Protokoll der Sitzung vom 27.09.2000

(Anhaltender Beifall bei der SPD und bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile dem Herrn Oppositionsführer das Wort. Bitte sehr, Herr Abgeordneter Kayenburg!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst bitte ich um Nachsicht, dass ich zu spät gekommen bin. Aber ich glaube, es war wichtiger, draußen bei den Demonstranten zu sein,

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Unruhe bei der SPD)

die gezeigt haben, wie sehr sie durch die Politik dieser Landesregierung und der Bundesregierung belastet sind.

(Konrad Nabel [SPD]: Dann reden Sie doch draußen!)

Ich glaube, nachhaltiger kann man nicht deutlich machen, wie unzufrieden man mit dem sein muss, was hier vorgelegt worden ist, mit dem, was in der großen Politik in Berlin passiert. Gleichwohl bitte ich um Nachsicht, Herr Minister, dass ich ein wenig zu spät gekommen bin.

Heute beraten wir in erster Lesung einen Haushaltsentwurf, der schon seit Wochen in der öffentlichen Diskussion steht. Ich meine, das hat es bisher in dieser Form wirklich noch nie gegeben. Durch gezielte Indiskretionen - wie ich vermute, aus Ihrem Hause, Herr Minister

(Renate Gröpel [SPD]: Das ist unglaublich!)

durften einige ausgewählte Journalisten die von der rot-grünen Landesregierung angedachten Sparvorschläge bei Zuwendungen und Zuschüssen für Vereine und Verbände schon einmal in der parlamentarischen Sommerpause bekanntgeben. Ich denke, dies ist wirklich ein ungeheuerlicher Vorgang

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Haben Sie es nötig, mit Unterstellun- gen zu arbeiten? Das ist aber schwach!)

- Frau Heinold, ich komme auf Sie zurück -, zumal das Paket eine Mogelpackung ist.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Kaum war dieser Versuchsballon gestartet, erhoben sich - wahrscheinlich wie erwartet - auch schon die Proteste der gesellschaftlich relevanten Gruppen vom Sport bis zur Sozialarbeit, von den Vertriebenen bis zu ehrenamtlichen Gleichstellungsbeauftragten. Kaum war die Sparliste bekannt, bröckelte auch Ihre rotgrüne Front. Allen voran ging Landwirtschaftsministerin Franzen, die mit ihren Rücknahmeüberlegungen nicht eilfertig genug sein konnte. Aber auch in der SPD-Landtagsfraktion begann man, die Streichliste wieder einzusammeln. So hat sich beispielsweise der Fraktionsvorsitzende Hay darüber Gedanken gemacht, ob die Kürzungen in der Jugendarbeit wirklich sinnvoll seien. Herr Hay, wenn ich Ihre Presse von gestern richtig lese, dann denken Sie ja auch darüber nach, ob nicht - ich zitiere - „der im Haushaltsentwurf vorgesehene Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich reduziert oder sogar ausgesetzt werden soll“.

(Klaus Schlie [CDU]: Hört, hört! Was sagt dazu eigentlich der Kommunalminister?)

Erst hören wir vollmundige Ankündigungen und nachher wird eingesammelt.

Aber die Regie scheint ja aufzugehen. Kommt es wirklich in den nächsten Wochen bei der einen oder anderen Position zu Veränderungen, dann sind Ihnen, meine Damen und Herren von Rot-Grün, die Betroffenen auch noch dankbar. Einerseits ist das, wie ich finde, eine durchaus bemerkenswerte Verdummungsstrategie, andererseits aber ist diese Vorankündigung eine glatte Mißachtung des Landtages, für den, Herr Minister, das Budgetrecht immer noch das „Königsrecht“ des Parlaments ist.

(Beifall bei der CDU und bei der F.D.P.)

