- Ja! Ja! Eine Partei, die auf dem Weg zu 18 % ist, muss das eigentlich nicht tun. Wir werden uns die Dinge in einem Jahr wieder angucken. Die Ministerpräsidentin muss dann nicht mehr darüber entscheiden, worüber sie gerade geredet hat.
Ich möchte ausdrücklich meinen Dank an den Landtagspräsidenten Heinz-Werner Arens von dieser Stelle aus persönlich kundtun. Ich weise darauf hin: Hätten wir uns von Schleswig-Holstein aus mit HeinzWerner Arens an der Spitze als Landesparlament nicht so massiv am Beginn der Debatte eingeschaltet, dann hätte eine Vertretung der Länder bei diesem Prozess mit Sicherheit nicht so stattgefunden, wie es gegenwärtig geschieht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war ein bemerkenswerter Beitrag. Zuerst hat der Redner gesagt, er gebe seine Rede zu Protokoll, und dann hielt er eine andere Rede. Wenn Sie so weitermachen, Herr Kubicki, dann haben wir endlich den Nachfolger für den Verkehrskasper gefunden.
Die Kommission mit dem schrecklichen Namen hat ihre Arbeit begonnen. Ihr Auftrag ist nicht mehr oder weniger, als eine neue Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland zu formulieren. Ich glaube, es ist richtig und notwendig, dass wir dazu kommen. Wir brauchen eine neue Verfassung, weil wir dies bei der Herstellung der deutschen Einheit im Jahre 1990 versäumt haben. Wir brauchen eine neue deutsche Verfassung, weil unsere Strukturen zu denjenigen der Europäischen Union, in der wir Mitglied sind und die mittlerweile zunehmend zu einem Bundesstaat wird, nicht mehr passen. Wir brauchen eine neue Ordnung auch deswegen, weil sich Bund und Länder immer mehr gegenseitig blockieren.
Herr Kubicki, ich glaube, es ist ausgesprochen sinnvoll, zu diesem Zeitpunkt, wo die Dinge noch nicht zur endgültigen Entscheidung auf dem Tisch liegen, wo sich aber immer mehr einzelne Fragen herauskristallisieren, darüber zu sprechen. Über eine ganze Reihe von Fragen hat sich ja auch ein konstruktiver Dialog entwickelt. Es ist also ausgesprochen sinnvoll, zu diesem Zeitpunkt über diese Fragen zu reden.
Man kann die Thematik in verschiedener Richtung zuspitzen. Der uns fast allen bekannte Peer Steinbrück kann sich vorstellen, dass Nordrhein-Westfalen ein selbstständiges Mitgliedsland in der EU wird und den Bund gar nicht mehr benötigt. Gut gebrüllt, Löwe! Aber ich kann mir auch vorstellen, dass die Länder der norddeutschen Tiefebene, das alte plattdeutsche Land der Sachsen und Friesen vom Emsland nach Vorpommern, von Göttingen zur dänischen Grenze, einen selbstständigen Nordstaat in der EU bilden. Mit 13 Millionen Einwohnern wären wir dann einer der größeren Staaten in der EU.
Nun wissen wir aber, dass es so nicht kommen wird. Unser Kollege Kayenburg hat neulich so schön gesagt: Wer etwas verändern will, muss erst einmal Visionen haben, und dann muss man gucken, was man davon umsetzen kann. Das hat mir gefallen, Herr Kayenburg. Sie sind ja hier anwesend; wenn ich Sie schon einmal lobe, dann sollen Sie das auch mitbekommen. Ich würde mich freuen, wenn dieser Hang
Ich halte es für falsch, die Debatte mit einer Schere im Kopf zu beginnen. Ich begrüße sehr die offene Atmosphäre der Diskussion in der Kommission, über die mir von unseren schleswig-holsteinischen grünen Kommissionsmitgliedern Anne Lütkes und Rainder Steenblock berichtet wird.
