Protokoll der Sitzung vom 10.12.2003

Wir reden überall von Output-Orientierung. Dann kommt es nicht darauf an, überall die Rahmenbedingungen gleich zu machen, sondern darauf, sie so zu gestalten, dass jeder - auf welchem Weg auch immer - an die Ergebnisse der Leistung kommt, die wir bundesweit in Standards definieren wollen.

Und da unterscheiden wir uns: Denn für uns ist das nicht der konsequente Weg zu einem bundeseinheitlichen Zentralabitur. Das war auch der Grund dafür, dass sich die B-Länder zu diesem Zeitpunkt nicht an dem Projekt beteiligten wollten. Sie hatten nämlich Bedingungen gestellt, die unisono nicht unterschrieben werden konnten.

Lassen sie mich noch ein paar Worte zum Ranking sagen. Das ist heute Morgen ein sehr verbranntes Thema hier. Ich rate sehr, es sich nicht so leicht zu machen, Leistungen nebeneinander stellen zu wollen und dann solle sich jeder überlegen, wo er sich verortet fühlt.

Es gibt gerade im Bereich der Hochschulen einen sehr ernst zu nehmenden Prozess. Die Bund-LänderKommission hat den Wissenschaftsrat beauftragt, zu versuchen, ein wissenschaftlich tragfähiges Ranking für unsere Hochschulen zu gestalten. Das ist ein ganz komplizierter Prozess. Wenn ich mir diesen komplizierten Prozess im Bereich der Hochschulen anschaue, wird mir manchmal mulmig. Dann sehe und höre ich, wie in manch anderen Bereichen mit so laxer Hand die Menschen mit dem Thema Ranking konfrontiert werden und man sagt: Pickt euch heraus, was ihr gebrauchen könnt. Die Guten sind die Guten und die anderen werden wir entsprechend politisch traktieren.

Wir sollten mit dem Thema etwas behutsamer und vor allem etwas fundamentierter umgehen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Wir werden noch ausreichend Gelegenheit haben, nach der ersten Proberunde die Fragen und Ergebnisse in den Ausschüssen zu bewältigen und zu bewerten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile das Wort der Frau Ministerin ErdsiekRave.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am vergangenen Freitag hat die Kultusministerkonferenz verbindliche Standards für den mittleren Bildungsabschluss in den Fächern Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache beschlossen - eine ziemlich fortschrittliche Tat, wenn man sich überlegt, wie die Situation noch vor ein paar Jahren in Deutschland aussah. PISA macht es natürlich möglich und weitere Standards sind in Arbeit. Sie konzentrieren sich zunächst auf die Jahrgangsstufen vier und neun und werden im Frühsommer des nächsten Jahres vorgelegt.

Standards verfolgen natürlich keinen Selbstzweck und sie machen erst dann Sinn, wenn die Ergebnisse regelmäßig kontrolliert und konstruktiv ausgewertet werden.

Übrigens, Frau Eisenberg, Ihre belehrenden Worte und Bemerkungen wie „Willkommen im Club!“ können Sie sich wirklich sparen, denn schon in den ersten Reaktionen auf PISA habe ich von Standards und von der notwendigen Überprüfung von Standards gesprochen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Die Anträge haben Sie regelmäßig abgelehnt! Wie lange waren Sie denn dage- gen?)

- Ich weiß nicht, was Sie meinen. Aber ich bin der falsche Adressat.

Deswegen hat die KMK auch zur Überprüfung der Standards beschlossen, nicht sozusagen die eigenen Ressourcen zu nutzen, sondern ein wissenschaftliches Institut zu schaffen, das diese Aufgaben und Aufgabenpools zur Überprüfung der Bildungsstandards entwickelt und dann bereitstellt und die nationalen Untersuchungen auch durchführt.

Aufgabe der Länder ist es, für die flächendeckende Überprüfung der Bildungsstandards in ihrer Zuständigkeit zu sorgen. Hier haben wir mit unserer Beteiligung an VERA für den Primarbereich vorgesorgt. Der Probelauf ist inzwischen abgeschlossen und er dient auch der organisatorischen Vorbereitung des Kennenlernens der Materie für die Schulen. Im nächsten Jahr sind diese Vergleichsarbeiten in Deutsch und Mathematik im vierten Jahrgang verbindlich.

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Jetzt will ich einmal mit einem Märchen aufräumen, das heute von Frau Eisenberg wieder verbreitet worden ist. Es ist nicht so, als würden wir Bildungsstandards für den vierten Jahrgang für die Vergleichsarbeiten VERA in die Welt setzen, ohne dass zumindest geklärt wäre, auf welcher Basis das entstünde. Basis für die Aufgabenpools von VERA sind die Lehrpläne von Rheinland-Pfalz, abgeglichen mit denen der anderen Bundesländer, und die Vorentwürfe für den Bildungsstandard für den vierten Jahrgang in den Arbeitsgruppen der KMK. Das war die Basis für den Probelauf.

