Protokoll der Sitzung vom 22.01.2004

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock [CDU]: Lesen Sie einmal die „FAZ“ von heute!)

Sollte es denn eine Steuerreform geben, die ich - das habe ich schon deutlich gesagt - unterstützen würde, würden wir es schaffen, diese für unsere Steuerverwaltung so zu nutzen, dass wir dann Ihre Ziffer 2 erfüllen, dass nämlich die Steuerverwaltung als Einnahmebehörde gestärkt wird und dass gewerbliche Betriebsprüfungen verstärkt stattfinden können.

Sie handeln heute frei nach dem Motto: CDU und FDP - die Opposition tut niemandem weh.

(Holger Astrup [SPD]: So ist es!)

Wenn wir dann alles beschlossen haben, freue ich mich schon wieder auf das „Schleswig-HolsteinMagazin“, in dem Herr Carstensen wie beim Weihnachtsgeld sagen wird, natürlich müsse Verwaltungsstrukturreform sein, und so tun wird, als seien das seine Ideen und seine Beschlüsse gewesen. Das ist schon etwas eigenartig.

Mit dem Umdruck 15/4016 - ich habe das in der Presse schon kritisiert - hatte uns die Landesregierung auf Bitte des Finanzausschusses auf 38 Seiten einen sehr ausführlichen Bericht vorgelegt. Fragen wurden beantwortet, Zahlen und Berechnungen genannt.

Nun ist es natürlich die Aufgabe des Parlamentes, vor allem auch der Opposition, diese Zahlen präzise zu hinterfragen, aber mit dem Berichtsantrag, den Sie heute vorgelegt haben, haben Sie genau dieses nicht getan. Sie haben die Verwaltung zugemüllt und gebeten, all das, was schon einmal aufgeschrieben war, noch einmal aufzuschreiben, statt genau und präzise bei den Punkten nachzufragen, wo Sie Nachfragebedarf haben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Schön, dass Sie uns jetzt sagen, was unsere Aufgabe ist, anstatt Ihre Aufgaben wahrzunehmen!)

Ich finde, das ist eine schon fast unverschämte Oppositionspolitik. Wir haben heute den Antrag gestellt, weil wir Sie damit nicht durchkommen lassen wollten, hier einfach nur einen Berichtsantrag zu stellen, hier rumzunölen und von „teurem Murks“ - so Herr Wiegard - zu sprechen. Wir sagen: Wir wollen eine Verwaltungsstrukturreform und dann sollen Sie sagen - das haben Sie heute auch formuliert -, dass Sie keine Reformen wollen, sondern alles so lassen wollen wie es ist.

(Monika Heinold)

Wir haben in unserem heutigen Antrag auch einen zweiten inhaltlichen Punkt formuliert. Aber erst noch einmal zur Verwaltungsstrukturreform, zu dem alten Spiel. Erst wirft die CDU der Regierung vor, dass die Verwaltung nicht effizienter als bisher organisiert wird. Legt die Regierung aber ein Konzept vor, kritisiert die CDU munter drauflos ohne eigene Vorschläge zu machen - wie auch heute , wie es denn besser gehen könnte. Dieses Verhalten kennen wir nicht nur von heute Morgen, sondern auch schon von der Hochschulreform, wo die CDU sich bis heute nicht getraut hat, eine eigenständige Entscheidung zu treffen, von der Frage der Klinika, von der Umweltverwaltung - auch daran haben Sie rumgekrittelt - und die Reform der Katasterämter wollten Sie auch nicht. Heute ist es die Strukturreform der Finanzämter, die Sie kritisieren,

(Jürgen Feddersen [CDU]: Das ist doch gar keine Reform!)

morgen wird es die Polizeireform sein. Ich habe die Berichte aus Pinneberg gelesen, in denen Sie schon munter damit angefangen sind.

Bei den richtig großen Reformen - das alles befindet sich ja noch am Anfang, es sind ja keine großen Reformen, die wir jetzt durchführen; das sind Schritte, Stück für Stück wird die Verwaltung umorganisiert; aber schon da sagen Sie Nein -, wie beispielsweise bei der Frage der Kommunalverwaltung oder auch der Gebietsreform, da beantragt die CDU hier im Landtag schon vor Beginn der Diskussion einen Vorhaltebeschluss, das sich gegen den Willen der Betroffenen doch bitte nichts ändern darf. Schwanz einziehen statt Mut zu Veränderungen, das ist die CDUFraktion in Schleswig-Holstein.