Erstens. Wir brauchen eine klare Struktur, damit die deutschen Interessen frühzeitig bei der EU eingebracht werden können. Heute ist unser Föderalismus, wie er konstruiert ist, ein Hindernis. Während wir in Deutschland noch diskutieren, wie sich Bundesländer und Bund positionieren, haben zentralistisch organisierte Länder wie Frankreich schon längst ihre Fäden in Brüssel gezogen. Dieses Missverhältnis muss sich ändern.
Zweitens. Die Bildungspolitik muss eine originäre Landesaufgabe bleiben. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Die Schulen und Hochschulen sollen viel mehr als bisher autonome Einrichtungen werden, deren Leistungsfähigkeit allein durch eine regelmäßige Evaluation anhand von Bildungsstandards gemessen wird. Hier müssen die Länder sich gegenseitig an die Nase fassen. Der Bildungsbereich leidet heute nicht nur unter den Eingriffen des Bundes, sondern er leidet auch an der gegenseitigen Blockade der Bundesländer über die Kultusministerkonferenz. Deshalb glaube ich, dass es an dieser Stelle sinnvoll ist, ein Bundesrahmengesetz zu schaffen, das die gegenseitige Anerkennung der Bildungsabschlüsse regelt. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass gerade durch ein solches Rahmengesetz die Handlungsfähigkeit der Länder hergestellt werden kann.
Drittens. In der Umweltpolitik stellt sich die Situation anders dar. In keinem anderen Bereich ist die Gefahr so groß, die notwendigen Entscheidungen den Lobbyinteressen vor Ort zu opfern oder entsprechend zu beugen. Das erleben wir auch in der gegenwärtigen FFH-Debatte. Auch wenn es noch so hehre Prinzipien gibt, so werden gerade in der Umweltpolitik diese im Konkreten gern geopfert. Deshalb brauchen wir in der Umweltpolitik nationale Standards. Diese Standards sollten aber immer die Möglichkeit lassen, dass die Länder eigene Regelungen treffen, die darüber hinausgehen. So sollten zum Beispiel die Umweltabgaben vollständig in die Landeskompetenzen übergehen, um damit die Grundlage dafür zu schaffen, dass konkrete Umweltpolitik vor Ort eigenverantwortlich gestaltet werden kann.
Viertens. Ein Thema, das uns Schleswig-Holsteiner originär betrifft, ist der Küstenschutz. Deshalb ist es gut, dass es mittlerweile gelungen ist, deutlich zu machen, dass die Finanzierung des Küstenschutzes eine bundesstaatliche Aufgabe bleiben muss. Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Wir wissen aber auch, dass diese Frage in Süddeutschland etwas anders gesehen wird. Von daher ist die gemeinsame Handlungsfähigkeit der norddeutschen Länder in dieser Frage ausgesprochen wichtig.
Fünftens. Dagegen ist das öffentliche Dienstrecht ein Bereich, in dem die Länder viel stärker als der Bund betroffen sind. Der größte Teil der Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst befindet sich eben nicht beim Bund, sondern bei den Ländern und den Kommunen. Diese sind es auch, die einen Großteil der Bundesgesetze exekutieren. Wir haben in der Vergangenheit oft genug erlebt, dass der Bund - zum Beispiel bei Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst - eher geneigt war, höhere Lohnsteigerungen hinzunehmen. Dies aus dem einfachen Grund, weil die Mehreinnahmen durch Steuern höher waren als die Lohnsteigerungen, die der Bund an seine Angestellten bezahlen musste. Das sieht bei den Ländern und den Kommunen völlig anders aus. Von daher ist es richtig, wenn die Zuständigkeiten für die Angestellten im öffentlichen Dienst und die Beamten zu den Ländern kommen, wenn die Länder im Personalrecht des öffentlichen Dienstes eigenständig entscheiden können.
Eine Entflechtung zwischen Bund und Ländern wird es nur dann geben, wenn es ein Geben und Nehmen von beiden Seiten gibt. Darüber müssen wir uns klar sein. Dazu gehört eine klare Trennung der Gesetzgebungskompetenzen. Dazu gehört der Wegfall des Zustimmungserfordernisses im Bundesrat bei Bundeskompetenzen, wenn die Konnexität gewährleistet ist. Dazu kann möglicherweise auch die Aufnahme des Konnexitätsprinzips ins Grundgesetz beitragen. Dazu gehören Öffnungsklauseln in Bundesgesetzen, die es den Ländern ermöglichen, abweichende Regelungen auf Landesebene zu beschließen, wie Frau Simonis es vorhin vorgetragen hat.
