Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, um etwas zum Abstimmungsverfahren zu sagen. Ich wünsche mir, dass beide Anträge an den Ausschuss überwiesen werden.
Das wird dazu führen, dass wir eine gleichwertige Beratung und Debatte aller Vorschläge im Ausschuss bekommen. Wir werden dem Antrag, unseren Antrag in den Ausschuss zu überweisen, zustimmen können. Wir werden aber nicht für den Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmen, und zwar aus verfahrensmäßigen Gründen nicht und nicht deshalb - das muss ich deutlich machen -, weil wir ihn inhaltlich nicht unterstützen. Er macht einen Schritt in die
richtige Richtung. Okay, das ist in Ordnung. Er springt aber eindeutig zu kurz. Sie haben den Ausführungen meiner Kollegin Silke Hinrichsen entnehmen können, dass wir etwas Anderes wollen.
Ein Satz zum Thema „Stärkung des Ehrenamtes“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir kommen regelmäßig die Tränen,
wenn ich solche Sätze höre. Mir kommen auch die Tränen, wenn ich höre, was Bürgernähe anscheinend ist. Bürgernähe in diesem Haus scheint eigentlich nur geographische Nähe zu sein. Das ist eine Bürgernähe der Honoratioren,
Definiert man Bürgernähe aber im Sinne der Bürger, bedeutet das, dass den Bürgern demokratische Gestaltungsmöglichkeiten zurückgegeben werden.
Das heißt doch, dass unsere Kommunalpolitiker wieder wirklich etwas zu entscheiden haben müssen. Darum geht es doch.
Ich sehe keinen anderen Weg als zu sagen: Wir brauchen Gemeinden, die eine bestimmte Größe haben, sodass das gewährleistet ist.
Wir wollen auch, dass Bürger die Verwaltung kontrollieren können. Es ist doch nicht richtig, dass Entscheidungen von zusammengelegten Verwaltungen über sieben Ecken zu kontrollieren sind. Das ist keine Bürgernähe.
Kurze Abstände zwischen Bürgern und Politikern, transparente Entscheidungswege und Gestaltungsspielraum für Kommunalpolitiker, das sind unsere Ziele.
Nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Städteverband Schleswig-Holstein hat auf seiner Mitgliederversammlung Folgendes beschlossen:
„Die Mitgliederversammlung unterstützt die Schlussfolgerungen des Landesrechnungshofs, dass es auf Basis der geforderten Leitlinien, verbunden mit finanziellen Anreizmodellen, nach einer befristeten Freiwilligkeitsphase“
„unumgänglich ist, auch gesetzgeberische Maßnahmen einzuleiten. Nur auf diesem Wege wird man zu deutlich effektiveren und effizienteren kommunalen Verwaltungsstrukturen gelangen.“
Genau das tun wir mit unserem Antrag. Deshalb wollen wir ihn heute verabschieden, Anke. In dem Antrag steht, dass das Ministerium Gesetzesänderungen vorschlagen soll, und zwar relativ rasch, damit wir noch vor der Landtagswahl zu einer Änderung der Kommunalverfassung kommen.
(Heinz Maurus [CDU]: In welche Richtung denn? Wohin wollen Sie eigentlich? Sagen Sie endlich, wohin Sie wollen!)
Das ist eine bemerkenswerte Entscheidung der Mehrheitsfraktionen. Sie haben den Mut, solche grundlegenden Schritte vor der Landtagswahl anzupacken, im letzten Jahr zu regieren und sich nicht zu verkriechen,
während die Opposition, die es eigentlich nicht nötig hätte, sich bereits verkriecht, obwohl sie noch gar nicht an der Regierung ist.
Die Dorfschaften, über die der SSW geredet hat, reichen uns nicht aus, weil wir wollen, dass den Ortsgemeinden auch in Zukunft Aufgaben zugewiesen werden können, für die sie selber zuständig sind. Sie sollen nicht nur beratend tätig sein. Ihre Vertreter sollen direkt gewählt werden. Sie sollen für die Aufgaben, die ihnen zugewiesen werden, einen eigenen Etat bekommen. Das ist die Grundlage dafür, dass wir das rheinland-pfälzische Modell wollen und nicht das Modell Eutin.
