Protokoll der Sitzung vom 12.12.2003

müssen wir feststellen, dass die Finanzkraft des Landes unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Darüber haben wir gestern sehr ausführlich gesprochen. Das heißt, dass wir nach wie vor hinter den westdeutschen Flächenländern hinterher hinken.

Der in den letzten Jahren gewollte Strukturwandel hat das Land noch lange nicht so weit vorangebracht, dass es inzwischen auf eigenen Füßen stehen könnte. Eine realistische Einschätzung der Situation im Land ist deshalb eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Fördermöglichkeiten der EU so genutzt werden, dass die Finanzkraft des Landes nachhaltig verbessert wird. Alles andere wäre eine Mittelverschwendung, die sich dieses hoch verschuldete Land nicht leisten und im Interesse seiner Bürger nicht erlauben kann.

(Beifall bei der FDP)

Umso wichtiger sind deshalb für die FDPLandtagsfraktion eine Überprüfung des Programms und eine umfassende Evaluation aller Förderschwerpunkte und der damit verfolgten Ziele.

(Holger Astrup [SPD]: Evaluierung!)

- Evaluierung; in Ordnung, das spricht sich leichter.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir wissen ja, was gemeint ist!)

Der von der Landesregierung vorgelegte Bericht zum Programm „Zukunft auf dem Land“ bleibt aber diesbezüglich reichlich vage. Insbesondere ist für mich nicht nachvollziehbar, warum in diesem Bericht die Halbzeitbewertung des „ZAL“-Programms, die der EU-Kommission zum 31. Dezember dieses Jahres vorzulegen ist, nicht einmal ansatzweise eingearbeitet worden ist. Können Sie mir vielleicht den Grund nennen, warum eine inhaltliche Bewertung bis zum gewünschten Berichtszeitpunkt im September nicht möglich gewesen ist? Vielleicht liegt der Grund darin, dass das Ergebnis nicht sonderlich positiv ausgefallen ist.

Ich will nur ein Beispiel nennen. Die Darstellungen über die zu erwartenden Arbeitsplatzeffekte des Programms sind reichlich dürftig ausgefallen. Die Aussage, dass pro 1 Million € Investitionssumme etwa 26 Arbeitsplätze - also rund 38.461 € pro Arbeitsplatz - gesichert werden, ist dabei nicht sehr hilfreich, macht aber deutlich, dass das eigentliche Ziel durch dieses Programm nicht sehr effektiv erreicht wird.

(Beifall bei der FDP)

Soll diese Aussage eigentlich darauf hinaus laufen, dass bei einem Fördervolumen von rund

(Günther Hildebrand)

537 Millionen € in Schleswig-Holstein rund 13.962 Arbeitsplätze gesichert, also keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden? Für mich ist es schon aus diesem Grund nicht nachvollziehbar, warum in diesem Programm drei Jahre munter gefördert wird, um erst dann in einer Zwischenevaluierung die Arbeitsplatzeffekte zu bewerten.

Insgesamt zeigt der Bericht, dass die an die Strukturprogramme der EU gestellten Erwartungen, die auch von der Landesregierung gezielt geweckt wurden, beim jetzigen Stand nicht voll erfüllt werden. Dies muss sich ändern, wenn nicht die Chancen verspielt werden sollen, die in „ZAL“ liegen. Eine nachhaltige Stärkung der Wirtschaftskraft ist unter den jetzigen Gegebenheiten wenigstens nicht zu erwarten.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Programm „Zukunft auf dem Lande“ - ZAL - ist ein Glanzstück der Tätigkeit der Landesregierung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

In einer intensiven, umfangreichen und auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit ausgerichteten Förderpolitik werden große Fortschritte im ländlichen Raum realisiert, mit positiven Auswirkungen auf das ganze Land. Der integrative Ansatz, die Bündelung verschiedener Programme, die intensiv und produktiv miteinander organisiert werden und nicht zuletzt auch das vorgeschaltete Konzept der ländlichen Struktur- und Entwicklungsanalysen (LSE) helfen nicht nur den 40 % Schleswig-Holsteinerinnen und SchleswigHolsteinern auf dem Lande und den über 1.000 ländlichen Gemeinden, also jenen, die den ländlichen Raum prägen, sondern sind natürlich auch gut für die Zentren, die mit der Fläche in Verbindung stehen. „Zukunft auf dem Lande“ hilft ganz SchleswigHolstein.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD])

Ich danke für den sehr informativen und angesichts des Umfangs des Programms dennoch schlank auf 50 Seiten dargestellten Bericht. Ich will auf einige

Punkte eingehen. Dabei werden auch bei grundsätzlich großer Zustimmung einige kritische Anmerkungen einfließen. Zum Schluss möchte ich noch einen Ausblick auf die EU-Fördermittel wagen.

Die ländliche Struktur- und Entwicklungsanalyse (LSE) habe ich bereits erwähnt. Das hier im Lande entwickelte Konzept soll in den Fördergrundsätzen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ zur Voraussetzung der Förderung gemacht werden. Ein schöneres Kompliment kann es wohl nicht geben. Exportschlager LSE, made in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das ist sicherlich auch ein großes Kompliment an Sie, Herr Minister Buß, der Sie dieses Programm federführend mit entwickelt haben.

(Beifall bei der SPD)

Mit allen vor Ort wird durch die LSE gemeinsam ein Entwicklungskonzept erstellt, dorfübergreifend, mit intensiver Beteiligung nicht nur der Bürger, sondern auch der Verwaltungen, Vereine und Initiativen aller Art, also in großer Offenheit gegenüber allen Anregungen und Angeboten der Zusammenarbeit. Dies geschieht unter Hinzuziehung externen Sachverstandes. Aufgrund dieses Entwicklungskonzeptes wird dann die Mittelverwendung entsprechend ausgerichtet.

