Protokoll der Sitzung vom 18.06.2004

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock)

Deshalb ist der komplette Ausstieg aus einer grundlastfähigen, klimafreundlichen Technologie, die dieser Welt immerhin den Ausstoß von 170 Millionen t CO2 allein in Deutschland erspart, in der heutigen Zeit kaum zu verantworten.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb können wir uns auch eine teure Ressourcenverschwendung in nicht grundlastfähige Energieträger nicht leisten. Weder klimamäßig noch versorgungsmäßig sind erneuerbare Energien auch nur ansatzweise in der Lage, in Industriegesellschaften einen ernsthaften, substanziellen Beitrag zur Energieversorgung zu leisten. Deshalb brauchen wir ein Konzept, das uns nicht nur mit Windmühlen zupflastert, sondern auch CO2 vermeidet.

Auf Seite 16 Ihres Berichtes können Sie nachlesen, dass der CO2-Ausstoß in Schleswig-Holstein trotz einer Steigerung der Windenergieproduktion gestiegen ist. Der Emissionshandel und die Windenergieförderung bisheriger Art passen einfach so nicht zusammen - das hat der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums vor wenigen Wochen auch festgestellt -,

(Beifall bei CDU und FDP)

weil sich das sozusagen wechselseitig behindert. Sie haben selbst eingeräumt - Frau Ministerpräsidentin, darüber haben Sie leider nicht gesprochen; in dem Bericht steht es aber drin -, der KWK-Ausbau stockt im Moment. Sie können nicht auf Dauer eine Energiepolitik gegen jede Marktverhältnisse betreiben. Und doch versuchen Sie es.

Inzwischen sind wir bei 2 Milliarden € pro Jahr Windenergieförderung angelangt und bei 40 % staatlichem Anteil am Strompreis. Wir reden über 53,9 Milliarden €. Trotzdem soll die Windenergie ohne nennenswerte Veränderung der Förderpolitik in der Förderungshöchstdauer bis 2020 so ausgedehnt werden.

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, Sie brüsten sich auch heute wieder wirtschaftspolitisch mit der deutlich wachsenden Windbranche. Es ist doch überhaupt keine Kunst. Bei derartigen staatlichen Garantien, Einspeisevergütungen müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn eine solche Industrie, in der Lizenzen zum Gelddrucken ausgegeben werden, nicht wüchse.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Das ist keine besondere politische Leistung.

Die Nagelprobe kommt erst, wenn der inländische Markt wirklich gesättigt ist, wenn - was sich ankündigt - die Offshore-Technik auch nicht das bringt, was sie bringen soll. Auch da kündigen sich deutliche Hindernisse an. Wenn es dann gelingt, Arbeitsplätze zu erhalten, weil im Ausland ein ernsthafter, klimapolitisch sinnvoller Beitrag geleistet werden kann und die Politik dabei helfen kann, wäre das eine politische Leistung, die wirklich sinnvoll wäre. Dann könnte man Ihnen gratulieren. Wir wollen diese Politik nach dem 20. Februar durchaus machen.

(Beifall bei der CDU)

Der Transrapid brauchte nicht ganz Deutschland und jede Strecke als Referenzstrecke, um exportiert werden zu können. Aber sogar eine einzige haben Sie in Deutschland verhindert. Bei der Windenergie wollen Sie ganz Deutschland zupflastern, obwohl sie energiepolitisch ernsthaft nicht gebraucht wird. Wir brauchen nicht neue Dauersubventionen und auch nicht in alte Industriezweige, die keine dauerhafte Perspektive haben, sondern wir brauchen eine differenzierte Forschungsförderung, wir brauchen eine differenzierte Förderpolitik, um differenzierte Lösungen je nach Bedarf zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU)

Deutschland droht in ganz bestimmten Disziplinen - auch energietechnischen Disziplinen - völlig zur Forschungswüste zu werden. Sie haben so viel über Forschung geredet. Lesen Sie es einmal in Ihrem eigenen Bericht nach. Da stehen zehn Zeilen. Darin stehen in 70 Seiten Bericht zehn Zeilen über Forschung drin. Das ist nicht genug.

