Protokoll der Sitzung vom 19.09.2019

Frau Präsidentin, vielen Dank. – Ja, es gibt ab und zu einmal die Situation, in der man gewisse Dinge nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen kann. Was Sie gerade abgeliefert haben, ist so etwas.

Fangen wir vielleicht erst einmal mit der Feststellung an, dass Sie sich anscheinend inhaltlich sehr wenig mit der Anfrage und den Antworten auseinandergesetzt haben, sondern Sie eigentlich nur ein Vehikel gesucht haben, um Ihre immer wiederkehrende ideologisch aufgeladene Kritik an modernem Familienleben und Kinderbetreuung preiszugeben.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Genau!)

Es ist eben nicht so, dass ein Drittel der Rheinland-Pfälzer in therapeutischer Behandlung wäre. Das geht eben genau nicht aus der Anfrage hervor. Wenn Sie sie genauer gelesen hätten, hätten Sie das auch nicht gesagt.

Was eigentlich der Grund ist, warum ich gesagt habe, ich muss dieses Mal darauf reagieren: Beim Versuch, eine ernsthafte und sachliche Debatte zu führen – ich bin dem Kollegen Wäschenbach sehr dankbar dafür, dass er das in seinem Redebeitrag auch aufgegriffen hat –, haben Sie sich vor allen Dingen auf Kosten von zwei Gruppen das Forum genommen, um Ihre Ideologie zu verbreiten. Das eine sind Menschen, die unter psychischen Erkrankungen leiden, denen Sie anscheinend keine Beachtung schenken, sondern, wie gesagt, Sie wollen lieber über die staatliche Kindererziehung und nicht über die Probleme dieser Menschen reden.

Das andere sind alle Eltern in diesem Land, die – weil sie davon überzeugt sind oder es vielleicht auch aus finanziellen Gründen müssen – ihre Kinder in die Kinderbetreuung

geben und denen Sie unterstellen, sie würden ihre Kinder psychischer Gewalt ausliefern. Das ist unsäglich, und man kann es auch nur von sich weisen, wie Sie das hier in dieser Art und Weise getan haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP – Abg. Michael Frisch, AfD: Nein, das hat sie so nicht gesagt!)

Wird eine Erwiderung gewünscht? – Frau Abgeordnete Dr. Groß, bitte.

Frau Binz, ich weise Ihre Unterstellungen entschieden zurück.

(Zuruf der Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD – Zuruf von der AfD: Sie hat nichts dazu gesagt!)

Das Wort „Gewalt“ habe ich überhaupt nicht in den Mund genommen. Sie haben auf Ihre eigene ideologische Prägung hin mir einfach unterstellt, dass ich mit Gewalt in den Kitas zu tun hätte.

(Beifall bei der AfD – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das habe ich überhaupt nicht erwähnt. Worüber ich gesprochen habe, das waren ganz allgemein Bindungsdefizite, und Bindungserfahrungen etc. Wie das zustande kommt, spielt eigentlich keine Rolle. Das sind aber Tatsachen.

Was wir wollen: Natürlich brauchen wir mehr Psychotherapeuten. Das ist ganz klar. Was wir aber vor allen Dingen machen müssen, wir müssen die Gesellschaft dahin gehend ändern, dass wir weniger psychisch auffällige Kinder haben; denn die psychisch auffälligen Kinder nehmen schon in den Grundschulen zu. Woran liegt es denn? Das muss man doch erst einmal konstatieren.

(Abg. Martin Louis Schmidt, AfD: Ursachen bekämpfen!)

Erst dann kann man anfangen davon zu reden, dass wir mehr Psychotherapeuten brauchen. Wir müssen die Ursachen bekämpfen.

(Beifall bei der AfD)

Die Ursachen liegen in den Familienstrukturen und Ihrer neoemanzipatorischen Sexualpädagogik, in der Frühsexualisierung, in dem Auseinandertreiben der Familien und in der Dissoziation der herkömmlichen traditionellen Familien.

(Zurufe von der SPD)

Das ist ihr Wesen. Die Kinder heute haben gar keine Kategorien mehr. Sie haben überhaupt keine Personen mehr,

an denen sie sich irgendwie noch orientieren können. Damit sind sie ganz schwer beschäftigt.

(Beifall bei der AfD – Zurufe von der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat sich Abgeordneter Steven Wink gemeldet.

Verehrte Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Psychische Krankheiten und Störungen sind vielfältig. Sie treten in allen Altersgruppen, in allen sozialen Schichten und in allen Lebenslagen temporär oder chronisch auf. Die Ursachen sind ebenfalls vielschichtig. Genetische Faktoren, berufliche Belastungen und viele weitere Aspekte tragen zu psychischen Krankheiten und Störungen bei.

