Protokoll der Sitzung vom 23.10.2019

Jetzt hat die Abgeordnete Brück für die SPD das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines steht fest: In keinem anderen Bundesland gibt es so viele Zahlen und Statistiken zur Unterrichtsversorgung, in keinem anderen Bundesland wird so transparent informiert wie in Rheinland-Pfalz.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Michael Frisch, AfD: Das nützt ja nichts!)

Uns geht es nicht um die „gefühlte“ Unterrichtsversorgung, wie manch einer das in den vergangenen Tagen titulierte, sondern um Tatsachen.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Eben!)

Die Unterstellung von Ihnen, Frau Beilstein, in Ihrer Rede und in Ihren Pressemitteilungen, die Landesregierung würde „tricksen“, „verschleiern“ oder „Rechenschiebereien“ betreiben, weise ich auf das Schärfste zurück.

(Abg. Anke Beilstein, CDU: Ist aber leider die Wahrheit!)

Nein, das ist falsch und unterste Schublade, ganz einfach.

(Beifall der SPD und bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: So ist es, Bettina!)

Wenn hier jemand trickst, dann sicher nicht die Landesregierung.

(Zurufe von der CDU)

Während im Nachbarland Hessen noch gar nicht klar ist, wie seine Unterrichtsversorgung überhaupt ist oder was man darunter verstehen soll, während die meisten anderen Bundesländer mit mehreren Hundert unbesetzten Planstellen zu kämpfen haben – zum Beispiel Baden-Württemberg: 790 unbesetzte Planstellen zu Beginn des Schuljahrs –,

(Abg. Martin Haller, SPD: Unglaublich!)

während in manchen Bundesländern mehr Seiten- und Quereinsteiger eingestellt werden als fertig ausgebildete Lehrkräfte

(Abg. Michael Frisch, AfD: Das sind doch Nebelkerzen! Gehen Sie mal auf die Sache ein!)

in Nordrhein-Westfalen etwa fast 600,

(Abg. Alexander Licht, CDU: Wir reden doch über Rheinland-Pfalz! – Abg. Uwe Junge, AfD: Genau!)

oder 800 Pensionäre; übrigens, auf die Frage, die eben gestellt wurde, wo denn diese angeblichen Verträge mit Großeltern oder wer das war, sind, haben Sie noch keine Antwort gegeben –, haben wir in Rheinland-Pfalz ein vollkommen anderes Bild.

(Zurufe von CDU und AfD – Glocke des Präsidenten)

Wir haben nahezu alle Planstellen besetzt, und in keinem anderen Bundesland ist die Lehrkräftesituation so gut wie bei uns.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr gute Rahmenbedingungen und eine gute Unterrichtsversorgung sind nämlich Grundpfeiler rheinland-pfälzischer Bildungspolitik. Deshalb ist auch festgelegt, dass wir eine 100 %ige Unterrichtsversorgung haben wollen.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Statistisch!)

Wir sind ganz, ganz nah dran – 99,1 % Unterrichtsver

sorgung –, während in Hessen 11,6 % der Pflichtstunden nach eigenem Bekunden der dortigen Ministerin ausfallen.

Bei uns kann man auch nicht von Unterrichtsausfall sprechen, wenn die strukturelle Unterrichtsversorgung nicht zu 100 % gegeben ist, weil es nämlich mehr ist als die Pflichtstundenzahl. Die Pflichtstundenzahlen sind bei uns abgedeckt. Damit geben wir sehr gute Rahmenbedingungen. Es gibt keinen Grund, das in irgendeiner Art zu skandalisieren. Wir reden da auch nichts schön, wir bleiben einfach bei den Tatsachen.

Weil diese Werte der strukturellen Unterrichtsversorgung so gut sind, haben Sie sich jetzt die temporäre Unterrichtsversorgung vorgeknöpft, also kurzfristiger Ausfall bedingt durch die unterschiedlichsten Gründe. Ich nenne einmal ein paar, zum Beispiel Klassenfahrten, Workshops, Projekttage, Sportfeste, Fortbildung von Lehrkräften, aber natürlich auch die Grippewelle oder ein gebrochenes Bein gehören beispielhaft dazu.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Was tut das zur Sache?)

Nun tun Sie so, als ob das Land die Schulen bei diesen kurzfristigen Situationen alleinlassen würde.

(Abg. Anke Beilstein, CDU: Ja!)

Das ist falsch, nachweislich falsch. Schon seit vielen Jahren, seit 2001, gibt es PES. Mit 15 Millionen Euro im Haushalt steht das zur Verfügung, um kurzfristigen Ausfall zu kompensieren. Es ist Sache der Schulen, qualitativ gutes Personal einzustellen, und es gibt einen Pool, aus dem man sich bedienen kann.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Darum geht es hier doch gar nicht! Es geht nicht um PES!)

Im Grundschulbereich gibt es die Feuerwehrlehrkräfte. Die haben wir noch einmal aufgestockt. Wir haben im Bereich der berufsbildenden Schulen Mittel im Programm EQuL (Stärkung von Eigenverantwortung, Qualitätsmanagement und Lehr- und Lernkultur). Wir haben den Vertretungspool mit mittlerweile 1.500 Planstellen. Wir haben 170 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen, trotz sinkender Schülerzahl. Wir wollen den Schulen den größtmöglichen Freiraum geben, auf ihre jeweilige Situation zu reagieren.

Wir können nicht immer einerseits die Selbstständigkeit von Schulen propagieren und ihnen dann andererseits ständig etwas Neues vorschreiben. Deshalb hat jede Schule ein eigenes Vertretungskonzept, das partizipativ erstellt wird, also mit den Lehrkräften, mit den Eltern, und das im besten Fall auch mit den Schülerinnen und Schülern abgestimmt wird. Die Landesregierung schreibt hier nicht vor, wie Unterrichtsausfall zu regulieren ist. Das machen die Schulen in ihrem Vertretungskonzept selbst.

Wichtig ist, dass die Regulierung pädagogisch erfolgt. Die Schülerinnen und Schüler sollen eben nicht sich selbst überlassen werden, wie Sie das ständig behaupten und was falsch ist. Das ist auch beim Mitführen einer Klasse nicht der Fall,

(Abg. Michael Frisch, AfD: Ach du liebes bisschen! Wie viele Stunden dieser Art haben Sie schon gehalten?)

und das ist auch bei selbstgesteuertem Unterricht nicht der Fall. Im Übrigen steht da immer eine Lehrkraft zur Verfügung, die bei den erteilten Arbeitsaufträgen hilft.

Interessanterweise fordert gerade die Landesschüler*innenvertretung mehr selbstgesteuertes Lernen. Und es ist ein Irrglaube, dass fachfremd gehaltene Stunden Unterrichtsausfall sind. Alle Beteiligten wollen den temporären Unterrichtsausfall so klein wie möglich halten. Wir halten aber nichts davon, uns in der Prozentzahl der Unterrichtsversorgung prozentual zu überbieten.

Wir können nicht für alle Eventualitäten gerüstet sein. Es bleibt immer ein gewisses Restrisiko. Wenn der Lateinlehrer fehlt

(Glocke des Präsidenten)

und der Erdkundelehrer zum Stundenausfall bereitsteht, sollte man das nicht geringschätzen. Wir wollen die Selbstständigkeit von Schulen weiter erhalten. Im Übrigen fehlt uns Ihre Antwort auf diese Fragen, wie Sie das denn lösen wollen. Wir investieren mehr als 2 Milliarden Euro in die Unterrichtsversorgung in jedem Jahr, und das sind gut eingesetzte Mittel für guten Unterricht.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Frisch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Jahr 1787 ließ der russische Feldmarschall Reichsfürst Alexandrowitsch Potemkin im eroberten Neurussland Dörfer aus bemalten Kulissen errichten.

(Heiterkeit bei der AfD)

So wollte er das wahre Gesicht der Gegend vor seiner Zarin Katharina der Großen verbergen. Mag diese Geschichte nun stimmen oder nicht, seine Strategie hat sich nicht nur als Redewendung von den Potemkinschen Dörfern erhalten, sie erfreut sich auch heute noch einer großen und ungebrochenen Beliebtheit bei den Regierenden.

Nun liegt es mir sicherlich fern, den rheinland-pfälzischen Landtag mit Katharina der Großen und Frau Hubig mit einem russischen Fürsten vergleichen zu wollen.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Das wäre vermessen!)

Aber dennoch kam mir diese Anekdote in den Sinn, als ich die Antwort der Ministerin auf die Große Anfrage der CDU zu Regulierungsmethoden des Unterrichtsausfalls

las; denn was hier zutage tritt, ist schon ein bemerkenswertes Maß an Vorspiegelung falscher Tatsachen und damit verbundener Verschleierung wenig erfreulicher Realitäten.