Ich frage mich: Was haben Sie eigentlich für ein Verfassungsverständnis? Ich kann die Kritik der Kollegin Spoorendonk voll unterstützen, wenn sie von einem schlechten parlamentarischen Stil spricht, der von dieser Landesregierung hätte verhindert werden können. Und auch Ihr grüner Koalitionspartner sieht das offenbar ähnlich. Deswegen verstehe ich Ihren Zwischenruf nicht, Frau Heinold! Sie haben doch am

(Martin Kayenburg)

30. August die Vorveröffentlichung von Haushaltszahlen als unparlamentarisch bezeichnet.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Aber ich habe doch nicht gesagt, dass es aus dem Ministerium kommt!)

Recht haben Sie! Genau dies ist zu kritisieren.

In diesem Verhalten, in der Missachtung des Parlaments, kommt die ganze Arroganz der Macht zum Ausdruck, obwohl dies durch die Leistungen dieser Regierung nun wirklich nicht gerechtfertigt ist.

(Beifall bei der CDU und F.D.P.)

Frau Ministerpräsidentin, nachdem Sie sich schon im Finanzausschuss davor gedrückt haben, Stellung zu nehmen, erklären Sie uns doch bitte hier und heute, ob das Ihr Umgang mit dem Parlament in der 15. Legislaturperiode werden soll. Ihre Erklärung dazu ist längst überflüssig.

(Zuruf von der SPD: Ja, das stimmt! - Konrad Nabel [SPD]: Längst überflüssig, Herr Kol- lege?)

- Überfällig. - Entschuldigung.

Wenn man zu Beginn der Diskussion im Sommer noch den Eindruck gewinnen konnte, mit dem Haushaltsentwurf 2001 wolle die neue Landesregierung nach der Landtagswahl endlich mit den Versäumnissen der Vorgängerregierung aufräumen, und wenn man den Eindruck gewinnen konnte, durch kraftvolles Handeln und strukturelle Einschnitte wollten Sie die Zukunft des Landes sichern, so bricht dieses kunstvolle Gebäude inzwischen Stück für Stück zusammen. Ich wundere mich darüber überhaupt nicht. Denn wer war diese Vorgängerregierung? Wer ist denn schon seit 1988, seit zwölf Jahren, für die Finanzen dieses Landes verantwortlich? Für wen war die Finanzpolitik stets Chefsache? Doch für Sie, Frau Simonis. Sie allein haben den Karren in den Dreck gefahren, zunächst als Finanzministerin und jetzt als Ministerpräsidentin.

(Beifall bei der CDU und F.D.P. - Holger Astrup [SPD]: Deshalb wird sie auch immer wieder gewählt!)

Wenn es heute im Haushalt an allen Ecken und Enden brennt, dann haben Sie es allein zu verantworten. Schlimm ist es, dass Sie sich dann auch noch als Erste zum Löschen melden.

(Zurufe von der CDU)

Aber mit markigen Ankündigungen vor und nach den Landtagswahlen waren Sie ja noch nie zimperlich. Ich erinnere noch einmal an Ihre Regierungserklärung von 1996, zu Beginn der 14. Legislaturperiode. Da sollte

die Nettokreditaufnahme schrittweise auf 800 Millionen DM zurückgeführt werden, unerwartete Mehreinnahmen sollten zur zusätzlichen Senkung der Nettoneuverschuldung verwendet werden, Nettoausgaben sollten im Durchschnitt um 1,5 % steigen und die Personalausgaben wollten Sie bis zum Jahre 2000 auf unter 39 % drücken. Was ist von diesen Versprechungen eingetreten? Nichts, absolut nichts. Ich will das auch belegen:

Nettokreditaufnahme: 1,1 Milliarden DM. Nettoausgaben: angewachsen um 2,2 %. Neuverschuldung: gestiegen um 3,1 %. Erbschaftsteuer von 175 Millionen DM nicht verwendet.

Wenn ich das alles zusammenzähle, zeigt das die Bilanz Ihrer Erfolglosigkeit. Sie konnten in der letzten Legislaturperiode keines Ihrer Vorhaben realisieren.

