Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon mehrfach haben es meine Vorrednerinnen und Vorredner gesagt: Auf das Vorbild kommt es an. Insofern freue ich mich, dass Sie die Situation genutzt haben, Frau Ministerin, uns alle auf den 25. April einzustimmen, denn in der Tat, auch wir könnten hierbei ein Vorbild abgeben.
Den Antrag des SSW begrüßen wir. Wir können auch sagen, dass es uns darauf ankommt, dass wir das hier nicht nur als kleines Sonntagsgebet zelebrieren, sondern tatsächlich auch in unseren Haushaltsanträgen und auch in anderen Fragen immer wieder darauf zurückkommen. Wer also zu Hause Kindern schon früh vorliest und selbst Spaß am Lesen hat, wird bei Kindern Interesse am Lesen wecken, wer aber öffentliche Büchereien schließt, wie dies beispielsweise auch in meiner Heimatstadt Lübeck zu meinem Leidwesen in verschiedenen Stadtteilen geschehen ist, braucht sich über mangelndes Leseinteresse nicht zu wundern. Ich möchte das auch einmal bebildern. Ich habe mir, bevor diese Einrichtungen geschlossen wurden und auch der Lesebus zum Stillstand kam, angeguckt, was denn da nachmittags so passiert. Es ist sehr beeindruckend, dass gerade die Kinder, die wir ansprechen wollen, mit Migrationshintergrund oder Kinder, denen zu Hause niemand vorliest, zum
Teil Tag für Tag, immer dann, wenn die Bücherei geöffnet ist, kommen und in dieser Bücherei nicht nur ihre Schularbeiten machen und spielen und lesen, sondern tatsächlich auch Ansprechpartner suchen für alle anderen Sorgen, die sich rund um das Lernen ergeben. Es ist schon erschütternd zu wissen, dass auch die wertvolle Arbeit der Bibliothekarin, die weit über das Bücherausleihen oder die Leseberatung hinausgeht, damit im Grunde genommen entwertet wird, wenn man sagt, das sei entbehrlich, weil natürlich diese Kinder nicht kiloweise Bücher nach Hause tragen, sondern in der Bibliothek vor Ort Bücher lesen, damit aber natürlich die Ausleihzahlen nicht steigern. Wenn man den Output zur Relevanz einer Bibliothek erklärt, greift man damit leider zu kurz. Das als kleiner Exkurs zum Thema Büchereien.
In Schleswig-Holstein werden die öffentlichen Büchereien zwar durch den kommunalen Finanzausgleich unterstützt, von uns gefordert und eingebracht und auch umgesetzt. Trotzdem ist es in den Kommunen - nicht nur in Lübeck - bedauerlicherweise zu Schließungen gekommen. Wir alle sollten uns hier gefordert sehen, auf die Kommunalpolitik einzuwirken, wie diese Beschlüsse durch neue Angebote, durch zeitgemäße Angebote rückgängig gemacht werden können. Finnland weist uns auch hier den Weg. Seine Bibliotheken sind mit dem Schulleben eng vernetzt.
Ein Weiteres kommt hinzu. Wer vielleicht nicht zum Buch greifen, aber im Fernsehen oder im Kino in Skandinavien ausländische Filme verstehen will, muss Untertitel lesen, und zwar überwiegend englische, manchmal aber auch deutsche und französische. Auch die Filmfreaks sind also gefordert, ein Minimum an Lesekompetenz mitzubringen, sonst begreifen sie einfach nicht, was im Fernsehen abgeht.
Von diesen Erfahrungen können wir uns inspirieren lassen, wobei wir jetzt natürlich nicht Untertitel auf Englisch einführen sollten und unsere Filme als Stummfilme laufen lassen. Ich denke, das ist nicht der Weg. Wir haben aber tatsächlich mit unseren Medienfachleuten zu reden. Hier sind diejenigen gefordert, die in den entsprechenden Aufsichträten sitzen. Denn es ist richtig, der Durchschnitt der Kinder und nicht etwa nur ein kleiner Teil sieht in bestimmten Kinder- und Jugendphasen mehr fern, als Zeit in der Schule verbracht wird. Dazu kommt noch die Zeit von Spielen, die ohne Buchstaben, ohne Zahlen am Computer einen schnellen Erfolg versprechen. Wenn ich keine Schrift brauche, um Erfolgserlebnisse zu haben, nutze ich die natürlich auch nicht.