(Beifall bei der FDP)

Gleichzeitig werden um uns herum Reaktoren gebaut, in Finnland und in Frankreich. Deutsche Wissenschaftler werden irgendwann nicht mehr gebraucht werden. Aber wir werden den Strom aus diesen Kernkraftwerken beziehen müssen.

Wir brauchen nicht neue Wettbewerbsverzerrung mit schädlichen Folgen für Industriearbeitsplätze, sondern Anreize an der richtigen Stelle, Rahmendaten statt Planwirtschaft. Stattdessen haben Sie die Windenergie überstürzt ausgebaut, ohne Rücksicht auf die vorhandenen Netzstrukturen. Das wird nicht langen. Wir produzieren immer mehr Windenergie. Der CO2Ausstoß steigt trotzdem. Die Netze halten das auf Dauer nicht aus. Wir reden über 600 Millionen € für die Offshore-Kabel, die noch verlegt werden müssen. Da kommt es zu einer witzigen, geradezu karikaturhaften Entwicklung. Der Umweltminister ist jetzt gar nicht da. Er muss zugucken, wie die Erdkabel, die

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock)

gelegt werden sollen, mitten im Nationalpark Wattenmeer verlegt werden müssen, weil sich das Bundesunternehmen Deutsche Bahn AG weigert, sie direkt am Hindenburgdamm entlang verlegen zu lassen. Herzlichen Glückwunsch, Herr Umweltminister, zu dieser wunderbaren Entscheidungsalternative, vor der Sie stehen. Sie müssen das ja alles genehmigen.

Über den veralteten Kraftwerkspark lesen wir auch nichts, auch nicht über den Investitionsstau. Wir reden über 40.000 bis 50.000 MW

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

die für etwa 50 Milliarden € ersetzt werden müssen. Investitionssicherheit für Energieversorger ist bei Ihnen offensichtlich ein Fremdwort. Sie brauchen das aber, um überhaupt planen zu können. Wann und wo sollen die Kraftwerke geplant werden? Darüber haben wir vor zwei Monaten schon einmal im Landtag diskutiert. Ihre diesbezügliche Vorsorge fehlt völlig. Das fehlt auch bei der Aufzählung der vier wesentlichen Ziele in Ihrem Bericht. Auf Seite 31 haben Sie vier wesentliche Ziele genannt, die universell gelten sollen, aber die Vorsorge, wo neue Kraftwerkstandorte sein sollen und welche Kraftwerke es denn werden sollen, fehlt vollkommen. Mit KWK werden Sie den Bedarf in einer modernen Industriegesellschaft nicht decken können. Das ist so ähnlich, als wenn Sie zum Löschen einen Großbrandes eine Gießkanne nehmen würden.

Wir wollen nicht nur Nein sagen. Wir sagen auch, was sinnvoll wäre. Über die Verbesserung der Wirkungsgrade der fossilen Kraftwerke zur Verbesserung des Klimaschutzes findet sich in Ihrem Bericht nichts Substanzielles. Sie reden stattdessen nur über KWK. Dabei wäre das viel wichtiger, um die Anforderungen von Kyoto erfüllen zu können, und zwar mit realistischem Aufwand.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Wir brauchen auch mehr Forschungsförderung. Das habe ich schon gesagt. Zusätzlich notwendiger Ausbau des Kraftwerks durch Windenergiereservekapazitäten kommt noch. Herr Vahrenholt hat die Politik vor einigen Tagen geradezu beschworen, einer Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke zuzustimmen, um nicht so viel Reservekraftwerke für die Windenergie bauen zu müssen.

Noch so starke Polemik und Kraftworte werden auf Dauer nicht verhindern, dass wir angesichts der wieder schmerzvoll spürbar gewordenen Abhängigkeit von ausländischen fossilen Energieträgern über einen

neuen, anderen Energiemix diskutieren müssen, als Rot-Grün ihn bisher herbeireden wollten. Meine Damen und Herren, Ihr Traum wird enden. Wir sind in der Realität angekommen, nicht nur in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, auch in der Energiepolitik. Es ist vermessen, außen-, energie-, umwelt- und sicherheitspolitisch vermessen und nicht realistisch, am spezifischen deutschen energiepolitischen Wesen die Welt genesen lassen zu wollen. Das macht die Welt nicht mit.

