Protokoll der Sitzung vom 26.05.2004

Ich danke der Frau Ministerin für den Bericht. Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst Herrn Abgeordneten de Jager das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Auffassung der CDU Fraktion ist es zwingend erforderlich, dass in dem Kernstück des BolognaProzesses - wir haben in dem Bericht viele Facetten, die bis hin zum Lehreraustausch und auch zu Europaschulen gehen -, nämlich der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master, noch Nachbesserungen an dem bisher verfolgten Modell der Kultusministerkonferenz erforderlich sind. Das bezieht vor allem die Frage der Übergangsregelung vom Bachelor- zum Master-Studiengang und die Frage, innerhalb welcher Fristen diese Umstellung tatsächlich erfolgen soll, ein. Das ist etwas, was wir sicherlich noch weiter diskutieren werden müssen.

Die CDU Fraktion unterstützt insgesamt die Umstellung von Lehrstudiengängen auf Bachelor und Master. In der Kultusministerkonferenz gibt es unter den Bundesländern große Einigkeit - übrigens über die Parteigrenzen hinweg -, dies zu tun. Man sollte nicht den Eindruck erwecken, als gäbe es Änderungen in der grundsätzlichen Frage einer solchen Umstellung. Wir reden über Fragen bei der Einführung. Wir reden darüber, dass wir die landesrechtlichen Spielräume, die es innerhalb der einzelnen Länder gibt, aber auch bei dem Modell, das die Kultusministerkonferenz insgesamt entwickelt, für die landesrechtliche Umsetzung tatsächlich nutzen.

In erster Linie sollte man sich davor hüten, vorschnell mit Modellen vorzupreschen und sich in überstürzte Abenteuer zu stürzen, bevor eine richtige Grundlage gegeben ist. Ich meine damit zum Beispiel die Frist, in der die jetzigen Studiengänge auf Bachelor und Master umgestellt werden sollen. Ich glaube, wir brauchen eine sehr viel längere Übergangsfrist, als sie derzeit vorgesehen ist. Das Hauptproblem bei der Einführung von Bachelor und Master in den neuen Studiengängen besteht darin, dass es zumindest in der mittelständischen Wirtschaft in Schleswig-Holstein bisher keinen Arbeitsmarkt für Bachelor gibt. Das hat Frau Erdsiek-Rave konzediert.

Bevor man eine Generation in einen Arbeitsmarkt entlässt, der eigentlich noch gar nicht existent ist, oder eine Generation in einen Arbeitsmarkt entlässt, wo es zu einer Ausschlusskonkurrenz mit Bewerbern und Absolventen aus der beruflichen Bildung kommt, muss man erst einmal gewährleisten, dass der mittelständische Arbeitsmarkt für Bachelor-Absolventen tatsächlich entsteht. Um die Akzeptanz zu erhöhen, glaube ich, dass wir für einen längeren Zeitraum als bisher bedacht zum Beispiel das alte Diplom als Zusatzprüfung anbieten müssen, damit sich die Akzeptanz der neuen Studiengänge dadurch erhöht. Wir haben in dem Gesetzentwurf, den wir in der vergangenen Tagung vorgestellt haben, eine Regelung vorgesehen. Es wäre richtig, diese Regelung anzuwenden.

Ein weiterer Punkt ist die Frage, wie viele BachelorStudenten hinterher einen Master-Studiengang machen dürfen. Problematisch ist, dass nach den Vorstellungen der KMK bisher die Mehrheit der Studierenden generell mit einem Bachelor abschließen soll, das heißt, die Mehrheit der Studierenden generell von einem Master-Studium ausgeschlossen ist. Ich halte eine solche starre Regelung für falsch und glaube, dass das, was Sie vorgeschlagen haben, Frau Ministerin Erdsiek-Rave, nämlich die Übergangsregelung vom Bachelor zum Master sehr viel stärker in die

(Jost de Jager)

Autonomie der Hochschulen zu legen, richtig ist. Die Quoten müssen sich von Studiengang zu Studiengang unterscheiden. Sie müssen sich aber auch von Hochschule zu Hochschule unterscheiden. Die Frage, welche Studierenden was studieren, ist eine Maßgabe bei der Frage, wie viele hinterher tatsächlich im MasterStudium weitermachen können. Insofern halte ich es für richtig, wenn die Kultusministerkonferenz von den starren Übergangsregelungen der zentralen Steuerung des Übergangsverhaltens tatsächlich abweicht.

Lassen Sie mich bei der Frage Bachelor/Master zum Schluss Stellung zu der Frage Bachelor/Master in Lehramt nehmen. Die CDU Fraktion ist der Auffassung, dass Bachelor und Master auch für Lehramtsstudiengänge machbar und lösbar sind. Wir knüpfen das allerdings an zwei Voraussetzungen. Die erste Voraussetzung ist eine schulpolitische. Es muss gewährleistet sein, dass auch bei den Bachelor- und Master-Modellen in den Lehramtsstudiengängen der Schulartenbezug der Ausbildung erhalten bleibt. Das ist für uns die conditio sine qua non.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das widerspricht Bologna!)

