Protokoll der Sitzung vom 26.05.2004

Zum Problem des Umzugs des Bereichs Sonderpädagogik hat die Ministerin schon einiges gesagt. Ich denke mir, dass es auch hier zu einem Erfolg kommen wird. Ich erwarte von den beiden beteiligten Hochschulen jedenfalls nichts anderes.

Ganz anders sieht es unserer Auffassung nach aber mit dem Umzug des Studienganges Maschinenbau von der FH Westküste an die FH Flensburg aus. Presseberichten zufolge - es hat ja wirklich genügend Presseberichte dazu gegeben - hat sich durch unglückliche Verzögerungen, durch Missverständnisse, durch offene Fragen, unter anderem auch die Finanzierung betreffend, der Prozess so lange hingezogen, dass ein kompletter Start des Studienganges in Flensburg zum Wintersemester 2004/2005 kaum noch zu schaffen ist. Darüber hinaus hat der Transfer von unbesetzten freien Stellen an die FH Westküste anscheinend bereits stattgefunden. Die FH Westküste hingegen will der Flensburger Fachhochschule eine Anzahl besetzter Stellen überlassen, was dazu führen würde, dass sowohl der Personaleinsparungsplan der Hochschule als auch die weiteren Pläne zur Profilbildung ganz einfach Makulatur wären. Das kann aus Sicht des SSW nun wirklich nicht sein.

Nun hat die Ministerin in ihrem Bericht deutlich gemacht, dass diese praktischen Probleme doch noch zu lösen sind. Ich hoffe, das trifft zu. Ich betrachte dies als ein gutes Signal an die beiden Hochschulen. Ich will wirklich nicht verhehlen, dass sich in Flensburg in den letzten Wochen sehr viel Frustration aufgebaut hat. Gerade die FH in Flensburg hat sich sehr konstruktiv eingebracht und gehört wirklich nicht zu den Hochschulen, die einfach nur jammern.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Von daher ist es ärgerlich, dass wir diese Berichte haben lesen müssen. Es ist ärgerlich, dass es diese Probleme gibt. Unter anderem soll es auch so sein, dass sich die Zielvereinbarungen von Flensburg und Heide irgendwie widersprechen. Zumindest war unklar, wie mit den Sach- und Investitionsmitteln umgegangen werden soll. Leider scheinen sich die Fronten dermaßen verhärtet zu haben, dass es aus unserer

(Anke Spoorendonk)

Sicht nicht ausreicht, auf die Arbeitsgruppe unter Leitung von Herrn Professor Haensel zu verweisen.

Vor diesem Hintergrund hatten wir im Bildungsausschuss einen Sachstandsbericht beantragt, da es nach unserer Auffassung viel sachdienlicher wäre, dort auf eine Lösung hinzuwirken, statt uns jetzt hier im Plenum die Köpfe einzuschlagen.

(Beifall beim SSW)

Daraus wurde aus verschiedenen Gründen nichts. Daher nehme auch ich mit Verwunderung auf, dass die Kollegin Birk eigentlich der gleichen Meinung war. Wir meinen, dass sich der Ausschuss noch einmal damit befassen muss. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie die entstandenen Probleme heilt. Alles andere würde dazu führen, dass ein wesentliches Element der Hochschulreformen im Sande verliefe. Nicht vergessen werden darf aus unserer Sicht, dass die Erichsen-Kommission den Umzug des Studiengangs Maschinenbau empfahl, weil der Studiengang in Heide zu teuer sei und auch inhaltlich nicht ganz überzeuge.

Hinzu kommt - auch das darf man nicht übersehen -, dass sich die Fachhochschule Flensburg den Studierenden in Heide gegenüber dazu verpflichtet hat, dass sie ohne Verzögerung und ohne weitere Komplikationen mit umziehen können. Das ist aus unserer Sicht ein wichtiger Punkt, der mit Glaubwürdigkeit zu tun hat. Glaubwürdigkeit ist ja die andere Seite dieses ganzen Reformprozesses.

Grundsätzlich sollten Strukturänderungen daran gemessen werden, dass es keine Einteilung in Verlierer und Gewinner gibt. Gerade dies war bei der Entscheidung Heide/Flensburg der Fall. Beide Standorte haben - laut Erichsen - die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln und neu zu positionieren.

Eckernförde hingegen - ich weiß, dass ich das schon mehrfach gesagt habe - steht unserer Meinung nach ausschließlich als Verliererin da. Die Schließung der Bauschule überzeugt uns auch heute nicht und wird aus Sicht des SSW zu keiner qualitativen Verbesserung des Hochschulangebots führen. Insgesamt wirken die Aussagen der Landesregierung zur Verlagerung des Bereichs Bauwesen nach Lübeck eher vage, wenn man die Kleine Anfrage des Kollegen de Jager hierzu zugrunde legt.

