Protokoll der Sitzung vom 13.12.2019

Zum anderen gibt es dann auch die Schüler mit Migrationshintergrund, die als Seiteneinsteiger ohne jegliche deutsche Sprachkenntnisse – zumeist sogar während des laufenden Schuljahrs – direkt aus ihrem Heimatland an unsere Schulen kommen, die sich irgendwie zurechtfinden und sogar erstaunlich gut mit der Situation klarkommen. Hier möchte ich eine Erfolgsgeschichte erwähnen. Das sind nämlich die chinesischen Familien im Kreis Birkenfeld, deren Kinder und Jugendliche fast ohne Kenntnisse der deutschen Sprache nach Deutschland kommen und innerhalb kurzer Zeit sogar ein Einser-Abitur ablegen.

Beide Sachverhalte sind jedoch grundsätzlich für alle Beteiligten hoch problematisch und verlangen jeweils eine sehr flexible Handhabung der unterschiedlichsten Fördermaßnahmen. Darüber hinaus stellt sich bei dieser breit gefächerten Gemengelage dezidiert die Frage, wie viele unterschiedlichen Nationalitäten von zu fördernden Kindern wir in Rheinland-Pfalz überhaupt haben. Dies erfordert nämlich speziell eine zusätzliche Einstellung von entsprechend qualifizierten Sprachlehrern/Dolmetschern aus den unterschiedlichsten Ländern bzw. mit den unterschiedlichsten Sprachausbildungen.

(Glocke der Präsidentin)

Ich komme zum Ende. Ich plädiere mit Nachdruck dafür, dass nicht die zusätzliche Stärkung der Muttersprache im Vordergrund der pädagogischen Maßnahmen stehen sollte, sondern personell und finanziell gefördert primär verstärkt das Erlernen der deutschen Sprache. Dieses ist der Schlüssel zu weiterer beruflicher Karriere und Integration.

Danke.

Für die Landesregierung spricht Staatssekretär Beckmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Barth, ich bin bei dieser Debatte froh, dass ich Lehrer bin und dazu noch ein paar Sätze sagen kann.

(Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

Herr Barth, Sie haben am Anfang Ihrer Rede gesagt, Sie wundern sich, dass es keine neuen Erkenntnisse gibt. Wenn Sie mich vorher gefragt hätten, ob Sie mit Ihrer zweiten Großen Anfrage neue Erkenntnisse erzielen können, hätte ich Ihnen die Frage leicht beantworten können:

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Hans, sehr gut!)

Nein, Herr Barth, weil Sie gar keine neuen Erkenntnisse hören wollen. Es geht Ihnen nämlich um etwas ganz anderes.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht Ihnen darum, unser Sprachförderkonzept schlechtzureden. Deswegen konnten Sie auch keine neuen Erkenntnisse bekommen.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Vielleicht braucht man es gar nicht schlechtzureden, sondern es ist schlecht!)

Meine Damen und Herren, ich brauche nicht noch einmal im Detail darauf einzugehen, wie wichtig die Sprache zur Integration ist. Das haben alle meine Vorredner gesagt. Ich bin Frau Lerch, Herrn Köbler und Frau Kazungu-Haß dankbar, dass sie unser Sprachförderkonzept noch einmal vorgestellt haben.

(Abg. Anke Beilstein, CDU: Welches Konzept?)

Wir haben ein ganz breit gefächertes Konzept.

Ich will aber noch einmal auf eine Sache hinweisen, weil das hier kontrovers diskutiert wird, und das ist die Bedeutung des Herkunftssprachenunterrichts. Wir sind froh, dass wir den Herkunftssprachenunterricht haben, nicht nur, weil die Mehrsprachigkeit für das weitere Leben und das Fortkommen der Schülerinnen und Schüler wichtig ist, sondern ich erinnere auch an die Debatte von gestern, meine Damen und Herren. Aus meiner Sicht ist der Herkunftssprachenunterricht auch identitätsstiftend. Das ist ganz wichtig.

(Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

Ich will etwas zu den Ressourcen sagen, weil hier so getan wird, als ob das alles nichts wäre. Meine Damen und Herren, wir reden über das Schuljahr 2018/2019. Wir haben im Schuljahr 2018/2019 insgesamt

(Unruhe im Hause – Glocke der Präsidentin)

570 Vollzeitlehrereinheiten für die Sprachförderung eingesetzt. Bei den allgemeinbildenden Schulen sind es rund 500 Vollzeitlehrereinheiten und bei den berufsbildenden Schulen rund 70 Vollzeitlehrereinheiten. Das nur, um einmal die Größenordnung darzustellen. Ich finde, das ist schon etwas Besonderes. Bei den allgemeinbildenden Schulen – ich sage es noch einmal – kommen diese Stunden zu der normalen Stundenzuweisung dazu.

Jetzt haben wir auch verschiedentlich gehört, wie es in Ludwigshafen aussieht. Das machen Sie immer. Sie greifen sich irgendwelche Orte heraus. Nur, damit Sie das auch einmal hören: In der Stadt Ludwigshafen waren im Schuljahr 2018/2019 21 Vollzeitlehrereinheiten zusätzlich nur für Sprachförderung eingesetzt. Ich denke, das ist schon bemerkenswert.

