Problematisch ist auch die Tatsache, Frau Ministerin, dass Sie sich lediglich mit den SPD-geführten Ländern dieser Republik zusammentun, um diese Vergleichsarbeiten in der 4. Klasse durchzuführen. Warum eigentlich nur mit diesen? Bildung ist keine parteipolitische Angelegenheit, und das Setzen von Standards ebenfalls nicht, sondern im Interesse unserer Kinder natürlich eine überparteiliche Aufgabe, die in Abstimmung mit allen anderen CDU-geführten Bundesländern erfolgen muss.
Oder, meine Damen und Herren von der linken Seite, scheuen Sie etwa den Vergleich mit den CDUgeführten Bundesländern, die bei PISA-E wesentlich besser abgeschnitten haben? Ist es so? Wir gehen davon aus. Sie können schwarz auf weiß nachlesen, dass es so ist. Warum nicht mit den anderen Bundesländern?
Vergleichbarkeit und Transparenz der Ergebnisse sind wesentliche Voraussetzungen zur Verbesserung unseres Bildungssystems. Insofern rennt die FDP mit dem vorliegenden Antrag bei der CDU offene Türen ein. Ich habe schon auf den Antrag vom letzten Jahr verwiesen.
Vergleichbar und transparent müssen auch die äußeren Rahmenbedingungen sein. Dazu zählen wir unter anderem die Stundenplangestaltung, die Stundentafeln und natürlich die Lehrerversorgung. Erst wenn die Rahmenbedingungen vergleichbar sind - bei der Erfüllung des stundenplanmäßigen Unterrichts hinkt Schleswig-Holstein bei Weitem hinterher -, erst dann können die Leistungen objektiv verglichen werden.
Ihr Programm zur Bekämpfung des Unterrichtsausfalls bietet keine Verbesserung des strukturellen Unterrichtsdefizites, also des Unterrichtsfehls, an unseren Schulen. Wir erwarten also, dass Sie auch hier, bei den Rahmenbedingungen, eine Vergleichbarkeit mit den anderen Bundesländern schaffen, um tatsächlich nicht Äpfel mit Birnen vergleich zu müssen, sondern objektiv in einen Leistungsvergleich einzutreten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bildungsstandards und Vergleichsarbeiten dienen der Analyse von Schulsystemen, dienen der Vorbereitung von Reformen. Sie dürfen kein Ausleseinstrument werden. Das Schulsystem muss auf den Prüfstand, nicht die Schülerinnen und die Schüler. Ich gehe darauf ein, weil Frau Eisenberg das Thema Bildungsstandards in die Debatte eingeführt hat.
Ich möchte dazu sagen: Wir sind uns bewusst, Bildungsstandards sind nicht das Allheilmittel für die Probleme, aber sie sind ein Instrument. Noch nicht die Lösung, aber ein wichtiges Instrument. Es kommt sehr darauf an, wie sie verwendet werden. Genau darum geht im Augenblick der ideologische Streit bundesweit.
Bildungsstandards müssen die Schulen in die Pflicht nehmen, wirklich jedem Schüler das geforderte Mindestmaß an Wissen und Kompetenz zu vermitteln. Denn das ist die Aufgabe der Schulen. Sie sollen aber nicht dafür herhalten, Schulrankings zu veranstalten. Schon gar nicht sollen sie einzelne Schülerinnen oder Schüler unter Prüfungsstress setzen und einzelne Schülerleistungen bewerten. Bildungsstandards sind ein Instrument, um mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen.
Die Kultusministerkonferenz steht in einem schwierigen Verhandlungsprozess um das Thema Bildungsstandards. Sie hat sich jetzt - soweit ich informiert bin - dazu entschlossen, Regelstandards einzuführen. Leistungen von Schülern, die das geforderte Niveau nicht erreichen, werden somit bedauerlicherweise
nicht mehr erfasst. Damit werden wiederum nur Defizite untersucht, anstatt eine Strategie zur gezielten Förderung von Schulen und Schülern zu entwickeln. Ich sage das mit einem gewissen Bedauern, weil dies ein Kompromiss ist, der mit den konservativ regierten Ländern gefunden wurde. Gerade Sie, Frau Eisenberg, gehören zu der „Bevölkerungsstreitgruppe“, die eine vorwärtsweisende Diskussion um Bildungsstandards verhindert. Dies jetzt der Bildungsministerin vorzuwerfen, verdreht - so finde ich - die Tatsachen.
