Protokoll der Sitzung vom 25.08.2004

Auf eine Frage, Herr Kollege Kayenburg, sind Sie nicht eingegangen, nämlich, wie Sie denn zu den grundsätzlich anderen Auffassungen der FDP, was Sparkassen betrifft, stehen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das habe ich dargestellt! Was wollen Sie mehr?)

Da bin ich gespannt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kreditwirtschaft trägt mit mehr als 5 % zum Bruttoinlandsprodukt in Schleswig-Holstein bei. Mehr als 10.000 Beschäftigte gibt es derzeit bei den Sparkassen in unserem Land. Wir reden also über einen der größten Arbeitgeber im Lande Schleswig-Holstein.

Ich gehe davon aus: Wenn die Große Anfrage der SPD-Landtagsfraktion im November durch die Landesregierung beantwortet sein wird, werden wir hier im Landtag und in seinen einzelnen Gremien eine intensive Debatte über die Zukunft des Sparkassenwesens in unserem Land führen.

Wir Sozialdemokraten verfolgen das Ziel, die Grundstruktur des Sparkassenwesens, nämlich die ortsnahen Angebote für die Menschen im Lande und auch die Arbeitsplätze im Lande für die Zukunft weitgehend zu sichern.

(Beifall bei der SPD)

Das dreigliedrige System von öffentlichen, genossenschaftlichen und Privatbanken hat sich grundsätzlich bewährt. Natürlich versuchen Privatbanken, mit einem Anteil von circa 39 % gegenüber 48 % der Sparkassen und Landesbanken ihre Marktanteile auf Kosten des öffentlichen Bankensektors zu vergrößern. Das gleiche Ziel versuchen auch die parlamentarischen Treuhänder in den Parlamenten, die Liberalen in ihrer Ausformung der heutigen FDP, umzusetzen.

Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Hier geht es gar nicht mehr um mehr Markt, sondern um mehr Macht für die Privatbanken, die sich in den letzten Jahren immer mehr aus der Fläche zurückgezogen haben, wie wir auch aus vielen Diskussionen mit Wirtschaftsvertretern wissen.

Dieser Entwicklung zulasten der privaten Kunden wollen wir durch eine dauerhafte Stärkung und Absi

cherung der Sparkassen im eigenen Lande entgegenwirken.

Dabei wissen wir natürlich ganz genau, dass es auch Umstrukturierungsprozesse infolge der Globalisierung sowohl für den privaten als auch für den öffentlichen Bankensektor geben wird. Es kommt für die öffentlichen Institute darauf an, sich nach dem Wegfall der Gewährsträgerhaftung und der Staatsgarantien neu aufzustellen. Wir sind allerdings mit der Landesregierung der Überzeugung, dass das öffentlich-rechtliche System eine Grundstruktur ist, die auch in Zukunft so erhalten bleiben muss.

Werfen wir einmal einen Blick auf die Situation der Sparkassen im Lande, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat. 1968 gab es noch 60 Institute. 1996 war es die Hälfte. Heute zählen wir im Land noch 22 Sparkassen.

Allein im Jahr 2003 kam es zu vier Zusammenschlüssen. Die Sparkassen Wilster und Steinburg schlossen sich zur Sparkasse Westholstein zusammen. Drei Monate später kam die alte Marner Sparkasse hinzu. Die Sparkassen in Nordfriesland und Schleswig-Flensburg fusionierten zur Nord-Ostsee-Sparkasse. Auf das gallische Dorf Flensburg will ich in diesem Fall nicht eingehen; dann müsste ich über Fusionsverhandlungen reden. Die Kreissparkassen Pinneberg und Bad Segeberg schlossen sich zur Sparkasse Südholstein zusammen. Seit wenigen Wochen gibt es den Zusammenschluss von Ostholstein und Stormarn zur Sparkasse Holstein; sie wird die größte in unserem Land sein.

Das heißt, wir erleben zurzeit einfach aufgrund der Marktbedingungen Fusionen, die aus sich selbst heraus von der kommunalen Ebene vorangetrieben werden. Ich gehe davon aus - ich werde aber keine Details nennen -, dass es in Zukunft weitere Fusionen geben wird. Dies ist von mir und meinem Kollegen Klaus-Dieter Müller bei der Vorstellung unserer Großen Anfrage gegenüber den Medien deutlich so gesagt worden.

Ein weiterer Punkt, mit dem wir uns beschäftigen müssen, ist die Hamburger Sparkasse. Man muss sie in der Debatte namentlich erwähnen. Die Hamburger Sparkasse steht kurz vor einem Einstieg bei der freien Sparkasse Lübeck, nachdem sie schon bei der Sparkasse Mittelholstein AG mit 14 % eingestiegen ist und die Absicht hat, bei der Sparkasse Bredstedt ebenfalls einsteigen zu wollen.

