Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich muss Folgendes zugeben: Zunächst einmal habe ich mich über den ursprünglichen Berichtsantrag der Union gewundert und gefragt, warum eigentlich die Union dem Finanzminister die Gelegenheit geben will, das, was er im Finanzausschuss schon einmal vorgetragen hat, hier noch einmal erzählen zu dürfen.
Jetzt weiß ich: Es war die reine Fürsorgepflicht der Union, dem noch amtierenden Finanzminister, der sich nach dem 20. Februar 2004 nach einer neuen Beschäftigung umsehen muss, hier die Chance zu geben, eine Bewerbungsrede beispielsweise als Wahlkampfmanager der SPD abzugeben. Das, liebe Kollegen, ist ihm auch gelungen. Denn mehr als eine Bewerbungsrede war es nicht, was er hier vorgetragen hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bisher gibt es in Schleswig-Holstein folgende Finanzamtsstruktur: Über das Land gleichmäßig verteilt gibt es noch 21 Finanzämter. Diese sind historisch gewachsen und daher sind die Größen der Finanzämter stark unterschiedlich. Das größte Finanzamt ist in Lübeck mit 342,5 Soll-Stellen und das kleinste Finanzamt sitzt in Heide mit 73,7 Soll-Stellen.
Der Finanzminister plant nun, bis zum 1. Januar 2005 die Anzahl der Finanzämter von 21 auf 17 zu verringern. Dabei werden zwei Ämter, nämlich Heide und Eutin, real geschlossen und vier andere Finanzämter - Eckernförde mit Schleswig und Husum mit Leck - zusammengelegt. Die Standorte Husum und Schleswig bleiben aber erhalten.
Insgesamt ist aus Sicht der FDP-Fraktion diese Reform der Finanzamtsstruktur mit erheblichen Mängeln behaftet.
Erstens ist sie unsystematisch, zweitens gibt es fragwürdige Entscheidungskriterien, drittens ist die Schließung der Standorte aus unserer Sicht mittlerweile absolut beliebig, viertens ist es unklar, welche organisatorischen Nachteile den wirtschaftlichen
Vorteilen gegenüberstehen, und schließlich ist die Mitarbeitermotivation genau aus den vorgenannten Gründen absolut im Keller, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Kommen wir zur Systematik! Eine sinnvolle Reihenfolge wäre es gewesen, zunächst ein einfaches Steuerrecht zu schaffen und dann den hierfür benötigten Personalbedarf ordentlich zu errechnen. Die FDP hat erst vor kurzem ein entsprechendes Steuermodell in den Bundestag eingebracht. Der Vorschlag beinhaltet eine konsequente Beseitigung aller Ausnahmen im Steuerrecht und eine drastische Vereinfachung durch die Beseitigung der derzeitigen Besteuerung nach sieben verschiedenen Einkommenssteuerarten einschließlich der Abschaffung der Gewerbesteuer und einer Absenkung der Belastung für alle Steuerbürger.
Wir wollen die veraltete, unsystematische und bürokratisch aufwendige Gewerbesteuer abschaffen. Das ist Steuervereinfachung und entlastet dann auch die Finanzverwaltung. Aufgrund eines solchen steuerpolitisch großen Schritts kann man dann auch die Zusammenlegung von Finanzämtern prüfen.
Schauen wir uns jetzt einmal an, was im Gegensatz dazu die Landesregierung plant. Ich zitiere Heide Simonis im „Hamburger Abendblatt“ vom 19. Januar 2004:
Und in der fast legendären Pressemitteilung vom 9. September 2003 stellt die Landesregierung ihren Vorschlag für eine neue Gewerbesteuer dar. Darin steht, dass die Gewerbesteuer auf Freiberufler ausgeweitet werden soll, die Zinsen, Mieten, Pachten und Leasingraten in die Berechnung einbezogen werden sollen, Kleinbetrieben ein Freibetrag von 25.000 € bei der so genannten Gemeindewirtschaftssteuer gewährt werden soll, die Steuermesszahl von 5 % auf 4 % gesenkt werden soll und eine Anrechnung der Gemeindewirtschaftssteuer auf die Einkommensteuer erfolgen soll.
- Hätten Sie die Vorschläge wirklich verstanden, Kollege Astrup und Kollege Neugebauer, dann wäre Ihnen klar, dass bei der Umsetzung dieser Vorschläge - ich gehe davon aus, dass Sie diese Vorschläge
ernst meinen - - Nein, eigentlich gehe ich nicht mehr davon aus, dass Sie sie ernst meinen. Aber dann hätte das einen erheblichen Mehraufwand in der Steuerverwaltung zur Folge.
Allein hinsichtlich der Freiberufler könnten in Schleswig-Holstein bis zu 34.810 zusätzliche Steuerpflichtige bei der Erhebung der Gewerbesteuer mit einzubeziehen sein. Das wäre teilweise mit der Einkommensteuer verrechenbar. Ich frage Sie ernsthaft: Sind Sie sich eigentlich darüber im Klaren, was das für einen zusätzlichen Aufwand bedeutet? Nein, das sind Sie sich nicht, weil Sie offensichtlich überhaupt keine Ahnung haben. Was das an Aufwand für die Finanzverwaltung bedeutet, ist nicht klar. Wurde es überhaupt geprüft? Wahrscheinlich wurde es noch nicht einmal geprüft.
Nein, selbstverständlich nicht. - Kommen wir zu den Entscheidungskriterien der Landesregierung für die Reduzierung der Anzahl der Finanzämter! Die Landesregierung will künftig nur noch Finanzämter haben, die eine Anzahl von mindestens 140 Sollstellen im Personalbereich vorhalten. Dies sei das Ergebnis einer Prüfung und durch andere Untersuchungen belegt.
