Protokoll der Sitzung vom 10.12.2003

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

das heißt, da ist nun wirklich Klarheit darüber, dass mit gleichem Maß, mit gleicher Elle gemessen wird, und da ist ein objektives Bild von der Leistungssituation in den Schulen in den ausgewählten Bereichen tatsächlich herstellbar. Natürlich wissen wir, dass ein weniger befriedigendes Schulergebnis unterschiedliche Ursachen haben kann. Diese Ursachen können im Einflussbereich der Schule liegen, in manchen Fällen gibt es aber sicherlich auch externe Ursachen, die die Schule selbst gar nicht ändern kann, die aber verantwortlich sind für ein schlechtes Schulergebnis. Das kann zum Beispiel dann eintreten, wenn eine Schule in einem sehr problematischen, sehr schwierigen sozialen Einzugsbereich liegt, in dem eben die Schüler aufgrund einer schlechteren Förderung, die sie im Elternhaus erhalten haben, oder aus anderen Gründen viele Probleme in die Schule hineinbringen, mit denen die Schule dann arbeiten muss. Das ist ganz klar.

Aber nur bei einer vollständigen Transparenz der Leistungskontrolle, jener Leistungskontrolle, die die Vergleichsarbeiten erlauben, lässt sich feststellen, ob eine Schule bessere, ähnliche oder schlechtere Resul

(Dr. Ekkehard Klug)

tate hervorbringt als andere Schulen, die unter vergleichbaren Rahmenbedingungen arbeiten.

Meine Damen und Herren, das Gebot der Transparenz verhindert hier im Zweifelsfall ein Wegtauchen, ein Ausweichen vor der rückhaltlosen Prüfung aller Möglichkeiten, wie man den Schülern gegebenenfalls einen besseren Bildungsstand vermitteln kann.

So sehr es einerseits nötig ist, die Ergebnisse der Vergleichsarbeiten sorgfältig auszuwerten - dazu gehört auch eine differenzierte Ursachenforschung -, so wichtig sind andererseits Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang mit den Ergebnissen. Durch Geheimniskrämerei nutzt man niemandem. Die Vorstellung, man müsse Schulen mit problematischen Leistungsergebnissen vor einer Stigmatisierung schützen und es ihnen deshalb freistellen, ob sie die Ergebnisse veröffentlichen, diese Vorstellung, die oft als Einwand gegen eine Offenlegung geäußert wird, ist schon deshalb falsch, weil damit alles der allgegenwärtigen Flüsterpropaganda überlassen bliebe.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubi- cki [FDP])

Jeder Kundige weiß doch - das will ich zum Schluss noch sagen -, dass es in der Gerüchteküche seit eh und je brodelt, vor allem unter Eltern, die sich über die Schulwahl für ihre Kinder Gedanken machen. Transparenz bedeutet hier auch vor allem eines: Klarheit und damit auch die Chance für eine Schule, einen gegebenenfalls ungerechtfertigten Ruf auszuräumen und ihn widerlegen zu können.

Wir Abgeordnete, gerade die Bildungspolitiker, werden doch immer wieder auch von Eltern angesprochen, wie denn diese oder jene Schule zu bewerten sei. Es ist ein klareres Bild über den Leistungsstand und im Zweifelsfall eine objektivere Aussage als das möglich, was da sozusagen an Stimmungen, an Gerüchten, an Flüsterpropaganda in diesem Bereich ständig läuft.

(Beifall bei der FDP)

Auch deshalb werben wir für die Transparenz. Stimmen Sie bitte für unseren Antrag.

Was dagegen die Koalition vorgelegt hat, sind einmal bloß eine Begrüßungsgeschichte und dann ein abgeforderter Bericht. Uns geht es um eine klare Vorgabe für die Regierung, die wichtig ist.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ein internationales Ranking gewesen, basierend auf Vergleichsarbeiten, das das Bildungssystem in Deutschland so ins Wanken gebracht hat und die öffentliche Diskussion so heftig bewegte. Es war die PISA-Studie.

