wir wollen die Probleme angehen und lösen, weil wir eine gute Zukunft nicht nur für die Bildung, sondern für unser Land insgesamt haben möchten.
Vielen Dank. – Herr Kollege Köbler, wo wir gerade beim Alten Fritz sind: Mir hat eine Kollegin, eine Wählerin von Ihnen, in der Inklusions- und Einheitsschuldebatte gesagt, ich soll doch daran denken, dass früher in der Dorfschule auch alle zusammen unterrichtet worden sind. Das hat sie als Beispiel und Vorbild genannt, bloß waren damals die Lehrer Veteranen des Siebenjährigen Kriegs, die nur noch ein Bein hatten. Das waren die Lehrer damals. Dahin wollen wir nicht zurück, denn die Differenzierung ist ein Gebot der Moderne.
Es ist immer wieder dasselbe. Sie glauben, soziale Gerechtigkeit bestünde darin, dass viele Arbeiterkinder Abitur
machen. Wenn nur die Akademikerkinder Abitur machen, dann sei das ein Ungleichgewicht. Ich will Ihnen einmal eines sagen: Ich kann Ihnen sagen, warum viele Arbeiterkinder kein Abitur machen. Weil sie sagen, ich möchte früh Geld verdienen. Weil sie mit 16 Jahren anfangen möchten, Geld zu verdienen. Das ist ihr gutes Recht.
weil Sie sich nur in linksintellektuellen Kreisen bewegen, die den Kontakt zur Lebenswirklichkeit verloren haben. Das ist nämlich der Grund.