Protokoll der Sitzung vom 28.09.2000

Soll die Ökosteuer das verteilungspolitische Ziel erreichen, muss viel Energie verbraucht werden. Das ist jedoch das Gegenteil des umweltpolitischen Ziels. Die Entwicklungen auf dem Ölmarkt verstärken die Widersprüche dieser Luxussteuer. Die Einnahmen aus der Mineralölsteuer hängen hauptsächlich vom Ölverbrauch ab. Steigt der Ölpreis, geht der Ölverbrauch zurück. An sich müssten Sie ja wünschen, dass die Multis oder die ölfördernden Staaten den Ölpreis weiter nach oben treiben,

(Zuruf von der CDU: Genau!)

damit Sie Ihr umweltpolitisches Ziel erreichen.

Geht der Ölverbrauch zurück, so sinken die Einnahmen aus der Ökosteuer. Die Finanzierung der Renten gerät in unmittelbare Gefahr.

Der Ölpreis bildet sich auf dem Weltölmarkt und Ölgeschäfte werden in Dollar fakturiert. Schwankungen des Weltölpreises und Schwankungen des EuroDollar-Kurses lassen die Finanzierung unserer Renten wackeln. Es ist unverantwortlich, die Alterssicherung der Menschen von Entwicklungen abhängig zu machen, die man kaum kontrollieren kann.

Herr Kollege Neugebauer, Sie müssen mir auch noch einmal erklären, warum wir jetzt mit der Erhöhung der Mineralölsteuer auf diese Art und Weise zulassen, dass Hans Eichel als Bundesfinanzminister die bisherigen Zuweisungen des Bundes in die Rentenversicherung schlicht und ergreifend kürzt, also einen Austausch vornimmt und damit nicht den vollen Ertrag der so genannten Ökosteuer zur Sicherung der Renten einsetzt.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Wir sehen, wie sich diese Politik auswirkt. Der Ölpreis steigt, der Euro fällt; beides treibt die Preise für Heizöl und für Kraftstoff in die Höhe. Um die Rentenversicherung in der geplanten Höhe subventionieren zu können, darf diese Ökosteuer aber nicht sinken.

Gleichzeitig aber, Kollege Neugebauer, gehen die Branchen in die Knie, für die Kraftstoff ein wesentlicher Produktionsfaktor ist. Wir haben die Betroffenen gestern Vormittag vor dem Landtag jedenfalls überwiegend begrüßen können und Sie können den Unternehmen in unserem Land nicht sagen, dass wir - was ja stimmt - eine Vereinheitlichung des europäischen Wettbewerbsrechts in dieser Frage brauchen. Das hilft ihnen nicht weiter, wenn wir das auf die lange Bank schieben. Die sind in vier Wochen, in sechs Wochen

pleite. Darunter sind Unternehmen, die auch in Ihrem Wahlkreis ihren Sitz haben; sie haben Probleme, ihre Beschäftigten zu halten, weil ihnen die Kosten davonlaufen, sie keine zusätzlichen Umsätze machen können und bei denen sich die Banken mit dem Argument weigern, sie wüssten nicht, wie es denn insgesamt weiterginge, Zwischenfinanzierungen vorzunehmen.

Diesen Menschen sind wir verpflichtet, kurzfristig zu helfen. Da helfen keine Diskussionen über europarechtliche Wettbewerbsveränderungen. Dann hätten wir auch keine Diskussion über Entfernungspauschalen, sondern es ist die Frage, wie wir - ich würde das nicht auf die leichte Schulter nehmen! - mit Hunderttausenden von Beschäftigten bundesweit in diesem Zusammenhang umgehen, welches Signal ihnen die Politik bei ihrer Existenzangst eigentlich gibt.

(Zuruf des Abgeordneten Reinhard Sager [CDU])

Die rot-grüne Gerechtigkeit ist es dann, dass Unternehmen und Arbeitnehmer in den Ruin getrieben werden, Menschen in die Arbeitslosigkeit, um angeblich die Finanzierung der Renten zu sichern.

Kollege Neugebauer, auch hier spreche ich Sie jetzt einmal ganz bewusst und konzentriert an: Bei dem Zusammentreffen der OPEC-Staaten hat der dortige Vorsitzende, der Energieminister des Staates Venezuela, konsequent darauf hingewiesen, dass es keinen Sinn mache, dauernd an die OPEC zu appellieren, sie möge ihre Preise senken, wenn gleichzeitig die Industrienationen, die jetzt darunter leiden würden, dauernd ihre Steuern erhöhten.

(Beifall bei der F.D.P.)

Er hat die Industriestaaten aufgefordert, ihre Steuern zu senken, um auch etwas für ihre eigenen Volkswirtschaften zu tun, und nicht dauernd an die OPEC zu appellieren, die ja nicht nur aus reichen Ölscheichstaaten besteht, sondern zum Teil aus Entwicklungsländern, die auf die Einnahmen aus der Produktion von Öl dringend angewiesen sind.

Wen trifft es eigentlich am stärksten? - Die rot-grüne Politik trifft das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ins Mark, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, Fuhr- und Taxiunternehmen, Familienbetriebe in der Landwirtschaft und in der Fischerei! Wie könnte die Bundesregierung da zum Wohl des Volkes handeln?

