Protokoll der Sitzung vom 28.09.2000

- Entschuldigen Sie.

Ich darf darauf hinweisen, dass das ein nicht parlamentarischer Ausdruck ist.

Ich werde mich nicht wiederholen, zumindest im Moment nicht.

(Lachen - Glocke des Präsidenten)

Das ist auch zukünftig kein parlamentarischer Ausdruck, Frau Kollegin! Ich glaube, dass wir darin übereinstimmen.

Ja, Herr Präsident.

Wenn die CDU glaubt, im Stil der „Bild“-Zeitung Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen, die Anfang des Jahres von Kohl und Koch vergrault wurden, ist sie auf dem falschen Dampfer und es ist ein gefährlicher Weg.

Wie populistisch die CDU ist, mache ich an dieser Pressemitteilung des Abgeordneten Kayenburg noch einmal deutlich, der vorgeschlagen hat, die Ökosteuer für ehrenamtlich Tätige auszusetzen, der angekündigt hat, einen Landtagsantrag zu prüfen. - Herr Kayenburg, Sie haben dies heute nicht erwähnt. Kommen Sie doch noch einmal nach vorn und sagen Sie uns, was Ihre Prüfung ergeben hat, denn ein Antrag liegt nicht vor.

Die F.D.P. wird in dieser Debatte eh nicht ernst genommen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Aber stärker als Sie, Frau Heinold!)

Jeder Lohnnebenkosten- und Steuererhöhung hat sie auf Bundesebene zugestimmt, um dann im Wahlkampf immer wieder fordern zu können, diese von ihr beschlossenen Erhöhungen rückgängig zu machen. Das verstehe, wer will!

Ich habe Verständnis für unterschiedliche politische Auffassungen und für andere Argumente. Ich habe aber kein Verständnis dafür, dass die Opposition mit ihrer unverantwortlichen Kampagne gegen die Ökosteuer direkt dazu beiträgt, dass sich das Waldsterben beschleunigt,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Genau!)

dass Krankheiten zunehmen

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Genau!)

und dass die Energieverschwendung in unserer Gesellschaft im großen Stil weitergeht.

Frau Merkel als ehemalige Bundesumweltministerin ist ja inzwischen die Schizophrenie in Person, da sie mit der dümmlichen Kampagne der CDU die Umsetzung ihrer eigenen Vorschläge zu verhindern versucht.

(Martin Kayenburg [CDU]: Herr Präsident!)

Ich verzichte jetzt auf die Zitate von Angelika Merkel, Wolfgang Schäuble und Friedrich Merz - wir kennen sie alle -, in denen sie sich vehement und überzeugt für eine ökologische Steuerreform eingesetzt haben. Warum setzt die CDU nicht auf neue Technologien, statt Volksverdummung zu betreiben? Das Drei-Liter-Auto ist da. Das Ein-Liter-Auto wurde letzte Woche von Volkswagen bis spätestens 2003 angekündigt.

(Zurufe von der CDU)

Shell investiert binnen fünf Jahren 500 Millionen Dollar in regenerative Energien und setzt dabei auf das Wasserstoffauto. Solarenergie, Biomasse, neue Wärmetechnik - hier entstehen neue Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein. Hier liegt doch die Zukunft und nicht in möglichst billigen Benzinpreisen, meine Damen und Herren von der CDU!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Erfreulich ist in der Debatte, dass sehr viele die Verlogenheit der CDU erkannt haben. Es sind ja nicht nur

(Monika Heinold)

die Umweltverbände, welche für die ökologische Steuerreform sind und diese unterstützen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Schade, dass Sie gestern nicht vor der Tür standen!)

Fast alle Wirtschaftsinstitute in Deutschland - von IFO bis zum DIW - lehnen ein Aussetzen der Ökosteuer ab. Nehmen Sie das doch zur Kenntnis!

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Denn allen ist klar, dass ohne die Einnahmen aus der ökologischen Steuerreform ein Einnahmedefizit bei der Rente entsteht. Dazu schweigt die CDU nach dem Motto: Wer keine Argumente hat, braucht auch keine Konzepte.

Ich komme nun zu der Frage, wie die Bürgerinnen und Bürger mit den höheren Preisen zurechtkommen. Eine durchschnittliche Familie mit zwei Kindern wird durch die rot-grüne Steuerreform und die Kindergelderhöhung um cirka 2.900 DM pro Jahr entlastet. Trotz steigender Energiepreise hat diese Familie alles in allem unter Rot-Grün monatlich mehr Geld zur Verfügung.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es gibt Verbesserungen beim Erziehungsgeld und durch die Wohngeldreform. Studenten und Studentinnen profitieren von der BAföG-Reform. Es ist deshalb abenteuerlich, wenn die CDU davon spricht, dass die Familien unter Rot-Grün weniger Geld als vorher in der Tasche haben.