Der Kollege de Jager hat weiter eine Anfrage zum Thema Innovationsfonds gestellt. Damit sollten wir uns im Ausschuss vertiefend auseinander setzen. Unter anderem hätte ich gern gewusst, nach welchen Kriterien Projekte im Einzelnen beantragt werden können. Gut, es ist erst ein halbes Jahr her, seit das

alles beschlossen worden ist. Aber vielleicht hätten wir auch ein bisschen mehr darüber erfahren können, warum bisher noch keine Anträge vorliegen oder was sich in diesem Zusammenhang jetzt bewegt.

Auch wir haben also noch Fragen zur Umsetzung der verschiedenen Strukturmaßnahmen im Hochschulbereich. Uns ist bewusst, dass wir uns erst am Anfang dieses Prozesses befinden, dass es noch zu früh ist für eine eigentliche Evaluation. Gleichwohl steht fest, dass die Richtung stimmt.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Zielvereinbarungen und der Hochschulvertrag haben dazu geführt, dass die Hochschulen eigenständiger geworden sind. Sie haben mehr Planungssicherheit erhalten in einer Zeit, wo andere Hochschulen in anderen Bundesländern massiv von Kürzungen bedroht sind. Auch das gehört zu einer vorläufigen Beurteilung dazu.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ein Antrag ist nicht gestellt worden. Ich schlage Ihnen vor, den Bericht dem Bildungsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so verfahren will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das haben wir einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 34 auf:

Schleswig-Holstein im „Bologna-Prozess“

Landtagsbeschluss vom 12. Dezember 2003 Drucksache 15/3090 (neu) Bericht der Landesregierung Drucksache 15/3357

Ich erteile das Wort der Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur, Frau Erdsiek-Rave.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In zwei Wochen, am 13. Juni 2004, wählen die 25 Mitgliedsländer der EU ihr gemeinsames Europäisches Parlament. Europa, das alte und neue Europa, wächst damit wieder ein Stück näher zusammen und die Prozesse, die wir auf den Weg gebracht haben, gewinnen durch die neuen Mitglieder erheblich an Dynamik. Auch sie haben sich nämlich verpflichtet, bis 2010

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

den europäischen Hochschulraum mitzugestalten, der jetzt schon weit über die europäischen Grenzen hinausreicht. Über 40 Staaten haben sich inzwischen dem Bologna-Prozess angeschlossen.

Wenn die Ziele umgesetzt worden sind, können nach jetzigem Stand etwa 16 Millionen Studierende die Vorteile in Anspruch nehmen, nämlich eine transparente Studienstruktur, vergleichbare Abschlüsse, europaweit einheitliche Bewertungsmaßstäbe, modularisierte Studiengänge, wechselseitige Anerkennung von Studienabschnitten und -abschlüssen, zuverlässige Studienqualität und mehr Mobilität für Studierende und Lehrende in Europa. Das ist eine hervorragende Perspektive für die Jugend, die sich jetzt auf den Weg in ein Studium begibt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das ist der Rahmen, den wir in Deutschland und Schleswig-Holstein Schritt für Schritt ausfüllen. Die KMK hat die Umsetzung der zweistufigen Studienstruktur bis zum Jahr 2010 beschlossen und Rahmenvorgaben für die Einführung entwickelt. Sie sehen daran übrigens auch, dass der Prozess in seinen Grundzügen politisch nicht umstritten ist.

Die Umsetzung des Bologna-Prozesses ist ein wesentlicher Bestandteil des Hochschulvertrages und der einzelnen Zielvereinbarungen in Schleswig-Holstein. Im Rückblick auf die Debatte eben sage ich: Worüber wir jetzt reden und wofür leider nur Fünf-MinutenBeiträge vorgesehen sind, hat in der Bedeutung und in der Veränderungskraft für die Hochschulen in Schleswig-Holstein eine ungleich größere Dimension, sodass man sich fragt, ob das in den Debatten eben richtig dimensioniert war.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wie sieht die Realität an den Hochschulen aus? - In Schleswig-Holstein waren im Jahr 2002 5,7 % der Studienanfänger in Bachelor/Master-Studiengängen eingeschrieben, und zwar insbesondere in den neuen, innovativen Studiengängen, die teilweise intensiv nachgefragt werden. Damit liegen wir in SchleswigHolstein über dem Bundesdurchschnitt, der 3,5 % beträgt. Die Verlaufskurve zeigt aber überall deutlich aufwärts. 2002 haben sich die Zahlen gegenüber 2001 bereits verdoppelt. Ich gehe davon aus, dass das so weitergehen wird.

