Protokoll der Sitzung vom 18.02.2004

Der Bericht zeigt anhand von Beispielen, dass die deutlichen Einwohnerverluste, die die großen Städte

(Minister Klaus Buß)

in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre hatten, in den letzten Jahren gestoppt werden konnten. Das ist eine sehr positive und sehr wichtige Entwicklung für die Städte. Sie ist nicht zuletzt auf einen Rückgang der Stadt-Umlandwanderung zurückzuführen. Insbesondere die Initiative der Städte für eine verstärkte Ausweisung von Wohnbauland für den Einfamilienhausbau und eine konsequente Steuerung der Siedlungsentwicklung im Umland haben den Rückgang der Stadt-Umlandwanderung beeinflusst. Das ist auch ein Ergebnis der erfolgreichen Arbeit des Innenministeriums. Die Fachabteilungen versuchen, der StadtUmlandwanderung gemeinsam entgegenzuwirken. So tragen zum Beispiel die Initiativen der Wohnraumförderung und der Städtebauförderung des Landes maßgeblich zur Stabilisierung der städtischen Regionen bei.

In der letzten Zeit konnte eine ganze Palette von neuen strategisch wirksamen Förderinstrumenten aufgelegt werden, um sowohl bezahlbare Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung sicherzustellen als auch regionale Wohnungsmärkte, Standortqualitäten und die Werthaltigkeit der Bestände positiv zu beeinflussen. Soziale Wohnungspolitik ist heute durch die vereinbarte Förderung, die regionalen Differenzierungen bei Miet- und Einkommensobergrenzen und die Nutzung strategischer Kooperationsverträge in der Lage, im Einklang mit den Zielen der Unternehmen eine Trendumkehr in städtischen Problemgebieten zu bewirken und Mieter wie auch Wohnungseigentümer wieder stärker in den Städten zu halten. Zukunftweisende Stadtumbauprojekte lassen ganze Stadtteile wieder zu gefragten Adressen werden und geben den Städten die Impulse, die sie brauchen, um auch zukünftig ihrer Rolle als Motor der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung des Landes gerecht zu werden.

Unter der Regie der Kommunen sollen zudem Wohnraumversorgungskonzepte zukünftig die Grundlage für eine effiziente Förderung und Entwicklung von Wohnquartieren bilden. Das Innenministerium gibt hierzu Anstöße und Hilfestellungen.

Einen wichtigen Beitrag zum Rückgang der StadtUmland-Wanderung sehe ich auch in den zahlreichen Konzepten von Städten und Umlandgemeinden für eine gemeinsame Siedlungsentwicklung. Damit bin ich beim Thema Zusammenarbeit der Kommunen. Die Städte und Gemeinden in unserem Land haben hier in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Im Hinblick auf die zukünftigen Herausforderungen wie den demographischen Wandel mit all seinen Handlungserfordernissen im Infrastrukturbereich, die enger werdenden Finanzspielräume oder

den zunehmenden Wettbewerb der Städte und Gemeinden um Einwohner und Arbeitskräfte ist interkommunale Zusammenarbeit außerordentlich wichtig.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Völlig richtig ist es deshalb, dass immer mehr engagierte haupt- und ehrenamtlich Tätige in den Kommunen über die Gemeinde- beziehungsweise Amtsgrenzen hinaus denken, auch in Sachen Verwaltungsstrukturen. Dafür gibt es dankenswerterweise schon eine Reihe positiver Beispiele im Land. Auf den Inseln Fehmarn und Sylt sind kommunale Verwaltungen ebenso zusammengeführt worden wie auf Eiderstedt oder im Kreis Steinburg. Dazu kommen Überlegungen und konkrete Absichten in vielen weiteren Gemeinden, zum Beispiel am Ostufer der Kieler Förde. Das Innenministerium unterstützt die Entwicklungen nachhaltig. Die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen vor Ort gewinnen durch die Zusammenschlüsse modernere Verwaltungen, die ihnen ein effizienterer und leistungsfähiger Dienstleister sein können. Das ist ein wichtiger und notwendiger Beitrag, damit sich die schleswigholsteinischen Kommunen und alle Teilräume des Landes erfolgreich entwickeln können.