(Beifall bei der CDU - Günter Neugebauer [SPD]: Es gab auch Ursachen dafür!)

- Herr Neugebauer, was soll denn hier eine Ursachendiskussion? Gucken Sie doch einmal in den Vorschlag, der jetzt gemacht ist. Schon wieder haben wir so ein ehrgeiziges Ziel: Nettokreditaufnahme bis 2010 auf null bringen. Wer soll Ihnen das noch glauben, Frau Simonis?

Ihr Entwurf sieht für 2001 eine Neuverschuldung in Höhe von 1,1 Milliarden DM, für 2002 über 1 Milliarde DM und für 2003 865 Millionen DM vor. Ich garantiere Ihnen, dass diese 865 Millionen DM spätestens im nächsten Finanzplan revidiert werden. Ich glaube, Frau Ministerpräsidentin, Sie wollen wieder einmal eine Leiter zum Mond bauen. Sie werden jämmerlich abstürzen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie hier noch sitzen, will ich gern zugestehen, dass Sie das allein den Turbulenzen der CDU auf Bundesebene vor der letzten Landtagswahl zu verdanken haben. Die vernichtende Niederlage, die sonst auf Sie zugekommen wäre, wird in der Diskussion Ihrer Partei nur zu deutlich. Die Diskussion um Ihre Ablösung verstummt doch nicht. Der Kollege Hay, aber auch Frau Erdsiek-Rave und Herr Dr. Rohwer werden doch schon in aller Öffentlichkeit gehandelt.

(Thorsten Geißler [CDU]: Rohwer nicht mehr! - Heiterkeit bei der CDU)

Viele in der SPD wollen Sie längst in den politischen Ruhestand schicken. Ich denke, über das Ob wird schon gar nicht mehr diskutiert. Die entscheidende Frage ist nur noch das Wann.

(Beifall bei der CDU)

(Martin Kayenburg)

So sind Sie, Frau Ministerpräsidentin: eine Ministerpräsidentin auf Abruf, ein bisschen nett, ein bisschen Landesmutter, aber insgesamt kraftlos und nicht mehr in der Lage, die Zukunft unseres Landes glaubhaft zu gestalten.

(Konrad Nabel [SPD]: So ein Quatsch!)

Den letzten Knacks haben Sie mit der endgültigen Aufgabe Ihrer verbohrten Entbeamtungspolitik erhalten, die aus gutem Grund niemand in ganz Deutschland mittragen wollte. Das ist für die Steuerzahler wirklich eine „teure Tasse Tee“ geworden. Das waren weit über 100 Millionen DM, die Sie in die Bildung, in die Hochschulen und in die Infrastrukturen des Landes hätten stecken können. Das war Missmanagement im Unternehmen Schleswig-Holstein. Dafür wird man abgelöst, Frau Simonis, zumal sich die Fehlleistungen häufen.

Dabei ist die Aufgabe der Entbeamtungspolitik nur ein Beispiel, wie diese Landesregierung nach und nach die zahlreichen Vorschläge unserer Entschließungsanträge aus den vergangenen Jahren übernommen hat. Es ist schon auffällig. Wir machen uns Jahr für Jahr Gedanken, machen Vorschläge, die von Ihnen lautstarkt abgelehnt werden, die dann aber später Stück für Stück von dieser Landesregierung - Herr Möller hat das eben bestätigt - klammheimlich umgesetzt werden.

Ich jedenfalls kann mich noch gut daran erinnern, wie die damalige Fraktionsvorsitzende, Frau ErdsiekRave, unsere Vorschläge in der Haushaltsdebatte am 21. Januar 1998 als Sonderangebot im politischen Winterschlussverkauf bezeichnet hat. Dann, nach einer gewissen Schamfrist, wurden diese so genannten Sonderangebote aus der rot-grünen Kiste geholt und als besonders innovatives Produkt dieser Landesregierung verkauft.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Schnäpp- chenjäger!)