- Nein, darüber sagt Bologna nun überhaupt nichts. Das ist für uns die conditio sine qua non. Sonst machen wir es nicht mit.

Ein weiterer Punkt ist, dass wir davon ausgehen, dass die Umstellung von Bachelor und Master in den Lehramtsstudiengängen tatsächlich in einem bundeseinheitlichen Verfahren erfolgen soll. Die gegenseitige Anerkennung der Ausbildung in diesem Bereich ist Grundvoraussetzung für die Einheitlichkeit des deutschen Bildungswesens. Das muss gewährleistet sein. Insofern bin ich ein bisschen skeptisch darüber, dass einige schleswig-holsteinische Hochschulen bereits jetzt an Bachelor-Master-Modellen basteln, bevor es überhaupt eine Empfehlung der Kultusministerkonferenz gibt. Auch hier warne ich vor überstürzten Abenteuern. Wir sollten es in einem bundeseinheitlichen und geregelten Verfahren machen. Wir sollten uns mehr Zeit gönnen, als die Kultusministerkonferenz bisher vorsieht.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Bevor ich weiter das Wort erteile, will ich Gäste begrüßen. Zwischenzeitlich haben auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften der Kaiser-Karl-Schule aus Itzehoe, der Hanse-Schule aus Lübeck sowie Mitglieder des Vereins „Verwitwete

Partner helfen einander“ aus Heide Platz genommen. - Allen ein herzliches Willkommen!

(Beifall)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Weber das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist das, was sich Bologna-Prozess nennt, ein außerordentlich ehrgeiziges Unterfangen. Das wird schon daraus deutlich, dass 40 Staaten ganz unterschiedlicher Struktur sich auf diesen Weg machen wollen. Ich will nicht alles wiederholen, was die Prinzipien angeht, die dort niedergelegt sind. Sie wissen, dass es eine Reihe von Punkten gibt, die originär unterschrieben werden, die auf den Weg gebracht werden sollen, unter ihnen übrigens auch der freie Zugang zum Hochschulstudium ohne diskriminierende Hürden, also auch nicht durch einen sozialen Numerus clausus. Das alles sind Punkte, die dort auch aufgeschrieben sind. In der Kürze von fünf Minuten kann man das alles nicht noch einmal deutlich machen.

Wir in Schleswig-Holstein haben uns auf diesen Prozess vorbereitet. Wir haben unsere Strukturreform schon in der Philosophie von Bologna auf den Weg gebracht. Es gibt aber auch noch eine ganze Reihe von Dingen aufzuarbeiten.

Bologna ist nicht nur Bachelor/Master. Vielmehr gibt es eine Reihe von konkreten Maßnahmen, die für den Hochschulbereich von Relevanz sind. Als Beispiel nenne ich die Vereinheitlichung der Systeme von Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung, die gegenseitige Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen über ein gemeinsames Kreditpunktesystem und auch die konsekutiven Studiengänge.

Lassen Sie mich dazu nur so viel sagen: Ich bin der Überzeugung - weitestgehend sind wir uns einig -, dass wir uns auf diesen Weg begeben müssen. Dabei ist eine Binsenweisheit, dass wir in einem Umsetzungsprozess flexibel reagieren müssen, und zwar im Hinblick auf verschiedene Punkte. Wir müssen flexibel reagieren im Hinblick auf die Möglichkeit der Quotierung, der Frage, wie viele in einen MasterStudiengang geführt werden können. Das muss flexibel gehandhabt werden. Wir haben verschiedene Studiengänge an Fachhochschulen - ich nenne einmal Multimedia Productions und andere -, wo sich ein extrem hoher Numerus clausus ausgebildet hat, also Studierende im extrem hohen Leistungsbereich, die im Bachelor-Bereich anfangen. Da können Sie nicht sagen, ich lasse nur 25 % von denen Master machen. Das muss man sich im Detail angucken.

(Jürgen Weber)

Ob wir das mit der Lehrerausbildung auch an der CAU schon im nächsten Jahr machen können, wird man sich im Detail angucken müssen. Das wird man prüfen müssen.

Den Zeitrahmen für die Positionierung im internationalen Wettbewerb bis 2010 dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Den müssen wir auch realisieren können. Dort werden und können wir uns vom internationalen Prozess nicht abkoppeln.

Es ist, wenn man den Bericht liest, bemerkenswert festzustellen, was wir heute schon nicht nur an Kooperationen zwischen Hochschulen und Schulen im internationalen Bereich in Europa haben, sondern auch, was wir schon an gemeinsamen Prüfungs- und Studienabschlussmöglichkeiten haben. Wir kennen die Beispiele aus Flensburg, von Syddansk und Flensburg. Es gibt eine ganze Menge mehr. Das ist etwas, das man ein Stück weit nach vorn tragen muss. Die Pionierleistungen, die die Wirtschaftswissenschaften in Schleswig-Holstein erbringen, sind lobenswert und sollen deswegen von mir ausdrücklich unterstrichen werden.

