Protokoll der Sitzung vom 18.02.2004

Ich könnte mir vorstellen, dass die Investitionsbank, die uns heute mit einer interessanten Veranstaltung beehrt, und eine ganze Reihe weiterer Institutionen da inbegriffen sind. Eine Reihe dieser Institutionen veröffentlicht schon eine ganze Menge. Das muss man dann natürlich auch lesen. Aber vielleicht ist auch uns als Politikern manchmal die Lektüre der vielen kleinen Zahlen zu mühsam. Das bedeutet auch, dass man in der Lage sein muss, bestimmte Bilanzen überhaupt zu verstehen. Es sollen nämlich laut Antrag der FDP in den Satzungen all dieser Einrichtungen die Vergabe, finanzielle Zuwendungen, Vorschüsse, Nebenleistungen und Darlehen an Organmitglieder in Art, Umfang und Höhe niedergelegt werden. All dies soll nun zukünftig in den Satzungen festgeschrieben werden. Und ich gehe davon aus, dass zumindest die Ministerien darin Einblick erhalten, damit das nachgeprüft werden kann. Aber darüber hinaus könnte man sich auch vorstellen, dass das Parlament - wenn es Anlass hat, etwas nachzufragen - zumindest in nicht öffentlicher Sitzung zu informieren ist. Das gilt für die Daten, die über das hinausgehen, was sowieso überall nachzulesen ist.

Das ist ein sehr, sehr umfassendes Anliegen, Herr Dr. Garg. Da hat Frau Tenor-Alschausky schon Recht, wenn sie sagt, das bringe eine ganze Menge von neuen Arbeitsschritten mit sich. Das will gut überlegt sein.

Das Anliegen, das dahinter steckt, dafür zu sorgen, dass ausgegliederte Tätigkeiten, die vor 20 oder 30 Jahren innerhalb von Behörden erledigt wurden und nun „outgesourced“ sind, aber auch dass Tätigkeiten, die immer schon der Selbstverwaltung in Deutschland angehörten - dazu gehören nun einmal die Krankenkassen -, transparenter und überprüfbarer erscheinen, dieses Anliegen teilen wir. Wir glauben jedoch, dass ein globaler Antrag mit solch umfassenden Bereichen, aber gleichzeitig doch sehr wenig präzisen Eingrenzungen, wie denn die Überprüfung zu erfolgen hat, hier nicht so einfach abzustimmen ist. Ich glaube, wir brauchen dazu eine ganze Menge Beratungen im Ausschuss, unter Umständen nicht nur im Sozialausschuss, sondern auch in anderen Ausschüssen. Denn das betrifft ja auch eine Reihe von anderen Organen und Körperschaften. Wenn wir zur Zulässigkeit auch das Bundesrecht heranziehen müssen, müssen wir uns auch das noch genauer anschauen.

Mein Fazit also: Der Antrag ist sympathisch und eine Geste der FDP, mal nicht nur auf die Bürokratie zu schimpfen, sondern sich auch zu überlegen, wo staatliche Kontrolle notwendig ist. Aber wie das so oft ist, wenn sich eine Fraktion zum ersten Mal ernsthaft über solche Dinge beugt, ist er ein wenig zu romantisch und ein wenig zu global gefasst. Deshalb bedarf es einer gründlichen Beratung im Ausschuss, die ich durchaus ernsthaft zu führen gedenke. Wenn ich mich hier ein bisschen lustig mache, möchte ich damit nicht zum Ausdruck bringen, dass das Anliegen als solches nicht ernst zu nehmen ist.

Im Übrigen will ich aber auch noch einen Satz zum Thema AOK sagen. Unabhängig vom Ausgang dieser Initiative der FDP möchte ich die Gelegenheit nutzen, um an die Selbstverwaltung zu appellieren. Die AOK hat ein riesiges Vertrauensproblem und sie kann das Vertrauen nur zurückgewinnen, wenn es ihr gelingt, sich von bestimmten Personen zu trennen, ohne dass das die Versicherten eine hohe Ablösesumme kostet. Ich sage das hier in aller Deutlichkeit. Dafür hätten zu Recht die Versicherten in diesen Zeiten kein Verständnis.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Ich erteile das Wort Frau Abgeordneter Hinrichsen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Fall um die Darlehensvergabe an den Vorstandsvorsitzen der AOK Schleswig-Holstein ist wahrlich kein Ruhmesblatt der Selbstverwaltung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Sozialversicherung hier im Land.

