Aber, wie auch in anderen Debatten schon gehört, sind diese Tatsachen offensichtlich egal. Man will Schleswig-Holstein in einem rosaroten Licht darstellen, weil man immer noch meint - wie lange eigentlich schon? -, dass diese Selbsttäuschung dann auch zu guten Erfolgen und zu einer guten Zukunft führt.
Ich bin davon überzeugt, dass das Gegenteil der Fall ist. Ich werde auch nicht müde, es zu wiederholen. Erst dann, wenn man eine vernünftige Analyse der tatsächlichen Situation zugibt, diese Analyse öffentlich verkündet, sich dazu stellt und sagt: „Diese Situation müssen wir ändern“, erst dann - -
- Herr Minister, lesen Sie doch Ihren eigenen Bericht. Sie haben hier gesagt, Sie könnten mit 2003 nicht zufrieden sein. Da sind wir vollkommen einig. Wenn Sie den schriftlichen Bericht, der schließlich auch veröffentlicht wird, lesen, stellen Sie fest, dass da leider etwas völlig anderes drin steht.
Ich will zum Thema Cluster kommen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird immer wieder etwas Neues erfunden, wenn man sonst nichts vorzuweisen hat. Im letzten Jahreswirtschaftsbericht waren die Mittelstandspecials das wesentliche Thema. Die Mittelstandspecials sind inzwischen offensichtlich aufgegeben worden, weil sich der Mittelstand in Schleswig-Holstein bedauerlicherweise nicht an diesen Specials ausgerichtet hat, sondern Pleite geht oder das Land verlässt. Jetzt haben wir Cluster. Wunderbar. Ein neues englisches Wort. Wir alle lieben die Anglizismen.
Im Übrigen ist jetzt auch der Tourismus ein Cluster. Es ist für mich völlig neu, dass der Tourismus ein Cluster ist. Der Tourismus war in Schleswig-Holstein immer einer der ganz wesentlichen Wirtschaftsfaktoren und ist das Gott sei Dank auch geblieben und befindet sich auf einem besseren Weg.
Eines kann man sicherlich sagen, nämlich dass das Cluster Chemie und Mineralöl in der letzten Zeit nicht so besonders clustermäßig funktioniert hat. Vielleicht war die Androhung, dieses Gebiet zum FFH-Gebiet zu machen, der Clusterpolitik nicht so ganz förderlich.
Für mich ist das Fazit: Wirtschaftspolitik ist nicht deshalb erfolgreich, weil der Wirtschaftsminister altbekannten Tatsachen fremdsprachliche Etiketten aufdrückt. Wirtschaftspolitik ist erfolgreich, wenn die wirtschaftlichen Daten zeigen, dass ein Land seine
Position im Vergleich mit Ländern mit ähnlichen Rahmenbedingungen und Einflüssen verbessert oder wenigstens nicht verschlechtert. Bei den wesentlichen gesamtwirtschaftlichen Daten fällt Schleswig-Holstein immer weiter hinter die anderen westdeutschen Flächenländer zurück. Meine Folgerung: Die Wirtschaftspolitik in diesem Land ist nicht erfolgreich, sondern bedauerlicherweise sehr wenig erfolgreich.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte die Kritik der FDP, dass dieser Tagesordnungspunkt nicht morgens um 10 behandelt wird, für völlig richtig. Es tut mir wirklich Leid, dass ich dieses Mal im Ältestenrat nicht dabei war. Die FDP hat leider nur beantragt, die Elementarpädagogik zu positionieren - als einzige Positionierung überhaupt. Sie hätten die Chance gehabt, andere Schwerpunkte zu setzen. Ich werde mich nächstes Mal dafür einsetzen, dass Ihr Vorschlag, Frau Aschmoneit-Lücke, aufgegriffen wird.