Sie kann die Steuern, Kollege Neugebauer, auf Kraftstoff senken, die 70 % des Spritpreises ausmachen. Der Kollege Kayenburg hat es bereits gesagt. Wir können es aber auch einmal anders herum rechnen: Die Steuern machen 230 % auf den Einstandspreis aus, 60 Pf Einstandspreis und 1,40 DM Steuern insge

(Wolfgang Kubicki)

samt sind 230 % Steuern auf den Einstandspreis. Das gibt es vergleichsweise außer bei Zigaretten sonst nirgends.

Die Bundesregierung hat dies schon lange erkannt und - Herr Kollege Neugebauer, vielleicht lesen Sie den Koalitionsvertrag von Berlin einmal nach - hat in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben: „Bei der konkreten Ausgestaltung der Ökosteuerschritte müssen auch die konjunkturelle Lage und die Preisentwicklung auf den Energiemärkten berücksichtigt werden.“ Da steht es rot auf grün.

Ich nehme die Bundesregierung beim Wort und fordere die Landesregierung auf: Setzen Sie sich in Berlin dafür ein, dass die Wirkung der Ölpreisentwicklung berücksichtigt wird, die Ökosteuer zumindest ausgesetzt wird, am besten gleich abgeschafft wird.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Die Mineralölsteuer ist schon heute eine Luxussteuer für Menschen, die sich Luxus kaum leisten können, übrigens in aller Regel Ihre Klientel, Herr Kollege Neugebauer! Deshalb ist der Druck bei Ihnen an der Basis auch vergleichsweise hoch. Nur wenige Regierungen senken europaweit die Spritsteuer, aber es gibt welche, die diese Steuer senken; die meisten senken sie nicht. Aber es gibt - ich habe es gestern schon einmal gesagt - kein einziges Land weltweit, das in der jetzigen Situation auf die Idee kommt, am 1. Januar 2001 die Steuern noch einmal zu erhöhen. Ich sage Ihnen voraus: Das halten Sie nicht durch! Ich fordere Sie auf - im Interesse des Landes und seiner Menschen, die in der Existenz bedroht sind -: Setzen Sie sich dafür ein, dass dieser Schritt nicht vollzogen wird!

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Frau Abgeordnete Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Taxifahrerinnen und -fahrer und das Speditionsgewerbe laufen Sturm gegen die steigenden Benzinpreise und die CDU, die in ihrer eigenen Regierungszeit die Mineralölsteuer um fast 50 Pf erhöht hat und deren jetzige Parteivorsitzende schon vor Jahren für eine ökologische Steuerreform argumentiert hat, nutzt diese Situation, um gegen die Ökosteuer zu mobilisieren, um aus dem tiefen Spendensumpf und aus ihrer Konzeptionslosigkeit herauszukommen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU: Oh, oh! - Zuruf des Abgeord- neten Martin Kayenburg [CDU])

Da ersetzen Fundamentalopposition und ein „Haudrauf“ die Argumente. Versuchen Sie doch einmal, meine Damen und Herren von der CDU, in der Sache zu argumentieren!

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das machen wir doch die ganze Zeit! - Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben offensichtlich nicht zuge- hört!)

Erstens: Niemand bestreitet, dass der Energieverbrauch in Deutschland und weltweit zu hoch ist.

Zweitens: Niemand bestreitet, dass der Energieverbrauch in Deutschland im Verhältnis zum Faktor Arbeit zu billig ist.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie meinen Pri- märenergieverbrauch! Sie müssen differenzie- ren!)

- Das bestreiten Sie? - Ja, dann mal los!

Drittens: Niemand bestreitet, dass es vor allem die Erdölproduzenten sind, die die Preise zurzeit hochtreiben.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wir bestreiten das! Die Steuern treiben sie hoch!)

- Das bestreiten Sie? - Dann kennen Sie die Zahlen nicht.

Seit Anfang 1999 haben sich die Erdölpreise mehr als verdreifacht. So zahlen wir an den Tankstellen lediglich 14 Pf für die Ökosteuer, aber 36 Pf zusätzlich an die Konzerne. Beim Heizöl wird dies noch deutlicher: Bei einem aktuellen Preis von über 1 DM pro Liter macht die Ökosteuer ganze 4 Pf aus. Benzin ist in Deutschland billiger als in vielen europäischen Ländern. Auch das werden Sie nicht bestreiten, es sei denn, Sie kennen wieder die Zahlen nicht.

(Zurufe von der CDU)

Auch die Ökosteuer selbst ist in anderen europäischen Ländern die Regel und nicht die Ausnahme.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das stimmt doch nicht! - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bitte?)

- Herr Kayenburg, wenn Sie sich blamieren wollen, kommen Sie nach vorn und sagen Sie es hier laut.

(Martin Kayenburg [CDU]: Richtig!)

In zehn von 15 Mitgliedstaaten werden Ökosteuern heute als umweltpolitisches Lenkungsinstrument

(Monika Heinold)

eingesetzt oder sind geplant, darunter Frankreich, Großbritannien und Italien, Dänemark sowieso.

Wer diese Tatsachen zur Kenntnis nimmt, muss sich über die populistische Debatte der CDU ärgern. Die CDU schürt wider besseres Wissen mit dummen Sprüchen und schadet mit ihrer Antiökosteuerkampagne bewusst der Umwelt.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Mar- tin Kayenburg [CDU]: So ein Schwachsinn! - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Die zukünftige Generation ist der CDU - entschuldigen Sie, Herr Präsident - scheißegal, völlig egal, gleichgültig!

(Glocke des Präsidenten)

- Entschuldigen Sie.