(Martin Kayenburg [CDU]: Da haben Sie Recht!)

Natürlich ist es zumindest moralisch problematisch, wenn nicht sogar verwerflich, dass der Vorstandsvorsitzende vom Geld der Versicherten günstige Darlehen in dieser Höhe bekommen kann. Hier hätte man sich nicht nur mehr Fingerspitzengefühl bei den Verantwortlichen in den Selbstverwaltungsorganen gewünscht, sondern nach den Hinweisen des Sozialministeriums, die bereits im Jahr 2000 erfolgten, auch ein Handeln dieser.

(Beifall der Abgeordneten Werner Kalinka [CDU], Jürgen Feddersen [CDU] und Dr. Heiner Garg [FDP])

(Silke Hinrichsen)

Eine Krankenkasse ist keine Bank und diese Haltung vertreten sicherlich viele Bürgerinnen und Bürger, die einer öffentlichen Krankenkasse angehören.

Allerdings muss man an dieser Stelle auch ehrlicherweise klar und deutlich sagen: Rechtlich ist dieses Darlehen wahrscheinlich kaum zu beanstanden und so ungewöhnlich - wie jetzt mancher es in der Öffentlichkeit darstellen will - ist eine solche Darlehensvergabe an Vorstandsvorsitzende oder Angehörige des Vorstandes, gerade auch in der freien Wirtschaft, nun auch nicht. Schließlich versucht man gute Leute mit besonderen Konditionen zu locken und dazu können eben auch günstige Darlehen gehören. Natürlich stellt sich die Situation für den Vorstandsvorsitzenden einer öffentlichen Krankenkasse anders dar - auch weil die Sicherheit der Darlehen möglicherweise nicht ausreichend ist.

Die AOK hat selbst durch die Beurlaubung und die Neubesetzung der Verwaltungsratspitze Konsequenzen gezogen. Die Landesregierung hatte als Aufsichtsbehörde beziehungsweise als Rechtsaufsicht - das haben wir im Ausschuss gehört - bereits im Jahr 2000 auf die Problematik eines Darlehens hingewiesen. Seitdem ist leider nichts mehr geschehen. Erst als die Öffentlichkeit Anfang diesen Jahres von den Darlehen erfuhr, gab es entsprechende Reaktionen. Das war spät, aber nicht zu spät. Auch weil das Ministerium eben nur die Rechtsaufsicht hat und ansonsten nur die Selbstverwaltungsorgane der AOK hätten reagieren können und müssen. Die Selbstkontrolle hat hier nicht funktioniert, denn die Hinweise der Rechtsaufsicht des Sozialministeriums hatten weder bei der Spitze des Verwaltungsrates noch bei dessen Mitgliedern zu einem Handeln geführt.

Jetzt führt das Ministerium eine umfassende Geschäfts- und Rechnungsprüfung durch, da wohl auch einige Beraterverträge - so hört man - ins Zwielicht geraten sind. Wir sollten dem Ministerium jetzt ausreichend Zeit geben, die möglichen Missstände gründlich zu untersuchen, wie es Staatssekretär Fischer im Sozialausschuss bereits angekündigt hat. Und dann sollten wir uns umfänglich im Sozialausschuss berichten lassen.

Allerdings stellt sich schon jetzt die Frage, wie man solchem Missbrauch bei öffentlichen Körperschaften, rechtsfähigen Anstalten und Stiftungen des Landes von vornherein begegnen kann. Darauf zielt ja auch der vorliegende FDP-Antrag ab, der die Landesregierung dazu auffordert, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel einzubringen, die Voraussetzungen für die Vergabe von finanziellen Zuschüssen oder von Darlehen an Organmitglieder in Art, Umfang und Höhe festzuschreiben. Die Frage dabei ist, ob das der rich

tige Weg ist, um einen eventuellen Missbrauch in Zukunft zu beseitigen. Wie soll überhaupt die Höhe festgelegt werden?