Wir müssen uns klar machen, dass eine Industrie, die mit ihrem Produktplacement schon bei den Dreijäh
rigen im Fernsehen und bei den Computerspielen beginnt und dies als ihren Erfolg sieht, sehr früh junge Konsumenten gewinnt, die dann wiederum die Familie in den Kaufentscheidungen beeinflussen, vom Urlaubsziel bis zur Anschaffung des Gebraucht- oder Neuwagens. Wer so eine Industriedenke hat und ganz gezielt auf die niedrigsten Schwellen ohne Schrift setzt, braucht sich nicht zu wundern, wenn es keine Lesekultur mehr gibt. Das hängt doch miteinander zusammen. Einige wollen das nicht hören und sagen, das seien nur die armen Eltern oder das seien die Sparmaßnahmen der Kommunen, die ich angesprochen habe. Es ist so, dass wir inzwischen eine Leseunkultur haben, weil alle Mainstreammedien versuchen, Kindern und Jugendlichen Erfolgserlebnisse zu vermitteln, ohne dass sie lesen müssen. Das müssen Sie sich einmal ansehen. Sehen Sie sich die entsprechenden Programme an. Dagegen ist „Bravo“ sozusagen schon ein Kulturprodukt - nur um das deutlich zu machen.
Eine deutliche Absenkung des Analphabetismus werden wir also nur mit einer konzertierten Aktion erreichen. Hier kann ich nur darauf hinweisen, wir müssen gerade bei diesem Thema an die Reform unseres Bildungssystems denken: ein kostenloses Kindergartenjahr für alle Fünfjährigen und neun Jahre gemeinsame Schule für alle Kinder in einem Lernklima, das alle Kinder individuell fordert und fördert, und zwar nicht, wie FDP und CDU immer behaupten, in einem Klima, in dem keine Leistung vorkommt, sondern gerade in einem Klima, in dem Lust auf Leistung gemacht wird. Dies ist die Forderung, der wir uns stellen müssen, denn sonst werden wir nie erreichen, dass wir wie die Skandinavier mehr als 60 % Abiturienten haben. An diesem Ziel sollten wir uns messen.
Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Spoorendonk.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung muss ich noch loswerden. Ich möchte doch eine etwas härtere Gangart einlegen. Lesen soll Spaß machen, Lesen ist zum Vergnügen da, Lesen in der Freizeit ist für uns alle da. Das ist das Ideal. Dann kann man über Literatur und Literaturkanon, kann über alles Mögliche reden. Hier rede ich aber nicht von einem Wald-und-Wiesen-Thema Lesen, hier rede ich davon: Welches ist die gesellschaftliche Perspektive dieser Problematik?
Ich sagte vorhin, das Thema sei ein weiches Thema. Ich bedauere, dass ich das gesagt habe. Ich könnte auch sagen: Lesen ist ein Standortfaktor. Lesen ist ein ganz wichtiges wirtschaftspolitisches Thema. Kollegin Birk sprach es an, als sie sagte, Lesen habe mit Ressourcen und Haushalt zu tun. Nun müssen wir uns natürlich fragen: Wie viele Ressourcen sind wir gewillt, in die Lösung dieses Problems hineinzustecken? - Es ist unsere Aufgabe, uns mit dieser Frage zu befassen.
Wir müssen uns auch mit der Frage befassen, welche Vorstellung wir vom Büchereiwesen haben. Wir haben dies als Staatszielbestimmung in unserer Verfassung stehen. Gut, da steht es nun. Aber was dann? - Wir sehen die Wirklichkeit in den Kommunen. Ich kenne ein Wohlfahrtsstaatsmodell, das es sich erlaubt, ein Büchereiengesetz zu haben, weil man sagt: Büchereien, Bibliotheken sind die andere Seite unsere Sozialsystems. Das geht natürlich auch.
Ich habe neulich von einer Soziologin in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gelesen, die von einer Bildungsarmut sprach. Sie schlägt vor, dass die Bundesregierung, die nächstes Jahr einen neuen Armutsbericht herausgeben wird, auch den Begriff Bildungsarmut einführt. Soziale Armut ist das eine. Bildungsarmut hängt eindeutig mit sozialer Armut zusammen.