Die Fusionsbeispiele machen deutlich: Es gibt Bewegung in der Sparkassenlandschaft in unserem Land. Das ist auch in unserem Sinn, wenn es denn zu einer Stärkung der Sparkassen führt. Regional verankerte

(Lothar Hay)

starke Sparkassen leisten einen entscheidenden Beitrag zur Stärkung der Strukturen vor Ort.

Ein weiterer Punkt ist uns wichtig: Sie gewährleisten die Versorgung des Mittelstandes mit Geld und kreditwirtschaftlichen Leistungen und sind damit aus unserer Sicht ein entscheidender Faktor der Grunddaseinsvorsorge.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle muss ich allerdings - wie ich es schon mehrfach gemacht habe - deutlich darauf hinweisen, dass ich mir vorstellen kann, dass die Kreditvergabepraxis der Sparkassen, obwohl Basel II noch nicht in Kraft getreten ist, auch andere Kriterien zum Maßstab nehmen könnte und damit einen kleinen, leichten Konjunkturschwung mitgeben könnte. Ich verweise auf die Umfrage der Handwerkskammer zu Lübeck, die das Kreditvergabeverhalten auch der öffentlich-rechtlichen Sparkassen kritisiert hat.

(Zurufe von der FDP)

Eine wesentliche Position, die uns von anderen unterscheidet, ist: Für uns ist eine Entwicklung wie in Großbritannien und den USA unvorstellbar, wo es quasi per Gesetz den Zugang für jedermann zu einem Girokonto geben muss. Das ist mit uns nicht machbar. Wir wollen, dass jedermann in Deutschland, in Schleswig-Holstein einen Zugang zu Bankgeschäften hat. Das ist in erster Linie unser gut aufgestelltes Sparkassenwesen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Starke Sparkassen benötigen eine solide Kapitalbasis, die von den Kommunen als Anstaltsträger aufgrund der finanziellen Situation nicht erwartet werden kann. Deshalb muss darüber nachgedacht werden dürfen, ob weitere Maßnahmen der Kapitalbeschaffung, also moderate Änderungen ohne Rechtsformänderung, Sinn machen. Einen Ausverkauf an Private durch die Hintertür lehnen wir in jedem Fall ab.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was die Fusionsabsichten des Sparkassen- und Giroverbandes angeht, so bin ich mit dem Kollegen Kayenburg einer Auffassung: Eine Fusion gibt es zu dritt; eine Fusion allein mit Niedersachsen ist auch mit der SPD-Landtagsfraktion nicht zu machen.

(Beifall)

Es muss in Verhandlungen geprüft werden, welche Synergieeffekte bei den Dreien durch Zusammen

schlüsse ausgelotet und umgesetzt werden können. Dies wird in den nächsten Wochen und Monaten zügig vorangetrieben werden müssen.

Wenn der niedersächsische Finanzminister Möllring behauptet, Schleswig-Holstein wolle nicht Juniorpartner von Niedersachsen sein, so kann ich ihm sagen: Nein, das wollen wir auch nicht. Wir wollen auch in Zukunft auf gleicher Augenhöhe mit den Niedersachsen und den Hamburgern verhandeln. Alle wichtigen Entscheidungen müssen auch in SchleswigHolstein getroffen werden und nicht in einem anderen Bundesland.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Auch im Bereich der Versicherungen gibt es die Entwicklung zu größeren Einheiten - dieses Thema sollten wir durchaus mit einführen -, die wir unterstützen wollen. Aber auch für eine mögliche Fusion der Provinzial gilt, dass Landesinteressen in besonderer Weise zu berücksichtigen sind. Ich verweise auf die Landtagsbehandlung mit diesem Thema. Der öffentlich-rechtliche Vertrag mit dem Sparkassen- und Giroverband zur Übertragung der Trägerschaft über die Versicherung macht den Willen des Gesetzgebers, des Schleswig-Holsteinischen Landtages deutlich. Jedes Fusionsmodell ist hieran zu messen. Entscheidungen über die Provinzial Nord in fernen Konzernzentralen zulasten unseres Landes wäre nicht in unserem Interesse. Auch hier geht es darum, länderübergreifend eine Lösung zu finden, die auch im Interesse Schleswig-Holsteins ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen Schleswig-Holstein als Finanzplatz für öffentliche Banken und Versicherungen erhalten. Bei Fusionsüberlegungen stehen die Interessen der Sparkassen, der HSH Nordbank, der Provinzial und des Landes im Mittelpunkt. Die Sparkassen garantieren auch in Zukunft eine flächendeckende Versorgung. Am Erhalt dieser für alle Bürgerinnen und Bürger wichtigen Struktur werden wir auch nach dem 20. Februar des nächsten Jahres in Regierungsverantwortung weiter arbeiten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Jahren verschläft die Landesregierung die Entwick

(Wolfgang Kubicki)

lungen im Sparkassenwesen und behindert so unsere Sparkassen. Sie ist nicht allein: An ihrer Seite stehen SPD, Grüne, SSW und last but not least schlummert auch die CDU-Fraktion. Gemeinsam träumen sie von vergangenen Zeiten, als die Kapitalmärkte der einzelnen Länder noch voneinander abgeschottet waren, sodass die kleinteilige Sparkassenstruktur in Schleswig-Holstein kaum im überregionalen Wettbewerb stand.

