Ein letzter Punkt, der mir sehr am Herzen liegt und von anderen schon angesprochen worden ist: Der Ostseeraum hat eine große Chance, durch Umwelttechnologien, durch ein hohes Umweltschutzniveau Zukunftsfähigkeit, die Fragen des 21. Jahrhunderts, die zu lösen sind, tatsächlich in den Griff zu bekommen. Wir brauchen hier neue Initiativen.
Ich habe ja einige Erfahrungen in diesem Bereich. Wenn man sich einmal die Situation der Ostsee anguckt, die Fragen der Schiffssicherheit, die Fragen der Radarüberwachung, die Fragen der Luftüberwachung, die Fragen der internationalen Abkommen über Ölbekämpfung auf offener See - all diejenigen, die sich das im Ostseeraum einmal genauer angeguckt haben, können nur beten, dass in diesem Bereich nichts passiert. Dort ist noch sehr viel schlimmer als im Nordseebereich ein großes Loch vorhanden, was die Kooperationsfähigkeit der Ostseeanrainerstaaten gerade in Bezug auf Schiffssicherheit und Ölbekämpfung angeht. Die Katastrophe um die „Kursk“, dieses Drama und die Probleme, die sich daraus in der Zusammenarbeit ergeben haben, sollten für uns ein warnendes Beispiel sein, dass wir anfangen, die Kooperation im Umweltund Sicherheitsbereich in Angriff zu nehmen.
Noch ein letztes Wort zur Frage der Sicherheit! Richtig ist, dass die polizeiliche Zusammenarbeit verstärkt werden muss. Wir sind dabei. Wir werden bei der Bekämpfung der Kriminalität keine Erfolge haben, wenn es uns nicht gelingt, auch die beteiligten Opfer der Kriminalität - im Wesentlichen die Prostituierten oder die Drogenabhängigen - in diesem Bereich - die kleinen Opfer und Täter dieser Politik - zu entkriminalisieren.
Als Letztes: Wir werden es nicht schaffen, gegen Kriminalität, insbesondere die organisierte Kriminalität, vorzugehen, wenn es uns nicht gelingt, die wirtschaftlichen Lebensbedingungen der Menschen in den Staaten auf unser Niveau zu bringen. Das ist die Voraussetzung der Kriminalitätsbekämpfung, dass die Menschen ökonomische Sicherheit in ihrem Leben haben.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eine Bemerkung vorweg machen. Ich werde versuchen, es dem Kollegen Fischer nachzumachen und schnell zu reden, denn sonst werde ich mit der Redezeit nicht hinkommen. Und zweitens möchte ich in Richtung des Kollegen Kubicki sagen: Ich werde mich an meinen Grundsatz halten, dass ich mich nur provozieren lasse, wenn ich das selbst will. Und heute will ich nicht!
Die diesjährige Ostseeparlamentarierkonferenz in Malmö vom 4. und 5. September 2000 stand unter dem Motto - der Herr Landtagspräsident sagte es schon „Bridges - towards the Future“. So hieß wenigstens das englische Motto. Und wie kann es anders sein, die Øresundbrücke versinnbildlichte mehr als alles andere diese neue Ära des Brückenbauens im Ostseeraum.
In seinem Bericht über die Arbeit des Standing Committees im vergangenen Jahr hob der Vorsitzende Svend Erik Hovmand hervor, wie wichtig es für die Ostseezusammenarbeit sei, dass sich sowohl die nationalen Regierungen als auch die Parlamente mit dem Schlussdokument der Ostseeparlamentarierkonferenz auseinandersetzen. Weiterhin komme es darauf an, dass sich eine Linie in der Zusammenarbeit abzeichne.
Das heißt auf der einen Seite, es muss ein Zusammenhang zwischen dem, was von den Regierungen in Gang gesetzt wird - ob nun durch den Ostseerat, durch den Nordischen Ministerrat, die EU oder durch bilaterale Absprachen - und der Prioritätensetzung in der Ostseekooperation der Parlamentarier bestehen. Auf der anderen Seite setzt so eine Politik gegenseitiges Vertrauen, Offenheit und Informationen voraus. Sie verpflichtet die Parlamentarier dazu, von einer realistischen und umsetzbaren Politik auszugehen.
Damit sprach Svend Erik Hovmand an, was auch in Malmö als Thema anklang, ohne dass es konkret zur Sprache gebracht wurde: Ist es möglich, die Ostseeparlamentarierkonferenz in Richtung parlamentarische Versammlung zu reformieren und zu straffen, ohne dass das offene und vertrauensvolle Klima einer Kon
ferenz darunter leidet? Ich denke, diese Frage ist es wert, ausführlich im Europaausschuss debattiert zu werden. Das will der Vorsitzende ja auch tun.