Der Wirtschaftsminister hat die Hoffnung geäußert, dass in den Beiträgen der Oppositionsfraktionen eine einzige gute neue Idee vorkommt, mit der die Wirtschaftspolitik des Landes bereichert wird, ein einziger Vorschlag, der weiterführt. Ich habe sehr genau gelauscht und einen Vorschlag gehört, nämlich bei der Clusterbestimmung die Hüttener Berge anders zu behandeln als Sylt. Das halte ich für sehr wegweisend. Ansonsten ist mir nichts aufgefallen.
Da wir nur wenig Zeit haben, will ich nur zwei Punkte herausgreifen, von denen ich glaube, dass der Wirtschaftsminister und die Wirtschaftspolitik dieses Landes in der Tat Neuigkeiten haben, die durchaus interessant sind.
Bei der Arbeit der Wirtschaftsbank ist mir Folgendes aufgefallen. Sie war in den letzten zehn Jahren übrigens an der Schaffung und Sicherung von circa
60.000 Arbeitsplätzen beteiligt. Sie hat ein neues Existenzgründerprogramm „EGP sofort“ aufgelegt, das für Existenzgründer eine verpflichtende Beratung bei Kernproblemen vorsieht. Das hat die Insolvenzquote von Neuunternehmerinnen und Neuunternehmern in den ersten beiden Geschäftsjahren fast halbiert. Das muss man feststellen.
Ein zweites Programm der Bürgschaftsbank, das ausgesprochen interessant ist, heißt BoB, Bürgschaft ohne Bank. Das ist eine Reaktion auf die Schwierigkeiten, die selbst die Sparkassen heutzutage machen, Unternehmen Kredite zu gewähren. Um das zu erleichtern, sind Kreditzusagen bis zu einer Höhe von 100.000 € - also genau in dem kritischen Bereich - in Zukunft für Kreditnehmer möglich. Es ist möglich, eine Kreditzusage für drei Monate zu bekommen, ohne vorher bei Ihrer Hausbank gewesen zu sein. Sie können also bereits mit einer fertigen Kreditzusage zu Ihrer Hausbank gehen und haben damit eine wesentlich bessere Voraussetzung, Kredite zu erhalten.
Das alles geht nicht ohne Risiko. Das wissen wir. Obwohl die Ausfallsquote bei der Bürgschaftsbank im Durchschnitt nur 3,7 % beträgt, fielen immerhin Ausfälle in Höhe von 10,4 Millionen € an. Das muss man auch zur Kenntnis nehmen. Natürlich sind auch Risiken dabei.
Ich erwähne die Arbeit der Bürgschaftsbank, weil sie für die Arbeit der mittelständischen Wirtschaft in Schleswig-Holstein so entscheidend ist. Diese Arbeit hat gezeigt, dass mit hoher Intelligenz neue Programme kreiert werden und diese Programme funktionieren. Das halte ich für wichtig. Wir alle, auch die klugen Wirtschaftspolitiker der Opposition, sind aufgerufen, Vorschläge zu machen, wie gut wirkende Programme eingebracht werden können, damit die Wirtschaftspolitik des Landes noch besser wird.
Ich möchte noch auf die Frage eingehen, was zu verbessern ist und ob die Mittel richtig eingesetzt sind. Es gibt einen Punkt, der mir Sorgen macht, nämlich dass wir viel zu viel Geld in alte, traditionelle Strukturen stecken und viel zu wenig Geld in die neuen Technologien, in die neuen Strukturen, in das, was immer so schön unter dem Stichwort Hightech läuft. Deswegen fand ich es bemerkenswert, dass vonseiten der Opposition in Zusammenhang mit Motorola der Vorschlag kam, weniger in Hightech zu investieren und mehr in Richtung Lowtech und zu den traditionellen Wirtschaftszweigen zu geben. Das
ist die Kernauseinandersetzung, die wir führen müssen. Sie müssen sich dazu bekennen: Wie soll eine zukünftige Wirtschaftspolitik aussehen? Wo sind die Zukunftschancen Schleswig-Holsteins? Sind Sie bei einem Zurück zur alten Förderpolitik, darin, Lowtech, traditionelle Strukturen zu fördern, oder muss man nicht gerade das Neue fördern und nicht immer nur versuchen, das Alte zu erhalten? Diese Diskussion führe ich mit Freude. Ich glaube, dass Sie auf dem Holzweg sind, Herr Kayenburg.
