Die großen Aufgaben der Europapolitik werden es sein, nicht nur die Währung zusammenzuhäkeln, die im Übrigen eine der stärksten Währungen der Welt geworden ist. Sie ist in nahezu allen Ländern, in denen früher der Dollar war, zur Ersatzwährung geworden. Wir müssen Arbeit, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung so zusammenbringen, dass wir langsam aber sicher - und nicht Hals über Kopf - gemeinsam in eine Wirtschaftsstruktur hineinkommen, in der wir nicht nur den Euro als etwas Gemeinsames betrachten, sondern auch die Fragen: Wie viel Arbeitslose wir haben? Was wir tun müssen, um sie zu bekämpfen? Was müssen wir tun, um die soziale Sicherheit der Menschen zu garantieren? Was müssen wir tun, um wettbewerbsfähig zu sein? Das alles fragen wir für 450 Millionen Menschen. Dabei hat der Euro auch eine große Rolle zu spielen. Er ist aber nicht allein von Bedeutung. Europa ist mehr als die Summe aller Euros, die jetzt ausgegeben werden.
Wir haben hier in Schleswig-Holstein angefangen, unsere Wirtschaftsförderung, die auch stark mit EUMitteln ausgestattet ist, besonders auf die chancenreichen Wachstumsfelder in Europa zu konzentrieren. Dazu gehören - wie Sie wissen - die Gesundheitswirtschaft, die Mikrosystemtechnik, die Informationstechnik, Multimedia, die maritime Wirtschaft, die erneuerbaren Energien, Tourismus und die Ernährungswirtschaft. Meine Reise in der kommenden
Woche in die drei baltischen Staaten mit einer hochkarätigen Delegation aus Schleswig-Holsteins Gesundheitswirtschaft ist ein Beispiel dafür, wie wir durch ein gemeinsames Auftreten, denn es wird bestimmt auch ein Hamburger Vertreter dieser Wirtschaft dabei sein, unsere Wettbewerbsfähigkeit im Ostseeraum darstellen und stärken können. Die strategische Allianz mit Hamburg in der Boomregion Ostsee ist dabei für uns genauso von Nutzen wie für Hamburg. Die STRING-Kooperation hat uns gezeigt, wie man so etwas aufbauen muss, nämlich ganz langsam, von Grund auf und nicht von oben übergestülpt.
Wir wissen, dass das Meer Zukunft hat. Wir wollen der maritimen Wirtschaft und der Forschung stärkeren Rückenwind geben. Ich finde es immer wieder verblüffend: Wenn ich irgendwo erzähle, dass wir das Thema „Zukunft Meer“ haben, zum Beispiel gestern Abend bei dem ersten Sponsorenessen des Musikfestivals, dann gucken die Menschen mich einen Moment an und sagen: Eigentlich haben Sie Recht! Warum sind wir darauf nicht früher gekommen? Es ist witzig, wie lange etwas vor der Haustür liegen kann, ehe man den gemeinschaftlichen wirtschaftlichen Nutzen erkennt. Dass wir ein Meer hatten, wussten wir; dass wir Werften haben, die arbeiten, wussten wir auch. Dass es hier Reeder gibt, die größte Schiffsfinanzierungsbank der Welt - das wussten wir alles. Aber die Erkenntnis, dass dies alles zusammen etwas ergibt, was mehr ist als die Summe all dieser einzelnen Teile, scheint sich bei uns erst jetzt langsam durchzusetzen. Ich bin froh, dass ich diesbezüglich einmal einen sehr lichten Moment gehabt habe. Sonst habe ich lichte Momente. Hier hatte ich einen sehr lichten Moment.