Im nächsten Jahr existieren die Standards für die Grundschule im vierten Jahrgang und die Vergleichsarbeiten, die dann kommen werden, fußen eben auf diesen Standards. Das ist auch der Grund dafür, dass sich inzwischen mehr und mehr andere Bundesländer dafür interessieren. Die Frage an uns, warum sich andere nicht beteiligen, finde ich wirklich witzig. Das müssen Sie doch diejenigen fragen, die sich bisher aus ideologischen Vorbehalten nicht an diesen Vergleichsarbeiten beteiligen wollten.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen voraus: Sie werden es tun, weil es eine sehr sinnvolle wissenschaftliche Vorarbeit für das ist, was ohnehin nach dem Vorliegen der Standards im nächsten Jahr von allen geleistet werden muss.

Die Ergebnisse des Freiwilligentestes werden in den Schulen ausgewertet. Sie werden innerhalb der Schule veröffentlicht und auch der Schulaufsicht zur Verfügung gestellt. Selbstverständlich erhalten die Eltern die Ergebnisse der Klassenleistung und die ihres Kindes. Es ist völlig klar, dass das so sein muss.

Im kommenden Herbst, wenn das Regelhefteverfahren eingeführt wird, wird gleichermaßen verfahren und zugleich wird dann aus einer landesweiten Stichprobe ein landesweites Durchschnittsergebnis für Schleswig-Holstein ermittelt. Auch darüber informieren wir die Öffentlichkeit und die Eltern.

Das Einzige, was wir nicht tun werden, ist, im Sinne eines Rankings die Einzelergebnisse aller Schulen, womöglich noch aller Klassen und Schüler zu veröffentlichen. Das hat mit Geheimniskrämerei nichts zu tun; ich komme gleich noch einmal darauf zurück.

(Zuruf von der FDP: Sie haben ausdrücklich Schulergebnisse beantragt!)

Ich sage zunächst einmal, welches die Ziele sind, die Vorrang haben. Diese verlieren Sie immer aus dem Auge. Das ist bei Ihnen nicht gekommen. Die Standards und die Überprüfung sollen in erster Linie die Unterrichtsqualität und die Vergleichbarkeit der schu

lischen Leistung sichern, meine Damen und Herren. Sie sollen die Qualitätsentwicklung in der Schule fördern und insbesondere den Lehrerinnen und Lehrern in Bezug auf einzelne Schüler und ganze Klassen ein besseres diagnostisches Instrument für die Zensurengebung in die Hand geben, damit in Zukunft erfolgreicher unterrichtet werden kann.

Was wir nicht wollen, ist sozusagen ein Richterspruch über einzelne Klassen, über einzelne Lehrer und womöglich einzelne Schulen oder gar einzelne Schüler. Ein Ranking im Sinne einer Hitliste der Schulen wollen wir nicht.

Herr Dr. Klug, Sie haben zwar das Problem angesprochen, aber keine Lösung benannt: Eine Schule, die in einem sozialen Brennpunkt mit hohem Migrantenanteil - um einmal die Extreme zu nennen - zu mittleren Ergebnissen kommt, hat unter Umständen sehr viel mehr Qualität im Unterricht und sehr viel Besseres geleistet als eine Schule in einem gutbürgerlichen Viertel, die ganz andere Voraussetzungen hat und nicht viel dazu beitragen muss, dass sie ein gutes Ergebnis bekommt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Dilemma lösen Sie dadurch nicht auf und das erzeugt verzerrte und schiefe Ergebnisse, wenn Sie hier nur mit absoluten Werten die Schulen vergleichen. Ich sage in allem Ernst: Ich bin nicht gegen die Offenlegung von Leistungen - das lasse ich mir hier auch nicht sagen -, aber ich bin gegen diese Art von Top- und Floplisten, die die Eltern und die Öffentlichkeit verunsichern. Von den Schülerwanderungen will ich gar nicht reden; das halte ich gar nicht für das größte Problem.

Aber wir müssen das Problem lösen, das darin besteht, dass wir Äpfel mit Birnen vergleichen.

(Zurufe von der CDU)

- Nein, das ist einfach unqualifiziert. Es geht nicht nur um das Offenlegen. Natürlich haben die Eltern ein Recht darauf, zu erfahren, wo die Schule steht, auf die sie ihr Kind schicken. Darüber müssen sie diskutieren. Sie können sich an den Durchschnittsergebnissen der Länder und auch an adjustierten Ergebnissen orientieren, aber nicht an der Schule rechts oder links, die ganz anderen Voraussetzungen unterliegt. Diese Art von Ranking wollen wir nicht. Das lehnen wir ab und dabei bleibt es.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zu einem Kurzbeitrag gemäß § 58 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nur um einer Legendenbildung vorzubeugen: Wir haben nie und in keiner Weise irgendwann gefordert, dass die Ergebnisse eines einzelnen Schülers veröffentlicht würden. In unserem Antrag steht wörtlich, dass die Eltern das Recht haben sollen, das Durchschnittsergebnis der Klasse, der ihre Kinder angehören, zu erfahren. Und das hat Frau Erdsiek-Rave ausdrücklich bejaht. Da sind wir nicht auseinander.

