Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen in der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, unsere Werte stets aufs Neue zu leben und zu verteidigen, niemals nachlassen. Deutschland bleibt ein Land der Freiheit, der Gleichheit, der Toleranz. Genau das gilt für Rheinland-Pfalz. Rheinland-Pfalz ist heute – und wird es auch künftig sein – eine Heimat für jeden, der hier lebt, unabhängig von Herkunft oder Glauben, egal ob Christ, Jude oder Muslim. In einem demokratischen, freien Land müssen wir unseren Glauben friedlich leben können, ohne Angriffe oder gar Anschläge befürchten zu müssen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen des Landtags! Der Anschlag am jüdischen Jom Kippur-Tag war ein Angriff, der uns alle beschäftigen muss. Er hat sich zunächst gegen die jüdische Gemeinschaft, die in ihrer Synagoge versammelt war, gerichtet.
Er hat Jana L. und Kevin S. getroffen, die zufällig ihres Weges gegangen und dem Täter in den Weg gekommen sind. Er hat die Anwesenden getroffen, die Augenzeugen wurden. Er hat die Verwandten, die auf Jana L. und Kevin S. vergeblich gewartet haben, getroffen.
Der Täter war ein Rechtsextremist, ein Antisemit, und er war nicht der erste in Deutschland, der eine solche Tat geplant oder vollendet hat.
Ich bin Ministerpräsidentin Malu Dreyer sehr dankbar, dass sie die Gelegenheit zu dieser Regierungserklärung ergriffen hat, und ich bin ihr für die Worte dankbar. Ich will das ausdrücklich einschließend sagen: Ich bin auch meinem Vorredner für seine Worte dankbar.
In diesen Stunden, meine Damen und Herren, kann es nur die Gemeinsamkeit der Demokratinnen und Demokraten geben.
(Beifall der SPD, der CDU, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD, und der Abg. Gabriele Bublies-Leifert, fraktionslos)
Wir alle wissen und erfahren, der rechte Terror kommt nicht aus dem Ungefähren. Er beginnt mit den Worten und sucht immer die Vollendung in der Tat. Das ist ihm immanent.
Er hat einen Nährboden. Dieser Nährboden besteht aus vernetzten Rechtsextremisten, aus Ideologien, die schon beschrieben wurden, aus den alten Verschwörungstheorien, die mit dem Antisemitismus daherkommen, mit Rassismus, mit Menschenfeindlichkeit, mit der Ablehnung des Anderssein, auch mit der Ablehnung von Frauen, mit Homophobie.
Dieser Nährboden wird gedüngt immer wieder auch in Medien, auch durch Blogs, auch durch rechte Parteien in unseren Parlamenten.
Deshalb ist die vorschnell formulierte These, da war einer alleine unterwegs, und darum ist er ein Einzeltäter, irreführend. Es gibt im rechten Extremismus keine Einzeltäter, die sind alle eines Geistes Kind, und sie sind alle Teil einer internationalen rechten Herausforderung, vor der wir auch in Deutschland und in Rheinland-Pfalz stehen, meine Damen und Herren.
Da mag es den poröser gewordenen Deckmantel der vermeintlichen Bürgerlichkeit geben, aber der Effekt bleibt der gleiche. Die zunehmende gesellschaftliche Normalisierung von Denkmustern, deren Konsequenz die Ausgrenzung anderer ist, hat die Vorhand bekommen.
Straftaten gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger gehören inzwischen zum Alltagserfahren. Wir müssen uns diesem Hass entgegenstellen, schon da, wo er uns zum ersten Mal begegnet, auf vielfältige Weise.
Ich denke schon, dass zur wehrhaften Demokratie, die unser Landtagspräsident angemahnt hat, auch der Ausdruck der wehrhaften Demokratie, nämlich ein starker handlungsfähiger Staat gehört, und dazu will ich eine Bemerkung machen dürfen. Es ist richtig, dass wir in Rheinland-Pfalz gemeinsam mit den Medienhäusern die Initiative ergriffen haben, die lautet „Verfolgen und Löschen“. Löschen, was straffällig im Internet zu finden ist, aber davor dafür zu sorgen, dass die Strafverfolgungsbehörden ihre Aufgabe wahrnehmen können.