All diese Regelungen führen nicht nur zu einer Stärkung der Länder, sie führen vor allen Dingen auch zu einer Stärkung der Landesparlamente. Das ist gut so, denn Föderalismus braucht starke und selbstbewusste Landesparlamente. Deshalb war es gut, dass sich die Landesparlamente - ausgehend von der Initiative unseres Landtagspräsidenten - frühzeitig in die Debatte eingemischt haben und jetzt auch in der Fö
An dieser Stelle möchte ich auf den Vorschlag von Herrn Kayenburg eingehen, die Parlamente auch im Bundesrat zu vertreten. Ich halte diesen Vorschlag nicht für richtig. Ich glaube, dass dieser Vorschlag in der Konsequenz dazu führt, dass das Problem, das wir jetzt schon haben, nämlich dass alle Ebenen und Institutionen miteinander vermischt sind und sich gegenseitig kontrollieren, noch verstärkt wird. Gleiches galt übrigens auch für die Vorschläge, die wir am Anfang der Diskussion diskutiert haben, nämlich unter anderem Kontrollrechte der Parlamente gegenüber der Europäischen Union einzuführen. All diese zusätzlichen Kontroll- und Beteiligungsrechte führten in der Konsequenz dazu, dass die Ebenen immer weiter vermischt werden und dass die gegenseitige Kontrolle von Institutionen auf Bund-, Länder- und EU-Ebene noch stärker wird. Genau das aber wollen wir nicht!
Wir wollen gegenseitig nicht mehr Kontrolle, sondern wir wollen eine saubere Trennung der Ebenen. Die Länder müssen für die Landespolitik verantwortlich sein. Der Bund muss für die Bundespolitik verantwortlich sein. Die EU muss verantwortlich sein für die EU-Politik. Es muss klar sein, wer für was zuständig ist. Der Wähler, der wählt, muss wissen, für wen er jemanden wählt.
Heute ist es für den Wähler in vielen Fragen völlig undurchschaubar, wer zuständig ist und wer die Verantwortung für politische Entscheidungen trägt. Wenn wir uns den Vermittlungsausschuss des Bundestages in der Vergangenheit ansehen, dann ist überhaupt nichts mehr klar. Wir haben es bei der Gesundheitsreform erlebt: Erst wollten alle mitreden. Anschließend, als die Entscheidungen gefällt wurden, wollte keiner mehr beteiligt gewesen sein. Keiner war verantwortlich. Alle Länder, die die Sachen durchgedrückt haben, wie zum Beispiel die 10 €-Pauschale, die von den CDU-regierten Bundesländern gegen die Bundesregierung durchgedrückt wurde, wollten am Schluss nichts mehr davon gewusst haben. Plötzlich war der Bund schuld. Eine solche Vermischung von Kompetenzen schadet der Demokratie. Deshalb bin ich unbedingt dagegen, dass solche Dinge weiter betrieben werden. Wir brauchen eine Trennung der Kompetenzen.
Auf dem letzten Treffen der Fraktionsvorsitzenden meiner Partei haben wir uns auf den Begriff Gestal
tungsföderalismus geeinigt. Dieser Begriff soll unsere Philosophie deutlich machen. Er grenzt sich gegen einen Blockadeföderalismus ab, bei dem parteipolitische Interessen im Bundesrat dominieren und bei dem die Verantwortlichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger kaum noch erkennbar sind. Er grenzt sich auch gegen einen Exekutivföderalismus ab, bei dem manche Ministerpräsidenten ihre Profilierung nicht mehr als Ministerpräsident im eigenen Lande suchen, sondern versuchen, durch ihre Einmischung in die Bundespolitik eine Rolle in den Bundesmedien zu spielen. Manchem Herrn Ministerpräsidenten ist mittlerweile der Auftritt bei Sabine Christiansen wichtiger als eine Regierungserklärung im Landesparlament.