Der Raumordnungsbericht mit seinen Daten und Fakten ist sowohl auf Landesebene als auch auf kommunaler Ebene eine gute Diskussions- und Entscheidungsgrundlage, um den begonnenen Prozess weiterzuführen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht. Ich eröffne jetzt die Aussprache und erteile das Wort dem Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Kayenburg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für eine Fleißarbeit soll man sich bekanntermaßen bedanken, zumal wenn sie mit Statistiken und bunten Bildern illustriert ist. Danke also für die Retrospektive. Ich frage mich nur, Herr Minister: Welche Erklärungen gibt die Landesregierung denn für die dargestellten Entwicklungen? Welche Schlussfolgerungen haben Sie gezogen? Wie wollen Sie bei Fehlentwicklungen eigentlich umsteuern? Die Antworten sind Sie schuldig geblieben; im Raumordnungsbericht finden sich zwar Zusammenfassungen, aber keine Analysen und vor allem kein Programm.

(Beifall bei der CDU)

(Martin Kayenburg)

Wenn aber dieser Bericht nur ein Status sein soll, dann zeigt er das kollektive Unvermögen dieser Landesregierung, die Herausforderungen der Landesentwicklung anzunehmen.

Erfreulich ist es sicherlich, Herr Minister, dass die Bevölkerung unseres Landes noch wächst, leider aber nicht durch eigenen Fleiß, wie Sie wissen, sondern durch Zuwanderung aus den Nachbarländern sowie zunehmend stark auch aus dem Ausland. Demgegenüber sind die Geburtendefizite nach wie vor steigend. Im Ergebnis haben wir es also mit einem Überalterungsprozess zu tun, der eben keine Zukunftsperspektive eröffnet. Was wir brauchen ist eine familienfreundliche Politik, ist Wachstum und mehr Arbeitsplätze, aber keine undifferenzierten Hinweise auf eine wachsende Bevölkerung.

(Beifall bei der CDU)

Die Zuwanderung im Ordnungsraum Hamburg ist mit Abstand am stärksten. Auch lassen sich zugegebenermaßen Stadt-Umlandwanderungen feststellen. Verstärkte Anstrengungen von Oberzentren zum Beispiel bei der Ausweisung von Flächen für den Ein- und Zweifamilienhausbau haben aber zu einem Rückgang der Abwanderung geführt, siehe Flensburg und Rendsburg, Herr Minister. Diese Tendenzen fordern doch geradezu die Frage heraus, ob Ihre einseitig auf den Mehrfamilienhausbau ausgerichtete Wohnungsbaupolitik überhaupt noch richtig war oder ob es nicht an der Zeit ist, hier umzusteuern. Wo ist eigentlich die Analyse für die zunehmende Landflucht in die Ballungsräume der Städte selbst aus Tourismusgebieten?

Auch die Entwicklung der Arbeitslosigkeit wird im Raumordnungsbericht nur unzureichend beschrieben. Analyse findet schon gar nicht statt. Wie sollte sie auch? Ihre Zahlen enden 2001. Die Arbeitslosigkeit hat sich in der Folgezeit geradezu dramatisch entwickelt. Wenn gleichwohl räumlich unterschiedliche Entwicklungen erkennbar sind, so in der Zunahme der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Hamburger Rand, also im Nahbereich der Hansestadt. Das zeigt die Bedeutung der Metropolregion für unser Land, macht aber genauso deutlich, dass es zugegebenermaßen schwierig ist, einheitliche Lebensverhältnisse im Lande herzustellen. Sagen Sie uns doch bitte, was Sie da machen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und insbesondere die Bevölkerungswanderung spiegeln sich natürlich auch im Wohnungsbau wider. Die deutlichen Schwächen im Wohnungsbau werden mit dem Geburtenrückgang weiter verschärft und die verfehlte

Politik in Berlin wie der Abbau der Pendlerpauschale und möglicherweise auch die Streichung der Wohnungsbauförderung werden zu einer weiteren Landflucht führen. Die schon lange gebeutelte Bauwirtschaft wird weiter zusammenbrechen, Arbeitsplätze werden verloren gehen.