Zum Schluss ein Zitat. Das gönne ich Ihnen. Wie üblich, verrate ich Ihnen erst hinterher, wer es gesagt hat. Es lautet:
Wirtschaftspolitik hat etwas mit Psychologie zu tun. Das ist uns allen bekannt. Wollen Sie wissen, von wem das Zitat stammt? - Ludwig Erhardt.
Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich werde meine Rede etwas kürzen, was nicht bedeutet, dass das Thema bei uns nicht genauso wertgeschätzt wird wie in den anderen Fraktionen. Wir haben uns in der letzten Landtagstagung über das Strategiepapier „Wachstum und Beschäftigung“ unterhalten, dort unsere wirtschaftspolitische Diskussion geführt. Jetzt geht es darum, das konkrete Handeln des Wirtschaftsministers und der Landesregierung im letzten Jahr zu bewerten.
Ich glaube, der vorliegende Bericht zeigt deutlich, dass die Landesregierung seitens der Fördermöglichkeiten und im Kreditvergabebereich ein überaus gutes Angebot gerade für den Mittelstand entwickelt hat. Dabei sind die Förderprogramme des Landes gestrafft worden. So wird sich beispielsweise das Regionalprogramm in Zukunft verstärkt mit der Förderung des Tourismus und mit der Unterstützung der Cluster des Landes befassen. Es ist nicht zu unterschätzen, dass man diese Spezialisierung an einzelnen Standorten vornehmen will. Ich glaube schon, dass es der richtige Weg ist, wenn man nur über begrenzte Mittel verfügt. Deshalb sehen wir als SSW diese Straffung als sinnvoll an.
Die öffentlichen Kreditvergabemöglichkeiten des Landes für den Mittelstand sind sogar ausgebaut worden. Damit bildet die Landesregierung ein positives Gegengewicht zu den Privatbanken, die, nicht zuletzt bedingt durch Basel II, gerade in diesen konjunkturschwachen Zeiten sehr restriktiv bei der Kreditvergabe für kleinere und mittlere Unternehmen sind. Nach eigenen Angaben - das ist viel wichtiger - sind viele Mittelständler der Auffassung, dass die vielen bürokratischen Hindernisse neues Wachstum und neue Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein verhindern. Hier möchte ich einen konkreten Vorschlag machen. Der Wirtschaftsminister fragte, wie es mit konkreten Vorschlägen ist. Wir wissen, dass die meisten Entscheidungen, die zu großer Bürokratie geführt haben, auf Bundesebene oder in Brüssel beschlossen worden sind. Das heißt, dass die Politik in Schleswig-Holstein diese bürokratischen Hürden zunächst einmal sehr schwer verhindern kann.
Allerdings scheint es in dieser Frage in Berlin jetzt Bewegung zu geben. Bundeswirtschaftsminister Clement hat gerade 29 Vorschlage zum Bürokratieabbau durch das Kabinett bekommen. Diese sollen im Sommer nun vom Bundestag verabschiedet werden. Die Vorschläge für diesen Bürokratieabbau wurden mit guten Ergebnissen in einer Testphase in drei Modellregionen für den Bürokratieabbau - unter anderem in der Hansestadt Bremen - erprobt. In einer zweiten Testrunde - darauf bezieht sich nun mein Vorschlag - will das Bundesministerium neue Testpartner, so genannte Innovationsregionen, gewinnen, die weitere Vorschläge für den Bürokratieabbau und für Verwaltungsentschlackung erproben und vorlegen sollen. Meines Wissen gibt es sowohl im Kreis Flensburg als auch im Kreis Nordfriesland von verschiedenen Seiten Überlegungen, sich als Innovationsregion beim Bundeswirtschaftsministerium für die zweite Testrunde zu bewerben. Gerade der Landesteil Schleswig steht vor besonderen strukturellen und wirtschaftlichen Herausforderungen, nicht zuletzt wegen des großen Truppenabbaus in unserer Region. Daher würden wir vom SSW es als ein besonders positives Signal begrüßen, wenn der gesamte nördliche Landesteil als Innovationsregion Vorreiter beim Bürokratieabbau in Deutschland werden würde.