Bei allen Beteiligten und Betroffenen ist seit einigen Monaten ein deutlich gesteigertes Interesse an den neuen Studiengängen spürbar, bei Hochschulleitungen, Studierenden, Professoren, beim wissenschaftli

chen Personal, aber auch auf der Abnehmerseite, bei Unternehmen und Unternehmensverbänden.

Wer glaubt, es gehe bei diesem Prozess nur darum, international übliche Abschlussbezeichnungen einzuführen und ansonsten alles beim Alten zu lassen, hat Unrecht. Es geht nicht um alten Wein in neuen Schläuchen, es geht um eine inhaltliche Überprüfung der bisherigen Studieninhalte und um die Anpassung der Anforderungen an die heutige Arbeitswelt. Neben der internationalen Ausrichtung der neuen Strukturen liegt darin nach meiner Auffassung die größte Chance dieser Reform.

Hier liegt zugleich aber auch - das muss man ernst nehmen - der Kern der Befürchtung und Kritik, die insbesondere von studentischer Seite immer wieder geäußert werden. Wenn für eine Mehrheit der Studierenden der Bachelor-Abschluss der Regelabschluss wird - so die Befürchtung vonseiten der Studierenden -, verlässt man die Hochschule möglicherweise mit einer niedrigeren Qualifikation, als es vorher der Fall war. Das ist die zentrale Frage, die die Studierenden stellen. Für diese Frage muss man auch Verständnis haben, sie ist nachvollziehbar.

Eine Antwort auf diese Frage kann natürlich auch heute nur mit Perspektive auf die Zukunft gegeben werden. Die Besorgnisse muss man ernst nehmen. Heute Nachmittag findet bei uns im Haus ein Gespräch mit dem AStA zu dieser Frage statt, die auch wir selbst noch nicht abschließend beantworten können. Das ist ein Prozess, der in Gang ist und der natürlich auch durch die Macht des Faktischen bestimmt werden wird.

Dennoch muss man heute schon sagen: Die positiven Aspekte überwiegen, die klaren, einheitlichen europäischen Strukturen, die klare berufsqualifizierende und wissenschaftliche Ausrichtung der Studienabschnitte und die Senkung der Abbrecherquoten, die damit zweifelsfrei einhergeht.

Wie viele Studierende mit welchen Voraussetzungen in einen Master-Studiengang aufgenommen werden, sollten nach unserer Auffassung die Hochschulen entscheiden. Starre Quoten werden wir nicht vorgeben. Das soll Sache der Hochschulen sein.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Wichtig ist auch, Informationsdefizite bei der Wirtschaft auszuräumen. Die großen Konzerne stellen heute schon Bachelor-Absolventen ein; bei kleinen und mittleren Unternehmen herrscht noch erhebliche Unsicherheit. Wir werden versuchen, das durch In

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

formationsveranstaltungen, zu denen die Bereitschaft auf beiden Seiten sehr groß ist, mit zu gestalten.

Die norddeutsche Wissenschaftsministerkonferenz hat sich parteiübergreifend ebenfalls dazu entschlossen, die Einführung der neuen Strukturen in einer gemeinsamen Werbeaktion zu unterstützen.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW] - Glocke des Präsidenten)

Sie kennen vielleicht den Flyer, den wir für Studierende gemeinsam mit dem Bund, dem DGB und so weiter entwickelt haben. - Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Lassen Sie mich zum Schluss eine persönliche Bemerkung machen. Ich habe den Bologna-Prozess intensiv begleiten dürfen, von der Unterzeichnung für die deutschen Länder in Bologna im Jahr 1999 über die Vertretung bei der Folgekonferenz in Berlin bis zur Anhörung im Deutschen Bundestag, wo ich vor zwei Wochen für die Länder Rede und Antwort stehen musste.

Mir ist sehr bewusst, dass die politische Dynamik in diesem Prozess groß ist. Mir ist zugleich bewusst, welche Probleme und Hürden bei der praktischen Umsetzung noch zu bewältigen sind. Wir sollten uns davon nicht entmutigen lassen, sondern die großen Chancen dieser europäischen Entwicklung immer vor Augen haben. Dafür bitte ich um Ihrer aller Unterstützung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Ministerin für den Bericht. Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst Herrn Abgeordneten de Jager das Wort.