Unser Schulgesetz erlaubt die Übermittlung personenbezogener Daten - darum handelt es sich ja - durch die Schule an Einzelpersonen, also auch an Eltern volljähriger Schüler, aber dies grundsätzlich nur mit der Einwilligung der oder des Betroffenen. So weit das Schulgesetz.
Auf die Lehrerdienstordnung hat der Abgeordnete Höppner bereits hingewiesen; ich will das jetzt nicht weiter kommentieren. Aber ich will noch eines sagen, was hier noch nicht angesprochen worden ist. Herr Höppner hat den Vergleich mit den Studierenden gezogen. Dieser Vergleich ist richtig. Wie oft leben volljährige Schüler heute, indem sie von zu Hause ausziehen und eine eigene Wohnung mieten, schon wie Studierende oder wie volljährige Auszubildende?
Ich habe keine Statistiken darüber, aber jeder kennt das aus seinem Umfeld, dass mehr und mehr 18jährige das Elternhaus verlassen, eine eigene Wohnung finanzieren und ihren Unterhalt gegenüber den Eltern geltend machen und es auch machen können. Diese Situation dürfen wir nicht einfach ausblenden bei den Vorstellungen, die wir uns machen.
Dann gibt es natürlich eine Rechtsnorm, auf die hier auch schon hingewiesen worden ist, und die ist grundrechtsgleich: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das jeden Bürger vor der Weitergabe personenbezogener Daten schützt, jeden Bürger, somit jeden volljährigen Schüler, jede Schülerin, jeden Auszubildenden, jeden Studierenden. Man muss dann eben mit 18 diesen Schnitt machen, egal ob jemand noch zur Schule geht, ob er studiert oder sich in einer Ausbildung befindet. Ich finde, man kann es nicht so eng auf die Schule begrenzen. Das ist eines der Probleme, die man bedenken muss. Dieses Recht gibt eben jedem die Befugnis, über die Weitergabe seiner oder ihrer Daten selbst zu entscheiden.
In dieses Recht darf eingegriffen werden - das ist richtig -, aber nur, wenn es im überwiegenden Allgemeininteresse liegt. Die Frage lautet also: Liegt dieses überwiegende Allgemeininteresse hier überhaupt vor, oder handelt es sich um - natürlich tragische - Einzelfälle?
Im Grunde sind die juristischen Fragen das eine, entscheidend ist aber, weil wir uns im pädagogischen Raum bewegen, die andere Frage, ob entsprechende Vorschriften im Schulgesetz in vergleichbaren Situationen überhaupt helfen würden und ob man nicht davon ausgehen muss, dass gerade bei problematischen Fällen die Schüler von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen würden. Ich befürchte, genau dann würden die gesetzlichen Regelungen nicht greifen. Volljährige Schüler, die Schwierigkeiten in der Schule haben oder, wie Sie dies eingangs beschrieben haben, die Schule schwänzen, werden aller Wahrscheinlichkeit nach die Weitergabe solcher Daten an die Eltern nicht ermöglichen. Auch Robert Steinhäuser, der Schüler von Erfurt, hat seinen Eltern zu Hause mit Erfolg eine heile Schulwelt vorgegaukelt.
Ich frage mich also, ob eine gesetzliche Regelung wirklich die Wirksamkeit entfalten würde, die Sie ihr zuschreiben. Ich glaube nicht, dass allein eine gesetzliche Regelung überhaupt die Wirklichkeit verhindern und verändern kann, ob nicht stattdessen andere Wege gefunden werden sollten. Herr Dr. Klug hat auf einen Weg, der an einer Schule offenbar im Einverständnis aller gefunden wurde, hingewiesen. Wäre es nicht wichtiger, Wege zu finden und zu diskutieren, die Rückmeldungen und Kontakte zwischen Schulen
und Eltern, zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern, Volljährigen, Nichtvolljährigen - da wird das Klima ja angelegt - ermöglichen? Dieses offene Klima muss als Teil der Schulprogramme dann an den Schulen gelebt werden.
Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass ich übrigens in aller Stille ohne jede öffentliche Aufmerksamkeit nach Erfurt in Schleswig-Holstein einen runden Tisch ins Leben gerufen habe, „Erfurt und die Folgen“, mit Schülerinnen und Schülern, Elternvertretungen, Lehrerverbänden, die über diese Fragen diskutiert haben. Da gab es Problembeschreibungen, da gab es auch Lösungsansätze, vor allem auch gute Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus, die direkt aus der Praxis kamen. Es ist sehr bezeichnend, dass in dieser Arbeitsgruppe über viele Themen sehr intensiv diskutiert wurde, aber die Frage, ob das Schulgesetz, wie vorgeschlagen, verändert werden sollte, eben gerade nicht, weil auch aus der Sicht dieser Experten solche Einzelfälle dadurch nicht verhindert würden.
Ich bitte Sie alle, dies noch einmal sehr sorgfältig zu bedenken, ob dies wirklich der Weg ist, den wir gehen sollten.
Ich glaube, in der Praxis der Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus ist noch vieles verbesserungswürdig, egal, ob Schülerinnen und Schüler volljährig sind oder nicht. Die Schulen sollten diese Kultur der Zusammenarbeit pflegen und in Zukunft weiter entwickeln. Das wünsche ich mir eher als eine neue gesetzliche Regelung.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Beratungen. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer beschließen will, diesen Gesetzentwurf dem Bildungsausschuss federführend zuzuleiten, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen.
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Frau Abgeordneten Eisenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das so genannte Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September 2003 hat eine Reaktion in der Öffentlichkeit hervorgerufen wie selten. Sowohl in den Printmedien als auch im Fernsehen rief das Urteil eine Flut von Berichten hervor, die auch vor den Stammtischen keinen Halt gemacht haben. Ich gehe davon aus, dass Sie alle diese Diskussionen verfolgt haben und mit mir der Auffassung sind, dass sich dieses Thema nicht für Stammtischdiskussionen eignet, sondern dass es vielmehr Aufgabe der Politik ist, diese Diskussionen in geordnete Bahnen zu lenken.
Es sind verfassungskonforme Regelungen zu finden, die einerseits auf die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgesetzten Werte und Ordnungsvorstellungen abstellen, hier besonders der Menschenwürde, der Freiheit der Person und des religiösen Bekenntnisses und der Gleichheit und Gleichberechtigung von Mann und Frau und die in Artikel 20 festgelegten Grundlagen unserer staatlichen Ordnung wie der Volkssouveränität und der Bindung aller staatlichen Gewalt an Gesetz und Recht. Zu beachten sind ebenfalls die in § 4 des Schulgesetzes verankerten Bildungs- und Erziehungsziele. Sie sind ausgerichtet „an den im Grundgesetz verankerten Menschenrechten, den sie begründenden christlichen und humanistischen Wertvorstellungen und den Ideen der demokratischen, sozialen und liberalen Freiheitsbewegungen“. Weiterhin ist die Verpflichtung der Lehrkräfte nach § 83 Schulgesetz, sich an diesen Bildungs- und Erziehungszielen zu orientieren, natürlich auch zu beachten.
Das Kopftuch ist nicht nur ein religiöses Symbol für das öffentliche Bekenntnis zum Islam, sondern wird von vielen in der letzten Zeit auch zunehmend als politisches Symbol des islamischen Fundamentalismus gesehen, der nicht mit der im Grundgesetz verankerten christlich-humanistischen Werteordnung übereinstimmt. Allein die Zurschaustellung politischer Symbole in der Schule durch Lehrkräfte verletzt den Grundsatz der politischen und weltanschaulichen Neutralität, gefährdet damit die Grundzüge der Erziehung. Deshalb hat es in der Schule unseres Erachtens nichts zu suchen. Das Tragen eines Kopftuches lässt außerdem zumindest die Frage unbeantwortet, ob sich
Lehrkräfte, ob beamtet oder angestellt, haben im Rahmen ihrer Dienstpflicht gegenüber dem Staat und der Gesellschaft, aber auch gegenüber den Eltern einen besonderen Auftrag: Sie sind Autoritätspersonen, sie haben Vorbild zu sein, und sie sind dem besonderen Erziehungsauftrag gemäß § 4 Schulgesetz verpflichtet. Sie sollen Kinder und Jugendliche erziehen.