Die FDP geht mit ihrem Antrag noch einen Schritt weiter in die falsche Richtung. Sie verfolgt offen das Ziel, einzelne Schülerinnen und Schüler in einem Schulranking in einen Benotungsprozess zu führen. Statt zu einer Analyse und Verbesserung unseres Schulsystems kommt es so zu einer Wiederholung und Verstärkung seiner Fehler. Dies können wir nicht unterstützen. Wir begrüßen daher, dass sich die Ministerin zusammen mit anderen Ländern entschlossen hat, an einem wissenschaftlichen Projekt teilzunehmen, das Vergleichsarbeiten zur Grundlage hat.
Frau Eisenberg, anders als Sie es dargestellt haben, sind in diesen Vergleichsarbeiten durchaus identische Fragen und Aufgabenstellungen, aber auch Differenzierungsmöglichkeiten vorgesehen, um auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen, die die Schulen haben, einzugehen. Dies halten wir für gerechtfertigt. Wir erwarten, dass uns die Ministerin - wie sie es auch in der Vergangenheit getan hat - im Fachausschuss über die Ergebnisse berichten wird. Zum derzeitigen Zeitpunkt halten wir eine weitere Form der Berichterstattung, wie sie die FDP in ihrem Antrag fordert, für kontraproduktiv. Im Gegensatz zum Umweltranking, über das wir gerade diskutiert haben, ist das Ranking hier schädlich,
weil sich die einzelne Schule oder der einzelne Schüler damit in einem Ausleseprozess befindet, während in dem anderen Fall ein gesamter Kreis - mit einer Vielzahl von Akteuren - in einer Auseinandersetzung steht. Der Umweltminister hat es dargestellt: Es geht nicht darum, einen einzelnen Landrat oder eine einzelne Firma abzustrafen. Vielmehr geht es darum, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die Akteure gemeinsam etwas verbessern. So, wie im Augenblick die bundesdeutsche Diskussion angelegt ist, wäre ein Schulranking hingegen ein Rückfall in das Hierarchiedenken und das Auslesedenken der Vergangenheit. Deshalb müssen wir hier zu anderen Instrumenten kommen.
- Ja, es bedarf manchmal einer politischen Differenzierung zur Einschätzung der Situationen und der Frage, wann Wettbewerb in welcher Form nützlich oder wann und in welcher Form er schädlich ist.
Ich glaube, das hohe Haus ist in der Lage, diese Differenzierung zu treffen. Wir stellen mit unsrem Koalitionsantrag eine Initiative zum Antrag der FDP.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hefte raus, Klassenarbeit! Nicht ganz so schallte es wohl durch deutsche Klassenzimmer, als Schülerinnen und Schüler zu internationalen oder nationalen Vergleichsarbeiten wie PISA und IGLU herangezogen wurden. Wir wissen aber aus ganz vielen Untersuchungen, dass dieser Spruch bei Generationen von Schülern zu Schweißausbrüchen geführt hat. Alles zusammengenommen ist dies ein Beleg dafür, dass sich unser Bildungssystem auf dem Prüfstand befindet. Wir können nicht mehr sagen, weiter so! Wir müssen uns in jedem Fall bewusst darüber sein, dass alle Fragen, die mit Inhalten zu tun haben, letztlich auch zu einer Auseinandersetzung mit Bildungsstrukturen führen müssen.
Falsche Angst vor zu viel Bildung heißt bezeichnenderweise ein Artikel in der Zeitschrift der GEW, den ich jedem zum Lesen empfehlen möchte. Auch das muss gesagt werden: Die Bildungshürden sind in dieser Republik immer noch zu hoch.
Zurück zu PISA und IGLU: Eine Folge davon ist, dass nun von den Kultusministern der Länder beschlossen wurde, Vergleichsarbeiten an Schulen durchzuführen. Zunächst haben sich aber nur die Länder Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Bremen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein auf dieses Projekt eingelassen. Dass sich hieran nicht alle Bundesländer beteiligen, finde ich bedauerlich. Im Grunde genommen ist es ein Armutszeugnis.
VERA soll über die kommenden fünf Jahre durchgeführt werden und wird von der Universität Landau wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Das Projekt ist der standardisierte Vergleich, um bundesweite Bildungsstandards für den vierten, den neunten und den zehnten Jahrgang zu erarbeiten und zu überprüfen. Hierbei handelt es sich nicht um Klassenarbeiten im herkömmlichen Sinn, denn es werden nicht bestimmte vorher erarbeitete Unterrichtsstoffe abgefragt. Vielmehr kommt es darauf an, den Stoff eines längeren Zeitraums - und somit bestimmte Vorkenntnisse - in die Vergleichsarbeiten einzubeziehen. Das ist eine Information, die vor dem Hintergrund des Redebeitrags der Kollegin Eisenberg noch einmal verdeutlicht werden sollte.