Meine Fraktion stellt sich hingegen den notwendigen Veränderungen in unserem Land. Wir wollen, dass auch über Jahrzehnte gewachsene Strukturen hinterfragt und aufgebrochen werden. So gibt es 21 Finanzämter in einem Land mit 15 Kreisen und kreisfreien Städten - eine Struktur, die logisch nicht zu erklären ist, zumal die Finanzämter nicht zu denjenigen Behörden gehören, die von den Bürgerinnen und Bürgern häufig aufgesucht werden müssen.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Fraktion plädiert dafür, dass alle Dienstleistungen der Verwaltung, die die Bürgerinnen und Bürger häufig in Anspruch nehmen, vor Ort abgerufen werden können. Für alle anderen Aufgaben der Verwaltung gilt: Nicht der Standort sondern die Effizienz muss im Vordergrund stehen. Deshalb haben wir uns bereits im Dezember 2003 für die Verände

rungen der Finanzverwaltung ausgesprochen. Heute wollen wir die Debatte nutzen, um dieses nun auch mit einem Landtagsantrag zu bestätigen. Damit haben wir der Opposition auch die Chance gegeben, sich wieder einmal zu blamieren.

Grundlage für eine neue Struktur der Finanzämter ist für uns das Ziel, dass durch größere Verwaltungseinheiten Synergieeffekte entstehen.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Das ist ein Trug- schluss! Beispiel Husum/Leck!)

Außerdem soll durch das Prinzip „weniger Häuptlinge und mehr Indianer“ mit dem gleichen Personalbudget mehr Kapazität für Steuer- und Betriebsprüfungen geschaffen werden. Dieses hat der Finanzminister schwarz auf weiß nachgewiesen.

(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Günter Neugebauer [SPD])

Bei der Auflösung der Oberfinanzdirektion - da waren Sie Gott sei Dank sehr zurückhaltend - haben wir dieses Ziel bereits umgesetzt, dass wir die Steuerverwaltung gestärkt haben. Nun folgt in einem zweiten Schritt die Stärkung der Steuerverwaltung durch die Neuorganisation der Finanzämter.

Wir haben inzwischen vom Personalrat des Finanzamtes Eutin andere Berechnungen erhalten, als sie uns der Finanzminister vorgelegt hat. Wir haben auch aus der Region Heide neue Vorschläge bekommen. Auch die Steuergewerkschaft hat sich aus meiner Sicht sehr konstruktiv und sachlich in die Debatte eingemischt und legt uns Zahlen vor. Und es gibt auch einen Abgeordneten hier im Parlament, der sich sehr wohltuend von der allgemeinen Kritik abhebt und sehr, sehr sauber argumentiert.

(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Günter Neugebauer [SPD])

Natürlich muss sich der Finanzausschuss jetzt mit den unterschiedlichen Zahlen, mit den unterschiedlichen Berechnungen und mit der Kritik, die kommt, auseinandersetzen und beschäftigen. Ich sage noch einmal sehr deutlich, dass meiner Fraktion daran gelegen ist, dass wir uns für eine Lösung entscheiden, die tatsächlich wirtschaftlich ist. Schauen Sie in unserem Antrag auf den zweiten Absatz:

„Der Landtag geht davon aus, dass bei der Konkretisierung dieses Vorhabens die Wirtschaftlichkeit Grundlage des politischen Handelns ist.“

(Monika Heinold)

Es ist nun die Aufgabe des Finanzausschusses, diese Berechnung des Ministers im Ausschuss nachzuvollziehen. Ich bin schon der Auffassung, dass wir hierbei auch leerstehende Gebäude mit berücksichtigen und über sie diskutieren müssen. Das will ich an dieser Stelle sehr deutlich sagen.

Mit so einer Auseinandersetzung ist der Sache mehr gedient als mit Berichtsanträgen und mit Schaufensterreden im Parlament. Ich fordere die CDU auf, noch einmal nachzudenken und vielleicht doch unserem ersten Punkt - dem zweiten sowieso, die Wirtschaftlichkeit wollen Sie auch - zuzustimmen, dass grundsätzlich eine Strukturreform der Finanzämter notwendig ist. Es wäre mehr als peinlich, wenn Sie diesen Satz ablehnen würden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die CDU muss heute Farbe bekennen. Ist sie weiter Reformblockierer, um vor Ort weiter allen alles versprechen zu können, oder sagt sie - wie sie es zumindest theoretisch tut - Ja zu einer Verwaltungsstrukturreform, zu mehr Effizients und auch zu einer kritischen Auseinandersetzung vor Ort. Stellen Sie sich nicht nur der Debatte, sondern entscheiden Sie sich für eine effiziente Verwaltung!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Richtig ist, dass sich der Finanzausschuss schon vor Weihnachten ausführlich mit der Reform der Finanzämter befasst hat und wir dazu auch einen schriftlichen Bericht erhielten. Dieser Bericht liegt uns jetzt auch als Landtagsbericht vor. Allerdings gibt es seit der damaligen Diskussion aus unserer Sicht einige neue Aspekte im Zusammenhang mit der Strukturreform der Finanzämter, die wir berücksichtigen sollten. Das ist schon angesprochen worden und dazu möchte ich gleich noch etwas mehr sagen.

