Protokoll der Sitzung vom 10.12.2003

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Wenn die Arbeitsgruppe, die zur Frage der Trägerschaft gebildet worden ist, uns eine praktikable Lösung präsentiert, können wir unverzüglich und ohne großen Aufwand eine mögliche Gesetzesänderung vollziehen - wenn das denn nötig ist.

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Im Augenblick ist aber eine solche Lösung auch nicht in Ansätzen zu erkennen. Ich sage ganz deutlich für die SPD-Fraktion: Unter den derzeitigen Bedingungen sind wir nicht bereit, die Beseitigungspflicht von den Kreisen und kreisfreien Städten auf das Land zu übertragen.

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD] und Andreas Beran [SPD])

Und ich sage genauso deutlich: Wir stehen vernünftigen und praktikablen Vorschlägen weiterhin offen gegenüber. Und im Gegensatz zur CDU setzen wir nicht auf Blockade, sondern auf Dialog und Problemlösung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Claus Ehlers das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die rot-grüne Parlamentsmehrheit will hier heute ein Gesetz durchpauken, ohne dass die eingesetzte

(Claus Ehlers)

Arbeitsgruppe überhaupt angehört worden ist, ohne das Ergebnis ihrer Beratungen abzuwarten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das geschieht auf der Grundlage von Falschinformationen, Fehlinterpretationen und juristisch unhaltbaren Behauptungen.

(Beifall bei CDU und FDP - Widerspruch bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zu- rufe)

- Da sitzen gute Juristen, mein Lieber. Viele offene Fragen bedürfen der Abklärung. Aus diesen Gründen haben der Landkreistag, der Städteverband, der Bauernverband und die CDU-Landtagsfraktion sowie die FDP-Landtagsfraktion die zeitweise Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens erreichen wollen. Die Landesregierung und die Mehrheitsfraktionen haben sich dieser Forderung völlig verschlossen. Die Behauptung der Landesregierung, sie sei aufgrund europarechtlicher Vorgaben verpflichtet, das Gesetz zum 1. Januar 2004 in Kraft treten zu lassen, ist schlichtweg falsch.

(Holger Astrup [SPD]: Sagt der Bauernver- band!)

Das Land ist keineswegs verpflichtet, in dieser Eile das Gesetz in Kraft treten zu lassen. Dies haben andere Bundesländer richtig erkannt und lassen sich die Zeit, die für ein vernünftiges Verfahren notwendig ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass für andere Bundesländer ein anderes EU-Recht gültig ist.

(Friedrich-Carl Wodarz [SPD]: Hast du nicht zugehört, Claus?)

Selten zuvor wurde ein Gesetz auf einer juristisch so dürftigen Grundlage beschlossen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ich unterstelle den Verantwortlichen nicht, dass sie das nicht selbst erkannt haben. Schleswig-Holstein ist wieder einmal Vorreiter bei einer Maßnahme, die sich klar und eindeutig gegen die Interessen der Betroffenen stellt.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Selbst wenn die Landesregierung mit ihrer Auffassung auf der juristisch sicheren Seite wäre, könnte das Land lediglich von der EU-Kommission zu einer Änderung der Beihilfepraxis aufgefordert werden. Ein Anlastungsverfahren mit Kostenfolgen ist hier jedoch keineswegs zu erwarten. Die Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens wäre folgenlos. Deshalb macht es keinen Sinn, starrsinnig auf dem Termin 1. Januar 2004 zu beharren und alle Beteiligten, die sich

bisher damit befasst haben, zu verprellen. Es ist an der Zeit, auf die Bremse zu treten und wenigstens auf die Beseitigungspflichtigen zu hören, denn die haben letztendlich auch die Kosten zu tragen.

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU])

Es sind noch viele offene Fragen zu klären und es ist eine Folgeabschätzung vorzunehmen. Auch die Landkreise müssen wissen, was mit einer Änderung möglicherweise auf sie zukommt, insbesondere in finanzieller Hinsicht. Es ist geradezu leichtfertig, sich diesen Wünschen zu verschließen und ohne jede weitere Diskussion über die Interessen der Beteiligten hinwegzugehen. Einmal mehr haben die Mehrheitsfraktionen gezeigt, dass sie nicht zuhören wollen - jedenfalls nicht in dieser Frage.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

In einer Stellungnahme des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages sind die Gründe für eine Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens ausführlich dargelegt worden. Es ist schon erstaunlich, wenn die Mehrheitsfraktionen keine einzige Begründung ernst nehmen und völlig unbeeindruckt das Verfahren mit brachialer Gewalt durchziehen wollen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Wider- spruch bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So viel Arroganz nenne ich Ignoranz und politische Arroganz.

(Widerspruch bei der SPD)

Bisher gibt es keine einzige juristisch haltbare Rechtsauffassung, die das Vorgehen der Landesregierung und der Mehrheitsfraktionen stützt. Das ist ein bedauerlicher Vorgang, der seine Spuren beim Städteverband, dem Landkreistag, der Landwirtschaft und bei uns hinterlassen wird. Sie stehen allein, meine sehr geehrten Damen und Herren, und könnten heute noch die Kurve kriegen, aber sie wollen das nicht. Sie haben die Chance auf eine vernünftige Zusammenarbeit verspielt und damit erneut bewiesen, dass Ihnen die Meinung der Betroffenen, die das letztendlich bezahlen müssen, keineswegs am Herzen liegt.