(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU] - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Ich glaube, Joschka Fischer würde das auch vor- ziehen!)
- Herr Klug, ich habe ja auch von einem Herrn Ministerpräsidenten gesprochen, und zwar sehr bewusst, weil wir stolz darauf sind, dass wir die einzige Frau Ministerpräsidentin haben. Herr Klug, ich hoffe, dieser Unterschied ist Ihnen geläufig.
Der Begriff Gestaltungsföderalismus grenzt sich aber auch gegen einen Wettbewerbsföderalismus ab, wie er von den süddeutschen Politikern zurzeit propagiert wird, und zwar mit durchschaubaren Motiven. Wir halten an dem Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse fest, denn wir wollen nicht, dass die schwächeren Bundesländer im Stich gelassen werden. Wir können das gut sagen, weil wir gar nicht davon profitieren. Wir sind im Rahmen des Bundesfinanzausgleichs kein Empfängerland, obwohl wir sicherlich strukturschwach sind. Trotzdem stehen wir dazu, obwohl wir einige Jahre lang sogar dazuzahlen mussten, denn wir glauben, dass die Solidarität der Länder wichtig ist.
Bayern ist ein gutes Beispiel. Es hat über viele Jahre profitiert. Es verfolgt übrigens schon immer eine keinesfalls wettbewerbsneutrale, sondern eine sehr geschickte Interessenpolitik beim Vertreten seiner Positionen. Diese Interessenpolitik wurde immer betrieben. Das gilt auch für die Gelder, machen wir uns nichts vor. Wenn von den insgesamt 13.000 Beschäftigten der Max-Planck-Gesellschaft in Deutschland 6.500 Beschäftigte, also genau 50 %, in BadenWürttemberg und Bayern sitzen, dann ist das kein Zufall, sondern das Ergebnis einer jahrzehntelangen geschickten Lobbypolitik, bei der eine Partei es als Landespartei geschafft hat, bei der Bundesregierung immer wieder sozusagen den ganzen Laden zu erpressen. Man muss das, was da passiert, zur Kenntnis nehmen.
Das erfordert ein Umsteuern. Herr Kayenburg, das erwarte ich auch von Ihnen. Es ist gerade in diesen Fragen eine klare Parteinahme für unser eigenes Land notwendig. Da kann man nicht nur allgemein neutral von Wettbewerb reden. Man muss ganz klar von eigenen Interessenvertretungen reden. Bei allem Bekenntnis zum Föderalismus und zur Eigenständigkeit der Länder: Man kann und darf nicht die Augen davor verschließen, dass jedes Land sehr darauf achten wird, dass es nicht über den Schädel barbiert wird.
Wir wollen einen lebendigen Föderalismus, in dem die Solidarität zwischen den Ländern bleibt, in dem die Länder aber klare Kompetenzen haben, mit denen sie ihre Politik frei gestalten können. Für dieses Ziel lohnt es sich zu kämpfen. Die Arbeit der Kommission wird mit Sicherheit nicht einfach. Wir müssen dafür eintreten, dass die Vision einer neuen Verfassung nicht zwischen den Mühlsteinen von Interessen und Institutionen zermahlen wird.
Benjamin Disraeli sagte vor über 100 Jahren bereits: „Das Geheimnis des Erfolges liegt in der Zielstrebigkeit.“ Deshalb wünsche ich mir von unseren schleswig-holsteinischen Mitgliedern in der Kommission viel Ausdauer, Kraft und Zielstrebigkeit. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie diese Arbeit nicht ohne eine Erfolgsmeldung beenden.
Bevor ich weiter das Wort erteile, begrüße ich auf der Tribüne Gäste. Auf der Tribüne haben Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften der Jacob-StruveRealschule Horst Platz genommen. - Herzlich willkommen!
Außerdem ist eine Gruppe von Damen und Herren auf der Tribüne, die ich namentlich und organisatorisch nicht zuordnen kann, aber dennoch sehr herzlich willkommen heiße.