Bürgernähe und Demokratie bedeuten doch, dass wir Gemeindevertretungen haben, die tatsächlich etwas zu entscheiden haben. Das ist der Kernpunkt.
Wenn wir in Schleswig-Holstein eine Erosion der kommunalen Selbstverwaltung haben, liegt das doch genau daran. Sowohl in den Gemeinden als auch in den Kreistagen klagen die Kommunalvertreter immer mehr darüber, dass alle wesentlichen Entscheidungen ausgelagert sind. Das hat doch nichts mehr mit Demokratie zu tun.
Selbst ein Gutachten des Gemeindetages kommt zu dem Ergebnis, dass der jetzige Zustand wahrscheinlich verfassungswidrig ist. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, obwohl der Gemeindetag es selber in Auftrag gegeben hat. Das sagt sehr viel über den Zustand der Selbstverwaltung in unseren Kommunen aus. Wenn Sie das verteidigen, Herr Schlie, haben Sie entweder nichts gelesen oder nur Angst vor den eigenen Kommunalvertretern, die sich nicht bewegen wollen.
Ich komme auf die letzte Bemerkung von Herrn Maurus zurück. Herr Maurus, Sie haben etwas sehr Entlarvendes gesagt. Sie haben gesagt: Machen Sie doch endlich einmal Vorschläge! - Da fällt mir ein, was Herr Kayenburg neulich gesagt hat. Ich zitiere aus dem „Abendblatt“ vom 19. Juni 2003 - jetzt weiß ich auch, warum es die CDU überhaupt nicht schafft, auch nur irgendeinen vernünftigen Vorschlag zu machen -: Wir sind doch nicht so bescheuert, für die Regierung die Kastanien aus dem Feuer zu holen. - Danke schön für die Offenheit, Herr Kayenburg!
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Zuruf des Ab- geordneten Werner Kalinka [CDU])
Liegen weitere Wortmeldungen vor? - Ich erteile für einen Drei-Minuten-Beitrag Herrn Abgeordneten Rainer Wiegard das Wort. - Ich sehe eine weitere Wortmeldung nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung; Frau Kollegin, Sie hatten allerdings schon einen Drei-Minuten-Beitrag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beiträge scheinen etwas von Verwirrung gelenkt zu sein, insbesondere weil Sie die Antragslage offensichtlich nicht kennen. Ich verweise auf das Papier, das mir Klaus Schlie dankenswerterweise eben noch einmal in die Hand gedrückt hat. Ich hoffe, auch Sie haben es, Herr Kollege Astrup. Es ist etwas umfangreicher als das, was Sie da jetzt in die Hand genommen haben, nämlich die Drucksache 15/2993, Antrag der Fraktion der CDU „Weniger Bürokratie und mehr Bürgernähe“, in der wir ausführlich und umfassend darstellen, mit welchen Instrumenten, mit welchen Zielen, mit welcher Methode und mit welchen geplanten und gewollten Auswirkungen wir an diese Aufgaben herangehen wollen. Sich dann hier hinzustellen und zu sagen, das habe es alles nicht gegeben und Sie wüssten das nicht, ist schon eine ziemlich dümmliche Auseinandersetzung, die Sie hier mit uns führen.
Ich schlage Ihnen vor, dass Sie sich das von Ihrer Kollegin Heinold noch einmal vortragen lassen - sie hat das Papier ja in der Hand - und Sie das Papier in der Fraktion noch einmal behandeln, damit Sie wissen, worum es eigentlich geht. Es ist - wie gesagt - die Drucksache 15/2993.
(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] - Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben vier Redebeiträge gehabt und wir ha- ben immer noch nicht gehört, was Sie wol- len! - Holger Astrup [SPD]: Ich schlage vor, dass wir jetzt abstimmen! - Weitere Zurufe)
Das hatte ich gerade vor, aber ich wollte die Vorfreude auf die Abstimmung, die laut hörbar wurde, nicht unterbrechen.
Wir sind am Ende der Beratung. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 15/3382, sowie den Änderungsantrag der Abgeordneten des SSW, Drucksache 15/3402, zur weiteren Beratung an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen.