Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019

Wenn wir es uns jetzt aber noch einmal genauer anschauen, müssen wir feststellen, dass wir Probleme haben. Ich rede jetzt nicht über Gülle oder so etwas. Schauen wir uns einmal exemplarisch die Pfalz an. In der Pfalz sind nahezu alle Grundwasserkörper, bis auf vier, in einem schlechten Zustand. Wir werden hier einen guten Zustand nach jetziger Beurteilung auch in den kommenden Jahren nicht erreichen. Das ist klar ersichtlich.

In all diesen Grundwasserkörpern liegt der Nitratgehalt deutlich über 50 mg/l, meist um das Drei- bis Vierfache überschritten. Zwischen 1985 und 2014 ging der Stickstoffeintrag durch Kläranlagen um 80 % zurück. Das betrifft die Oberflächengewässer. Die Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft sanken in der gleichen Zeitspanne ebenfalls deutlich.

Natürlich kann man infrage stellen, wenn wir uns mit den Messstellen beschäftigen, ob richtig gemessen wird, ob die Datengrundlagen stimmen, ob jeder Messpunkt da ist, wo er Sinn macht. Aber damit allein macht man es sich zu einfach;

(Zuruf von der CDU: Das sind die Grundlagen!)

denn es gibt auch Standards für diese Messungen.

Im Rahmen der Erfassung der Belastung werden die Ergebnisse von landesweit – die Zahl ist genannt worden – 278 regelmäßig untersuchten Messstellen des oberflächennahen Grundwassers genutzt. Dazu werden auch noch weitere Messstellen erhoben, nämlich insgesamt 1.600 Grund- und Rohwassermessstellen.

Dieses Messnetz und die zusätzlichen Messstellen werden nach Standards und Vorgaben der EU erstellt. Natürlich kann dieses Messnetz jetzt nicht jeden Quadratmeter in diesem Land genau einschätzen, aber wie bei jeder Umfrage gibt es Kriterien für die Repräsentanz.

Wir sind uns darüber einig, dass wir diese Entscheidungen und die Kriterien offensichtlich noch einmal erklären müssen, und das hat überhaupt nichts mit dem mangelnden Willen zur Transparenz zu tun. Das Thema ist komplex, und was wir dazu tun können, um es weniger komplex oder transparenter zu machen, werden wir tun.

Eines ist klar: Das Land unterstützt die Landwirtschaft

schon jetzt, gewässerschonend zu wirtschaften. Ich möchte auf den Wassercent hinweisen, den wir schon 2014 eingeführt haben, und auf das Programm „Gewässerschonende Landwirtschaft“, die Wasserschutzberatung, die in einer erfolgreichen Kooperation zwischen Wasserwerken und landwirtschaftlichen Betrieben erfolgt und auch sehr gut angenommen wird. Es gibt ein gutes Miteinander.

(Glocke der Präsidentin)

Mit der Aktion Blau renaturieren wir Gewässer und fördern moderne Kläranlagen, die deutlich weniger Nitrat und Phosphor an die Umwelt abgeben. Das ist der richtige Weg, und die Landesregierung, die regierungstragenden Fraktionen, werden auch die Landwirtschaft dabei weiter unterstützen.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung spricht Staatssekretär Dr. Griese.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Am Beginn sollte man, glaube ich, ein wichtiges Faktum festhalten. Unser Trinkwasser gewinnen wir zu 95 % aus Grundwasser, und da, wo das Rohwasser einen Nitratgehalt von mehr als 50 mg/l hat, müssen die Wasserwerke einschreiten, weil das der Wert ist, der nicht mehr toleriert werden kann. Dann muss mit kostenaufwendigen Maßnahmen etwas getan werden.

Wir sollten bei den Fakten zweitens auch festhalten, dass wir insgesamt in der Landwirtschaft einen Stickstoffüberschuss haben. Das muss auch nach dem Verlauf der Debatte noch einmal klar gesagt werden. Wir haben im Moment, wenn man auf ganz Deutschland schaut, einen Stickstoffüberschuss von etwa 100 kg Stickstoff pro Hektar und Jahr. Das Ziel, das sich die Bundesregierung gesetzt hat, nämlich diesen Stickstoffüberschuss im Fünf-JahresDurchschnitt auf 70 kg/Hektar und Jahr zurückzuführen, konnte bisher nicht erreicht werden, trotz aller Anstrengungen, die unternommen worden sind.

Wir kommen auch nicht darum herum festzustellen, dass die Ursache dafür zu erheblichen Teilen – nicht ganz, aber zu erheblichen Teilen – auf der Landwirtschaft beruht; denn wir wissen aus den Messstellenauswertungen, dass zum Beispiel Grundwasserkörper, deren Einzugsgebiet vorwiegend durch Wälder geprägt ist, sehr viel niedrigere Nitratwerte haben als diejenigen, bei denen das Einzugsgebiet durch landwirtschaftliche Nutzung geprägt ist.

In den vergangenen Jahren ist versäumt worden – das muss man der Bundesregierung vorhalten –, dieses Problem zu lösen. Deswegen hat der Europäische Gerichtshof Deutschland wegen des Verstoßes gegen die EUNitratrichtlinie verurteilt. Deswegen haben wir seit 2017 eine neue Düngeverordnung, und weil diese nicht reicht,

hat die EU-Kommission nun ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Auch im Hinblick auf die Debatte heute Morgen muss man dazu sagen, es sind nicht irgendwelche bösen hinterhältigen Mächte in der EU oder sonstwo, die das beschlossen haben, sondern die Regularien, die dem zugrunde liegen, sind auf demokratischem Wege in der EU mit Zustimmung der jeweiligen Bundesregierungen beschlossen worden.

Vor diesem Hintergrund müssen wir uns auf die Frage konzentrieren: Sind die Messstellen richtig? – Ich will am Beginn meiner Ausführungen dazu sehr deutlich sagen, natürlich sind wir bereit, jede Messstelle zu erklären, jedem konkreten Hinweis nachzugehen und da, wo es sich als notwendig erweisen sollte, natürlich auch Änderungen vorzunehmen. Selbstverständlich sind wir das.

Aber klar ist auch – das will ich hier sagen –, die Messstellen sind nach einem fachlich-systematischen System eingerichtet worden. Die Leitlinien dafür stammen nicht aus Rheinland-Pfalz, sondern sie werden nach fachlicher Übereinkunft der Länder im ganzen Bundesgebiet so festgelegt.

(Abg. Johannes Zehfuß, CDU: Es ist keine Länderkompetenz! Nicht verschieben!)

Insofern meine klare Aussage: Es ist unrichtig, Herr Zehfuß, wenn Sie hier behaupten, es würde in NRW nach anderen Maßstäben gemacht als bei uns. Das stimmt nicht.

Es ist zweitens falsch, was Sie soeben gesagt haben, dass die Messergebnisse sozusagen als Staatsgeheimnis behandelt würden. Wenn das wahr wäre, hätten Sie hier ja gar keine Messergebnisse zitieren können. Sie haben sie aber reichlich zitiert, und die Ursache ist schlicht und einfach, dass sie im Internet veröffentlicht worden sind. Die kann man nachlesen. Das ist ziemlich einfach, also vorausgesetzt, dass man ins Internet kommt. Das muss man natürlich schaffen. Aber dann ist es recht einfach.

(Zuruf des Abg. Johannes Zehfuß, CDU)

Ja, das müssen Sie jetzt aushalten, Herr Zehfuß.

Es ist des Weiteren so, dass diese Messwerte alle im Sechs-Jahres-Turnus überprüft und natürlich auch die jeweils aktuellen Ergebnisse der EU übermittelt werden. Aus dem, was Sie gesagt haben, ist allerdings deutlich geworden, dass Sie zum Teil eine – ich kann es nicht anders sagen – groteske Fehlvorstellung darüber haben, wie Messwerte und Bewirtschaftung zusammenhängen; denn aus Ihren Ausführungen klang es so nach dem Motto: Dort, wo eine intensive Bewirtschaftung stattfindet, müsste es unmittelbar senkrecht darunter auch hohe Nitratwerte geben, und dort, wo es umgekehrt ist, müsste es niedrige geben.

Das ist eine groteske Verkennung der realen Situation; denn wir haben es real mit Grundwasserkörpern zu tun, die eine Ausdehnung von 20 mal 30 km oder von 10 mal 40 km haben und sich weit über das Land erstrecken. Deswegen kann man nicht aus einer punktuellen Bewirtschaftung an einer Stelle schließen, dass es in Ordnung ist, oder

umgekehrt, dass es nicht in Ordnung ist. Es ist eben ein Grundwasserkörper, und Wasser fließt, und es findet eine Durchmischung statt.

(Abg. Michael Billen, CDU: Danke für Ihre Aufklärung!)

Dann will ich sehr klar zum Ausdruck bringen, dass wir die Frage, wie die Messstellen angeordnet sind und welche Ergebnisse sie haben, in intensivem ständigen Dialog auch und gerade mit den Landwirtschaftsverbänden ausgetauscht haben.