Es ist nicht immer ein Ergebnis, das Außenstehende optimal finden, es ist aber immer eines, das von den Betroffenen erarbeitet wurde und von diesen akzeptiert wird. Es ist also insofern auch ein Ergebnis, das das Gegenteil von zentralistischer Marktwirtschaft darstellt, und das ist gut so.

Kritisch ist dabei zu sehen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht immer ausfinanziert sind. Der Kollege Feddersen ist ebenfalls hierauf eingegangen. Wir haben uns in der letzten Legislaturperiode viele Gedanken gemacht und überlegt, ob man so vorgehen soll. Es hat sich herausgestellt, dass die ländlichen Struktur- und Entwicklungsanalysen als solche den Gemeinden eine Orientierung geben, dass die LSE mit 85 % Beteiligung im ländlichen Raum höchste Akzeptanz genießen und stark nachgefragt werden. Das ist ein Wert an sich und hilft den Gemeinden sozusagen als Dorf- oder Regionalentwicklungsplan weiter.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

(Detlef Matthiessen)

Unser Dank und unsere Anerkennung gilt allen Beteiligten und insbesondere den Machern der LSE. Dazu gehören eine große Kommunikationskompetenz und viel Sachverstand. Das kann nicht per Anweisung des Ministeriums verordnet werden. Dazu gehört viel Idealismus und Herzblut und nicht nur Verwaltung. Ich will nur die Akademie für ländliche Räume erwähnen, die dort sehr engagiert arbeitet und diese Kommunikationsprozesse begleitet und zu produktiven Ergebnissen führt.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Hildebrand, Sie haben gesagt, Arbeitsplätze seien das Hauptziel.

(Günther Hildebrand [FDP]: Ein Ziel!)

Das ist natürlich verkehrt. Das ist ein Nebeneffekt.

(Günther Hildebrand [FDP]: Ja, natürlich!)

Das Hauptziel ist es, Lebensqualität im ländlichen Raum zu steigern und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern zu helfen und natürlich auch zu versuchen, die Versorgung im ländlichen Raum sicherzustellen.

Bei der Anpassung 2003 war die wesentliche Änderung die Einführung der Modulation, die wir sehr begrüßen. Neben dem Vertragsnaturschutz, dem Ökolandbau und anderem werden im Rahmen der markt- und standortangepassten Landwirtschaft neue Maßnahmen gefördert. Extensivierung, Grünland, Winterbegrünung, Mulchsaat, Blühflächen und so weiter. Das sind alles Dinge, die im ländlichen Raum Fortschritt bringen. Auch möchte ich die modernen umweltschonenden Ausbringungsverfahren für Gülle nicht unerwähnt lassen, die dafür sorgen, dass flüchtige stickstofftragende Verbindungen nicht in die Luft entweichen, was ja zu 80 % der Fall sein kann, sondern in den Boden verbracht werden, wo sie als Pflanzennährstoff auch hingehören. Somit ist dies auch eine sehr wirtschaftliche Maßnahme, da Kunstdünger Geld kostet.

Zur Biomassennutzung stellt der Bericht schlicht fest: Das Biomasseprogramm wird stark nachgefragt. Ich wundere mich immer, dass regenerative Energien hier im Haus so angegriffen werden. Die Windenergie zum Beispiel leistet einen erheblichen Beitrag zur Wertschöpfung im ländlichen Raum. Das ist CDU und FDP offenbar und erstaunlicherweise bis heute verborgen geblieben.

(Beifall bei der SPD)

Wichtig ist, dass bei der Entwicklung der Strukturfonds der EU darauf geachtet wird, dass wir noch

genügend Möglichkeiten für die Entwicklung im alten EU-Raum erhalten. Gestern wurde allerdings der Minister hierher zitiert, als er gerade unser Land in wichtigen Verhandlungen um die EU-Strukturfonds und um den Teil des Kuchens, den wir nach Schleswig-Holstein holen können, vertrat.

(Zuruf von der CDU: Er ist für uns unver- zichtbar! - Weitere Zurufe von der CDU - Glocke des Präsidenten)

Die Zwischenrufe sind das Eine, das Überschreiten der Redezeit ist das andere. Herr Kollege, bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz. Sie haben bereits eineinhalb Minuten überzogen.

Die CDU ist immer dagegen. Hören Sie auf zu nörgeln und unser Land schlechtzureden. „Zukunft auf dem Land“ ist ein Erfolgsprogramm. Das wissen die Menschen und das lassen wir uns von Ihnen auch nicht kaputtreden.

(Peter Jensen-Nissen [CDU]: Das muss er auch noch ablesen!)

Die Lebensqualität wurde in Schleswig-Holstein erheblich verbessert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt dem Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Programm „Zukunft auf dem Lande“ hat die Landesregierung im Jahr 2000 ein Innovationsprogramm für die ländlichen Räume auf die Beine gestellt, das mit seinem Finanzvolumen das größte Programm in der Geschichte der ländlichen Räume in Schleswig-Holstein ist. Das verfolgte Ziel von ZAL ist, Kräfte zu bündeln und diese dann in nachhaltigen innovativen Projekten im ländlichen Raum einzusetzen. Für die Programmlaufzeit von 2000 bis 2006 sollen Maßnahmen in Höhe von rund 537 Millionen € gefördert werden.