Wir beantragen die Aussetzung des Verfahrens und lehnen den Gesetzentwurf der Landesregierung hiermit ab.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Kollege Maurus hat mit dem Geschäftsordnungsantrag zu Beginn des heutigen Tages ausgeführt, warum wir uns heute mit dem Gesetzentwurf nicht befassen sollten. Mit Bedauern muss ich feststellen, dass sich die Mehrheit des Hauses diesen einleuchtenden Begründungen nicht angeschlossen hat und wir bereits heute hier die zweite Lesung zum Gesetzentwurf über das Tierkörperbeseitigungsgesetz abhalten.

Der Gesetzentwurf schreibt die Zuständigkeit bei den Kreisen fest, obwohl viele Punkte dafür sprechen, die Zuständigkeit beim Land anzusiedeln. So gab es durchaus bis zum heutigen Tag noch die Möglichkeit, die zweite Lesung zu verschieben und Anfang nächsten Jahres durchzuführen. Eine Arbeitsgruppe - sie wurde schon mehrmals angesprochen -, bestehend aus der Landesregierung, den Entsorgern, dem Bauernverband und den kommunalen Landesverbänden, war installiert worden. Sie tagt - so glaube ich - heute zum ersten Mal, um eine bessere Organisationsform zu erarbeiten. Leider hat sich die Mehrheit seinerzeit im Agarausschuss, am 20. November 2003, und heute im Plenum für die Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs entschieden. Damit sollen wir heute über eine Gesetzesänderung beschließen, die nicht ausdiskutiert ist und eben nicht die Ergebnisse der Arbeitsgruppenberatungen berücksichtigen kann.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Was wir jetzt erleben ist das Schwarze-Peter-Spiel: Wer hat zu verantworten, dass die hinter uns liegende Zeit nicht für eine intensive Beratung genutzt wurde? Aber nur aus Prinzipienreiterei sollten wir jetzt auf keinen Fall einen unausgegorenen Gesetzentwurf beschließen. Was ist das für ein Verständnis von Gesetzgebung, schon einmal ein Gesetz zu verabschieden, weil angeblich eine Rechtspflicht zur Umsetzung des Gemeinschaftsrahmens der EU zum 1. Januar 2004 besteht, obwohl die Regierung, die zuständigen Ministerien noch mitten in den Verhandlungen stecken? Erklären Sie doch einmal, wo geschrieben steht, dass die Länder durch einen EU-Gemeinschaftsrahmen zeitlich verpflichtet werden. Dieser Gemeinschaftsrahmen ist keine EU-Verordnung oder -Richtlinie, die die Mitgliedsstaaten sofort verpflichtet, sie unmittelbar umzusetzen. Es ist vielmehr Ermessensrecht. Dieser Gemeinschaftsrahmen zwingt tatsächlich in keiner Weise zu einer Novellierung des Ausführungsgesetzes zum Tierkörperbeseitigungsgesetz noch innerhalb des Jahres 2003,

(Beifall bei der FDP)

auch wenn eine Änderung dieses Gesetzes letztendlich notwendig ist. Darin sind wir uns alle einig. Es ist in der Tat so, dass die derzeitige Finanzierung der Entsorgung gefallener Tiere mit dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Rahmen von TSETests, Falltieren und Schlachtabfällen nicht im Einklang steht. Fraglich ist aber, ob die in diesem Gesetzt vorgeschlagene Lösung die einzig richtige ist.

Es ist schon verdächtig, wenn sich nach Auskunft des Landkreistages der zuständige Abteilungsleiter des Sozialministeriums auf der Sitzung des Beirates des Tierseuchenfonds am 10. Oktober dieses Jahres hinstellt und ankündigt, das Land werde die Aufgabe der Tierkörperbeseitigung nicht übernehmen, weil es angesichts der bestehenden Verträge zu große finanzielle Risiken für sich sehe. Auch wir sind nicht der Ansicht, dass wir dem Land hohe finanzielle Risiken aufbürden dürfen,

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber!)

wir wollen lediglich eine optimale Struktur erreichen, die zu einem bestmöglichen Ergebnis führt. Das bedeutet, dass die Zuständigkeit der Tierkörperbeseitigung beim Land angesiedelt sein sollte. Die Erledigung dieser Aufgabe ist immer bei der Gebietskörperschaft am sinnvollsten angesiedelt, von der sie am effizientesten erledigt werden kann.

Die Landesregierung könnte für das gesamte Land eine entsprechende Ausschreibung durchführen, um damit aufgrund des größeren Volumens zu besseren Ausschreibungsergebnissen zu kommen. Damit entstünde weniger Verwaltungsaufwand und Kosten würden reduziert.

Die Funktionalreform bedeutet eben nicht zwangsläufig eine Kommunalisierung von Zuständigkeiten. Die Effizienz muss berücksichtigt werden. Das kann bedeuten, dass Aufgaben auch sinnvoller beim Land angesiedelt sind.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir gut protokollie- ren!)

Es gelten immer Effizienz - das ist der Punkt - und letztlich auch Bürgernähe. Aber hier werden die Interessen der Bauern nicht tangiert.

Meine Damen und Herren, die FDP wird diesen Gesetzentwurf ablehnen. Ich bin davon überzeugt, dass wir in kürzester Zeit erneut über eine Änderung des Gesetzes diskutieren werden. Wir sollten nicht voreilig einen unausgegorenen Gesetzentwurf beschließen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Matthiessen das Wort.