- Ich komme langsam zum Ende. - Ich wollte noch darauf aufmerksam machen, dass für Sie die so genannte Kieler Erklärung, der 14-Punkte-Katalog zum geschützten Seeverkehrsgebiet der Ostsee, durchaus vorzeigbar ist. Wir haben uns bei dieser Konferenz vorgestellt, es gäbe so etwas wie die „Prestige“ in der Kadettrinne. Diese Vorstellung ist so schrecklich, dass vor lauter Schreck alle diese 14 Punkte mit unterschrieben haben, ganz gleich, woher sie gekommen sind. Sogar die russische Seite hat sich bereit erklärt mitzumachen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann zum Schluss nur noch appellieren, dass wir all unsere Überzeugungskraft aufbringen, unsere jeweiligen
Wähler zu bitten, zur Europawahl zu gehen. Die 99 Sitze sind uns sicher, aber unser Einfluss wächst mit der Wahlbeteiligung. Wer nur 20 % seiner Leute an die Urne bekommt, kann hinterher in den Ausschüssen nicht für 100 % Wünsche äußern. Deswegen wäre es gut, wenn wir alle zusammen den Menschen im Land sagen würden: Geht zur Wahl. Dies ist auch in unserem Interesse.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade gehört: Europapolitik ist Landespolitik. Unsere Ministerpräsidentin hat dies in ihrem Bericht sehr anschaulich dargestellt.
Im neuen Europa ist Schleswig-Holstein ökonomisch und geopolitisch in die Mitte gerückt. Wir sind eine europäische Region mit besonderen Chancen, mit Verbindung zu den nordischen Staaten und zu den östlichen Anrainern. Deshalb wollen und werden wir Wegbereiter von Vereinbarungen und Verbindungen mit unseren Freunden in Dänemark, in Norwegen, in Schweden, in Finnland, in den baltischen Staaten und in Polen sein und uns in besonderem Maße für eine zügige Integration der russischen Regionen an der Ostsee einsetzen.
Auch wenn wir in der Europapolitik des Landes zumeist über Fraktionsgrenzen hinweg einvernehmlich politische Beschlüsse fassen, möchte ich doch an dieser Stelle daran erinnern: Es waren Sozialdemokraten, die das Mare Balticum wieder mit Leben erfüllt haben.
„Das Mare Balticum, die Ostsee, als Region einer aufblühenden wirtschaftlichen und kulturellen Begegnung ist eine unserer großen Visionen. Unser Land Schleswig-Holstein steht als Partner dafür bereit.“
Dies konnten wir in der Regierungserklärung von Björn Engholm im Jahre 1988 lesen. Es war HeinzWerner Arens, der die Parlamentarier der OstseeAnrainer zusammengebracht hat. Es war Franz Froschmeier, der das Hanse-Office zu einer leistungsfähigen Vertretung in Brüssel aufgebaut hat. Es war Gerd Walter, der diese Initiativen über die Ostsee hinaus verkörperte. Es ist Heide Simonis, die Europapolitik in diesem Land zur Chefsache gemacht hat.
Die Idee der Zusammenarbeit im Ostseeraum als Region mit eigener Identität hat sich seitdem durchgesetzt und etabliert. Ostseekooperation steht heute auf der politischen Tagesordnung der Europäischen Union, der nationalen Regierungen, der Nichtregierungsorganisationen und zahlreicher lokaler und regionaler Gebietskörperschaften.
Die Ostseekooperation ist schon heute eine faszinierende Erfolgsgeschichte. Wo vor knapp 60 Jahren Krieg und Zerstörung herrschten und noch vor wenigen Jahren verfeindete Blöcke aufeinander stießen, hat sich in den letzten Jahren ein Klima des Vertrauens, der Zusammenarbeit und der Verständigung entwickelt. Heute trennt die Ostsee nicht mehr, sondern sie ist ein Identitätsstifter geworden, ein Meer, das verbindet.
Grundlage dieses Erfolges ist die zunehmende Besinnung auf das gemeinsame Potenzial dieser Region: die Gemeinsamkeiten in Kultur und Geschichte, die den Ostsee-Anrainern das Gefühl der Zusammengehörigkeit geben, und der gemeinsame Markt mit mehr als 50 Millionen Menschen.
Handel und Verkehr sind auf Wachstumskurs. Ohne Zweifel gehört der Ostseeraum zu den Zukunftsregionen Europas. Ostseepolitik wird in einer erweiterten Europäischen Union immer wichtiger. Je größer die Europäische Union wird, desto nötiger ist eine gemeinsame Entwicklungspolitik der Ostsee-Anrainer für die Regionen und ihr gemeinsames Handeln in Brüssel. Nur so können sie im Wettbewerb mit anderen Großregionen in Europa bestehen. Die Alternative heißt: Entweder behauptet sich der Nordosten Europas gemeinsam in einer größeren Europäischen Union oder er wird politisch und ökonomisch an den Rand gedrängt.