Herr Minister, Ihr Hinweis auf die regionale und kommunale Zusammenarbeit weist sicher auf ein wichtiges Thema für die künftige Entwicklung unseres Landes. Wo aber ist Ihre Analyse und wo ist der Handlungsrahmen? Sagen Sie nicht, Fehmarn sei das tolle Beispiel. Sylt war nämlich keines. Da hat es nicht geklappt bis auf die Zusammenlegung von List und Amt Sylt. Das ist also kein Beispiel für eine erfolgreiche Politik. Auch die Hinweise, die im Bericht zu lesen sind, auf Kernregionen oder Lübeck auf der einen Seite und Eider, Treene, Sorge auf der anderen Seite können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Gesamtkonzept fehlt. Ich meine also, die positive Bewertung der ländlichen Struktur- und Entwicklungsanalyse, die in vielen Fällen sicher zu einer interkommunalen Zusammenarbeit geführt haben soll, wird durch nichts belegt. Der Hinweis auf den Zusammenschluss der vier Kommunen ist für mich nicht hinreichend.

Haben Sie sich einmal gefragt, Herr Minister, ob das viele Geld, das Sie in die einzelnen LSEn gesteckt haben, gut angelegt war oder ob es nicht effizienter oder zielgerichteter für den Einsatz für Arbeitsplätze und konkrete Entwicklungsmaßnahmen hätte vorgesehen werden müssen? Auch hier gibt es also keine Analyse.

(Zuruf von der SPD: Der Kreis Plön hat or- dentlich Geld gezogen!)

Egal, ob der Kreis Plön Geld gezogen hat oder nicht, zusammenfassend stelle ich fest:

Erstens. Der Wanderungsgewinn Schleswig-Holsteins ist kein Verdienst der Landesregierung, sondern Spiegelbild der Entwicklung unserer Nachbarschaft zu Hamburg.

Zweitens. Die Zuwanderung aus anderen Bundesländern stärkt zunehmend die Alteneinrichtungen, trägt aber nicht zu einer gesunden Altersstruktur im Lande bei.

Drittens. Die Arbeitsmarktentwicklung ist deutlich über den Raumordnungsbericht hinausgegangen.

Viertens. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind im Lande nicht geschaffen worden, im Gegenteil, Entwicklungen, die Sie schon über mehr als zehn Jahre sehen konnten, haben Sie nicht entgegengewirkt.

(Martin Kayenburg)

Fünftens. Die interkommunale Zusammenarbeit zeigt gute Ansätze. Einen Durchbruch hat es bisher jedoch nicht gegeben.

(Glocke des Präsidenten)

- Herr Präsident, jetzt kommt der letzte Satz. - Sechstens. Ich wiederhole: Sie sollten prüfen, ob die Ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht zielgerichteter eingesetzt werden sollten. Herr Minister, möglicherweise sollten Sie sich stärker auf die sich entwickelnden Regionen konzentrieren, statt mit der Gießkanne durchs Land zu laufen.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Abgeordneten Frau Kruse das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir den Bericht des Jahres 1999 am 28. Januar 2000 ohne Aussprache angenommen hatten, bleiben uns heute fünf Minuten, um einen 63-seitigen Bericht zu diskutieren, sodass wir nur ganz knapp darauf eingehen können.

Ich gebe Herrn Kayenburg Recht - das ist aber der einzige Punkt, bei dem ich ihm Recht gebe -: Es wäre für uns alle sehr interessant gewesen, wenn die wirklich wichtigen Zahlen ab 2003 in dem Bericht enthalten gewesen wären. Insbesondere die aussagekräftigen Zahlen bezüglich der Bevölkerungsentwicklung, der Stadt-Umlandwanderung sowie der Arbeitsplatz- und Wohnungsbauentwicklung wären für uns alle wichtig gewesen.

Die Bevölkerungsentwicklung in Schleswig-Holstein war bis jetzt positiv. Mittlerweile wird aber prognostiziert, dass das nur noch bis zum Jahr 2007 - manche sprechen von 2007, manche von 2010 - so bleiben wird. Wie dem auch sei: Der Zuwachs der Einwohnerzahlen beruht lediglich auf den Wanderungsgewinnen, da es bei uns nach wie vor Geburtendefizite gibt. Die höchsten Zuwächse sind in den Ordnungsräumen, insbesondere in Hamburg, aber auch in den Gemeinden um die Kernstädte, zu verzeichnen. Das ist uns allen bekannt; das war schon 1996 so. Die Kernstädte selbst, also Kiel und Lübeck, verlieren Einwohner, die sich in den zentralen Orten oder Achsengemeinden ansiedeln. Der Rückgang fällt jedoch zunehmend schwächer aus.

