Protokoll der Sitzung vom 10.12.2003

- Bei Europafragen laufen wir häufig ein halbes Jahr hinterher. Da haben sich die Leute schon darüber geärgert. Jetzt sind wir so schnell, dass wir auch sprechfähig sind, wenn uns jemand danach fragen möchte.

(Lachen und demonstrativer Beifall bei CDU und FDP)

Es mag Sie überraschen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass ich der Auffassung bin, dass es Ziel der Regierungskonferenz sein muss, den Verfassungsvorschlag abschließend zu beraten, damit er in den Ratifikationsprozess gehen kann und nicht zerredet wird. Ich hoffe sehr, dass die Diskussionen, die in den vergangenen Wochen in mehreren Staaten geführt worden sind, eher gedacht sind, ein bisschen mit den Muskeln zu spielen, und nicht gedacht sind, Skepsis zu verbreiten. Natürlich werden einige Regierungen versuchen, noch im letzten Moment eine Reihe von Einzelwünschen durchzusetzen. Ich weiß zum Beispiel - ich hatte gestern die Ehre, mit dem Botschafter von Lettland zu reden -, dass die neu Hinzukommenden mit einer gewissen Skepsis betrachten, welche Spielchen die Staaten spielen, die schon Mitglieder sind, und dass sie glauben, dass sie in dem größer werdenden Europa keinen vernünftigen Standpunkt mehr finden können.

Allen Beteiligten muss klar sein: Wer das Konventsergebnis nicht wenigstens als Basis akzeptiert, gefährdet leider das gesamte Projekt. Es geht nämlich nicht nur um die Machtbalance innerhalb der Union; auch in einer Reihe von Politikbereichen gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Mitgliedern. Jeder will dass Seine bewahren und seine Vorteile schützen. Das ist zwar einerseits verständlich, aber andererseits innerhalb einer Gemeinschaft eher kontraproduktiv. Wer jetzt nicht in der Lage ist zu beweisen, dass er auf Argumente eingehen kann und einen Kompromiss zustande bringt, macht allerdings den neu Hinzukommenden das Leben schwer.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Gefahr, dass die Union als Ganzes im Hinblick auf ihre internationale Handlungsfähigkeit verliert, dass die Mitgliedstaaten insgesamt nicht profitieren können, ist ziemlich groß.

Ich persönlich glaube, dass das Ergebnis, das der Konvent im Herbst dieses Jahres vorgelegt hat, ein

mutiger Schritt nach vorn war. Man kann mit Sicherheit über einzelne Punkte streiten, als Gesamtpaket allerdings stärkt dieser Vorschlag die Union. Die Bundesregierung vertritt deshalb zu Recht in allen Debatten und Verhandlungen den Standpunkt, dass das Paket möglichst nicht mehr geöffnet werden sollte, im Übrigen nicht immer mit Zustimmung aller Länder und Kommunen, obgleich eine Reihe von deren Vorstellungen im Konventsergebnis untergebracht worden ist.