Diese Richtungsentscheidung hat auch für SchleswigHolstein Konsequenzen. Wenn die Ostseeregion als Ganzes wächst, wird auch unser Land besser vorankommen. Die Stärken Schleswig-Holsteins liegen nicht nur im fachlichen Bereich, sondern in erster Linie darin, dass die neuen Beitrittsländer großes Vertrauen in Deutschland und hier insbesondere in Schleswig-Holstein setzen. Unsere fachlichen Stärken liegen in den Bereichen Gesundheit, Energie und Ernährungswirtschaft. Hierin haben wir Know-how, sind kooperationsfähig und können daraus am ehesten einen neuen Markt entwickeln.
In der Medizintechnik sind wir führend. Wir haben zwei medizinische Universitäten, die weit über die Grenzen anerkannt sind. Im Umfeld haben sich un
zählige Firmen mit großem Wissen angesiedelt, die die Möglichkeiten und Chancen für Zusammenarbeit und Kooperation nutzen werden. Beispielhaft erinnere ich an die gute Zusammenarbeit mit Norwegen auf diesem Gebiet.
Kein Bundesland hat mehr Erfahrung mit erneuerbarer Energie als wir. Nach der Zusammenführung der Energiestiftung und der Technologiestiftung zur Innovationsstiftung haben wir unsere Kräfte so gebündelt, dass auch hier mit großen Erfolgen zu rechnen ist.
Für unsere Ernährungswirtschaft haben wir eine leistungsfähige Landwirtschaft im ökologischen und ökonomischen Landbau. Bei der Veredelung von Nahrungsmitteln besitzen wir Kompetenzen, die die Fachleute gewinnbringend einbringen können.
Die Politik hat in den letzten Jahren die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn erarbeitet. Meine Damen und Herren, die Ostseepolitik braucht den Motor Schleswig-Holstein. Das gilt für die großen Verkehrsprojekte wie die A 20 und die Fehmarnbelt-Querung, für die grenzüberschreitende Vernetzung der Hochschulen, für die Europäisierung von Bildung und Ausbildung und so weiter. Diese erfolgreiche Kooperation der Partner aus Südschweden, Dänemark und Schleswig-Holstein im Projekt „Südliche Ostsee“ wollen wir fortsetzen und vertiefen.
Die Wachstums- und Zukunftsregion Ostsee birgt hervorragende Chancen im Europa von morgen. Dabei kann der Ostseerat eine führende Rolle übernehmen. In dem vom Ostseerat im Jahre 1996 in Kalmar beschlossene Aktionsprogramm sind alle wichtigen Forderungen für die Entwicklung der Ostseeregion enthalten: Förderung menschlicher Begegnungen und Sicherheit der Bürger, wirtschaftliche Entwicklung und Integration, Schutz der Umwelt und ökologische Erneuerung. Dies gilt es, Schritt für Schritt unter Einbeziehung aller Akteure umzusetzen.
Wir wollen die gemeinsame Interessenvertretung der Ostseepartner in Brüssel stärken. Dabei ist das Hanse-Office für uns eine große Hilfe. Das HanseOffice - die Ministerpräsidentin sagte es bereits - ist nicht nur das älteste Länderbüro, sondern auch eines der erfolgreichsten. Mehrere Tausend Anfragen aus unserem Land pro Jahr beweisen, dass viele Firmen, Kommunen, Institutionen und auch Privatpersonen das Wissen dieses Büros und diesen Service nutzen.
Erstaunt hat mich allerdings vor einigen Tagen, als ich im „Flensburger Tageblatt“ las, dass der Spitzenkandidat der CDU davon noch nichts mitbekommen hat.
Meine Damen und Herren, die politische Union Europas ist nicht nur Kern und Garant künftiger Stabilität auf dem Kontinent, sondern auch die europäische Antwort auf die Globalisierung und auf die Frage nach der künftigen geistigen und politischen Identität der europäischen Völker und Staaten.
Die Prinzipien der Aufklärung, die Tradition des Sozialstaates, die Achtung der Menschenrechte, die Bereitschaft zu ökologischer und ökonomischer Verantwortung und internationaler Solidarität sind vor allem im Norden in Europa stärker ausgeprägt als in anderen Teilen der Welt. Europa ist für die Sozialdemokraten nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern vor allem eine politische Wertegemeinschaft. Die Seele Europas ist eine soziale Demokratie.