Ich will daran erinnern, dass ich persönlich mit Staatssekretärskollegen Andy Becht vor über einem Jahr in einer intensiven Veranstaltung zusammengesessen habe und wir vor vier Wochen wiederum zusammengesessen und die Einzelheiten erklärt haben. Es kann sich keiner hier hinstellen, schon gar nicht jemand, der mit den Landwirtschaftsverbänden gesprochen und sie gefragt hat, und sagen, das sei eine geheime Aktion, es sei keine Transparenz gegeben.

Es ist falsch. Diese Transparenz ist gegeben. Wir stehen dafür und werden auch weiterhin dafür stehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Damit komme ich zu dem zweiten Vorwurf nach dem Motto, es gäbe insgesamt zu wenig Messstellen. Das ist etwas, was uns gerade auch gestern vorgehalten worden ist. Ich will noch einmal klarstellen: Wir haben insgesamt 255 Wasserrahmenrichtlinien-Messstellen im oberen Grundwasserleiter, dazu auch die 35, die immer wieder zitiert werden, und insgesamt werden 1.600 Grund- und Rohwassermessstellen herangezogen, die wir von den Wasserversorgern haben. All das fließt in die Gesamtbewertung ein.

Die Daten, die wir seinerzeit der Bewertung zugrunde gelegt haben, sind gerade aktuell wieder am 26. November 2019 an das Bundesumweltministerium zur Weiterleitung an die EU-Kommission übermittelt worden, weil sie danach gefragt hat.

Deswegen will ich Ihnen deutlich sagen, ich halte es für eine – ich kann es nicht anders sagen – absurde Fehlvorstellung, wenn man glaubt, das Problem würde besser, wenn wir noch mehr Messstellen aufstellen. Das Problem wird nicht kleiner werden. Ich glaube, das kann man prognostizieren. Das wird überhaupt nicht kleiner werden.

Ich sehe eine Parallele, die ich ansprechen will, zu dem, was wir vor einigen Monaten hier zum Thema „Luftreinhaltung“ debattiert haben. Da war es auch so, dass die Messstellen, in dem Fall die Messstellen für Stickoxide und Feinstaub, angeblich falsch stünden. Auch das geschah nach dem Motto, wenn einem die Messergebnisse nicht gefallen, dann müssen offenbar die Messstellen falsch stehen, und dann wollen wir sie aus politischen Gründen verschieben.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Sie vergleichen Äpfel mit Birnen!)

Das ist aus meiner Sicht unverantwortlich. Es ist unverantwortlich, den Beteiligten vorzugaukeln, dass das eine Lösung sein könnte.

Es ist vorhin gesagt worden, wir bräuchten einen TÜV. Bei den Luftmessstellen ist genau das passiert. Der TÜV Rheinland ist in dem Fall beauftragt worden, das im Einzelnen deutschlandweit zu prüfen. Was war das Ergebnis, meine Damen und Herren? – Das Ergebnis war, dass die Luftmessstellen alle richtig standen, bis auf eine in Nordrhein-Westfalen. Bis auf eine einzige in NordrheinWestfalen standen sie richtig.

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Ich garantiere Ihnen, ich wage die Voraussage, dass das hier genauso enden und die Messstellendiskussion nichts bringen wird.

(Abg. Michael Billen, CDU: Frau Präsidentin, er soll einmal zum Thema reden!)

Ich will als Nächstes darauf zu sprechen kommen, dass ich hier wiederholt hören musste, auch von Ihnen, Herr Billen, dass das Land die sogenannte 20 %-Regelung zu verantworten hätte. Dazu will ich Ihnen die zeitliche Abfolge nennen. Herr Minister Wissing hat dazu heute Morgen schon etwas gesagt.

Im Januar dieses Jahres hat die Bundesregierung eigenmächtig, ohne die Länder zu kontaktieren, an die EU gemeldet,

(Zuruf des Abg. Michael Billen, CDU)

dass man eine Lösung darin sähe, die 20 %ige Düngereduzierung zu machen, und zwar schlagbezogen – schlagbezogen, Herr Billen.

Dann hat im April die Agrarministerkonferenz einstimmig – Herr Minister Wissing hat es ausgeführt –, einstimmig gesagt, dass das eine falsche Lösung ist. Übrigens wir als Umweltministerium haben zur gleichen Zeit eine Pressemitteilung herausgegeben, die das unterstützt und diese pauschale 20 %-Regelung auch kritisiert.