Protokoll der Sitzung vom 18.02.2004

„Welche Regierung die beste sei? Diejenige, die uns lehrt, uns selbst zu regieren!“

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kalinka.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: So einen Schrott habe ich selten gehört!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der FDP gebührt für ihre Initiative Lob.

(Beifall bei der CDU)

Von der SPD-Abgeordneten Tenor-Alschausky ist gesagt worden, die SPD vertraue den Selbstverwaltungsorganen. Im Zusammenhang mit den AOKVorkommnissen kann ich nur sagen: Ich bin nicht Ihrer Auffassung.

(Beifall bei der FDP)

Es ist wirklich erstaunlich, wie Sie in Würdigung dieses Vorgangs eine solche Aussage treffen können. Dem Ansehen des Hauses würde es auch nicht schaden, wenn der Herr Staatssekretär des Sozialministeriums, mit dem wir darüber im Ausschuss diskutiert haben, uns hier im Plenum die Ehre seiner Anwesenheit geben würde.

Was sich bei der AOK-Spitze abgespielt hat - die Fragen, die wir gestellt haben, haben keinerlei befriedigende Antworten gefunden - -

(Wolfgang Baasch [SPD]: Für Sie nicht!)

- Wissen Sie: Ich darf jetzt also folgern, dass Sie mit all dem, was gesagt worden ist, einverstanden sind.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Nein!)

Wenn man die Vergabe mehrerer Darlehen an einen Vorstandsvorsitzenden als Sachausgaben einstuft, kann man darüber wohl getrost unterschiedlicher Meinung sein.

Wenn gesagt wird: „Abfindungen, Pensionsregelungen und anderes können nicht daraufhin bewertet werden, ob das zulässig ist, das fällt nicht unter die Rechtsaufsicht und das war es in dieser Angelegenheit“, ist mir das entschieden zu wenig.

(Beifall bei der CDU)

Wenn sich in einer Selbstverwaltungsorganisation über mehrere Monate erhebliche Streitigkeiten abspielen, die nach meiner Einschätzung die Funktionsfähigkeit fast zu lähmen gedroht haben, dann ist dies ein sehr ernster Vorgang. Es geht hier um das Geld von Pflichtversicherten und das Gesundheitswesen, über das wir vorhin diskutiert haben.

Wenn dann gesagt wird, eine Mehrkontrolle im Sinne der FDP sei mehr Bürokratie, kann ich mich darüber nur noch wundern. Manche, die in anderen Debatten als Erstes Transparenz, Offenheit fordern, schauen mit einem Auge gern weg, wenn es um bestimmte Themen geht. Das passt nicht zueinander.

(Zuruf von der SPD: Selbstverwaltung! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Zur Selbstverwaltung könnte ich an viele Debatten erinnern. Ich fange mit der Landwirtschaftskammer an. Wir können auch zu anderen Organen kommen. Je nachdem wie Ihr Blickwinkel war, waren Sie da durchaus sehr differenzierter Meinung.

(Günter Neugebauer [SPD]: Wollen Sie auch in die kommunale Selbstverwaltung eingrei- fen?)

Wenn wir den Staatssekretär im Ausschuss fragen, wie dies eingestuft werde, sagt er uns: Wir haben immer wieder Unzulänglichkeiten festgestellt. - Man denkt, nun passiert etwas. Nichts dergleichen. Dann ist von handwerklichen Fehlern die Rede. Es ist davon die Rede, dass möglicherweise Vorschriften des Vergaberechts nicht eingehalten worden sind. Wenn wir nachbohren und fragen, was dies konkret bedeutet, heißt es: Mehr sage ich dazu nicht; das ist nicht meine Kompetenz. Das ist Sache des Innenverhältnis

(Werner Kalinka)

ses der AOK. Ich bin dem Ausschuss nicht dafür verantwortlich.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! - Arno Jahner [SPD]: Es geht um Datenschutz!)

Das genau ist die Situation im Ausschuss gewesen. Wir erwarten am 4. März mehr Antworten, meine Kollegen von der SPD. Das werden wir auch deutlich machen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Baasch?

Sehr gern.

Herr Kollege Kalinka, stimmen Sie mir zu, dass Herr Staatssekretär Fischer im Ausschuss angeboten hat, Ihre Fragen im nicht öffentlichen Teil zu beantworten, und Sie davon keinen Gebrauch gemacht haben?

(Beifall bei der SPD)

- Herr Kollege Baasch, es ist zutreffend, dass ich auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht habe und wir das für den 4. verabredet haben. Zu behaupten, dass ich das abgelehnt habe, ist ja wohl nicht zu fassen.