Als die Aufgabenstellungen des deutschen PISAKonsortiums die deutschen Schulen erreichte, hatte niemand das Ganze wirklich ernst genommen und schon gar nicht geahnt, welche Folgen aus einer solchen Untersuchung entstehen könnten. Niemand hatte eine solche öffentliche Diskussion erwartet. In keinem anderen OECD-Land hat es eine dermaßen aufgeregte und vielfach mit Schuldzuweisungen in alle Richtungen angereicherte Diskussion um die Ergebnisse gegeben - nicht einmal im Herzogtum Luxemburg, das in der Rankingliste noch weit unter uns lag, aber mit einer Bildungsstruktur versehen ist, die für uns immer ausgesprochen vorbildlich zu sein schien: Einschulung mit fünf Jahren, ganz früher Beginn der Fremdsprachenvermittlung, kleine Klassen und viel Geld für die Bildungsausstattung.

TIMSS, PISA und IGLU liefern in der Tat die Argumente für die Notwendigkeit von Bildungsstandards, was sich nach meiner Einschätzung aber weniger aus der internationalen Rangliste her begründet als aus den Ergebnissen der Bundesländer in PISA-E. Professor Klieme vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung hat das deutsche PISA-Problem wie folgt beschrieben:

„Für mich“

- also für Professor Klieme -

„ist das erschreckendste Ergebnis der PISAStudie in Deutschland, dass wir außerordentliche Disparitäten haben, das heißt große Unterschiede zwischen den Ländern in Bezug auf das Leistungsniveau und die Benotungsmaßstäbe.“

Die Diskussion um die Qualitätsentwicklung findet derzeit auf zwei Ebenen statt, nämlich über die Fragen der Quantität und Qualität des Inputs oder über die Messbarkeit des Outputs. Bildungsstandards sind Orientierungsgrößen für den Output und Vergleichsarbeiten fragen diesen Output ab.

(Dr. Henning Höppner)

Es gibt OECD-Länder, die über ein ausgesprochen buntes Bild von Schultypen und Schulträgern ihrer Schullandschaft verfügen, jedoch mit einer konsequenten Qualitätsorientierung und konsequenten Standardsetzungen in den oberen Teil der PISATabelle gelangten. Ich erinnere an Großbritannien.

Vergleichstests in festen Ausbildungsabschnitten geben eine klare Orientierung darüber, wo Schülerinnen und Schüler leistungsmäßig stehen. Sie werden in Großbritannien durch ein staatliches Institut geregelt, das Office of Standards of Education. Im Grunde will der Beschluss der Kultusministerkonferenz, für alle Schulen bundesweit gültige Bildungsstandards einzuführen, dasselbe Ziel verfolgen.

Bildungsstandards haben aber ein wesentliches Ziel: für Chancengleichheit und für Gerechtigkeit zu sorgen. Deshalb steht die SPD-Fraktion ganz einmütig hinter unserer Bildungsministerin und unterstützt das Vorhaben, Vergleichsarbeiten an den Schulen unseres Landes durchzuführen, außerordentlich.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Meine Fraktion ist allerdings nicht der Auffassung, dass die Ergebnisse der Vergleicharbeiten öffentlich bekannt gegeben werden sollen. Vergleichsarbeiten sollen der Schule im Hinblick auf die Einhaltung von Standards eine Orientierung geben.

(Frauke Tengler [CDU]: Transparenz!)

Sie sollten dazu dienen, dass die einzelnen Lehrerinnen und Lehrer abschätzen können, wie sie oder er mit ihrem oder seinem Unterricht die gesetzten Unterrichtsziele erreichen kann und welchen Handlungsbedarf sie oder er für ihren oder seinen Unterricht sieht. Was Sie wollen, Herr Dr. Klug, ist ein mehr oder minder öffentliches Ranking, das einer öffentlichen Darstellung der Leistungsfähigkeit der Schulen dient.

(Frauke Tengler [CDU]: Transparenz ist das Ziel!)

Wir alle schätzen zwar die Profilbildung von Schulen und ihr Bemühen, sich in einer Region mit einem eigenständigen Profil darzustellen. Was wir aber nicht wollen, ist, die Frage nach den Schuleinzugsbereichen wieder aufs Tablett zu bringen, wie Sie das hier tun.