Wir liegen hingegen bei der Veröffentlichung des Durchschnittsergebnisses der jeweiligen Schule auseinander. Wir haben heute die Flüsterpropaganda und die Gerüchteküche darüber, wie vor Ort einzelne Schulen zu bewerten seien. Es kursiert doch alles, was Sie angeblich als großes Problem verhindern, wenn Sie die Transparenz nicht herstellen.

Ich sage: Offenlegung ist auch eine Frage von Ehrlichkeit. Dann gibt es auch eine Chance für die Schulen, die in einem schwierigen Umfeld arbeiten, zu zeigen, dass sie auch unter schwierigen Rahmenbedingungen möglicherweise bessere Resultate hervorbringen als andere Schulen, die unter ähnlichen Rahmenbedingungen arbeiten. Auch da kann durchaus aus den offen gelegten Ergebnisse ein sinnvoller Diskussions- und Entwicklungsprozess entstehen, wie man auch unter schwierigen Umständen möglicherweise bessere Ergebnisse hervorbringt.

Das will ich ja. Ich will ja, dass aus dem ganzen Prozess eine Entwicklung hin zum Besseren, zum höheren Bildungsniveau hervorgeht. Das ist doch Sinn der ganzen Sache. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Standards entsprechend hoch angelegt sind. Aber das ist ein anderes Thema.

Wir haben Anfang September in Finnland in der letzten Tagung der Ostseeparlamentarierkonferenz über das Thema Entwicklung der Wissensgesellschaft im Ostseeraum diskutiert. Der Kollege aus Norwegen, der Präsident des Nordischen Rates, Inge Lønning, Mitglied des norwegischen Parlaments, hat zu dem Thema Leistungsvergleiche einige sehr treffende Aussagen gemacht. Ich zitiere einmal seinen Kernsatz: Quality always implies comparison.

(Beifall)

Er hat weiter gesagt, nur dadurch, dass man an Leistungsvergleichen teilnehme, dass man auf diese Wei

se qualifizierte und objektive Informationen über den Stand und den Standard unseres Bildungswesens erhalte, sei es möglich, auf einer informierten Grundlage die notwendigen Entscheidungen über Reformen oder andere Maßnahmen zur Verbesserung im Bildungsbereich zu erhalten. - So die Aussage des Präsidenten des Nordischen Rates, unseres norwegischen Kollegen Inge Lønning.

Alle Mitglieder, die an der Konferenz teilgenommen haben, auch die Kollegen von den Sozialdemokraten und auch die Kollegin Spoorendonk, haben bei der Rede Beifall geklatscht. Ich habe genau darauf geachtet.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile noch einmal Frau Ministerin Erdsiek-Rave das Wort.

Herr Dr. Klug, der Aussage, dass der Vergleich immer dazugehört, stimme ich mit Nachdruck zu. Es geht nur um die Frage, womit ich mich vergleiche, ob ich innerhalb eines Einzugsbereiches die Schule A und B miteinander vergleiche oder ob ich innerhalb einer Großstadt mit vollkommen unterschiedlich sozial zusammengesetzten Stadtvierteln die Schule A und B miteinander vergleiche. Der Vergleichspunkt ist entscheidend. Der Vergleichspunkt kann natürlich nur ein ermittelter Durchschnittswert sein mit entsprechenden Kompetenzstufen. Mit denen kann und muss sich die Schule vergleichen und sie muss den Eltern gegenüber erklären, warum ihre Schule möglicherweise weit unter dem Durchschnitt liegt.

Diese Daten werden für die Eltern zugänglich sein und sie werden auch zugänglich sein, wenn sich ein Elternteil in Zukunft für oder gegen eine Schule entscheiden und nachfragen will, wo die Schule im nationalen oder Landesvergleich steht. Diese Daten sind offen zugänglich.

Was es mit mir allerdings nicht geben wird, ist eine Liste aller 400 Grundschulen, zukünftig aller Hauptschulen, aller Gymnasien. Es wird ja in den nächsten Jahren eine Reihe von Standards und Tests geben. Das ist ja jetzt nur der Anfang. Jeweils Rankings zwischen den Schulen von A bis Z zu bilden, macht für mich keinen Sinn, das verfälscht.

Da Sie meine Argumente für nicht stichhaltig halten, sage ich Ihnen noch Folgendes: Wir haben in der KMK und in der Arbeitsgruppe Qualitätssicherung

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

über die ganzen Verfahren zu Standards und Überprüfungen ausführlich diskutiert; Bayern und SchleswigHolstein sind da federführend gewesen und sind es noch. Es gibt kein einziges Bundesland, das so verfahren will - das hat in der gesamten Debatte nie eine Rolle gespielt -, wie Sie das hier vorschlagen. Das muss Ihnen doch zu denken geben.