Leider werden viele Betroffene immer noch stigmatisiert. Das ist auch ein gesellschaftliches Problem. Diese Stigmatisierung führt immer wieder dazu, dass die Betroffenen und deren Umfeld die psychischen Erkrankungen oftmals zu spät erkennen, falsch damit umgehen oder sich vor Hilfe schämen.

Im Jahr 2018 bekamen 32,6 % der Menschen in unserem Land eine F-Diagnose nach ICD-10-GM gestellt. Demnach bekamen rund 1,3 Millionen Menschen in unserem Land eine psychische Krankheit bzw. Störung diagnostiziert. Die drei am häufigsten diagnostizierten Störungstypen stellen depressive Episoden, somatoforme Störungen und Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen dar. Auf sie entfallen ca. 38 % aller F-Diagnosen in unserem Land.

Auch Kinder und Jugendliche sind davon betroffen. Erschwerte familiäre Belastungssituationen erhöhen das Risiko, später selbst psychisch zu erkranken. Frau Ministerin, hier darf ich ein Thema ansprechen. Das ist das Thema, was mit Kindern passiert, deren Eltern psychisch erkrankt sind. Das sollte für die Zukunft ein Fokusthema sein.

An dieser Stelle darf ich – mit Erlaubnis der Präsidentin – einen neuen deutschen Film empfehlen, der sich „Systembrecher“ nennt. Er handelt von einem traumatisierten Kind, das durch alle behördlichen Raster fällt, das nirgendwo aufgenommen wird, und davon, wie solchen Kindern geholfen werden kann. Der Film ist gerade im Hinblick auf diese Debatte sehr empfehlenswert.

Deshalb muss es neben einer angemessen Therapie auch das Ziel sein, dass man über die psychischen Erkrankungen gleichermaßen in unserer Gesellschaft aufklärt. Erst wenn man bereit ist, sich Hilfe zu suchen, kann einem auch geholfen werden. Der Faktor Aufklärung über psychische Erkrankungen, ihre Ursachen und die Behandlungsmöglichkeiten sowie der Faktor der Förderung persönlicher Begegnungen mit Menschen, die psychisch erkrankt sind, sind erheblich. Der interaktive Austausch und der direkte Kontakt zu psychisch erkrankten Menschen tragen wesentlich zur Antistigmatisierung bei.

Dies hat auch die Landesregierung erkannt und unterstützt verschiedene Projekte. Das Antistigma- und Präventionsprojekt „Verrückt? Na und!“, das „Landesnetzwerk Selbsthilfe seelische Gesundheit Rheinland-Pfalz e. V.“ und die Initiative „Bündnisse gegen Depression“ in Rheinland-Pfalz sind nur einige Beispiele.

Die Menschen in Rheinland-Pfalz erhalten Unterstützung, wenn sie gebraucht wird. Für viele Menschen bedeutet eine Therapie oft einen sehr großen Schritt. Daher wünscht die FDP-Fraktion allen Menschen auf diesem Weg, die diesen Weg bereits beschreiten oder diesen Weg noch beschreiten werden oder überlegen, diesen Weg einzuschlagen, viel Kraft und Mut.

Eine Bemerkung sei mir am Rande noch erlaubt: Ich bin gespannt auf die Analyse des G-BA-Beschlusses von heute mit neuen Personalvorgaben in der Psychiatrie; denn dies entscheidet über die Sicherstellung der sogenannten leitorientierten psychotherapeutischen Versorgung, die dringend erforderlich ist.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht Staatsministerin BätzingLichtenthäler.

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass durch die Große Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die psychische Gesundheit heute in das parlamentarische Rampenlicht gebracht wird. Das ist auch sehr notwendig; denn ohne psychische Gesundheit gibt es keine Gesundheit.

Umstritten ist, ob die psychischen Erkrankungen tatsächlich zugenommen haben. Fakt ist aber, dass die Nachfrage nach Behandlung deutlich zugenommen hat, was auch damit zu tun hat – von den Vorrednern haben wir das schon gehört –, dass die Menschen heutzutage Gott sei Dank eher bereit sind, sich mit der Krankheit auseinanderzusetzen und Hilfen in Anspruch zu nehmen.

Diese Nachfrage nach Behandlung stößt in RheinlandPfalz auf ein ausgebautes Netz an Hilfen, ob ambulant, teilstationär oder stationär, ob für Erwachsene oder für Kinder und Jugendliche.

