Protokoll der Sitzung vom 29.01.2020

Für die CDU-Fraktion spricht deren Vorsitzender, Abgeordneter Baldauf.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her

ren! Das Bekenntnis zu Freiheit, Pluralität und Toleranz ist unser demokratischer Grundkonsens. Umso wichtiger ist es, dass Politik, Schulen, Medien diesen Grundkonsens offensiv und leidenschaftlich vertreten; denn Demokratie hat keine Ewigkeitsgarantie. Rechtsstaat und Grundwerte müssen immer wieder aufs Neue gesichert werden.

(Beifall der CDU)

Die CDU-Fraktion begrüßt die Kampagne, das Themenjahr der Landesregierung gegen Hass und Hetze, gegen die erschreckende Verrohung im Netz. Ich darf erinnern, schon vor drei Jahren hatten wir Christdemokraten eine Orientierungsdebatte beantragt; denn wenn es darum geht, für Werte und Zusammenhalt einzustehen, ist breiter politischer Schulterschluss geboten.

(Beifall der CDU und bei AfD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie wichtig klare Positionierungen sind, zeigen aktuelle Entwicklungen in Rheinland-Pfalz. Die Zahl der antisemitischen Straftaten steigt, verbale und körperliche Übergriffe – Kollege Schweitzer hat es ausgeführt – auch auf ehrenamtlich Engagierte, auf Rettungskräfte, auf Polizistinnen und Polizisten, auf Feuerwehrfrauen und -männer, auf Behördenmitarbeiter und auch Mandatsträger nehmen zu.

Besonders in Deutschland haben wir furchtbare Erfahrungen mit Anfeindungen und Lügenpropaganda gemacht. Aus Worten wurden schlimmste Verbrechen. Wir stehen in besonderer Verantwortung, alles dafür zu tun, dass Hass und Hetze niemals wieder alltäglich werden. Deshalb muss der Staat rote Linien ziehen.

(Beifall der CDU und bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei der SPD)

Sie lauten: Rechtssicherheit, funktionierende Institutionen, verbindliche Regeln, deren Einhaltung eingefordert wird von jeder Bürgerin und von jedem Bürger. Wo das nicht geschieht, muss der Rechtsstaat hart durchgreifen.

Bereits 2011 forderte die CDU-Fraktion deshalb frühzeitig Sonderdezernate bei den Staatsanwaltschaften, um Hasskriminalität zu bekämpfen. Die Landesregierung hat das damals nicht umgesetzt.

Auch fordern wir schon lange, die rheinland-pfälzischen Sicherheitsbehörden besser auszustatten, damit sie verfassungsfeindliche Aktivitäten besser überwachen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, „Miteinander Gut Leben“ – das Motto der Themenkampagne. Unter diesem Motto verstehe ich aber mehr als Symbolpolitik, Frau Ministerpräsidentin.

(Heiterkeit der Ministerpräsidentin Malu Dreyer)

„Miteinander Gut Leben“ tun wir nämlich dort, wo sich Bürgerinnen und Bürger sicher fühlen, weil es ausreichend Polizisten gibt, die schnell vor Ort sein können, und die Polizei nicht systematisch über Jahre und Jahrzehnte kaputt gespart wird, sondern modernste Ausstattung nutzen

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Wo Richter und Staatsanwälte sind, die Recht durchsetzen und dafür sorgen, dass der Rechtsstaat respektiert wird.

„Miteinander Gut Leben“ ist die bestmögliche Grundschulbildung für unsere Kinder; denn hier werden die Weichen für ein besseres Leben, für Chancen, für Zukunft gestellt. Da dürfen nicht 3.000 Lehrer fehlen

(Abg. Thomas Wansch, SPD: Was?)

und wertvoller Geschichts- und Sozialkundeunterricht ausfallen.

(Beifall bei der CDU)

„Miteinander Gut Leben“ – das ist, im Alter sicher auf Fürsorge vertrauen zu dürfen, sind verlässliche Pflege, ausreichend Medizinstudienplätze, attraktive Hochschulen.

„Miteinander Gut Leben“ gibt es dort, wo Kommunen finanziell Luft haben, wo Stadt und Land zu attraktiven Zukunftsregionen verschmelzen, mit guter Infrastruktur und starken Unternehmen, die Arbeit und Wohlstand sichern.

„Miteinander Gut Leben“ tun wir dann, wenn wir unseren Vereinen, unseren Verbänden, den vielen Ehrenamtlichen, denen, die Heimat schaffen, den Rücken stärken, wenn wir Kulturpolitik auch in der Fläche wirklich ernst nehmen, wenn sich Integrations- und Flüchtlingspolitik konsequent an die Regeln unseres Rechtsstaats halten.