Wir müssen also über den Schatten nationalstaatlicher Interessen springen, wenn wir Europa ein Stück nach vorn bringen wollen. In der Aussage des belgischen Premiers Verhofstadt, in Europa gebe es nur kleine Länder, steckt natürlich viel Wahres. Sie relativiert die derzeit innerhalb der Gemeinschaft stattfindende Auseinandersetzung zwischen Großen und Kleinen, Alten und Neuen, und sie ergänzt die nationale Sicht durch die notwendige Gesamtschau. Es muss also zu einem Gleichgewicht aller Beteiligten innerhalb der Gemeinschaft kommen, alle Organisationsformen dürfen in den Mitgliedstaaten nicht ausgehöhlt werden, es muss sichergestellt werden, dass das Subsidiaritätsprinzip so ausgelegt wird, dass Spielräume für Gestaltung dort angesiedelt werden, wo sie national ausgefüllt werden können, und die finanzielle Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten darf nicht überfordert werden. An diesen Punkten sind nationale Interessen durchaus zu Recht vorgetragen worden und auch zu berücksichtigen. Wer allerdings nur auf die eigene Durchsetzungsmacht achtet, auf die Sicherung des eigenen Vorteils bedacht ist, marschiert nicht nur in eine falsche Richtung, sondern zwingt auch die anderen, den richtigen Tritt zu verlieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Verfassungsschutz des Konvents nützt der EU insgesamt und er nützt Deutschland. Die Achtung der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung und die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips sind fest verankert. Das hätten wir am Anfang nie geglaubt. Wir sollten hier noch einmal festhalten: Das verdanken wir zum Teil dem sturen Nachhaken des Kollegen Teufel aus Baden-Württemberg, der an dieser Stelle unseren ausdrücklichen Dank verdient hat.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ganze lebt aber nur davon, dass wir die Chancen und Möglichkeiten der neuen Verfassung für uns eröffnen und auch ausfüllen. Die Zeiten, in denen man mit dem Verweis auf Brüssel von der eigenen Verantwortung ablenken konnte, sind vorbei. Dies bedeutet, dass wir alle ein Stück beizutragen haben. Ich denke, dass wir

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

in Schleswig-Holstein zwischenzeitlich auf einem guten Weg sind. Zusammen mit den kommunalen Verbänden diskutiert die Landesregierung gerade pragmatische Lösungen zu der Frage, wie die Europafähigkeit unserer Kommunen weiter verbessert werden kann.

(Glocke des Präsidenten)

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja, ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Man kann darüber spekulieren, meine sehr verehrten Damen und Herren, ob für die Union gilt, was früher von Deutschland gesagt wurde: Es sei ein wirtschaftlicher Riese, aber ein politischer Zwerg.

(Thorsten Geißler [CDU]: Wir sind nicht einmal mehr ein wirtschaftlicher Riese!)

Manche behaupten sogar, als Europäer wären wir in der Zwischenzeit zum schlafenden Riesen geworden und seien noch nicht einmal ein Zwerg. Lassen wir das Zwergendasein hinter uns und versuchen wir, das zu sein, was wir sind: kein überheblicher Riese, aber doch eine interessante Macht zwischen den USA und sonstigen großen Machtblöcken in der Welt.

(Lebhafter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit schließe ich die Beratung. Man war sich einig, dass wir in der Sache zu entscheiden haben. Wer also dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, dass der Antrag mit den Stimmen von SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Teilen der FDP bei Stimmenthaltung des SSW und teilweise der FDP angenommen ist.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Tierkörperbeseitigungsgesetz

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/2898

Bericht und Beschlussempfehlung des Sozialausschusses Drucksache 15/3071

Ich erteile dem Berichterstatter des Sozialausschusses, Herrn Abgeordneten Beran, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann in diesem Fall auf die Vorlage verweisen.

Der Herr Berichterstatter hat auf die Vorlage verwiesen. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Dann danke ich dem Herrn Berichterstatter.

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem Herrn Abgeordneten Wodarz das Wort.

(Uwe Eichelberg [CDU] meldet sich zur Ge- schäftsordnung)

Der Kollege Eichelberg hat sich zur Geschäftsordnung gemeldet.

Herr Präsident, trotz mehrerer Versuche, das zu beheben, weht es immer noch so stark. Das ist unzumutbar.

(Beifall)

Endlich einmal ein Beitrag zur Geschäftsordnung! - Sie haben Recht. Aber es wird an der Klimaautomatik gearbeitet.