Meine Damen und Herren, wir werden Ihnen als Ampelfraktionen in den nächsten Wochen – noch in diesem Jahr – eine Reform des Verfassungsschutzgesetzes für Rheinland-Pfalz vorlegen, das den Verfassungsschutz mit noch stärkeren Instrumenten ausstattet, und gleichzeitig die parlamentarische Kontrolle stärken. Auch das ist Ausdruck einer wehrhaften Demokratie.
Ich bin unserem Innenminister Roger Lewentz sehr dankbar, dass er unmittelbar nach dem Attentat in Halle damit begonnen hat zu überprüfen, ob wir noch besser werden können, was den Schutz jüdischer und muslimischer Einrichtungen angeht, und er die Vertreter der jüdischen Gemeinde an einen Tisch geholt hat.
Es ist unerträglich, dass jüdisches Leben heute, das so vielfältig, so bunt, so jung, so tradiert und traditionsbewusst ist, wie es beschrieben wurde, auch mit Angst verbunden ist. Es zählt zur Tatsache, dass man die Kippa in deutschen Städten nicht mehr tragen kann, es zum Alltag gehört und
Nein, wir wollen nicht damit umgehen, wir wollen den Schutz jüdischen Lebens, und wir stellen uns gegen jeden Antisemitismus. Ich will deutlich sagen, am Ende ist es egal, ob sich der Antisemitismus rechtsextrem, islamistisch begründet oder er vermeintlich links begründet wird, die Opfer sind immer Jüdinnen und Juden, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Für die wollen wir gemeinsam einstehen.
Der realistische Blick zeigt uns, die größte Herausforderung kommt von rechts außen. Darum bin ich sehr froh, dass wir auch hier den handlungsfähigen Staat stärken wollen, wenn wir auf Bundesebene die Ressourcen des gemeinsamen Abwehrzentrums Rechtsextremismus zügig aufbauen können.
Ich will ein Weiteres hinzufügen: Meine Fraktion hat sich schon vor gut einem Jahr mit dem Phänomen der sogenannten Neuen Rechte beschäftigt. Wir haben deutlich darauf hingewiesen, dass es auch in Rheinland-Pfalz bewaffnete Rechtsextremisten gibt, es auch sogenannte Reichsbürger gibt, die auf legale Weise – das ist wichtig zu sagen – eine Waffe tragen. Ich sage, lassen Sie uns gemeinsam mit den Kommunen noch einmal dafür Verantwortung tragen, dass wir genau hinschauen: Wird die persönliche Zuverlässigkeit tatsächlich noch vorgehalten, wenn jemand den ganzen Tag Hassbotschaften im Internet verbreitet, dann aber zu Hause eine Waffe im Schrank hat? Ich kann an dieser Stelle nicht beruhigt mit diesem Thema umgehen.
Ich wiederhole meine Forderung: Wir brauchen eine weitgehende Entwaffnung der Rechtsradikalen in Deutschland und in Rheinland-Pfalz. Ich bin dafür, dass wir auf Bundesebene ein Demokratiefördergesetz bekommen, wir das in Rheinland-Pfalz unterstützen und wir gemeinsam und auch in Zukunft die Gemeinsamkeit dafür suchen, dass wir mit unserem Landeshaushalt demokratisches zivilgesellschaftliches Engagement stützen, sodass Toleranz und gutes Miteinander in diesem Land unterstützt werden können. Ich halte es für wichtig, dass wir in Rheinland-Pfalz unsere Hausaufgaben auch in Zukunft machen.
Es ist wichtig, dass wir die Zivilgesellschaft stärken. Der Kampf gegen Rechtsextremismus kann nicht alleine und zuvorderst unseren Sicherheitsbehörden überlassen werden. Wir alle, meine Damen und Herren, sind Verfassungsschutz, wir alle sind als Demokratinnen und Demokraten gehalten, unsere Verfassung zu schützen, und wir alle müssen widersprechen, müssen wieder sagen: Halt! Stopp! So nicht! – Wir müssen diejenigen stärken, die gegen die von rechts außen auf die Straße gehen. Wir dürfen sie nicht lächerlich machen, nicht bekämpfen, auch nicht in eine falsche Richtung bringen, sondern wir müssen diejenigen stärken, die in Kandel und andernorts gegen Rechtsradikale auf die Straße gegangen sind und die Demokratie stärken wollen. Meine Damen und Herren, das ist mir ganz persönlich eine wichtige Botschaft an einem solchen Tag.