Mit der künftigen europäischen Verfassung werden große Fortschritte in Kernbereichen der europäischen Politik gemacht. Die Europäische Union wird dadurch bürgernäher, handlungsfähiger und demokratischer. Schon heute ist klar: Das Ergebnis ist ein Meilenstein in der Geschichte der europäischen Integration. Europas Verfassung wird ein fortschrittlicher und zukunftsweisender Werte- und Zielkatalog vorangestellt. Werte wie Frieden, Solidarität und Gerechtigkeit werden in der europäischen Politik zukünftig qua Verfassung eine zentrale Rolle spielen.
Meine Damen und Herren, zum Schluss fasse ich wie folgt zusammen. Die Osterweiterung der Europäischen Union ist kein Gnadenakt des Westens gegenüber dem Osten, sondern ein Vorhaben von gegenseitigem Nutzen. Die bisherige Mitgliedstaaten der Europäischen Union und auch Schleswig-Holstein haben politische und wirtschaftliche Vorteile bei der Erweiterung. Die neue Europäische Union wird durch die damit verbundene Intensivierung der Kontakte zu einer Stabilisierung von Demokratie, Rechtsstaat, Wirtschaft und Gesellschaft in den Reformländern führen und die Gefahr unkontrollierter politischer Entwicklungen vermindern. Gleichzeitig verbessern sich die Voraussetzungen für die Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen entscheidend. Vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund wird sich auch das soziale und kulturelle Europa schneller entwickeln. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die gemeinsam erarbeitete Verfassung auch eine gemeinsame Grundlage wird. Das Zusammenwachsen Europas zu einem
Raum des Friedens, der Sicherheit, des Wohlstands und der Stabilität ist nach wie vor die historische Aufgabe der Europäischen Union und oberstes Ziel ihrer Politik. Für uns in Schleswig-Holstein ist dies Verpflichtung und Chance zugleich. Darum bitte ich auch Sie: Werben Sie dafür, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen zur Europawahl gehen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin und liebe Kollegin Ulrike Rodust, was Sie gesagt haben, ist zum großen Teil richtig, das könnte auch ich sagen, ich glaube, das könnten wir alle sagen. Aber ich habe die Aufgabe etwas anders verstanden. Ich habe sie so verstanden, dass Instrumente und Konzepte herausgearbeitet werden, die uns ermöglichen, im Rahmen der vier Herausforderungen auch wirklich Landespolitik zu machen. Sie haben die Herausforderungen erwähnt, Frau Ministerpräsidentin, einmal die zehn neuen, ehrgeizigen Mitgliedstaaten, die am 1. Mai in die EU eingetreten sind, dann die neue EU-Verfassung, die Lissabon-Strategie und die Strukturdebatte über die Mittel, die wir für unser Land erwarten können.
Es ist nichts Neues, dass Europapolitik auch Landespolitik ist. Das haben wir auch immer so gemacht, da gibt es genug Berichte, Reports und Reisen, auch Sie haben es wieder erwähnt. Landespolitik wird schon als Europapolitik gemacht. Aber wir müssen für die Zukunft Konzepte entwickeln. Wir müssen unseres Chancen im Rahmen der Herausforderungen nutzen.
Ich möchte durchaus auf positive Entwicklungen hinweisen, aber auch auf Gefahren, auf Schwachstellen und auf ständige Verbesserungsnotwendigkeiten.
Zur Verfassung. In Teil I des Verfassungsentwurfs wurden in den Artikeln 11 bis 18 - das geschah unter Mitwirkung der zehn neuen Mitglieder - die Kompetenzen definiert in ausschließliche und geteilte Zuständigkeiten sowie in Bereiche, in denen die Union die Länder unterstützt und koordiniert. Die ausschließliche Kompetenz der Union ist sicherlich unstrittig.
gen verbunden sein, da sich die Kommissare dann ihre verfassungsrechtlich definierten Politikfelder aneignen werden. Auf den Umfang müssen wir achten. Ist sich die Landesregierung der Politikbereiche bewusst, wo der Einfluss der Union dann zu groß werden kann? Gibt es vorbereitete konkrete Abgrenzungen der Aktivitäten der Landesregierung zu den Aktivitäten der Europäischen Union, wenn diese in Bereiche geteilter Zuständigkeiten fallen?