Protokoll der Sitzung vom 11.03.2004

(Beifall bei der FDP)

Im Rahmen der Organleihe würden die maritimen Bundes- und Landesinstitutionen zukünftig ein gemeinsam zu schaffendes Organ nutzen, um die Aufgaben der Gefahrenabwehr auf See von einer gebündelten Plattform aus wahrzunehmen. Willensbildung und Entscheidungsverantwortung des eigentlichen Zuständigkeitsträgers blieben unberührt. Das wäre ein Zwischenschritt vor einer Grundgesetzänderung mit dem Ziel einer Neuordnung von Aufgaben und Verantwortungen im bundesstaatlichen Gefüge.

Die Beamtinnen und Beamten der Wasserschutzpolizei - lassen Sie mich das hier sagen - leisten hervorragende Arbeit an jeder Position des Küstenmeeres und in den Häfen unseres Landes.

(Beifall)

Im Zuge einer effizienteren Aufgabenerfüllung sind wir natürlich bereit, neue Wege zu beschreiten. Die Landesregierung erwartet, dass der Bund das Nebeneinander von vier verschiedenen Bundesressorts auf dem Wasser beendet. Ferner muss eine gemeinsame Unterbringung des Küstenwachzentrums, der WSPLeitstelle und des Maritimen Lagezentrums an einem Ort erfolgen.

Die damit verbundene Standortfrage, meine Damen und Herren, wäre nach der Entscheidung des Bundes für eine einheitliche deutsche Küstenwache neu zu bewerten. Der Standort Neustadt in Holstein weist aus Sicht der Landesregierung Vorteile auf, da hier Infrastruktur und Fachkompetenz des Bundesgrenzschutzamtes See mit eigenen Hafenanlagen, Gebäuden und Personal vorhanden sind.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich habe dies auf der bereits erwähnten Innenministerkonferenz der norddeutschen Küstenländer mit aller Deutlichkeit gesagt und in einer Protokollnotiz niedergelegt. Natürlich sind Niedersachen und Bremen der Auffassung, dass Cuxhaven der richtige Standort ist. Und natürlich ist Mecklenburg-Vorpommern der Auffassung, dass Warnemünde der richtige Standort ist. Uns ist wichtig, dass nach der Entscheidung für eine einheitliche deutsche Küstenwache eine ergebnisoffene Prüfung erfolgen kann.

(Beifall bei der SPD)

(Minister Klaus Buß)

Bis zur Schaffung einer einheitlichen deutschen Küstenwache - davon bin ich überzeugt; ich habe es vor kurzem hier schon einmal gesagt - gewährleistet das Havariekommando zurzeit eine wichtige Teilfunktionalität der maritimen Notfallvorsorge.

Jetzt, meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Worte zu der schon erwähnten Innenministerkonferenz der norddeutschen Küstenländer sagen. Ich habe dort mit großer Vehemenz vertreten, dass wir eine einheitliche deutsche Küstenwache brauchen. Schleswig-Holstein ist das einzige Bundesland, das sich neben der Forderung - dieser Forderung haben sich alle Länder angeschlossen, die vertreten waren -, dass der Bund seine Dienste neu sortieren muss, jetzt schon anbietet, seine Zuständigkeiten im operativen Bereich per Staatsvertrag zu übertragen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Alle anderen Länder sind dazu nicht bereit. Vor allem Niedersachsen und Bremen haben auch in der Pressekonferenz noch einmal überdeutlich gemacht, dass sie dafür überhaupt keinen Anlass sehen. Ich glaube, ich darf für mich in Anspruch nehmen, dass ich die schleswig-holsteinische Position, wie sie sich aus Ihrem Beschluss, wie sie sich aus dem Beschluss der Landesregierung ergibt, mit aller Deutlichkeit vertreten habe.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und vereinzelt bei der CDU)

Die anderen Länder wollen und können uns noch nicht folgen. Aber Sie können ganz sicher sein, dass ich am Ball bleibe. Ich bitte die Fraktionschefs, Geschäftsführer und sonstigen Funktionsträger zu versuchen, in den Ländern, die uns noch nicht folgen wollen, auf Fraktionsebene entsprechenden Einfluss zu nehmen. Dafür wäre ich Ihnen sehr verbunden, das würde uns allen helfen.