(Zuruf von der SPD: Das finde ich auch! - Heiterkeit und Beifall bei SPD und SSW)

Herr Kollege Baasch, ein kluger Mann hat mir einmal gesagt: Wenn twe un twe nich mehr veer sin, sondern fief, dann muss du dich mit de Lüüt nich mehr unnerholen. Daran werde ich in diesem Augenblick erinnert. Mir aus einer Ausschusssitzung eine solche unzutreffende Aussage in den Mund zu legen, betrübt mich sehr.

Lassen Sie mich angesichts der Zeit nur noch kurz Folgendes ergänzen. Herr Kollege Garg hat es gesagt. Es geht hier um Transparenz. Es geht um die Rechte der Versicherten. Von daher liegt es im Interesse der Selbstverwaltung, dass sie, wenn sie selbst die notwendigen Maßnahmen nicht einleiten kann, von uns dazu angehalten wird. Es wäre gut, wenn von Ihnen aus gesehen deutlich würde, dass Ihnen an einer transparenten Betrachtung dieser Situation gelegen ist. Wir jedenfalls sind es und werden der FDPInitiative deshalb sehr gern zustimmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Birk das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Selbstverwaltung der Krankenkassen darf kein Selbstbedienungsladen sein. Darin sind wir uns alle einig. Wir begrüßen es deshalb als Grüne, dass bundesgesetzlich ab diesem Frühjahr erstmalig alle gesetzlichen Krankenkassen aufgefordert sind, ihre Chef- und Gremieneinkünfte offen zu legen. Das ist ein Fortschritt.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Fall Buschmann - ich möchte es nur bei dieser Andeutung belassen - zeigt, dass das notwendig ist. Ich bin sehr gespannt auf die Veröffentlichungen im Bundesgesetzblatt und hoffe, dass sie in verständlicher Form erfolgen und die Versicherten von der Lektüre regen Gebrauch machen werden.

Jetzt haben wir einen Vorschlag der FDP, der darüber hinausgehende bundesgesetzliche Gebote schaffen will. Das finden wir erst einmal sehr interessant. Er hat - das gebe ich ganz offen zu - von der Stoßrichtung her erst einmal unsere Sympathie. Wir werden ihn im Ausschuss gründlich prüfen.

Ich werde Ihnen aber auch sagen, was wir prüfen werden, denn nicht alle Abgeordnete haben diesen Antrag innerlich vor Augen. Er ist sehr umfassend und geht weit über die Krankenkassen hinaus. Die FDP spricht hierin nicht nur ein gesundheitspolitisches Thema an. Frau Tenor-Alschausky hat auf ein Problem hingewiesen: Wer etwas überprüfen will, muss natürlich auch Menschen haben, die kompetent zur Überprüfung in der Lage sind. Das kostet Bürokratie.

(Zuruf der Abgeordneten Veronika Kolb [FDP])

Man kann nicht einen schlanken Staat fordern und gleichzeitig alles überprüfen lassen. Das passt nicht zusammen. Wir müssen uns immer im Einzelfall entscheiden, wo politische Kontrolle geboten ist und wo nicht. Ich freue mich, dass immerhin in diesem Bereich die FDP in der Lage ist, staatliche Kontrolle auch einmal gutzuheißen. Das ist nicht selbstverständlich.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber, jetzt geht es los: Es geht um Körperschaften, rechtsfähige Anstalten und Stiftungen des Landes. -

(Angelika Birk)

Der Rundfunk? Stiftungen aller Art im Bereich der Kultur? Körperschaften haben wir - glaube ich - auch eine ganze Menge.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ach ja, nennen Sie mal eine!)

Ich könnte mir vorstellen, dass die Investitionsbank, die uns heute mit einer interessanten Veranstaltung beehrt, und eine ganze Reihe weiterer Institutionen da inbegriffen sind. Eine Reihe dieser Institutionen veröffentlicht schon eine ganze Menge. Das muss man dann natürlich auch lesen. Aber vielleicht ist auch uns als Politikern manchmal die Lektüre der vielen kleinen Zahlen zu mühsam. Das bedeutet auch, dass man in der Lage sein muss, bestimmte Bilanzen überhaupt zu verstehen. Es sollen nämlich laut Antrag der FDP in den Satzungen all dieser Einrichtungen die Vergabe, finanzielle Zuwendungen, Vorschüsse, Nebenleistungen und Darlehen an Organmitglieder in Art, Umfang und Höhe niedergelegt werden. All dies soll nun zukünftig in den Satzungen festgeschrieben werden. Und ich gehe davon aus, dass zumindest die Ministerien darin Einblick erhalten, damit das nachgeprüft werden kann. Aber darüber hinaus könnte man sich auch vorstellen, dass das Parlament - wenn es Anlass hat, etwas nachzufragen - zumindest in nicht öffentlicher Sitzung zu informieren ist. Das gilt für die Daten, die über das hinausgehen, was sowieso überall nachzulesen ist.