(Beifall der CDU)

Diese Punkte sind Grundzüge einer Politik, die Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit im Alltag gibt, die Gewissheit, dass für eine gute Zukunft gesorgt wird. Sehr geehrte Damen und Herren, das gilt es, mit Leidenschaft zu vermitteln; denn Lust auf Politik, Lust auf Gestalten in einer Demokratie mit Optimismus und mit Zukunftsfreude – das sind ganz wichtige Helfer, die Hass und Hetze Nährboden entziehen, mehr als Kampagnen und Hashtags es jemals könnten.

(Beifall der CDU)

Deshalb reichen PR-Kampagnen nicht, Frau Ministerpräsidentin. Eine gute, die Zukunft gestaltende und die Gegenwart sichernde Landespolitik, Institutionen, die funktionieren – darauf kommt es an. Dann wächst Vertrauen und schwinden Unzufriedenheit und Hass.

(Glocke des Präsidenten)

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Schmidt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kollegen! Die Frage nach dem guten Leben ist im Kern eine philosophische und ethische. Seit Jahrtausenden beschäftigen sich Menschen damit, was ein gutes Leben auszeichnet, wie es gelingen kann, warum es oftmals nicht gelingt.

Bei uns in Europa hat sich im Laufe der Geschichte von der antiken Philosophie über das christliche Mittelalter und die liberale Aufklärung ein gemeinsamer Wertekanon herausgebildet, der für unser Zusammenleben heute richtungsweisend ist. Seine tragenden Säulen heißen Freiheit, Humanität, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Heute ist der moderne demokratische Rechtsstaat bei uns der erklärte Garant für gesellschaftlichen Frieden nach innen und nach außen. Das Wesentliche des Staates besteht darin, auf der Basis von Recht und Ordnung für einen Ausgleich unterschiedlicher Interessen zu sorgen, um eine willkürliche Ausübung von Macht zu unterbinden.

Unsere eigene jüngere Geschichte führt uns immer wieder vor Augen, welch schlimme Folgen es hat, wenn man an diesen Grundprinzipien eines ausgleichenden gesellschaftlichen Miteinanders rüttelt. Sowohl im Nationalsozialismus als auch später in der DDR wurden Millionen Menschen zu Opfern willkürlicher Ausgrenzung und Verfolgung, sei es durch staatliche Organe, sei es durch die Mitwirkung oder den mangelnden Widerstand der Bevölkerung.

Ausgrenzung, Willkür und Gleichgültigkeit sind allerdings nicht nur Triebfedern totalitärer Unrechtsstaaten, sondern es gibt sie vermehrt auch in sich radikalisierenden sogenannten Zivilgesellschaften. Leider müssen wir seit Jahren auch bei uns in Deutschland und in Rheinland-Pfalz eine fatale Tendenz hin zu mehr Radikalität und Gewalt in vielen Bereichen des Zusammenlebens feststellen. Dazu gehören Angriffe auf engagierte Menschen in unserer Mitte: Rettungskräfte und Feuerwehrleute, Lehrer und Journalisten, Kommunalpolitiker und Spitzenpolitiker unterschiedlicher Strömungen.

Gerade Menschen, die sich in der Alternative für Deutschland demokratisch engagieren, werden zu Opfern von Gewaltangriffen,

(Zurufe von der SPD)

häufiger übrigens als die Vertreter aller anderen Parteien. – Auch das sollte uns mit großer Sorge erfüllen.

(Zuruf von der SPD: Falsche Behauptung!)

Einer ernsthaften, umfassenden Initiative gegen die beschriebenen Probleme würden wir daher offen gegenüberstehen; doch in ihren Verlautbarungen positioniert sich die rot-grün-gelbe Landesregierung leider zum wiederholten Male einseitig gegen Gefahren von rechts außen und ignoriert damit beharrlich, dass auch eine erhebliche Bedrohung durch linksextreme Strukturen und andere gefährliche Entwicklungen wie den islamistischen Terror besteht.

(Beifall der AfD)

Erst gestern konstatierte Verfassungsschutzpräsident Hal

denwang gegenüber der F.A.Z.: „Es gibt eine deutlich zunehmende Militanz im Linksextremismus. Die Hemmschwelle sinkt.“

Es steht daher zu befürchten, dass statt eines umfassenden Konzeptes gegen Diskriminierung, Hass und Gewalt jeglicher Couleur wieder einmal eine Kampagne zur Delegitimierung von Positionen rechts der politischen Mitte beabsichtigt ist.

(Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Mit ihrer Stellungnahme zum neuen, selbsterklärten Markenkern „Miteinander Gut Leben – Rheinland-Pfalz gegen Hass und Hetze“ dürfte die Landesregierung außerdem die Ablenkung von zentralen Politikfeldern beabsichtigen, in denen ihre Bilanz mehr als dürftig ausfällt.

(Beifall der AfD – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Genau so ist es!)

Stichworte dafür sind Bildungsmisere, unterfinanzierte Krankenhäuser, mangelhafte Personalausstattung unserer Kitas, marode Straßen und Brücken, fehlende Polizisten und JVA-Beamte, unzählige Funklöcher und ganz allgemein die Vernachlässigung der ländlichen Räume.