Vergleichsarbeiten müssen dazu dienen, dass die Schulen ihre Leistungen und ihre Defizite erkennen und sie sich selbst in die Lage versetzen, die Leistungen zu stärken und die Defizite zu beseitigen. Ein Ranking aber, das einer Schule schwache Ergebnisse bescheinigt und sie so öffentlich als Loser anprangert, wird nicht zur Leistungsverbesserung führen, sondern

zu einer Fluchtbewegung und die Schulen mit festgelegten Einzugsbereichen zu einer Ausstiegsdebatte zwingen. Das können die Schulträger zurzeit wirklich nicht gebrauchen.

Ich komme zum Schluss. Wir sprechen uns daher dafür aus, dass das Bildungsministerium dann, wenn die Vergleichsarbeiten regulär und landesweit geschrieben sind - VERA war nur ein Probedurchlauf -, im Bildungsausschuss ausführlich darüber berichtet.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Eisenberg das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Klug, willkommen im Boot der CDU. Ich freue mich sehr.

(Beifall bei der CDU - Zurufe des Abgeord- neten Jürgen Weber [SPD])

- Moment, Herr Weber! - Das gilt auch für Sie, für SPD und Grüne, zumindest, was die Anerkennung zentraler Aufgabenstellung für Vergleichsarbeiten betrifft.

(Beifall bei der CDU)

Willkommen im Boot, das gilt auch für Sie, Frau Ministerin. Sie und die Regierungsfraktionen wollten zunächst nur schulinterne Vergleichsarbeiten schreiben lassen. Jetzt - mal wieder nach einer Schamfrist von genau einem Jahr; ich erinnere an die Debatte um die Leistungssteigerung und Leistungsvergleiche, Antrag der CDU, Drucksache 15/2138, vom Oktober letzten Jahres; dort alles nachzulesen -, erst jetzt - damals absolut dagegen - setzen Sie ebenfalls auf zentrale Leistungsvergleiche.

(Thomas Stritzl [CDU]: Hört, hört!)

Zentrale Leistungsvergleiche und zentrale Aufgabenstellungen sind zwei der wesentlichen Voraussetzungen, um die Leistungen der Schulen wirklich vergleichen zu können und damit den Anreiz und die Motivation zu schaffen, überhaupt besser zu werden. Allerdings: Eine weitere Voraussetzung für objektive Leistungsvergleiche ist das vorherige Festlegen von verbindlichen Lernzielen und Bildungsstandards.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

(Sylvia Eisenberg)

Vergleichsarbeiten zu organisieren, ohne diese Voraussetzung erfüllt zu haben - wie jetzt im November in Schleswig-Holstein geschehen -, erscheint doch wie die vorschnelle Konstruktion eines Daches, ohne dass das Fundament für das zu planende Haus bereits gelegt worden ist.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Was denn sollen unsere Viertklässler wissen, um den Vergleichstest bestehen zu können? Welche Folgerungen wollen Sie, Frau Erdsiek-Rave, oder die Schulen und die Lehrkräfte denn aus den Vergleichsarbeiten ziehen? Allein die Tatsache, dass die Schülerinnen und Schüler der 4. Klasse in Schleswig-Holstein im Ländervergleich besser oder schlechter abschneiden werden, wird nicht ausreichen, um tatsächlich besser zu werden. Hier fehlt tatsächlich das Fundament, das heißt klar formulierte verbindliche Lernziele und Bildungsstandards zumindest zunächst für die 4. Klassen.

Problematisch ist auch die Tatsache, Frau Ministerin, dass Sie sich lediglich mit den SPD-geführten Ländern dieser Republik zusammentun, um diese Vergleichsarbeiten in der 4. Klasse durchzuführen. Warum eigentlich nur mit diesen? Bildung ist keine parteipolitische Angelegenheit, und das Setzen von Standards ebenfalls nicht, sondern im Interesse unserer Kinder natürlich eine überparteiliche Aufgabe, die in Abstimmung mit allen anderen CDU-geführten Bundesländern erfolgen muss.