Übergeordnet gesehen ging es der Landesregierung nach der Auflösung der Oberfinanzdirektion und nach der Einführung der Zweistufigkeit darum, weitere Verwaltungsreformen im Bereich der Finanzämter voranzubringen. Die Deutsche Steuergewerkschaft hat natürlich nicht ganz unrecht, wenn sie darauf

hinweist, dass man erst einmal die Erfahrungen mit der Zweistufigkeit hätte abwarten sollen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzämter haben in den letzten Jahren viele Veränderungen über sich ergehen lassen und gehen nun in eine neue Runde der Veränderungen.

Dennoch sind die übergeordneten sachlichen Gründe der Neustrukturierung kaum zu bestreiten. Die historisch gewachsenen Finanzamtsstandorte in Schleswig-Holstein hatten zum Teil nicht die optimale Größe von zwischen 150 und 250 Soll-Stellen, die in zahlreichen Untersuchungen angegeben wird. Der Finanzminister hatte also gute Gründe zu handeln und es mag ihm recht gewesen sein, dass er dadurch seinen Kabinettskollegen ein gutes Beispiel bei der Umsetzung von Verwaltungsreformen im Land geben konnte.

Der SSW möchte die Landesregierung dafür loben, dass sie sich sehr bemüht hat, auch regionalpolitische und soziale Kriterien bei der Entscheidungsfindung mit einfließen zu lassen.

(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD] und Günter Neugebau- er [SPD])

Das gilt natürlich gerade - das wissen Sie - für die Zusammenlegung von Finanzämtern im Landesteil Schleswig. Wir waren zum Beispiel sehr besorgt über die mögliche Schließung des Finanzamtes in Leck. Von bürgernaher Verwaltung kann nicht mehr die Rede sein, wenn die Menschen aus Leck und Umgebung nach Husum fahren müssen, um persönlich im Finanzamt vorsprechen zu können. Dazu kommt, dass die Gemeinde Leck in den letzten Jahren schon überproportional vom Abbau der Bundeswehrarbeitsplätze betroffen war.

Mit dem Finanzamt würde der zweitgrößte Arbeitgeber der Stadt abgezogen. Von daher ist die gefundene Lösung der Zusammenlegung der Finanzämter in Husum und Leck zu einem Finanzamt Nordfriesland mit jeweiligen Außenstellen aus unserer Sicht akzeptabel und sehr vernünftig. Die Auswirkungen auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mit der Beibehaltung beider Standorte minimal.

Das Gleiche gilt für den Standort Schleswig, wo das Finanzamt zwar formal aufgelöst wird, aber real als Nebenstelle des neuen Finanzamts EckernfördeSchleswig erhalten bleibt.

Natürlich wird es nur eine Leitungsstelle geben. Dadurch ergibt sich ja auch die Personaleinsparung und somit die Wirtschaftlichkeit. Wir hoffen und erwarten natürlich, dass für die berufliche Zukunft der be

(Anke Spoorendonk)

troffenen Personen vernünftige Lösungen gefunden werden. Ich denke, das wird auch so kommen. Auch hier galt, dass beide Standorte durch den Beschäftigungsabbau in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung besonders stark betroffen waren.

Weiter spielte in der Debatte insbesondere der wirtschaftliche Vorteil der Strukturänderung eine große Rolle. Die Zahlen, die im Finanzausschuss und auch im Bericht zur Wirtschaftlichkeit genannt worden sind, sind aber nicht ganz unumstritten. So hat beispielsweise die Steuergewerkschaft in einer Presseerklärung von Anfang Januar eine durchaus überzeugende eigene Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgelegt.

Die unterschiedlichen Ergebnisse erklären sich zu einem großen Teil aus der Diskussion, ob man die möglicherweise leer stehenden Gebäude der zu schließenden Finanzämter nicht doch in die Wirtschaftlichkeitsberechnung mit einbeziehen sollte. Das gilt natürlich insbesondere bei den Finanzämtern in Eutin und Heide, die ja mittelfristig - so geht es aus dem Bericht hervor - geschlossen werden sollen.

Die Landesregierung gibt in ihrem Bericht selbst zu, dass „die Verwertung der leer gezogenen Gebäude in den Standorten, die keine Nebenstelle behalten", problematisch werden kann. Denn wer will diese teilweise denkmalgeschützten Gebäude in strukturschwachen Gebieten kaufen? Der mögliche Mietausfall der GMSH wird zwar bis zu einer bestimmten Höhe über „Mietausfallwagniszahlungen" des Landes abgedeckt. Ich habe mich über das Wort „Mietausfallwagniszahlungen“ gefreut, gibt es mir doch die Gelegenheit, noch einmal die Initiative des Vereins „Mixed Pickles“ zu erwähnen, die wir vor Weihnachten in diesem Hause vorgeführt bekommen haben, nämlich die preisgekrönte „Jugendleiterausbildung für Mädchen mit Behinderung.“ In dem Zusammenhang wissen Sie, dass wir so ein Schild sahen.

(Die Rednerin hält ein Schild hoch mit der Aufschrift: „Halt - leichte Sprache!“)

„Mietausfallwagniszahlungen“ ist so ein Wort.