Schulkinder und Jugendliche aber sind für mentale Beeinflussungen durch Autoritätspersonen aufgrund ihrer noch nicht ausgeformten Persönlichkeit besonders zugänglich und in ihrer Entwicklungsphase besonders anfällig für das Nachahmen des Erwachsenenverhaltens. Deshalb tragen gerade die Schulen und ihre Lehrkräfte eine besondere Verantwortung hinsichtlich politischer und weltanschaulicher Neutralität.
Wer in unserem Land lebt und in staatlichen Schulen unterrichten will, muss die Verfassung bejahen und aktiv für sie eintreten. Jede Frau kann das Kopftuch tragen beim Einkaufen, als Mutter, beim Elternabend, aber eben nicht als Lehrerin in einer öffentlichen Schule, einer Schule, die unseren Staat repräsentiert und für eine Verfassung eintreten soll, die auch auf Toleranz und Gleichberechtigung von Mann und Frau abstellt.
Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Er richtet sich nicht gegen die Muslimi oder Muslima in Deutschland. Sie haben das grundgesetzlich verankerte Recht der freien Meinungsäußerung und der individuellen Religionsausübung, und keiner will ihnen das beschneiden. Soweit der Erziehungsauftrag des Staates davon betroffen ist, hat sich dieses Recht aber auch an den grundgesetzlich vorgegebenen Werten und dem Elternrecht zu orientieren. Unsere Aufgabe und Verpflichtung ist es, dieses selbstbewusst auch nach außen zu vertreten.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Dazu gehört das Verbot von Symbolen wie das Kopftuchtragen durch Lehrerinnen an staatlichen Schulen; von religiösen oder politischen Symbolen, die eine nicht auszuschließende Botschaft überbringen, die mit den Grundüberzeugungen der Verfassung nicht vereinbar ist und geeignet ist, den Schulfrieden zu stören. Ich fordere die Landesregierung daher heute auf, sich im nächsten Jahr für eine verfassungskonforme gesetzli
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Kollegin Eisenberg, die SPDLandtagsfraktion hat inzwischen die Erfahrung gemacht, immer dann, wenn die CDU einen Antrag einbringt, zuerst einmal im Internet zu gucken, was das Land Baden-Württemberg macht. Dadurch bekommen wir sehr viele Informationen über die Hintergründe. So ist es auch nicht erstaunlich, dass im Rahmen der Verhandlungen, die zurzeit in BadenWürttemberg laufen, auch Sie hier einen Antrag stellen, eine gesetzliche Regelung für diesen Fall zu treffen.
- Das können wir auch in anderen Anträgen. Muslime bilden die drittgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland. Inzwischen leben bei uns fast 3,2 Millionen Muslime. Rund 500.000 davon haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Das sind in der Tat deutlich weniger als 1 % der Bundesbürger, um dieses Verhältnis einmal darzustellen. Das ist ein verschwindend geringer Anteil, wenn man diesen etwa mit Frankreich vergleicht. Das Herkunftsland ist im Wesentlichen die Türkei. Zwei Drittel der in Deutschland lebenden Muslime stellt dieses bevölkerungsstarke Land, das demnächst Mitglied der europäischen Staatengemeinschaft werden will und werden soll.
Wir haben in den großen Städten unseres Landes jahrzehntelange Erfahrungen im Zusammenleben mit den aus der Türkei und aus anderen islamischen Ländern stammenden Menschen. Ich denke hier in der Landeshauptstadt etwa an den Stadtteil Kiel-Gaarden. Wer dort gelebt hat, kann die Veränderung bei den dort lebenden ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern sehr gut nachvollziehen. Wer die Märkte dort besucht, wird zum Beispiel feststellen, dass das Kopftuch dort zum Alltagsbild gehört.