Erstmals befassten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz mit konkreten Fragen der Ostseekooperation, nämlich mit den Themen transeuropäische Netzwerke und grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Kritisch betrachtet ließ diese Arbeit noch einiges zu wünschen übrig. Ich bin sicher, dass sich das Standing Committee damit befassen wird. Dennoch wurde dadurch unterstrichen, dass die Parlamentarierkonferenz gewillt ist, mehr als nur Konferenz zu sein, dass es darauf ankommt, Regierungshandeln sprich die Tätigkeit des Ostseerates - parlamentarisch zu begleiten und aktiv mitzugestalten.
Wir wissen, dass es auch hier noch einiges zu tun gibt. Dabei ist mir sehr viel daran gelegen, genau das hervorzuheben, was der Landtagspräsident in seinem Redebeitrag ansprach. Es darf nicht so werden, dass wir dieses fruchtbare Chaos - wie es vielfach genannt wird - einfach aufgeben, weil mehr Formalisierung der Zusammenarbeit angesagt ist. Wir müssen also eine Gratwanderung hinbekommen, denn dieses vertrauensvolle Klima, das ein Merkmal der Konferenz ist, gilt es zu bewahren. Es gilt auch das zu bewahren, was besonders wichtig ist, dass wir nämlich ein Forum haben, in dem EU-Mitglieder und Nicht-EU-Mitglieder, Regionen und Nationen miteinander im Gespräch sind.
Ich sage das noch einmal, obwohl ich das schon in meinem Redebeitrag vor den Sommerferien gesagt habe, als wir das Thema Ostseekooperation beraten haben: Ende Juni übernahm die Bundesrepublik erstmals den Vorsitz im Ostseerat. Zu Recht knüpften sich daran eine ganze Reihe von Erwartungen, die auch darin zum Ausdruck kamen, dass in einer Bundestagsdebatte - das war unmittelbar vor Übernahme des Vorsitzes - über die Chancen der Ostseekooperation debattiert wurde. Dort wurde deutlich, dass es ein Ziel der deutschen Präsidentschaft sein müsse, die Entwicklungspotentiale der Ostseeregion verstärkt zur Entfaltung zu bringen. Darum noch einmal: Es stimmt bedenklich, dass sich der Bundesaußenminister, der Vorsitzende, bei der Eröffnung der Parlamentarierkonferenz entschuldigen ließ. Enttäuschend war aus meiner Sicht auch, dass sein Vertreter recht unverbindlich über das Programm für die deutsche Präsidentschaft redete. Da hätte ich mir viel mehr ge
Es bleibt der Eindruck, dass es in Berlin immer noch Politikerinnen und Politiker gibt, die die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Ostseeregion unterschätzen, dass sie die Ostseeregion politisch immer noch eher als Anhängsel der Brüsseler EU-Politik verstanden wissen wollen. Ostseezusammenarbeit ist aber mehr. Das merkt man - ich sagte es bereits - spätestens auf der Ostseeparlamentarierkonferenz, wo gerade auch die persönlichen Beziehungen deutlich werden.
Zu den herausragenden politischen Themen in der Ostseezusammenarbeit gehörten weiterhin die Umsetzung der von Finnland formulierten Vision von der Nördlichen Dimension in der EU und damit zusammenhängend auch der Prozess der EU-Erweiterung. Dazu liegt uns heute auch ein Bericht der Landesregierung vor. In dem Bericht heißt es:
„Die Erweiterung der Europäischen Union nach Osteuropa ist eine historisch einzigartige Chance, auf friedlichem und demokratischem Weg ein vereinigtes Europa und damit einen Raum des Wohlstandes, der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen.“
Daran ist ganz viel Wahres, wobei es auch entscheidend darauf ankommt, wie man diese Erweiterung anpackt und umsetzt. Der Bericht zeigt eine ganze Reihe von technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen auf, die von den Beitrittskandidaten im Prozess der Erweiterung erfüllt werden müssen. Die Auflistung belegt eindrucksvoll, wie schwierig das alles noch werden kann. Er belegt aber auch, dass die EUErweiterung eine Chance ist.
Vor dem Hintergrund der heute stattfindenden Volksabstimmung in Dänemark möchte ich aber hervorheben, dass noch mehr als die Beseitigung aller technischen und wirtschaftlichen Barrieren die Akzeptanz der Bevölkerung wichtig ist. Hier gibt es leider immer noch große Defizite in der Europäischen Union. Wie die dänische Volksabstimmung ausgehen wird, ist völlig offen. Deshalb ist es aus der Sicht des SSW so, dass die große Skepsis der Dänen nicht einseitig auf engstirnigen Nationalismus zurückzuführen ist, sondern vor allem eine Kritik an dem „Brüsseler Zentralismus“ darstellt. Ich formuliere das jetzt einfach einmal so als Begriff.