(Beifall bei der CDU)

Flexible Lösungen sind notwendig. Unverantwortlich wäre allerdings - das möchte ich in diesem Zusammenhang auch sagen - und wir sollten uns davor hüten, denjenigen nach dem Mund zu reden, denen es im Wesentlichen darum geht, sich bequem in bekannten Strukturen einzurichten, und die die Bereitschaft vermissen lassen, auf diesen Reformprozess positiv einzugehen. Das sind ein paar Dinge, die man auseinander halten muss. Ich glaube, das werden wir auch können und wir werden das als Landtag auf jeden Fall kritisch begleiten.

Ich möchte noch zwei kleine Punkte kurz antippen. Das eine ist: Auch aus dem Bericht der Landesregierung geht hervor, dass Schleswig-Holstein als Studienland für Menschen aus dem Ausland - das gilt aber für die Bundesregierung insgesamt - Nachholbedarf hat. Die Zahl der Studierenden, die bisher aus dem osteuropäischen Bereich, aber auch aus dem skandinavischen Bereich - lassen wir Dänemark mal außen vor - bei uns sind, ist nicht besonders hoch. Das bedeutet, die Ostseeorientierung auch im Zusammenhang mit dem Studierendenaustausch ist noch stark verbesserungsfähig. Das hat sicherlich nicht nur mit finanziellen Fragen, sondern auch damit zu tun, dass das Studieren an deutschen Hochschulen, auch an schleswig-holsteinischen Hochschulen, für auslän

dische Studierende nicht so attraktiv ist, wie es eigentlich sein sollte und wie wir es gestalten müssen, um uns im internationalen Wettbewerb zu positionieren.

Ein letztes Stichwort möchte ich gern für die weitere Beratung im Ausschuss hier auch noch einmal erwähnen: Die Föderalismuskommission, die ihre Arbeit in Berlin aufgenommen hat, regelt viele Fragen. Ich glaube, wir müssen als Bildungspolitiker und auch Landesbildungspolitiker uns deutlich mit den Fragen befassen, was wir von dem, bei dem wir uns in internationalen wettbewerblichen Situationen befinden, in nationaler Kompetenz regeln müssen und was wir weiter in Länderkompetenz regeln können. Ich glaube, das ist etwas, was man aus der BolognaDiskussion nicht ausblenden darf. Ich wollte das auf jeden Fall hier noch einmal ansprechen und wünsche mir, dass wir bei den Beratungen im Ausschuss mehr Zeit haben, um diesen wichtigen Punkt zu vertiefen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Umstellung aller Studiengänge auf das Bachelor/MasterKonzept, also auf die so genannten gestuften Studiengänge, wird von den Verfechtern dieser Reform als ein wesentlicher Schritt in Richtung auf einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum angesehen. Tatsächlich kann diese Entwicklung für unser Hochschulsystem in Deutschland zum größten bildungspolitischen Desaster in der Geschichte dieser Republik werden. Für manche Studiengänge ist das Bachelor/Master-Konzept zweifellos geeignet, aber nicht für alle.

Falls die neuen Studienstrukturen jedoch dogmatisch in allen Bereich durchgesetzt werden, produziert die Hochschulpolitik massenhaft Berufsattrappen, produziert Arbeitsmarkt-Sackgassen für viele Absolventen, die nur bis zum Bachelor gelangen, und sorgt bestenfalls für eine Verlängerung der Studienzeiten, nämlich dann, wenn die Studierenden anschließend auch ihren Master-Abschluss absolvieren, um überhaupt berufliche Chancen zu erhalten.

Ein differenziertes Vorgehen ist daher unbedingt vonnöten. Die Hochschulen brauchen Spielräume für eine sinnvolle Form der Einführung der neuen Ab

(Dr. Ekkehard Klug)

schlüsse. Am allerwenigsten brauchen sie deren hektische und globalgalaktische Installierung nach dem Haurucksystem, ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Verluste an Berufs- und Lebenschancen für die Studenten und an Qualität und Vielfalt des akademischen Fächerangebots.

(Beifall des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Ein Kernpunkt ist die Arbeitsmarkteignung der angeblich berufsqualifizierenden Bachelor-Abschlüsse. In manchen Fächern mag sie nach sechs Semestern bereits gewährleistet sein, aber was soll man mit einem Bachelor in Medizin etwa nach drei Studienjahren anfangen?

Der Verband der Chemischen Industrie erklärt in einer im Internet nachzulesenden Stellungnahme:

„Was die Einschätzung der Berufsbefähigung unter Einordnung des Bachelor of Science (Chemistry) … in der chemischen Industrie betrifft, so besteht zurzeit noch Diskussionsbedarf.“

„Viele Chemieunternehmen stufen den Bachelor als ‚Zwischenqualifikation’ ein, andere sehen ihn auch als möglichen berufsqualifizierenden Abschluss mit einem interessanten Kompetenzprofil für mittlere technische Funktionen.“

Meine Damen und Herren, das heißt in der Konsequenz, dass dann Bachelor-Absolventen in diesem Fach mit Absolventen einer entsprechenden Berufsausbildung im dualen System konkurrieren, mit Leuten, die aus dem traditionellen deutschen Berufsausbildungssystem kommen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit in Richtung Redner.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Das gilt auch für Herrn Abgeordneten Hentschel!

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])