Zum einen ist es meiner Ansicht nach ziemlich schwierig, generelle Regelungen für die Vergabe solcher Darlehen für alle öffentliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen festzulegen. Zum anderen gibt es gerade für den Bereich der Krankenkassen nunmehr ab dem 1. März 2004 eine Veröffentlichungspflicht für die Vergabe und für sonstige Nebenleistungen. Durch diese Transparenz wird es sicherlich schneller zu öffentlichen Reaktionen auf Darlehensvergaben oder Nebenleistungen an Vorstandsmitglieder in den Krankenkassen kommen. Es ist auch fraglich, ob durch gesetzliche Vorgaben eine tatsächlich nicht ausgeübte Kontrolle - auf die Feststellung lege ich Wert, dass anscheinend auch innerhalb der Selbstverwaltung nicht immer ordnungsgemäß gearbeitet wurde - ersetzt werden kann. Hier gleich nach einem Gesetz zu rufen, wäre nach meiner Ansicht noch breiter zu diskutieren. Es muss die Selbstverwaltung der Sozialpartner privat bleiben.

Wir werden deshalb die Sache im Ausschuss weiter beraten. Im Prinzip wollten wir gern erst die Ausführungen des Staatssekretärs des Sozialministeriums dazu abwarten, was bei der Prüfung der AOK herausgekommen ist, aber wir können uns gern im Sozialausschuss darüber unterhalten, wie es mit dieser Initiative weitergehen soll.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW], Lothar Hay [SPD] und Monika Hei- nold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mir liegen eine ganze Reihe von Wortmeldungen zu Kurzbeiträgen vor. Ich erteile aber zunächst Herrn Minister Dr. Stegner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem Antrag der FDP-Fraktion werden explizit alle Körperschaften, rechtfähigen Anstalten sowie Stiftungen des Landes erfasst. Ausdrücklich nicht betroffen - so muss man das sehen - sind die juristischen Personen des privaten Rechts. Ich will gar nicht bestreiten, dass aufgrund der derzeitigen öffentlichen Diskussion eines Einzelfalls der Antrag der FDP-Fraktion auf den ersten Blick sinnvoll und zweckmäßig erscheint.

(Günter Neugebauer [SPD]: Aber nur auf den ersten!)

(Minister Dr. Ralf Stegner)

- Allerdings, in der Tat, Herr Abgeordneter Neugebauer, nur auf den ersten Blick.

Im Grunde kann niemand etwas gegen die Stärkung der Selbstverwaltung haben. Aber leider bezieht sich diese Zustimmung nur auf die Überschrift des Antrages. Guckt man sich den Antragstext an, stellt man fest, dass er nicht zu einer Stärkung der Selbstverwaltung, sondern zum Gegenteil führen würde.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neuge- bauer [SPD])

Man kann schon ein wenig erstaunt darüber sein, dass diejenigen, die immer sagen, weniger Staat, je weniger desto besser, mit dem vorliegenden Antrag im Ergebnis für ein Mehr an Staat sorgen wollen, für ein Mehr an gesetzlichen Regelungen sorgen wollen und für mehr Bürokratie plädieren. Dass auch die CDU, die jetzt so viel von Entfesselung redet - plötzlich geht so ein Ruck durch das Land und alles wird entfesselt und entregelt -, das gut findet, Herr Schlie, das erstaunt mich bei Ihnen richtig.

(Zurufe)

Das mangelnde Zutrauen in die Vorstände und Aufsichtsorgane von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen wird hier dokumentiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Selbstverwaltung ist nicht Selbstbedienung und deswegen stehe ich gar nicht an, zu dem aktuellen Fall zu sagen, dass das kein Ruhmesblatt für die Selbstverwaltung ist. Man kann das hier auch sehr deutlich kritisieren. Das sehr deutlich in der politischen Debatte zu kritisieren, ist aber etwas anderes als Rechtsaufsicht.