Herr Barth, Sie haben angesprochen – das hat im Übrigen auch Herr Brandl schon im Februar gemacht –, diese Zuweisung sei nicht bedarfsgerecht. Sie haben gesagt, wir müssten dafür sorgen, dass für jeden Schüler ein gleicher Stundenanteil vorgesehen wird. Meine Damen und Her

ren, erklären Sie es uns. Sie haben dann gesagt, was wir machen, sei das Gießkannenprinzip. Dabei ist doch genau das Gegenteil der Fall. Ihre Methode ist das Gießkannenprinzip. Wir wollen eine bedarfsgerechte Zuweisung, und deswegen müssen wir schauen, wo der Bedarf ist, und dahin müssen wir die Stunden geben.

Weil Sie immer mit Negativbeispielen argumentieren, will ich am Ende meiner Ausführungen einmal ein paar positive Beispiele nennen, meine Damen und Herren.

Ich war vor wenigen Wochen im Rahmen der Wochen der Realschulen plus an der Lina-Pfaff-Realschule plus in Kaiserslautern. Dort habe ich die Schülersprecherin kennengelernt. Die ist vor vier Jahren nach Deutschland gekommen und kann perfekt Deutsch. Das ist das eine. Meine Damen und Herren, Sie hat Verantwortung für sich und für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler übernommen, also genau das getan, was wir wollen. Das finde ich wirklich bemerkenswert.

Ein zweites Beispiel: Jedes Jahr machen am AugusteViktoria-Gymnasium in Trier zwei bis drei Schülerinnen und Schüler ihr Abitur, die nur kurze Zeit in Deutschland sind, meine Damen und Herren. Auch das finde ich bemerkenswert.

(Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

Aus dem Bereich der berufsbildenden Schulen – das haben Sie vielleicht vor einigen Wochen gesehen – war ein junger Mann – ich meine, er kam aus Afghanistan – in Kaiserslautern. Der war wenige Monate in Deutschland, war im Berufsvorbereitungsjahr, ist danach an das berufliche Gymnasium gewechselt und hat nach drei Jahren ein tolles Abitur hingelegt.

Das sind tolle Beispiele, und auf diesem Weg wollen wir bei der Sprachförderung weitergehen, meine Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegen zwei Kurzinterventionen vor. Einmal die des Kollegen Brandl und dann die des Kollegen Dr. Bollinger.

Zunächst Herr Kollege Brandl.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, ich will noch einmal auf den Punkt eingehen, Sie hätten uns sagen können, dass es keine neuen Erkenntnisse gibt.

Genau das ist aber das Grundproblem dieser Landesregierung, insbesondere im Bildungsbereich, und im Hochschulbereich ist es absolut identisch: Sie verweigern sich diesen Realitäten, die durchweg festgestellt worden sind

und die wir an der Stelle mit Zahlen eindeutig belegen und beweisen können. Die Erkenntnisprobleme, die es an der Stelle gibt, sind Ihre und nicht die der Opposition.

(Beifall bei der CDU)

Weil Sie sagen, die Stunden werden bedarfsgerecht zugewiesen: Diese Statistik zeigt eindeutig, dass es Schulen gibt, die ähnliche Sprachförderbedarfe angemeldet haben, die ähnliche Zahlen an Schülern haben, die tatsächlich einer Förderung bedürfen und die grundlegend verschiedene Stundenzuweisungen erhalten. Grundlegend verschiedene Stundenzuweisungen!

(Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Die melden das doch an!)

Meine Damen und Herren, das hat nichts mit Förderung zu tun, wie sie notwendig wäre, sondern das hat mit Willkür der Schulaufsicht zu tun, und das ist nicht so, wie es für die Schüler notwendig wäre.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb will ich an der Stelle noch einmal klarstellen und betonen – deshalb haben wir diese zweite Anfrage noch einmal gestellt, und Sie können sich darauf einstellen, wir werden die Anfrage im nächsten Jahr noch einmal stellen, da können Sie sicher sein –,

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Fragen stellen könnt Ihr, das haben wir heute gemerkt! – Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Bis Ihr die Frage verstanden habt!)

das zentrale Problem, das wir in dieser Anfrage erkennen, ist, dass die Landesregierung ihre Probleme nicht wahrhaben will. Sie will die Probleme nicht erkennen.

Sie wischt es weg, dass wir Probleme beim Lesen- und Schreibenlernen und beim Beheben der Sprachdefizite der Schüler haben. Wenn man nicht bereit ist, diese Erkenntnis tatsächlich zu verinnerlichen und zu sagen, da ändern wir etwas, dann wird es so weitergehen, dann werden wir die Probleme, dass ein Drittel der Kinder nicht richtig lesen und schreiben kann, nicht beheben.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Die wollen die gar nicht beheben!)

Das ist letztendlich Ihr politischer Fehler, den Sie schon 30 Jahre lang im Bildungsministerium begehen.

(Beifall der CDU)

Zu einer weiteren Kurzintervention hat sich der Abgeordnete Dr. Bollinger gemeldet.