Da stellt sich die Frage: Können wir uns das weiterhin leisten? Wollen wir das? - Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte darum, dass wir uns auch bei diesem Thema daran erinnern, wofür wir hier sitzen. Wir haben uns nämlich mit den gesellschaftlichen Fragen auseinander zu setzen und Lösungen zu finden. Es war eine schöne Runde, aber die Aufgabe kommt im Ausschuss noch auf uns zu.
Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Joachim Wagner das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lesen ist eine der wichtigsten Kulturtechniken und ich freue mich, dass alle Fraktionen dies heute festgestellt haben und unterstützen.
Kinder und Jugendliche haben viele Möglichkeiten, sich im Vorlesen zu üben; auf viele Veranstaltungen ist heute bereits hingewiesen worden.
Richtig vorzulesen ist eine Kunst, die nicht jeder beherrscht. Deswegen sollten Kinder und Jugendliche wirklich jede Möglichkeit nutzen, von Erwachsenen zu lernen. Frau Kollegin Birk hat angesprochen, dass wir ein Vorbild sein sollen und müssen. Insofern meine ich, dass es für Kinder und Jugendliche sehr wichtig ist, sich aus diesen Gründen Parlamentsdebatten anzuschauen.
Warum sage ich das? - Weil ich die Gelegenheit an dieser Stelle nutzen möchte, allen Kolleginnen und Kollegen aus den Fraktionen und aus der Regierung recht herzlich dafür zu danken, dass sie abweichend von der Geschäftsordnung ihre Reden wörtlich vorlesen. Das ist wirklich im Sinne des Antrages und der Kinder.
Diejenigen unter uns, die ihre Reden nicht vorlesen und frei vortragen, sollten deswegen kein schlechtes Gewissen haben; das ist mir auch wichtig zu betonen. Denn der freie Vortrag ist die nächste Stufe nach dem Vorlesen und es ist auch wichtig, das unseren Kindern möglichst früh beizubringen.
(Beifall bei CDU und FDP - Joachim Behm [FDP]: Wir haben verstanden! - Zuruf von der SPD: Peinlich, peinlich! Die Rede hätten Sie sich sparen können!)
Ich gehe davon aus, dass der Bericht der Landesregierung an den zuständigen Bildungsausschuss überwiesen werden soll. Soll dies zur abschließenden Beratung erfolgen? - Gut. Wer dem so seine Zustimmung geben möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist das einstimmig vom Hause so verabschiedet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach Abfassung des Berichts hat hier in Kiel die Konferenz der Innenminister der norddeutschen Küstenländer stattgefunden. Das Hauptthema war eine einheitliche deutsche Küstenwache; Sie haben darüber in der Presse gelesen. Ich werde mich zunächst kurz mit dem Bericht befassen und dann auf die Konferenz eingehen.
Die Landesregierung hält an ihren Überlegungen fest und zeigt - so denke ich - mit dem Bericht auf, dass sie konsequent das Ziel einer einheitlichen deutschen Küstenwache verfolgt. Das Ziel besteht darin, die maritimen Aufgaben im Küstenmeer zu bündeln und unter dem wirtschaftlichen Einsatz aller Ressourcen Synergien zu erzielen.
Bislang wurden folgende Schritte unternommen: Einrichtung der Küstenwache Schleswig-Holstein im Jahr 1994, Einrichten der interministeriellen Arbeitsgruppe Unfallmanagement in Küstengewässern im März 1998, Neuorganisation der Wasserschutzpolizei im Februar 2001, Errichtung des Havariekommandos am 2. Januar 2003 sowie die Übertragung der operativen Aufgaben der Fischereiaufsicht des Landes auf See und der Schiffe der Fischereiaufsicht auf die Wasserschutzpolizei im Mai 2002.
Wesentlicher Kern unserer erneuten Initiative ist das Angebot an den Bund, mittels eines Staatsvertrages die Kompetenzen aller maritimen Vollzugskräfte des Bundes und der Wasserschutzpolizeien zu bündeln. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, gemeinsam mit dem Bund eine einheitliche deutsche Küstenwache zu schaffen und mit den notwendigen Konsequenzen auszustatten.
Wir stützen uns dabei auf die Erfahrungen bei der Errichtung des Havariekommandos. Die Vereinbarungsgrundlagen sind ein richtungweisendes Beispiel dafür, dass es auch ohne Verfassungsänderung den Weg gibt, im kooperativen Föderalismus Kompetenzen des Bundes und der Küstenländer zu bündeln.