Der Erfolg unserer Politik liegt ja gerade darin, dass wir die Steuerpolitik der Kohl-Regierung beendet haben, denn diese hat uns die absurd hohen Arbeitslosenzahlen gebracht. Die Mineralölsteuer, die von der CDU nur zu fiskalischen, nicht aber zu steuerpolitischen Zwecken erhöht wurde, und die gleichzeitige Steigerung der Löhne durch die hohen Sozialabgaben unter der CDU haben zu diesen hohen Arbeitslosenzahlen geführt.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist Nonsens, was Sie sagen!)

Für die Pendler wird es jetzt eine Erhöhung der Kilometerpauschale geben, vor allem aber die Umwandlung in eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale.

(Martin Kayenburg [CDU]: Jetzt weiß ich, wer sich in diesem Haus blamiert! Sie!)

Diese Umwandlung haben die Grünen schon lange gefordert und - Herr Kayenburg - wir waren uns da

mit der CDU einig, denn die CDU forderte in ihrem Steuerkonzept - das ist noch nicht lange her - eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale von nur 50 Pf. Ob Sie sich nicht mehr erinnern, ob Sie es nicht mehr wissen wollen, ob Sie es damals falsch fanden - das haben Sie aber nicht gesagt -, ich verstehe an dieser Stelle nicht, warum Sie nicht zu dem stehen, was Sie einmal als richtig und gut erkannt haben.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Weil Sie aus ei- nem Haus nicht beliebig Steine herausziehen können!)

Damals hat die CDU sogar noch argumentiert, dass dies aus ökologischen Aspekten sinnvoll sei. Heute weiß sie davon nichts mehr.

Jetzt bezeichnet die CDU die geplante Entfernungspauschale öffentlich als unausgegorene Scheinlösung. Polemik ersetzt bei der CDU Programmatik. Was schert mich mein Geschwätz von gestern!

Außerdem wird es unter Rot-Grün bei den Heizkosten einen zielgenauen Ausgleich für soziale Härten bei Sozialhilfe- und Wohngeldempfängern und -empfängerinnen sowie Studentinnen und Studenten geben. Aber wir müssen noch stärker für das Energiesparen werben. Allein mit niedrigtouriger Fahrweise lassen sich über 20 % Sprit sparen. Auch dafür könnten Sie ja einmal mitwerben, meine Damen und Herren von der Opposition. Heizkosten spart, wer Sonnenkollektoren aufs Dach bringt. Dafür gibt es extra Programme. Mit dem von der rot-grünen Bundesregierung aufgelegten Altbausanierungsprogramm lassen sich die Heizkosten weiter verringern. Interessant wird natürlich die Diskussion darüber im Bundesrat sein - vor allem bei der Kompensation -, denn die Länder werden mit Sicherheit keinen zusätzlichen Steuerausfällen mehr zustimmen wollen.

Noch nicht erfüllt ist die Forderung der Grünen nach einem halben Mehrwertsteuersatz für Bahntickets und nach einer steuerlichen Gleichbehandlung von Taxen gegenüber Bussen und Bahnen.

Bei der Entfernungspauschale wäre uns ein reduzierter Direktabzug des Entfernungskilometers von der Steuerschuld lieber gewesen als die jetzige Regelung, da sie alle Steuerzahler und -zahlerinnen gleichmäßig behandelt und nicht ihrem Steuersatz entsprechend entlastet hätte.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch bedauere ich, dass es im Rahmen der Ökosteuerreform und der Steuerreform insgesamt nicht zu einer Abschaffung der Kfz-Steuer gekommen ist. Denn diese Steuer ist ökologisch nicht sinnvoll, da sie nicht

(Monika Heinold)

den Verbrauch, sondern den Besitz des Autos besteuert. Sie beschäftigt allein in Schleswig-Holstein 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Steuerverwaltung, die wir gerade an anderer Stelle dringend brauchen würden. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Bei der jetzigen Diskussion wird eine Umlegung der Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer mit Sicherheit auch nicht funktionieren, auch aufgrund der öffentlichen Debatte, die von der CDU mitgeschürt wird. Das sind Feinheiten, die in die künftige Diskussion einfließen werden.

Insgesamt ist die ökologische Steuerreform „öko“ und „logisch“. Sie führt zu einem maßvollen Anstieg der Energiepreise und belohnt diejenigen, die sich darauf einstellen und sparsamer mit Energie umgehen. Die Rentenkasse wird entlastet und Arbeit damit billiger. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die Zukunft liegt in der Verknüpfung von Arbeit und Umwelt. Auch dagegen können Sie gern reden. Das ist alles nicht mein Problem. Ich bin davon überzeugt, die Zukunft liegt in der Verknüpfung von Arbeit und Umwelt. Weil die Umwelt bei der CDU keine Chance hat, kann die CDU Zukunft auch nicht gestalten. Die Grünen werden in der nächsten Zeit verstärkt mit Aktionen für die Ökosteuer werben und das aus Überzeugung und mit guten Argumenten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Bevor ich Herrn Lars Harms für den SSW das Wort gebe, darf ich ein gemeinsames Verständnis darüber herstellen, dass Werturteile von Politikern anderer Parteien nicht mit medizinischen Krankheitsbildern verbunden werden. - Ich bitte Herrn Lars Harms vom SSW um das Wort.