Ich sage das, weil alle, die sich mit der dänischen Debatte beschäftigt haben - man wird mir hoffentlich
glauben, dass ich das getan habe -, wissen, dass es in allen politischen Parteien nördlich der Grenze, aber auch wirklich in allen politischen Parteien, Befürworter, Kritiker und Gegner der Währungsunion gibt - in allen politischen Parteien! Es gibt durchaus auch sehr vernünftige Argumente dafür zu sagen: Das wollen wir im Moment nicht. Es gehört ganz einfach zu den Merkmalen einer Mediengesellschaft dazu, einfache Lösungen darzubieten, laute Aussagen zu wiederholen. Wer gestern die „Tagesthemen“ gesehen hat, weiß das. Auch wer gestern die Demonstration vor dem Landeshaus wahrgenommen hat, weiß das. Ich appelliere an alle -
- Ich habe etwas über die Mediengesellschaft und die Merkmale einer Mediengesellschaft gesagt. Daran, glaube ich, gibt es doch nichts zu bezweifeln.
Ich bitte darum, dass man die politische Debatte nördlich der Grenze durchaus differenziert betrachtet
und dass man sich auch darüber im Klaren ist, dass die Dänen mit ihrer Skepsis gegenüber den Entwicklungen in der EU keineswegs allein stehen. In vielen europäischen Nachbarländern ist es ein Problem, dass die Bevölkerung bei den wichtigen EU-Fragen nicht gehört wird. Die Eliten in Europa müssen also aufpassen, dass sie die Bevölkerung bei der Weiterentwicklung Europas einbeziehen. Geschieht dies in Zukunft nicht verstärkt, wirkt sich das letztlich negativ auf die Möglichkeiten der europäischen Zusammenarbeit aus.
Eine echte europäische Friedensordnung kann nur von unten wachsen. Eine öffentliche Debatte über EU-Themen unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger findet in der Bundesrepublik fast nicht statt. Dies gilt insbesondere auch für die wichtige Diskussion über die Osterweiterung der EU. Daher begrüßen wir es ausdrücklich, dass die Landesregierung eine öffentliche Debatte in Gang setzen will, die die Erweiterung realistisch darstellt und Chancen und Probleme gegeneinander abwägt. Das ist dringend notwendig. Ich finde es gut, dass man sich dieser Aufgabe angenommen hat.
Das Thema der Osterweiterung ist aber vor dem Hintergrund der bisher fehlenden oder mangelhaften öffentlichen Debatte für eine Volksabstimmung nicht
Herr Verheugen hat sicherlich den falschen Zusammenhang erwischt, wenn er von einem Referendum zum Beitritt neuer Länder spricht. Man kann das Versäumte nicht bei einem solchen Thema wiedergutmachen.
Frau Präsidentin, ich komme gleich zum Schluss. - Ich möchte noch ein paar Sätze zu Russland sagen, obwohl es dazu hier ja keine unterschiedlichen Meinungen gibt, wie wichtig es ist, dass die Russische Föderation weiter in diesen Erweiterungsprozess eingebunden wird, dass die Russische Föderation daran beteiligt wird. Auch das Thema Kaliningrad ist weiterhin ein ganz wichtiges Thema. Das werde ich jetzt aber ausklammern, weil wir uns ja gerade in Schleswig-Holstein vehement für die Belange Kaliningrads einsetzen und schon eingesetzt haben.
Ich freue mich darüber, dass der von SchleswigHolstein initiierte Vorschlag, eine Ostsee-Sommerakademie zu etablieren, jetzt auch in die Resolution aufgenommen wurde. Ich freue mich weiter darüber, dass wir im nächsten Jahr zum Thema Bürgergesellschaft auch die politischen Erfahrungen von Minderheiten mit einbringen können. Dafür bedanke ich mich auch beim Landtagspräsidenten ganz herzlich. - Es wäre also reizvoll, noch weitere Themen anzusprechen.
Das Thema Sicherheitskooperation schaffe ich hier jetzt gar nicht mehr; aber in dem Zusammenhang doch noch eine letzte Bemerkung. Wenn man sich über Sicherheitskooperation auslässt, dann darf man aus meiner Sicht das nicht vergessen, was der Landesdatenschutzbeauftragte in seinem letzten Bericht ganz deutlich gemacht hat, dass Sicherheitskooperation nämlich nicht zulasten von Bürgerrechten und Datenschutz gehen darf. Ich finde, das darf nicht vergessen werden.
Noch einmal zum Schluss: Ich bedanke mich im Namen des SSW für den Bericht und nicht zuletzt danke ich denjenigen, die dann auch die Arbeit leisten werden und geleistet haben. Wir vergessen allzu häufig, was Schleswig-Holstein im Laufe der letzten zehn Jahre gerade in der Ostseekooperation gemacht und geleistet hat. Ich denke, das sollte ruhig noch einmal gesagt werden.