Im ländlichen Raum ist ein stark verlangsamter Anstieg der Bevölkerung zu verzeichnen. Es gibt aber auch Probleme mit Verlusten in strukturschwachen Gebieten, wie zum Beispiel im Kreis Dithmarschen,

im Kreis Steinburg oder Angeln. Die Stärke der Stadt-Umlandwanderung hat abgenommen. Der Innenminister hat schon darauf hingewiesen. Das gilt insbesondere für die Oberzentren Kiel, Lübeck und Flensburg. Die Kernstädte weisen nicht nur Verluste durch Umzüge in das Umland auf, sondern vielfach geht die Wanderung in Richtung größerer zentraler Orte. Dies muss bei zukünftigen Planungen und Entwicklungen berücksichtigt werden; denn diese Orte erhalten zunehmend eine größere Bedeutung. Eine mögliche Ursache für den Rückgang der Wanderungsbeziehungen ist natürlich das Angebot von Flächenausweisungen zum Wohnungsbau für Familien in den Städten. Auch darüber haben wir vom Innenminister etwas gehört.

Als Steuerungsinstrument dienen die Aussagen des Landesraumordnungsplanes und der Regionalpläne zur Restriktion der Neuausweisung von Wohnland, also die 15- beziehungsweise 20-%-Regelung. Allerdings - das halte ich für sehr bedeutsam - wird sich die Entwicklung der Altersstruktur auch auf das Wohnverhalten und die notwendigen Infrastrukturen auswirken. Hier muss das Stichwort „altengerechtes Wohnen“ erwähnt werden, welches Städte und Kommunen zukünftig gleichermaßen - stärker als heute - Probleme bereiten wird. Das ist einer der Bereiche, in denen es keine Kehrtwende geben wird und für die es geeignete Konzepte zu entwickeln gilt.

Im Bericht wird auch die Entwicklung der Flächennutzung kurz beschrieben. Es ist eine Verschiebung der Flächennutzung zulasten der landwirtschaftlichen Flächen festzustellen. An die Adresse der Agrarpolitiker sage ich: In Schleswig-Holstein beträgt die landwirtschaftliche Fläche immerhin noch 72,2 %. Wir haben die Vergleichszahl aus dem Jahr 2001 herausgesucht. In der Bundesrepublik betrug die landwirtschaftliche Fläche damals 53,5 %. Insofern liegen wir an der Spitze.

(Rainer Wiegard [CDU]: Das unterstreicht unsere Politik!)

Die Zuwächse an Gebäude- und Freiflächen verlangsamen sich und korrespondieren mit der Wohnbauentwicklung. Das Flächenmanagement muss zunehmend an Bedeutung gewinnen, um weiter steigende Flächenansprüche zu minimieren. Hier muss weiterhin über Flächenrecycling und verdichtete Bauweisen nachgedacht werden. Vielleicht ist in Zukunft nicht mehr das klassische Einfamilienhaus zukunftsweisend, sondern vielleicht - sinnvollerweise wäre das so - sind es zweigeschossige Gebäude in Wohnbaugebieten.

(Maren Kruse)

Damit komme ich zu dem alles überlagernden Thema Entwicklung und interkommunale Zusammenarbeit, was an einigen Stellen überraschend gut funktioniert. Die stärkere Zusammenarbeit von Städten und Gemeinden, insbesondere in den Verflechtungsbereichen der Städte, muss noch viel selbstverständlicher werden. Siedlungsentwicklung, Gewerbeflächenentwicklung und Freiraumschutz sind nur einige Schwerpunkte dieser gemeindeübergreifenden Planungen. Leider bestimmt nur allzu oft ausschließlich ein Konkurrenzdenken die Tagesordnung in den Kreisen, Städten und Gemeinden, was freiwillige Kooperationen und partnerschaftliches Denken nur wenig zulässt. Von einvernehmlichen Lösungen sind wir in vielen Bereichen noch weit entfernt. Mein bestes Beispiel dafür ist immer die mögliche Neuordnung des zentralörtlichen Systems.

Alle Partner, die an den angesprochen Problemen beteiligt sind, müssen stärker gemeinsam agieren; denn die zukünftige Raumordnungspolitik steht vor zunehmenden Anforderungen, die neue Schritte und Lösungsansätze erforderlich machen.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Hierzu gehört ein flexibles und kooperatives Planungsverständnis, das den zunehmenden räumlichen Verflechtungen Rechnung trägt. Eine Entwicklungsperspektive Schleswig-Holstein wäre ein entscheidender Beitrag zur Zukunftsgestaltung in Schleswig-Holstein.