In den Schulen dieser Stadtteile stellt sich die Situation ganz ähnlich dar. Es gibt in den entsprechenden Stadtteilen Schulen mit einem Anteil von mehr als 50 % ausländischen Schülerinnen und Schülern, die
im Bereich der weiterführenden Schulen überwiegend in den Hauptschulen zu finden sind. Die Fragen der Integration von ausländischen Mitbürgern haben in diesem Hause immer eine besonders starke Rolle gespielt, und zwar bei allen Fraktionen und bei allen Mitgliedern dieses Hauses. Der Respekt gegenüber der Eigenständigkeit der Kultur und der Sprache unserer ausländischen Mitbürger ist - genauso wie gegenüber unseren Minderheiten - an dieser Stelle nie infrage gestellt worden. Wir haben in der demokratischen Geschichte unseres Bundeslandes aus dieser schleswig-holsteinischen Grundüberzeugung heraus auch nie eine kulturkritische Diskussion gegenüber Minderheiten und ausländischen Mitbürgern und deren Kulturen geführt, geschweige denn je angestimmt. Schleswig-Holstein ist in dieser Eigenart der Respektierung anderer Kulturen etwas anders strukturiert als der Freistaat Bayern oder BadenWürttemberg.
Baden-Württemberg und Bayern greifen das Karlsruher Urteil auf. Sie wollen ihre Landesgesetze entsprechend formulieren und durchsetzen, obwohl jeder weiß, dass die verabschiedeten Gesetze - wie es die Medien prophezeien - wie ein Bumerang an das Verfassungsgericht zurückkommen werden.
Auch in meiner Fraktion wird die Frage um das Kopftuch von Lehrerinnen und Lehrern oder um die Zulässigkeit des Kopftuches bei der Einstellung und Verbeamtung von muslimischen Lehrerinnen ausgesprochen vielfältig diskutiert. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die dem baden-württembergischen Ansatz nahe stehen. Dazu gibt es eine ganze Bandbreite von Kollegen, die keinen Handlungsbedarf sehen - so wie ich persönlich.
Nun haben wir die Kopftuchdiskussion hier in das Parlament geholt. Wir müssen einen Weg oder ein Verfahren diskutieren, das unseren verfassungsrechtlichen Grundsätzen hier in Schleswig-Holstein, unseren bildungsrechtlichen und schulgesetzlichen Regelungen, unseren Zielsetzungen der Integration von ausländischen Mitbürgern und der Respektierung ihrer Herkunft, Kultur und Religion gerecht wird. Der „Spiegel“ hat das in seiner 40. Ausgabe mit einer Aufarbeitung der Entwicklung der muslimischen und islamischen Gemeinschaften und ihrer Ziele in Deutschland versucht. Seien wir ehrlich: Solche Berichterstattungen sind kaum dazu geeignet, das Bild des Islam in Deutschland zu klären.
Die großen Religionen und Religionsgemeinschaften entwickeln sich so in ihrer eigenen Dynamik, wie dieser Prozess derzeit in der Welt des Islam stattfindet. Das heißt, wir dürfen hier in Deutschland nicht erwarten, dass ein Veränderungsprozess in einer Weltreligion und ihrer Gemeinschaften in einem europäischen Land wie Deutschland nicht stattfindet. Professor Udo Steinbach vom Deutschen Orientinstitut beschreibt das wie folgt:
„Die Verwestlichung oder Europäisierung des Islam, wie sie von Mustafa Kemal in der Türkei verordnet wurde, ist zurzeit ausgebremst. Ein Stück Stoff auf dem Kopf macht in der islamischen Welt Karriere. Und es gilt für viele Frauen, sich als gläubige Musliminnen gegenüber ihrem Umfeld deutlich kenntlich zu machen.“