Protokoll der Sitzung vom 12.12.2003

Keineswegs gibt das Schreiben von Wallström her, dass für die Trauerseeschwalbe auf Eiderstedt ein umfassendes Vogelschutzgebiet zwingend ausgewiesen werden müsse.

Sie haben genügend Zeit gehabt - denn der Schutz der Trauerseeschwalbe wird dort beschreiben -, ein Konzept zu entwickeln, um zu sagen, wie ein nachhaltiger

Schutz der Trauerseeschwalbe sichergestellt werden könnte.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Hat er ja jetzt!)

- „Jetzt“danke, dass Sie es sagen, Frau Fröhlich. Er hat selber gesagt: Die Vogelschutzrichtlinie wird nächstes Jahr 25 Jahre alt. - Hätten Sie doch lieber geschwiegen!

(Beifall bei CDU und FDP)

Dazu hätten Sie zunächst einmal die erfolgreiche Naturschutzarbeit der Landeigentümer auf Eiderstedt zur Kenntnis nehmen müssen.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist doch alles gelogen, was Sie hier erzählen!)

Dann hätten Sie gesehen, dass sich durch die Schaffung von Sekundärbiotopen der Brutbestand auf Eiderstedt von 50 Brutpaaren in 1995 - laut Artenschutzbericht der Landesregierung - auf 66 Brutpaare erhöht hat.

Interessant ist aber auch, dass sich davon zurzeit nur etwa 15 Brutpaare innerhalb der Vertragskulisse aufhalten; die restlichen Paare fühlen sich offensichtlich außerhalb dieser Vertragsnaturschutzgebiete außerordentlich wohl.

(Klaus Schlie [CDU] und Dr. Heiner Garg [FDP]: Unerhört! - Heiterkeit bei CDU und FDP)

Jetzt möchte ich zu einem interessanten Punkt kommen, Herr Minister. Ich möchte aus einem Schreiben aus Ihrem Hause vom 22. Dezember 1999 an den Kreisbauernverband Husum-Eiderstedt zitieren. Hierin heißt es:

„Ihre und die anderen eingegangenen Stellungnahmen haben mich bewogen, noch einmal zu prüfen, ob andere Gebiete außerhalb Eiderstedts möglicherweise geeigneter für die Trauerseeschwalbe sind. Die Prüfung durch die Staatliche Vogelschutzwarte hat ergeben, dass großflächige Gebiete in den Naturschutzkögen, zum Beispiel dem NSG Beltringharder Koog, und den Vorländern der Untereider, zum Beispiel bei Drage, für die Lebensraumansprüche der Trauerseeschwalbe geeigneter sind, weil hier die Entwicklungsmöglichkeiten aufgrund des Landeseigentums und der wasserwirtschaftlichen Möglichkeiten günstiger sind als in Ei

(Herlich Marie Todsen-Reese)

(Zurufe von CDU und FDP: Hört, hört!)

Deshalb hat das Kabinett 1999 von der Meldung Eiderstedts als Vogelschutzgebiet abgesehen.

Frau Ministerpräsidentin, dazu kann ich Ihnen nur gratulieren. Ich kann nur sagen: Halten Sie sich an diesen alten Beschluss des Kabinetts.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn hier ein Rechtsverfahren angestrengt wird, wird auch so etwas mit auf den Tisch gelegt. Es hat eine fachliche Prüfung gegeben, die zu einem anderen Ergebnis geführt hat. Dann möchte ich sehen, wie Sie das durchstehen wollen.

Ich komme zum Schluss und sage: Seien Sie nicht so stur, Herr Minister. Man könnte meinen, Sie verfolgen die Strategie: Ich muss hier durch und darf keine Schwäche zeigen.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerpräsidentin, ein störrischer Maulesel gehört nicht nach Schleswig-Holstein - und schon gar nicht nach Eiderstedt. Der gehört über den Jordan oder in die Wüste!

(Lang anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel.

(Zurufe)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Präsident des bayerischen Bauernverbandes Sonnleitner hat vor zwei Wochen auf der Landesversammlung des bayerischen Bauernverbandes ein mehrjähriges Moratorium für die Schutzgebietsausweisungen in Bayern gefordert. Sonnleitner sprach von überzogenen Vorstellungen der Naturschützer und forderte, dass der „Planeritis“ der Stoiberschen Staatskanzlei Einhalt geboten werden müsse.