(Heiterkeit)

- Ich hoffe, auch erfolgreich. Wir warten noch ein wenig ab. Wir versuchen es zu beseitigen. Ansonsten müssten wir die Sitzung unterbrechen. Das kann ich aber jetzt noch nicht sagen. - Herr Abgeordneter Wodarz!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht ist ein bisschen frischer Wind hier auch nicht so verkehrt.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Die erste Lesung zur Änderung des Tierkörperbeseitigungsgesetzes im September dieses Jahres zeugte von einem hohen Maß an parteiübergreifender Übereinstimmung. Ich erinnere an die damalige Debatte.

(Friedrich-Carl Wodarz)

Wir waren uns einig über die Notwendigkeit einer Novellierung. Wir waren zufrieden mit den pragmatischen Lösungen der Einzelabrechnung. Die Opposition - das muss ich fairerweise sagen - forderte bereits damals, wenn auch noch relativ zaghaft, die Aufgabenverlagerung der Tierkörperbeseitigung vom Kreis auf das Land. Dann hörte man lange nichts.

Im Sozialausschuss besann man sich dann recht spät, noch einmal eine schriftliche Anhörung durchzuführen, obwohl - das betone ich ausdrücklich - schon die wesentlichen Punkte in den Stellungnahmen des Bauernverbandes und des Landkreistages vorlagen, und zwar teilweise seit Frühjahr 2003.

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Dann zeigte sich eine hektische Betriebsamkeit. Der Landkreistag verschickte eine zusätzliche geharnischte Stellungnahme und die Vertreter des Bauernverbandes drängten auf eine Verschiebung der Novellierung. - Mein lieber Kollege Ehlers, ich betone: Diese Abordnung gab Versprechen ab, die im Augenblick der Abgabe gar nicht eingehalten werden konnten. Man wollte einen Vorschlag präsentieren, der einen zentralen Träger vorsieht, das Land aber von einer Kostenübernahme freihält. Dieser Vorschlag liegt bis heute nicht auf dem Tisch. Wenn die Kreise und der Bauernverband ein echtes Interesse gehabt haben, das Problem der Trägerschaft der Tierkörperbeseitigung kostenneutral zu lösen, so frage ich mich, warum erst jetzt, kurz vor Toresschluss, dieser Druck aufgebaut wird.

Kollege Maurus, es ist nicht die Frage, ob wir das Gesetz zum 1. Januar 2004 verabschieden. Die Kernfrage bezieht sich auf die Finanzierung der Beihilfe. - Der Kollege ist gar nicht mehr anwesend. Vielleicht hören die anderen zu, die sich so sehr aufgeregt haben. - Diese Beihilfe muss definitiv ab dem 1. Januar 2004 EU-konform sein.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Ansonsten droht dem Land aufgrund fehlender Rechtslage ein Schadensrisiko für das Jahr 2002 von bis zu 5 Millionen €. Das wollen wir schlicht und ergreifend nicht auf uns nehmen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, die Novelle zur Tierkörperbeseitigung - ich erspare Ihnen jetzt den vollständigen Text - regelt in erster Linie den Ersatz der derzeitigen Defizitfinanzierung durch das so genannte Verursacherprinzip. Die Kosten der Tierkörperbeseitigung wurden und werden zu 100 % von den Tierhal

tern getragen. Das Verfahren - zumindest die Rechtsgrundlage - wird sich ändern, im Ergebnis ändert sich bei der Finanzierung für die Beseitigungspflichtigen, also die Kreise und die kreisfreien Städte, nichts. Um erhöhte Kosten bei den Tierhaltern und den Landwirten zu verhindern - da sollten eigentlich auch die Vertreter des Bauernverbandes zustimmen können - und um eine für die Landwirtschaft sinnvolle Förderung zu erhalten, wurde dieser Gesetzentwurf vorbereitet. Das Verursacherprinzip gilt EU-weit - ich habe darauf hingewiesen - ab dem 1. Januar 2004 und muss bis dahin gesetzlich geregelt sein. Alles andere ist Nebelkerzenwerfen. Das Begehren des Landkreistages hat also mit der eigentlichen Problematik überhaupt nichts zu tun.

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])