Durch diese Entbürokratisierungsprojekte könnte sich ein neuer wirtschaftlicher Schwung für den nördlichen Landesteil ergeben, den wir dort bitter nötig haben. Deshalb würden wir uns freuen, wenn die Landesregierung den Norden bei dieser Bewerbung bei der Bundesregierung entsprechend unterstützen
Ich füge noch einen zweiten Vorschlag an, der auch wichtig ist. Es handelt sich hier um ein Bundesprogramm. Wir regen an, dass die Landesregierung eigene Vorschläge macht, wie man in den Innovationsregionen auch Landesregelungen auf Entbürokratisierungspotenziale überprüfen kann. So lassen sich über kurz oder lang vielleicht auch Landesregelungen vereinfachen. Wir sollten also Bundes- und Landesregelungen in diesen Regionen abprüfen und darauf schauen, was wir dort verändern können. Damit würden wir, wie ich glaube, der mittelständischen Wirtschaft helfen. Die Landesregierung sollte also diese positiven Vorschläge der Bundesregierung für den Bürokratieabbau offensiv aufgreifen und begleiten.
Ein weiteres Problem für den Mittelstand sind die Hürden, die damit verbunden sind, ab wann Betriebe neue Beschäftigte einstellen können. Diese liegen nicht ausschließlich in den Kündigungsschutzbedingungen begründet. Aus Sicht des Mittelstandes sind es insbesondere die trotz der Agenda 2010 viel zu hohen Lohnnebenkosten, die praktisch einer Strafsteuer für die Anstellung von Arbeitnehmern gleichkommen. Wieso ist ein deutscher Handwerker bei gleichem Nettoeinkommen fast 30 % teurer für sein Unternehmen als beispielsweise ein dänischer Handwerker? Wir brauchen eine Senkung der Lohnnebenkosten, die die Betriebe wirklich spüren können. Hier hilft unserer Meinung nach nur eine völlige Änderung der Finanzierung des Sozialstaates. Wir brauchen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Senkung der Lohnnebenkosten, wie wir dies aus den skandinavischen Ländern kennen.
Die Landesregierung - auch dies ist, zumindest mittelbar, ein Erfolg des letzten Jahres - hat dazu im Bundesrat konkrete Vorschläge eingebracht. Wir sind also nicht schuld daran, dass sich nichts bewegt. Leider erkennen die Bundespolitiker jedweder Couleur aber nicht den Kern der Idee: Es handelt sich nicht um eine Steuer- oder Abgabenerhöhung, sondern um eine Umverteilung innerhalb des Systems, die fast unter Garantie für mehr Beschäftigung sorgen würde. Oft ist es aber so, dass der Prophet es im eigenen Land schwer hat. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis man in Berlin die Vorzüge des skandinavischen Gesellschaftsmodells auch für die Wirtschaft und gerade für den Mittelstand erkennt. Trotzdem sollten wir anerkennen, was die Landesregierung hier getan hat. Trotzdem sollten wir nicht aufhören, weiter die entsprechenden Bretter auf Bundesebene zu bohren.
Ich gehe davon aus, dass der Wirtschaftsbericht 2004, Drucksache 15/3451, zur abschließenden Beratung dem Wirtschaftsausschuss überwiesen werden soll. - Ich sehe heftiges Kopfnicken. Ich frage, wer so be