Dieser Anschlag von Halle war kein Alarmsignal, wie ich gehört habe, sondern ein weiteres Signal. Wir alle wissen zu viel, als dass wir vor uns selbst die Verantwortung übernehmen dürfen, in Zukunft nicht mehr aufrecht für unsere Demokratie einzustehen. Wir sind es den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und allen Betroffenen gemeinsam schuldig.
Wertes Präsidium, meine Damen und Herren! Die Nachricht vom grauenvollen Anschlag auf die jüdische Gemeinde in Halle schockierte mich persönlich in mehrfacher Weise. Halle an der Saale ist meine zweite Heimatstadt. Dort habe ich studiert.
Für mich und meine Fraktion war das aber auch ein Anschlag auf unser friedliches Gemeinwesen, wo Gewaltfreiheit, Debattenkultur und Aufeinanderzugehen feststehende Werte sein sollten.
Nicht zuletzt ist diese irrsinnige Tat eines Menschen, der offensichtlich in einer abgekapselten Welt massiven Hasses lebt, auch Ausdruck einer ständigen Gefahr für unter uns lebende jüdische Bürger. In Gesprächen mit Juden in Rheinland-Pfalz, aber auch mit Juden in der AfD habe ich die entsprechende Unsicherheit wahrgenommen.
Trotz aller Lehren aus der Geschichte scheint der Ungeist der Vorurteile und des Hasses gegenüber Juden, welcher mehr als 1.000 Jahre alt ist und im dunkelsten Kapitel unserer Geschichte eine grauenvolle Verwirklichung erfuhr, noch immer nicht vertrieben zu sein.
Viel mehr noch, in Deutschland und auch in der Welt um uns herum kehrt er mit neuer Kraft wieder. Er hat viele Gesichter, unter anderem die unbelehrbaren Jünger des Dritten Reiches, die in der Regel gut organisiert und sehr aggressiv sind und gegen die man mit den Mitteln des Rechtsstaates vorgehen muss.
Er taucht aber vor allem auch in intellektueller Form auf: unter Gegnern des Liberalismus, der Globalisierung, des Kapitalismus und nicht zuletzt des Staates Israel. Er ist zudem signifikanter Bestandteil von Religionen und deren Ambitionen auf Dominanz und politische Vormachtstellung.
geist mit der Beschwörung von Pluralität und Multikulturalismus vertreiben, hat sich als falsch erwiesen.
Er wächst ganz offensichtlich parallel zu den gesellschaftlichen Spannungen, welche eine multikulturelle Gesellschaft mit sich bringt und aushalten muss. Umso entschlossener müssten sich alle Parteien und gesellschaftlichen Gruppierungen in unserem Land gegen jede Form des Antisemitismus zusammenschließen, und genau das war aber nie der Fall in der deutschen Geschichte.
Man kann es im Internet, in Büchern und in der Presse nachlesen, wie in Deutschland bis heute antijüdische und antiisraelische Bestrebungen hofiert werden. Passenderweise titelte gerade heute die BILD-Zeitung „Alarmstufe Roth“ und weist auf das breite Spektrum des Antisemitismus in Deutschland hin.
Zu gern schiebt man einfach die Schuld auf den neuen konservativen politischen Wettbewerber ab, die AfD. Und Historiker Wolffsohn formulierte treffend: Wer Antisemitismus nur dort kritisiert, wo er ihm politisch genehm ist, der ist einfach unglaubwürdig. –
Zudem nimmt die Diskreditierung alles Konservativen und Rechten in der Gesellschaft gefährliche Dimensionen an, wenn Sie, Frau Ministerpräsidentin Dreyer, im Grußwort zur bundesweiten Wanderausstellung „Kunst trotzt Ausgrenzung“ schreiben, dass die Bedrohung durch rechtskonservative Tendenzen weltweit deutlich zugenommen hat.
Sind also nur linke Weltanschauungen ein Garant für Sicherheit und Stabilität? Frau Ministerpräsidentin, die deutsche Linke hatte immer eine hohe Affinität zu palästinensischen Terroristen, welche auch in Deutschland getötet haben.