(Martin Kayenburg [CDU]: Dann zahlen doch alle! Die Arbeitslosen und die Gering- verdiener zahlen dann auch! So ein Quatsch!)
- Dann zahlt die Gesellschaft. Derjenige, der ein hohes Einkommen hat, zahlt zum Glück mehr als derjenige, der kein hohes Einkommen hat. Das nennt man soziale Gerechtigkeit.
Aufgrund des Beitrags des Kollegen de Jager möchte ich unbedingt zwei Zitate loswerden. Ich werde danach sagen, von wem sie stammen.
„Verteilungsgerechtigkeit in der Gesellschaft wird am sinnvollsten über ein gerechtes Steuersystem hergestellt, das alle Bürger nach ihren Einnahmen und ihrem Vermögen besteuert. Dabei dürfen akademische Berufe nicht länger von bestimmten Steuern ausgenommen werden, wie zum Beispiel alle freiberuflichen Tätigkeiten von der Gewerbesteuer, Arztpraxen darüber hinaus von der Umsatzsteuer.“
„Neue Zwangsabgaben dagegen - etwa eine Akademikersteuer, wie sie in jüngster Zeit ebenfalls diskutiert wird - sind weitere Schritte zur Entsolidarisierung und zur Verzettelung innerhalb des Steuersystems. Wir wollen keine Akademikerstrafsteuer, die die Aneignung von mehr Wissen bestraft.“
„Der Ruf nach mehr Geld allein führt nicht weiter. In Deutschland wurden Studiengebühren Ende der 60er-Jahre aus guten Gründen abgeschafft. Wer den Sündenfall der Kindergartengebühren als Argument für die Wiedereinführung von Studiengebühren heranzieht, der müsste, um bei dieser Logik zu bleiben, auch für die Wiedereinführung von Schulgeld und Lehrgeld bei der beruflichen Bildung eintreten. Viele Ältere werden sich noch unliebsam daran erinnern. Wir wollen aber keinen sozialen Rückschritt.“
Von wem stammen diese Zitate? - Sie stammen von der ehemaligen nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerin Anke Bruhn aus dem Jahre 1996. Das ist lange her. Leider, Kolleginnen und Kollegen von der SPD, habt ihr euch auch weiterbewegt.
Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich jetzt dem Abgeordneten Wolfgang Kubicki.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema eignet sich offensichtlich, um mit viel Herzblut die gegenseitigen Sozialisierungserfahrungen kundzutun und zu sagen, wer wann wo wie studiert oder nicht studiert hat.
Anke Spoorendonk, weil Sie mit den Zitaten begonnen haben, will ich den Sozialdemokraten dieses Landes etwas zu lesen mit auf den Weg geben und Hans-Ulrich Jörges aus dem Stern vom 27. November 2003 zitieren. Die Überschrift lautete: „Lest Marx, Genossen!“
„Karl Marx hatte Recht. ‚Wenn in einigen Staaten … auch ‚höhere’ Unterrichtsanstalten ‚unentgeltlich’ sind, so heißt das faktisch nur, den höheren Klassen ihre Erziehungs
kosten aus dem allgemeinen Steuersäckel bestreiten’, schrieb er 1875 in seiner ‚Kritik des Gothaer Programms’ der Sozialdemokratie.“
„Man sollte die vergilbte Schwarte heute der Linken - oder was von ihr übrig geblieben ist - um die Ohren schlagen, um sie zur Besinnung zu bringen. Denn mit Inbrunst und Flammenschwert verteidigt sie das kostenlose Studium für die besseren Stände.“
Herr Kollege Weber, es ist doch in der Tat so: Wenn wir uns die Sozialdaten derjenigen ansehen, die im bisherigen System ein Studium ergreifen, und derjenigen, die das Studium für diejenigen, die studieren, bezahlen, dann sehen wir, dass heute die Arbeiterklasse das Studium des Bildungsbürgertums bezahlt. Die Avantgarde der Sozialdemokratie macht sich hier zum Interessenvertreter einer akademisch gebildeten Mittelschicht.
Lieber Kollege Kubicki, sind Sie mit mir einer Meinung, dass man vieles verdreht wiedergeben kann und dass mein Anliegen ein anderes war als das Ihrige, das Sie mit Ihrem Redebeitrag jetzt verfolgt haben?