(Beifall bei der CDU)

Zunächst weise ich noch einmal darauf hin, dass die Benutzung von Handys für Telefonate oder SMS strikt verboten ist. Herr Abgeordneter Hentschel, Sie haben das Pech, dass ich Sie erwischt habe. Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf.

Auf der Tribüne begrüße ich die nächste Gästegruppe, Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte der KlausHarms-Schule aus Kappeln. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Malerius.

(Zuruf: Hast du dein Handy aus? - Heiter- keit)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kerssenbrock, wie immer ein Feldzug gegen die Windenergie und dann schön Atomenergie wieder anschaffen! Ich weiß nicht, ob Sie - Energie scheint Sie wohl nicht zu interessieren, da Ihre Ränge sehr leer sind - in dieser Woche in der „Bunte“ gelesen haben, was Ihr Freund Carstensen zur Windenergiepolitik gesagt hat.

„Wo, wenn nicht hier, sollte dieser Art der regenerativen Energie genutzt werden?“

(Beifall bei der SPD - Friedrich-Carl Wodarz [SPD]: Wo er Recht hat, hat er Recht!)

„Wind haben wir schließlich fast immer. Aber richtig ist, dass wir auf das so genannte Repowering setzen sollten.“

Ich glaube, Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben viel Klärungsbedarf mit Ihrem Parteivorsitzenden.

(Wilhelm-Karl Malerius)

Ein Land voll Energien und Ideen, mitten in Europa, das ist Schleswig-Holstein.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine vitale Drehscheibe in der Ostseeregion, dem sechsgrößten Wirtschaftsraum der Erde. SchleswigHolstein ist ein moderner Wirtschafts- und Technologiestandort mit hoch innovativen Branchen.

Seit gut einem Jahrzehnt setzt unser Land auf eine der wichtigsten natürlichen Energiequellen, den Wind. In keiner anderen Region weltweit hat die Windenergie einen so großen Anteil am Gesamtstromverbrauch - im Jahr 2002 bereits ein Viertel, und dabei soll es nicht bleiben. Bis zum Jahr 2010 sollen 50 % des im Land verbrauchten Stroms aus Windkraft produziert werden, im Einklang mit Tourismus und Landschaftsschutz.

Die Ersetzung vieler kleiner Windenergieanlagen durch wenige große - Repowering - und vor allem die Errichtung der ersten Offshore-Pilotprojekte in Nord- und Ostsee werden die Rolle Schleswig-Holsteins als Windland Nummer 1 etablieren. Rund 4.000 Arbeitsplätze wurden bisher in dieser zukunftsorientierten Technologie in Schleswig-Holstein geschaffen, deren Entwicklung vor allem den Mittelstand stärkt. Von weltweit etwa zehn Entwicklungsprojekten für Multi-Megawatt-Windkonverter werden allein fünf in Schleswig-Holstein bearbeitet.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es besteht die große Chance, hochwertige Arbeitsplätze zu erhalten und weitere zu schaffen sowie diese relativ junge Branche international wettbewerbsfähig zu halten.

Dazu bedarf es einer Intensivierung des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Die Hochschulen in SchleswigHolstein wollen durch die Gründung des Kompetenzzentrums „Windenergie Schleswig-Holstein“ konstruktiv ihre Ressourcen in dieses Thema einbringen. Das Kompetenzzentrum soll ein Bestandteil im Cluster „Erneuerbare Energien“ der Landesregierung werden. Ziele sind die Bündelung der technologischen Ressourcen und das Know-how der Hochschulen sowie die gemeinsame Bearbeitung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten.

Schleswig-Holstein setzt allerdings nicht nur auf Wind, um neue Energien zu erschließen. Auch mit Biogasanlagen, Holz- und Strohheizkraftwerken sowie profilierten Herstellerfirmen spielt unser Land in der Bundesrepublik bei der Energiegewinnung aus