Das Problem ist: Diese Zeiten sind vorbei, für immer. Wer seine Politik trotzdem noch an diesen Zeiten ausrichtet, läuft der Gegenwart hinterher und verpasst die Zukunft. Der gestaltet nicht, der verunstaltet. Der schadet unseren Sparkassen, schadet unserem Mittelstand und schadet so den Menschen in SchleswigHolstein.

(Beifall bei der FDP)

Der schadet ganz besonders denjenigen, die beim Mittelstand keine Arbeit mehr finden, weil der Mittelstand keine zusätzlichen Arbeitsplätze schaffen kann, weil die Sparkassen ihm nicht mehr genug Kredit geben, um seine Geschäfte oder Investitionen zu finanzieren.

Warum geben die Sparkassen dem Mittelstand nur noch so wenig Kredit? - Weil das für sie immer teurer wird. Denn die Sparkassen müssen gerade für Kredit an diejenigen, die ihn dringend brauchen, besonders viel Eigenkapital zurücklegen. Und Eigenkapital ist für unsere Sparkassen besonders wertvoll, denn sie kommen extrem schwer an Eigenkapital heran. Ihr Zugang zum Kapitalmarkt ist mangelhaft, weil sie als öffentliche Banken keine neuen Kapitalgeber aufnehmen können.

Um diesen Mangel zu beheben, haben wir bereits zweimal beantragt, unsere Sparkassen von dieser Fessel zu befreien. Bereits im Dezember 2000 schlugen wir vor, den Trägern der Sparkassen zwei Schritte zu erlauben: Erstens sollten sie ihre Sparkassen in Aktiengesellschaften umwandeln dürfen und zweitens sollten sie eine Minderheit dieser Sparkassenaktien verkaufen dürfen, auch an Private, freiwillig, nicht gesetzlich verordnet oder zwangsweise angeordnet.

Die Landesregierung war selbstverständlich dagegen und der Landtag lehnte es brav ab, übrigens auch mit den Stimmen der CDU. Ungetrübt von jeder Sachkenntnis behaupteten die Gegner unseres Vorschlages - allen voran das selbst ernannte Finanzgenie Claus Möller -, unsere Sparkassen könnten so weitermachen wie bisher. Das waren dieselben, die jahrelang behauptet hatten, die Landesbank würde nie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, allen voran

Claus Möller. Auf einmal war es Claus Möller, der behauptete, die Umwandlung der Landesbank in eine Aktiengesellschaft sei die einzige Möglichkeit, wie sie wettbewerbsfähig bleiben könnte. Im gleichen Atemzug verweigerte er diese Wettbewerbsfähigkeit unseren Sparkassen.

Frau Ministerpräsidentin, wenn Sie bei der Begrifflichkeit „Privatisierung“ bei Anträgen der FDP immer erklären, das würde Arbeitsplätze kosten, frage ich Sie, was Privatisierungsüberlegungen der Sozialdemokraten eigentlich beinhalten. Während Sie behaupten, bei den Sparkassen würde das Arbeitsplätze kosten, wollen Sie gleichzeitig Ihre Landeskliniken privatisieren. Das sollen wir jetzt im Landtag auch verabschieden. Kostet das keine Arbeitsplätze?

Frau Ministerpräsidentin, Sie erklären in Ihrer Regierungserklärung, die Kostenseite müsse optimiert werden. Ihr Zitat lautet: Hier gilt für die Sparkassen nichts anderes wie für alle anderen Banken, Dienstleister oder Unternehmen auch. - Ist das jetzt Hartz V, das, was wir gerade bei VW erleben, das heißt die Reduzierung von Lohn oder die Freisetzung von Personal? Sagen Sie uns bitte, was Sie darunter verstehen, dass die Kostenseite optimiert werden müsse!

(Beifall bei der FDP)

Ich will eine weitere Frage anfügen, auf die ich eine Antwort erwarte. Sie haben erklärt, ich hätte keine Ahnung, Sie hätten Ahnung. Ich würde gern an Ihrer Ahnung partizipieren, das hohe Haus vielleicht auch. Vielleicht gibt es ja Sozialdemokraten, die das verstanden haben und es mir erklären können; wir sind ja in einer Debatte. Sie sagen, weiterhin benötigten starke Sparkassen vor Ort eine solide Kapitalbasis, und Sie erklären, von den Kommunen als Anstaltsträger könnten keine Finanzhilfen erwartet werden; darum bestehe eine regionale Verantwortung auch darin, die finanzielle Stärkung der Institute vor Ort zu ermöglichen.