- Liebe Kollegin Spoorendonk, ich weiß nicht, was Ihr Anliegen war. Ich habe doch nur gesagt, ich würde in gleicher Weise wie Sie zitieren. Ich habe nicht gesagt, dass ich mich Ihrer Auffassung anschließe. Gott bewahre mich davor!
In der Tat haben wir heute doch nicht das Problem, dass die Studierenden darunter leiden, dass man sie mit Studiengebühren bedroht. Wir haben heute das Problem, dass sie darunter leiden, dass der Staat seiner Verpflichtung zu einer ordnungsgemäßen Ausstattung der Universitäten mit Professoren-, Dozentenstellen und Sachmitteln nicht mehr nachkommt.
Wozu führt das denn? - Das führt dazu, dass immer mehr Studierende die Studienleistungen, die sie erbringen wollen, gar nicht mehr erbringen können, dass die Ausbildung überdurchschnittlich leidet und dass immer mehr Studierende aus den reicheren Schichten in die privaten Universitäten abwandern, wo sie bessere Bildungsabschlüsse erreichen können, was einen besseren Einstieg in das Berufsleben zur Folge hat. Diese Selektierung nehmen Sie vor. Die Tatsache, dass man Studiengebühren erhebt, um die Universitäten angemessen ausstatten zu können, bedeutet keine Selektierung.
Herr Kollege Kubicki, in Anlehnung an Ihr Zitat habe ich eine Frage: Glauben Sie denn, dass die Einführung von Studiengebühren den Hochschulzugang für die einfacheren Stände leichter machen wird?
Das weiß ich nicht. Sie erschweren den Zugang jedenfalls nicht wesentlich. Das kann ich Ihnen sagen.
- Man kann Fakten auch einfach ignorieren, weil man sie aufgrund der Brille, die man aufhat, nicht sieht. Das mag sein. Es ändert aber nichts an der Sachlage, dass es zu einer immer stärkeren Differenzierung kommt, weil das staatliche Hochschulsystem momentan nicht mehr in der Lage ist, eine ordnungsgemäße Ausbildung zu garantieren. Wer von Ihnen war denn in letzter Zeit einmal in einer Universität? Zwei Töch
ter von mir studieren. Sie erzählen mir von den Umständen dort. Nehmen Sie einmal die Slavische Philologie. Dort wird eine ordnungsgemäße Ausbildung gar nicht mehr gewährleistet.
Man ist gar nicht mehr in der Lage, innerhalb der vorgegebenen Studienzeiten zu studieren, weil die Besetzung von frei gewordenen Lehrstühlen nicht mehr in angemessener Zeit erfolgt, weil keine ausreichende Anzahl an Dozentenstellen vorhanden ist und weil man sich die Literatur teilen muss.
Eine Vielzahl von Studierenden muss sich eine geringe Zahl von Lehrmitteln teilen. Vergleichen Sie das einmal mit der Ausstattung der Business-Law-School in Hamburg. Ich war da, Herr Kollege Weber. Wenn es uns durch Studiengebühren gelingt, die Ausstattung der Hochschulen dramatisch zu verbessern, tun wir für die Studierenden mehr, als jede dieser Reden, die hier im Haus gehalten werden, bewirken kann.
Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Jürgen Weber.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass der Tagesordnungspunkt in der Diskussion jetzt so viele Facetten zeigt. Trotzdem muss man ein paar Dinge auseinander halten.
Das Argument von Herrn Kubicki zu Ende gedacht, heißt: Wenn ich die Ausstattung der Hochschulen deutlich verbessern will, muss das Studium teuer werden, es muss kostenpflichtig werden. Wenn das Geld alles in den Hochschulen bliebe! Das glaubt keiner: man sehe sich das Beispiel der Landesregierung Hessen an, die Langzeitstudiengebühren eingeführt hat. Der Haushalt für 2004 sieht vor, dass 10 % der Einnahmen aus Studiengebühren in die Hochschulen fließen und 90 % der Finanzminister bekommt.
Insofern sage ich: Nicht so große Töne spucken, erst mal gucken, was mit diesen Mitteln tatsächlich passiert. Diese Gewähr gibt es nicht. Das muss man sagen, um das Ganze in der Diskussion etwas zu arrondieren. Es wird viel Unfug erzählt und oft wird in der Sache ein Eindruck erweckt, der nicht stimmt.