Nebenbei bemerkt: Auch wenn man das nicht verniedlicht, zeigt doch just die Debatte im Landtag darüber, dass das ein Zeichen dafür ist, dass es neuerer und besonderer gesetzlicher Regelungen gar nicht bedarf, geschweige denn einer Bundesratsinitiative, weil wir hier ja darüber reden können. Das zeigt doch eher eine funktionierende Demokratie und nicht das Gegenteil.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich glaube also, wir sollten auf das bestehende Recht zurückgreifen und dieses auch anwenden. Dabei ist es notwenig, etwas tiefer in die Materie einzusteigen, als das die FDP getan hat. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ob Sie sich über das Lob von Herrn Kalinka wirklich freuen sollten, da bin ich nicht so sicher. Wer ihn heute Mittag erlebt hat, der weiß, dass er die intellektuellen Schmerzgrenzen in diesem Haus wirklich kräftig überschritten hat.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben im Land beispielsweise Stiftungen, deren Satzungen bereits heute deutlich machen, dass für die Vergabe von Darlehen an Organmitglieder keine kleinteiligen Vorschriften über Art, Umfang und Höhe gebraucht werden, weil solche Darlehen dem Satzungszweck eindeutig widersprechen. Nehmen Sie die Stiftung Naturschutz; darin steht das. Da können Sie das erkennen und die Aufsicht sorgt dafür, dass das auch eingehalten wird.

Nehmen Sie den Bereich der Krankenkassen! Durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz ist bereits in § 35 Abs. 6 Satz 2 SGB IV geregelt, dass die Höhe der jährlichen Vergütungen der einzelnen Vorstandsmitglieder einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen in einer Übersicht jährlich zum 1. März eines Jahres im Bundesanzeiger und gleichzeitig in der Mitgliederzeitschrift der betreffenden Krankenkasse zu veröffentlichen sind.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

In der Demokratie heißt das doch nach der Debatte: Glauben Sie allen Ernstes, wenn darüber diskutiert wird, dass sich das heute noch einmal jemand leisten könnte, das in dieser Form zu machen?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ach!)

Man kann doch nicht immer nach dem Staat rufen - sonst tun Sie das doch auch nicht -, wenn man von einem Einzelfall her merkt, dass das auch anders geht.

Ich will im Übrigen gar nicht auf das Thema Verhältnismäßigkeit eingehen, das Herr Kubicki bei der vorhergehenden Debatte besonders in den Mittelpunkt gerückt hat. Ich habe genau zugehört. Aber dann muss das ja auch heute hier gelten und es geht nicht, dass man es heute so sagt und bei anderer Gelegenheit sagt man es wieder anders.

Das, was wir brauchen, ist eine Selbstverpflichtung der bereits bestehenden Gremien. Ein gutes Beispiel dafür ist der Deutsche Corporate Governance Kodex. Dieser enthält nämlich international und national anerkannte Standards für eine gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung. Das ist im Übrigen etwas, was in der Tat zeigt, dass wir eine Selbstverpflichtung der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen anwenden. Das den Gremien vorzuschlagen, damit kommt man weiter. Was gefordert ist, ist Vertrauen. „Vertrauen“ heißt dann übrigens nicht gesetzliche Regelung, sondern Vertrauen durch die Handelnden. Ich gebe zu, dass im Augenblick die Vorstände der Deutschen Bank wie Herr Ackermann, mit

(Minister Dr. Ralf Stegner)

dem, was er da macht, nicht dazu beitragen, Vertrauen in solche Bereiche zu wecken.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt: immer ein gutes Beispiel!

Ich stelle abschließend fest: Die FDP hält es mit Lenin - ich wusste gar nicht, dass das einer Ihrer geistigen Väter ist -: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Das, wie Sie es hier handhaben wollen, ist nicht sonderlich liberal. Insofern glaube ich, dass man auch anders zu den gewünschten Zwecken kommt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu dem ersten Kurzbeitrag nach § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.