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Wilhelm Malerius.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im See- und Küstenbereich gibt es aufgrund der Kompetenzverteilung nach dem Grundgesetz sowie den einschlägigen Bundes- und Landesgesetzen eine Vielzahl von Behördenzuständigkeiten. Eine einheitliche Organisations- und Führungsstruktur für den All

tagsbetrieb einer deutschen Küstenwache fehlt bis heute.

Aus diesem Grunde hat dieses hohe Haus die Landesregierung einstimmig aufgefordert, die von ihr bereits begonnene Initiative zur Neuaufstellung einer einheitlichen deutschen Küstenwache durch geeignete Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene weiter voranzutreiben. Dabei dürfen notwendige Verfassungsänderungen kein Hindernis sein.

Meine Damen und Herren, was zeigt uns das letzte Treffen der norddeutschen Innenminister? SchleswigHolstein sagt Ja zur einheitlichen deutschen Küstenwache und ich danke dem Innenminister auch im Namen der SPD-Landtagsfraktion für seinen unermüdlichen Einsatz.

(Beifall bei SPD und SSW)

Niedersachsens CDU-Innenminister Schünemann sagt, die vorhandenen Strukturen hätten sich bewährt. Weiß der Herr Schünemann überhaupt, wovon er spricht, Herr Maurus?

(Günter Neugebauer [SPD]: Unglaublich!)

Kaum anders sind die Töne aus den anderen Bundesländern. Meine Damen und Herren, Sie sehen, auch in den norddeutschen Bundesländern außer Schleswig-Holstein ist der Ressortegoismus noch nicht überwunden worden. Der Beschluss des Landtages hat noch einen weiten Weg der Umsetzung vor sich. (Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Die mit Aufsichtsaufgaben betrauten auf See tätigen Dienste des Bundes - BGS, Zoll, Fischereiaufsicht, WSV - zu einer Einheit mit gemeinsamer Flotte zusammenzufassen, ist ein dringend benötigter Schritt des Bundes zu einer einheitlichen deutschen Küstenwache. Dieser Schritt würde auch den Ressortegoismus und das Kompetenzgerangel aufseiten des Bundesministeriums endlich beenden. Dies fordern auch die norddeutschen Innenminister. Wenigstens hier herrscht Einigkeit.

Mit der Einrichtung des Havariekommandos mit seinem Maritimen Lagezentrum zum 1. Januar 2003 ist de facto ein Eckpfeiler einer deutschen Küstenwache realisiert worden. Die im maritimen Bereich Deutschlands für die Gefahrenabwehr und -beseitigung zuständigen Behörden des Bundes und der Länder sind unter einem Dach und einer Leitung in Cuxhaven zusammengefasst. Der Bund mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sowie die Küstenländer mit ihren Wasserschutzpolizeien. Diese betreiben über die Wasserschutzpolizeileitstelle in Personaluni

(Wilhelm-Karl Malerius)

on gemeinsam mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung das Maritime Lagezentrum. Die Wasserschutzpolizeileitstelle muss weiter zum zentralen Service, zur Auskunfts- und Koordinierungsstelle für die Wasserschutzpolizeien der Küstenländer mit Zugriff auf alle schifffahrts- und polizeirelevanten Datenbanken auch des Bundes ausgebaut werden. Die Wasserschutzpolizeileitstelle muss zu einer echten Einsatzleitstelle entwickelt werden. Dies wäre ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Mein Damen und Herren, für den Alltagsbetrieb des Havariekommandos wird unter der Leitung des Bundesbediensteten ein Kompetenzzentrum mit sechs Fachbereichen für alle Fragen der maritimen Unfallbekämpfung aufgebaut, in dem dann auch die bisherigen Einrichtungen wie zum Beispiel der zentrale Meldekopf und die Sonderstellen zur Schadstoffbekämpfung integriert sind. Für andere Fragen wie zum Beispiel die Schiffsbrandbekämpfung und die Verletztenversorgung auf See entsteht mit dem Havariekommando zum ersten Mal eine einheitliche Koordinierungsstelle.