Es geht also nicht nur um einen direkten Vergleich der Noten von Schülern oder Schulen. Vielmehr soll VERA als Instrument zur Evaluation der Leistungsfähigkeit genutzt werden. Es soll den Schulen als Instrument der Standortbestimmung dienen. So heißt es auch. Das gilt sowohl innerhalb der Schule als auch für die Vergleichsmöglichkeit mit Schulen in ähnlichen Einzugsgebieten, um zu sehen, inwieweit die gesetzten Standards erreicht wurden. Vor allem geht es darum, die Qualität des Unterrichts zu verbessern.
VERA ist ein Reformelement, das die Schul- und Unterrichtsqualität voranbringen soll. Nur so können wir uns für künftige internationale Vergleichserhebungen rüsten. Der Ansatz des FDP-Antrags geht also an der Grundidee dieser Vergleichsarbeiten völlig vorbei, wenn gefordert wird, die Ergebnisse transparenter darzustellen oder gar zugänglich zu machen. Das hört sich schön und gut an, es bringt uns aber nicht weiter, wenn wir zur Intention dieser Vergleichsarbeiten stehen.
VERA ist nicht als Instrument für ein Schulranking gedacht. Wir brauchen an unseren Schulen kein weiteres Instrument, um Konkurrenzdenken zu forcieren. Davon gibt es - PISA lässt grüßen - wirklich schon genug. Was wir benötigen, sind Vergleichsdaten, um feststellen zu können, wo angesetzt werden muss, um das Lehren und das Lernen qualitativ zu verbessern.
Wie bei allen Vergleichsarbeiten wird es auch hier Unterschiede in den Ergebnissen geben. Das ist uns allen jetzt schon klar. Ich möchte noch einmal deutlich machen: Es kann nicht darum gehen, Verlierer oder Gewinner dieser Vergleichsarbeiten öffentlich zu machen.
Wichtiger ist vielmehr, dass den Lehrerinnen und Lehrern Daten zur Verfügung gestellt werden, um aus
den Ergebnissen die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Für uns als Politiker heißt es, dass wir wissen, wo Ressourcen eingesetzt werden müssen.
Mit anderen Worten: Einheitliche Bildungsstandards sind eine Möglichkeit zu mehr Bildungsgerechtigkeit. Nur so machen sie Sinn. Nur so können wir uns dem Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anschließen. Dass wir den FDP-Antrag ablehnen, ist - so glaube ich - schon deutlich geworden.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Weber das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe noch zwei kurze Anmerkungen in Reaktion auf die Einlassungen der Kollegin Eisenberg, die diverse Fraktionen dieses hohen Hauses bei sich im Club begrüßt hat. Ich habe Ihrem Beitrag ausführlich zugehört, Frau Eisenberg, und festgestellt: Wir befinden uns keinesfalls im selben Club!
Bei der Frage der Bildungsstandards reden wir über unterschiedliche Dinge. Ich habe sehr genau zugehört, was Sie gesagt haben. Sie haben davon gesprochen, dass die Rahmenbedingungen angeglichen werden müssen, damit die Tests von den Kindern bestanden werden können. Genau darum geht es nicht! Es geht nicht darum, dass individuelle Tests bestanden werden können oder zentrale Prüfungen bundesweit vielleicht schon in Klasse 4 durchgeführt werden. Wenn die FDP das wollte, dann würde mich das sehr überraschen. Darum geht es nicht.
Es geht darum, Bildungsstandards zu fixieren und Leistungsbemessungen vorzulegen, die dann in einer gewissen definierten Klassenstufe von allen erreicht werden sollen. Die Fragen, in welchem Umfang sie erreicht und in welchem Umfang sie nicht erreicht werden, wo die Qualitätsprobleme sind, müssen natürlich dokumentiert werden. Das muss in den Schulen aufgearbeitet werden. Darüber, was berichtensfähig und was nicht berichtensfähig ist, müssen wir im Einzelnen noch reden.
- Frau Kollegin Eisenberg, wir haben einen Probelauf, begleitet von der Universität Landau, auf den Weg gebracht. Wir werden uns nach dem Probelauf diese Dinge anschauen. Das ist der zentrale Punkt. Denn Rahmenbedingungen der unterschiedlichen Art haben wir in unseren Schulsystemen in Deutschland sowieso.
Wir reden überall von Output-Orientierung. Dann kommt es nicht darauf an, überall die Rahmenbedingungen gleich zu machen, sondern darauf, sie so zu gestalten, dass jeder - auf welchem Weg auch immer - an die Ergebnisse der Leistung kommt, die wir bundesweit in Standards definieren wollen.