Dazu gibt es ausführliche Informationen - wie auch in Schleswig-Holstein - auf der Homepage der Bayerischen Staatskanzlei und des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums, wo erläutert wird, dass die Bayerische Staatsregierung überhaupt keinen Spielraum bei der Ausweisung dieser Schutzgebiete hat auf

grund der Richtlinien, die übrigens nicht von grünen, sondern erstaunlicherweise von schwarzen und gelben Landwirtschaftsministern in der EU verhandelt und beschlossen worden sind. Wir müssen ja auch einmal zur Wahrheit kommen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn sie die Ausweisungen nicht vornehmen, wird es zu erheblichen Vertragsstrafen der Europäischen Union kommen.

Soweit sind die Verhältnisse in Schleswig-Holstein und Bayern gleich. Der Unterschied besteht darin, dass in Bayern die CSU sachlich über diese Dinge informiert, während in Schleswig-Holstein die CDU versucht, mit aufgeregten Beiträgen, wie wir sie gerade gehört haben, Stimmung zu machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich glaube, ganz ehrlich, mit dieser Art der Stimmungsmache nützen Sie den Menschen vor Ort nicht, deren Besorgnisse ich in der Tat teile und mit denen wir sehr ernst umgehen müssen.

(Zurufe von CDU und FDP)

In Bayern gibt es heftige Proteste der Bauern, weil die Agrarmittel zurzeit um 15 % gekürzt werden. Damit geht die dreifache Summe an Bundes- und EUMitteln für die Landwirtschaft verloren. Der Bauernverband spricht von Sonderopfern für die Landwirtschaft, unfairem Verhalten der Landesregierung und Gift für Investitionsplanungen.

In Schleswig-Holstein sieht das allerdings anders aus. In Schleswig-Holstein hat die rot-grüne Koalition gerade gegen den Widerstand der Opposition beschlossen, die Grundwasserentnahmeabgabe zu erhöhen, um zusätzliche Mittel zur Finanzierung von Agrarumweltprogrammen zu bekommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Zurufe von CDU und FDP: Zur Haushaltssanierung!)

Damit werden wir im Gegensatz zu Bayern die Möglichkeit haben, den Menschen in den kommenden Jahren den Vertragsnaturschutz zu ermöglichen und zu finanzieren, weitgehend alle EU-Mittel und Bundesmittel auszuschöpfen und damit tatsächlich das Nötige zu tun, damit den Menschen geholfen wird. Denen wird nämlich nicht mit Klamauk geholfen, sondern mit konkreten Maßnahmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Zurufe von CDU und FDP)

(Karl-Martin Hentschel)

In Eiderstedt sind zwei Drittel des Landes Grünland. Dafür gibt es von der EU zurzeit praktisch keine Unterstützung. Das ist die Situation. Wir wollen die Agrarförderung so umstellen, dass die Grünlandbauern genauso gefördert werden wie die Ackerbauern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein ganz wesentlicher Fortschritt auch zur Erhaltung der traditionellen Landwirtschaft in Eiderstedt. Das kommt ihr zugute.

(Thorsten Geißler [CDU]: Sie schröpfen die Bevölkerung!)

Die Ausweisung von Eiderstedt muss fachlich beurteilt werden, sie muss nach den Richtlinien der EU beurteilt werden. Ob das ausgewiesen werden muss oder nicht, wird die Fachdebatte ergeben. Dazu werden die Anhörungen und so weiter stattfinden. Nur fachliche Argumente sind zulässig. Minister Müller kann die Ausweisung als Vogelschutzgebiet, wenn die fachlichen Kriterien zutreffen, nicht aussparen.

Aber er hat im Kabinett dafür gekämpft, dass genügend Mittel bereitstehen, um zukünftig Programme für den Vertragsnaturschutz zu finanzieren. Er kämpft gemeinsam mit anderen Umweltministern aller Farben in den verschiedenen Bundesländern dafür, dass das Instrument des Vertragsnaturschutzes auch für die Vogelschutzgebiete eingesetzt werden kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das NATURA-2000-Instrument ist nämlich kein Folterinstrument der Grünen, sondern eine Maßnahme, die beschritten worden ist, um zu sichern, dass ganz bestimmte Biotope erhalten werden können und ganz bestimmte Vogelarten auch in Zukunft leben können. Es zwingt nicht zu großen Veränderungen, aber es sorgt dafür, dass, wenn Veränderungen vorgenommen werden, geprüft wird, welche Auswirkungen die haben, und ob notfalls Kompensationsmaßnahmen ergriffen werden müssen.

In Schleswig-Holstein kümmert sich der Minister darum, dass die Bauern einen finanziellen Ausgleich bekommen, während die CDU Forderungen aufstellt, wohl wissend, dass diese Forderungen mit EU-Recht nicht konform gehen. Das nenne ich verlogen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Widerspruch bei CDU und FDP)