Der Ostseekongress Schiffsbrandbekämpfung und Verletztenversorgung auf See am 26. und 27. Februar in Flensburg, an dem keiner von Ihnen, meine Damen und Herren der Opposition, teilgenommen hat, zeigte auf, dass wirkungsvolle Strukturen im Bereich der Brandbekämpfung auf See durch die Berufsfeuerwehren Kiel, Lübeck, Flensburg und die Freiwillige Feuerwehr Brunsbüttel aufgebaut worden sind, dass Strukturen für die Verletztenversorgung aufgebaut werden. Dies alles geschieht unter dem Dach des Havariekommandos.

Jede noch so ausgefeilte Struktur ist nur so gut wie die Beschäftigten, die in dieser Struktur organisiert sind. Im Havariekommando in Cuxhaven ist hoch qualifiziertes und spezialisiertes Personal vorhanden, das in bestimmten Positionen nicht einfach zu rekrutieren war. Dieses Personal muss ständig aus- und fortgebildet und durch Übungen trainiert werden, um im Ernstfall und im Alltagsbetrieb beste Effektivität zu erbringen.

Das Havariekommando ist der erste und richtige Schritt. Weitere Schritte müssen folgen. Das Havariekommando kann die Keimzelle für eine einheitliche deutsche Küstenwache sein. Wir alle müssen dieses Wachstum der Keimzelle konstruktiv begleiten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Heinz Maurus.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs sagen: Das ist ein ganz ordentlicher Bericht, den der Innenminister hier vorgelegt hat. Wenn ich sage „ganz ordentlich“, dann ist das für einen Nordfriesen das höchste Lob, das er überhaupt aussprechen kann.

(Heiterkeit und Beifall)

Mit diesem Bericht wird aber auch klar, wie schwierig es ist, gemeinsam mit Partnern zu vernünftigen Strukturen zu kommen, wie mühsam es ist, Ressortegoisten, eingefahrene Verwaltungsgleise und Mehrfachzuständigkeiten zugunsten effizienter Strukturen und schlanker Aufgabenerledigung zu verlassen.

Herr Minister, Sie haben es angesprochen, das jüngste Treffen der norddeutschen Innenminister, die IMK Nord in Kiel, war ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Wenn ich mir die Pressemitteilung zu diesem Event ansehe, dann wird mir sehr schnell klar, dass wir gemeinsam zur Herstellung der Sicherheit auf See und zur Gewährleistung der Sicherheit an unseren Küsten noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten haben. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, bei Ihren Bundestagsfraktionen. Die sollten sich daran machen, die Bundeskompetenzen auf See vernünftig zu bündeln und zu straffen und nicht noch neue, zusätzliche aufzubauen.

Ich weiß ja, dass die Übertragung einer neuen Aufgabe auch dazu reizt, neue Forderungen zu stellen, neue Strukturen zu schaffen, neues Material einzufordern. Aber es stellt sich hier doch die Frage: Ist das wirklich nötig oder kann ich nicht auf bestehende Strukturen zurückgreifen?

Ich meine, dass gerade das SOLAS-Übereinkommen - Safety of Life at Sea -, bei dem es um den Terrorismus im Seeverkehr geht, danach schreit, eine Neuordnung der Kompetenzen anzugehen, weg vom BMVBW - das ist das Ministerium, das sich in jüngster Zeit gerade durch Pleiten, Pech und Pannen einen besonderen Ruf verschafft hat - hin zu einer neuen Institution deutsche Küstenwache, in die auch - wie wir das gefordert haben - Zoll, BGS, Fischereiaufsicht und Teile der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung eingegliedert werden sollen.

Ein entsprechender Antrag liegt im Deutschen Bundestag vor, gestellt von der Fraktion von CDU und CSU. Ein weiterer Antrag dazu liegt im Deutschen

(Heinz Maurus)

Bundestag vor, gestellt von den Freien Demokraten. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Sie haben hier eine Menge zu tun. Leisten Sie bei Ihren Bundestagsfraktionen Überzeugungsarbeit, damit wir hier ein Stück weiterkommen!