Eine ganz besondere Bedeutung kommt der Versorgung in der Psychotherapie zu. Auch wir als Landesregierung sehen es sehr kritisch, wenn die Wartezeit auf einen Behandlungsbeginn derzeit bei mindestens 19 Wochen liegt und sie – wie wir das gehört haben – im ländlichen Bereich sogar noch länger dauert. So hat jetzt zwar die Selbstverwaltung, nämlich der Gemeinsame Bundesausschuss, mit einer Änderung der Bedarfsrichtlinie den Weg für 52 zusätzliche psychotherapeutische Kassensitze freigemacht – das ist sicherlich schon ein Fortschritt –, aber fraglich

ist, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich bin da auch skeptisch –, ob das ausreicht, um die Wartezeiten auf ein akzeptables Maß zu reduzieren. Deswegen wird die Landesregierung die Versorgungslage in Rheinland-Pfalz ganz genau betrachten und kritisch beobachten, ob die Veränderungen, die der Gemeinsame Bundesausschuss jetzt auf den Weg gebracht hat, tatsächlich zu einer Verbesserung der Versorgung der Menschen in Rheinland-Pfalz führen werden.

Unmittelbar selbst steuern können wir die Krankenhausplanung. Hier sind bezüglich der Versorgung im neuen Landeskrankenhausplan weitere Verbesserungen vorgesehen, beispielsweise die bedarfsgerechte Anpassung in den Ballungsgebieten oder der Ausbau von gerontopsychiatrischen Tageskliniken, das bessere Behandlungsangebot für kognitiv beeinträchtigte psychisch Kranke oder auch die Förderung der stationsäquivalenten Behandlung.

In der Großen Anfrage wurden auch die Themenbereiche „Entstigmatisierung“ und „Prävention“ angesprochen. Dazu wurde Stellung genommen. Es ist wichtig, dass auch diesen zwei Themen ein großes Augenmerk geschenkt wird; denn ja, es gibt immer noch Vorurteile und Vorbehalte gegenüber psychisch Kranken. Deshalb tut Aufklärung über die Erkrankung, über die Ursachen und über Behandlungsmöglichkeiten Not. Es braucht vor allen Dingen die Förderung von persönlicher Begegnung mit psychisch kranken Menschen; denn wir wissen, dass Antistigmatisierungskampagnen insbesondere dann erfolgreich sind, wenn es zum persönlichen Kontakt kommt.

Uns als Landesregierung ist aber auch die Prävention ein Herzensanliegen. Deswegen unterstützen wir unter anderem den Ausbau des Präventionsprojekts „Verrückt? Na und!“. Das ist ein Ansatz, der an rheinland-pfälzischen Schulen gefahren wird und mit dem wir im Jahr 2017 25 Schulklassen und über 600 Schülerinnen und Schüler erreichen konnten. Im Jahr 2018 waren es noch einmal mehr, nämlich 30 Schulen und über 700 Schülerinnen und Schüler.

Zentrale Herausforderung ist aber – ich glaube, da sind wir uns alle einig – die Förderung der psychischen Gesundheit. Die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben reichen – Herr Abgeordneter Teuber hat das sehr deutlich angesprochen – von der Verhinderung von Armut und Arbeitslosigkeit bis hin zur Umgestaltung von stressbedingten Arbeitswelten.

Last but not least ist es auch sehr wichtig, dass wir unsere Forschungsergebnisse zu Resilienz und Salutogenese dazu nutzen und tatsächlich in Präventionsstrategien übersetzen. Dabei spielt unser Deutsches Resilienz Zentrum, das im Jahr 2014 gegründet wurde, eine ganz besondere Rolle. Wir sind sehr froh, dass wir dies in dieser Form bundesweit einzigartig vor Ort haben. Dort wird beispielsweise aktuell ein Kompetenz- und Beratungszentrum aufgebaut, und dort wird derzeit auch eine Stresssprechstunde etabliert.

Als Landesregierung fördern wir aber natürlich auch die Prävention, sowohl die Primärprävention als auch die indizierte Prävention. Mit der Landesinitiative „Gut leben im Alter“ oder der Initiative „Familien stärken“ wollen wir die Resilienz in allen und für alle Generationen stärken.

Über das Krankheitsbild Depression gilt es in diesem Zusammenhang auch zu sprechen. Deswegen war es uns so wichtig, über dieses Krankheitsbild in der Fläche aufzuklären. Wir haben vor zehn Jahren die Initiative „Bündnisse gegen Depression“ gestartet. Heute sind wir stolz darauf, dass es gelungen ist, diese Bündnisse gegen Depression fast flächendeckend vor Ort im Land zu haben, die über das Krankheitsbild aufklären und über Behandlungsmöglichkeiten informieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Große Anfrage „Psychische Gesundheit“ bietet viele Ansatzpunkte für fruchtbare Diskussionen. Ich freue mich darauf, wenn wir die gemeinsam miteinander fortführen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)