Wissen Sie eigentlich, was das für Untersuchungen sind, auf die sich der Finanzminister beruft? Untersuchungen des Landesrechnungshofs aus dem Jahre 1975 und des Arbeitskreises „Aufbau einer Steuerverwaltung in der DDR“ aus dem Jahre 1990 sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die optimale Größe eines Finanzamtes bei 150 bis 250 Sollstellen liege.
Nun hat sich die Steuergesetzgebung - jedenfalls nach meinen Informationen - seit 1975 in nicht unerheblichem Maße verändert, sodass sich zumindest meine Fraktion schwerlich vorstellen kann, dass die vor knapp 30 Jahren angefertigte Studie des Landesrechnungshofes wirklich die Aktualität hat, die sich der Finanzminister offensichtlich immer noch von ihr verspricht.
Dass der Finanzminister darüber hinaus Studien eines Arbeitskreises für die Steuerverwaltung in der DDR als Vorbild für Schleswig-Holstein heranzieht, bedarf eigentlich keines weiteren Kommentars. Es spricht allerdings nicht unbedingt für die Solidität der Ent
Die Schließung bestimmter Standorte erscheint vor dem Hintergrund des eben Genannten entweder beliebig oder parteipolitisch vorgegeben. Das wichtigste Prinzip bei Verwaltungsreformen ist immer die Steigerung der Effizienz der Verwaltung. Herr Minister, ich kann aber auch aus Ihrer Rede als SPDWahlkampfmanager, aus Ihrem Bericht, nicht erkennen, wo in der Finanzverwaltung eigentlich durch die Maßnahmen der Landesregierung Effizienzgewinne in den Verfahrensabläufen erreicht werden sollen. Konkret stellt sich doch die Frage: Aus welchem Grunde erwarten Sie durch die Schließung der Finanzämter Heide und Eutin effizientere Verfahrensabläufe in der Finanzverwaltung? Sie sagen immer nur, Sie erwarteten sie, Sie sagen aber nie, wodurch Sie sie tatsächlich erwarten.
- Im Gegensatz zu Ihnen kann ich wenigstens lesen. - Es ist völlig unklar, welche organisatorischen Nachteile den errechneten wirtschaftlichen Gewinnen gegenüberstehen. Sowohl bei der Zusammenlegung der Finanzstandorte Husum und Leck als auch bei der Zusammenlegung der Finanzstandorte Eckernförde und Schleswig überwiegen laut Bericht die errechneten wirtschaftlichen Vorteile die organisatorischen Nachteile. Nicht klar hingegen wird, um welche organisatorischen Nachteile es sich hierbei eigentlich handelt. Eines ist allerdings sicher: Da es die Finanzämter sind, die steuerliche Einnahmen generieren, wirken sich Verfahrensbehinderungen immer unmittelbar auch auf die Einnahmen des Landes aus.
Letzter Kritikpunkt - er ist mir mindestens genauso wichtig wie der erste - ist die Mitarbeitermotivation. Jede Fraktion in diesem Haus kennt die Briefe und die sehr sachlichen Darstellungen aus den einzelnen Finanzämtern. Die Entscheidung der Landesregierung wird nicht verstanden. Sie wird nicht verstanden, weil man die Gründe der Verwaltungseffizienz, die Sie behaupten, einfach nicht nachvollziehen kann. Vielmehr hat man die Befürchtung - wir teilen sie -, dass die Landeskasse einfach auf irgendeine Art und Weise entlastet werden soll. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzämter sehen den Widerspruch zwischen den steuerpolitischen Forderungen der Landesregierung und der Neustrukturierung der Finanzämter.
Was wir begrüßen, ist die Einführung des EGovernments auch in die Steuerverwaltung, so beispielsweise die Einführung der digitalen Steuererklärung im System „ELSTER“. Was wir allerdings ganz bestimmt nicht tun, liebe Frau Kollegin Kähler, ist, Ihre Grußadresse mit lautem Jubel zu beschließen. Ich hätte kein Problem, den neuen Antrag der Union in der Sache abzustimmen und ihm zuzustimmen. Wir können gerne auch beide Anträge noch einmal im Finanzausschuss beraten,
- der Kollege Astrup sagt schon Nein -, aber ich frage mich ernsthaft, ob dies nötig ist. Denn die Grußadresse, die Rot-Grün hier loslassen will, ist so überflüssig wie der berühmte Kropf. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor der heutigen Debatte dachte ich, dass wir uns zumindest so weit einig sind, dass eine Verwaltungsstrukturreform in Schleswig-Holstein notwendig ist. Diese Debatte zeigt leider, dass Sie diesen Sachstand noch nicht erreicht haben, dass Sie da noch nicht angekommen sind.
Sowohl CDU als auch FDP wollen heute beschließen - die FDP hat gesagt, sie stimme zu -, dass die Strukturreform erst einmal ausgesetzt wird. Das entspricht der Situation bei der Beratung des Bildungsantrages heute Morgen.
Dabei sollte schon die Reform der Lehrerausbildung vorläufig ausgesetzt werden. Das heißt: Stillstand, wir machen nichts.
Es gibt immer neue Begründungen. Heute Morgen wurde gesagt, das sei in sich nicht konsistent. Die jetzige Begründung von CDU und FDP finde ich allerdings absolut dreist. Sie sagen, es gebe doch eine Steuerreform in Berlin, wo wir doch alle wissen,
dass von Frau Merkel und anderen Prominenten in der CDU verkündet wird: In diesem Jahr wird es sowieso nichts, und im nächsten weiß man auch noch nicht. Sie sind doch alle zögerlich.