(Beifall bei CDU und FDP)

Der BMVBW prüft und überlegt zurzeit, dass er weitere Planstellen und Kosten für Sachmittel benötigt, um SOLAS umzusetzen. Er stellt in einem Schreiben fest, dass die Erhöhung des Sicherheitsniveaus mit Kosten verbunden ist, an denen auch die Länder zu beteiligen seien. Verehrter Herr Minister, über diesen Punkt würde ich im Ausschuss gern etwas Näheres erfahren, gerade auch unter Effizienz- und Kostengesichtspunkten.

Auch über die bisherigen Beratungen und Ergebnisse des Bund-Länder-Arbeitskreises „Maritime Security", des so genannten BLAMS, der ja die Umsetzung der Bund/Länder-Angelegenheiten aus Kapitel XI-2 des SOLAS-Übereinkommens regelt, sollten wir im Ausschuss sprechen. Ebenso bitte ich, uns über die derzeit im Bundesinnenministerium laufenden Überlegungen unter dem Arbeitstitel „Küstenwache neu“ zu informieren.

Ich hatte vorhin gesagt, dass es gilt, noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten. Ich nehme das auf, was Sie hier in den Raum gestellt haben: Auch wir werden uns dieser Aufgabe stellen. Ich darf Ihnen gestehen, dass auch ich erstaunt über die Äußerungen des niedersächsischen Innenminister war, zumal ich sie dann mit den Aussagen seiner Vorgänger Bartling und Glogowski - ich glaube, so hieß der andere - verglichen habe. Ich habe festgestellt, dass sich die Aussagen von Minister Schünemann kein Stück von denen seiner Vorgänger unterscheiden. Wir werden hier noch einmal Gespräche führen. Der niedersächsische Ministerpräsident Wulff hat anlässlich unserer Gespräche in Ahrensburg deutlich gemacht, dass Niedersachsen auf dem Weg zu einer neuen deutschen Küstenwache einen zweistufigen Weg haben wolle. Zunächst sei eine staatsvertragliche Lösung angestrebt und in einem zweiten Schritt werde man über eine Kompetenzneuordnung beraten müssen. Wir werden am Ball bleiben.

Im Zusammenhang mit der Bewertung der Kompetenzverteilung in der Bundesrepublik ist gerade ganz neu das Gutachten „Meeresumweltschutz Förde und Ostsee“ im Februar 2004 auf den Tisch gekommen. Herr Präsident, gestatten Sie mir, dass ich abschließend daraus zitiere. Wenn man dort etwas weiter hinten liest, findet man folgende Stelle:

„Der Umweltrat regt dringend an, die vielfältigen Entscheidungsbefugnisse zu bündeln. Die hoheitlichen maritimen Dienste des Bundes sollten in einer deutschen Küstenwache unter der Zuständigkeit eines Bundesministeriums zusammengefasst und einem einheitlichen Kommando sowohl für Routineaufgaben als auch für das Notfallmanagement unterstellt werden. Die entsprechenden Länderaufgaben sollten mittelfristig in einer solchen Küstenwache eingebunden werden. Effektives Notfallmanagement und effektive Brandbekämpfung erfordern eindeutige Führungsstrukturen anstelle Kooperation und Koordination. Dementsprechend sollte auch das Havariekommando ein zwar wichtiger, aber gleichwohl nur erster Schritt in Richtung auf die Zusammenfassung aller Aufgaben des Notfallmanagements auf dem Wasser sein. Mit dem einheitlichen Havariekommando ist unter den gegenwärtigen kompetenzrechtlichen Vorgaben in der Bundesrepublik Deutschland versucht worden, die notwendigen Konsequenzen aus den Mängeln im Notfallmanagement bei der Havarie der ‚Pallas’ zu ziehen. Eine Reduzierung der Länderkompetenzen zugunsten des Bundes ist auf der Grundlage des geltenden Rechts schwer möglich, sondern würde eine Änderung des Grundgesetzes erfordern. Letzteres darf jedoch mindestens mittelfristig kein Hinderungsgrund sein; denn das Grundgesetz dient dem Schutz des Einzelnen, der Gesellschaft und der Umwelt. Es bezweckt offensichtlich nicht, eine effektive Gefahrenabwehr zu verhindern.“