Protokoll der Sitzung vom 26.08.2004

Seitens der Landesregierung hat Finanzminister Dr. Ralf Stegner am Mittwoch, den 18. Februar 2004, in der 107. Sitzung des Landtages umfangreich zu

unserem Antrag Stellung genommen. Ich will einfach einmal Aussage gegen Aussage stellen, Argumente des Finanzministers aufgreifen und unsere Ansicht dagegenstellen.

Die Landesregierung hat damals gesagt, wir würden mit unserem Antrag für ein Mehr an gesetzlichen Regelungen sorgen und dadurch für ein Mehr an Bürokratie plädieren. Ich stelle hierzu fest: Was meint die Landesregierung damit? Entsteht mehr Bürokratie durch die Aufnahme der Anforderung in das Gesetz oder entsteht mehr Bürokratie durch die Umsetzung?

Derzeit existieren bereits Mindestanforderungen an Satzungen einer Selbstverwaltung sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene. Somit würden bereits bestehende Regelungen ohne jeden weiteren bürokratischen Aufwand schlicht und ergreifend ergänzt. Es entsteht auch kein bürokratischer Mehraufwand für die betroffenen Körperschaften, rechtsfähigen Anstalten und Stiftungen, eine Aussage in ihrer Satzung zu treffen. Vielmehr ergänzen die Selbstverwaltungsorgane den Rahmen beziehungsweise den Umfang, in dem sie sich bewegen dürfen.

Konkret umgesetzt stünde dann in der Satzung: „Darlehen an Organmitglieder können in der Höhe eines Bruttojahresgehaltes vergeben werden“, oder - wenn etwas anderes beschlossen werden sollte - „Darlehen an Organmitglieder werden nicht gewährt“. In diesem Zusammenhang von mehr bürokratischem Aufwand zu sprechen, ist aus unserer Sicht nicht richtig.

Finanzminister Stegner hat weiter gesagt - ich zitiere -:

„Wir haben im Land beispielsweise Stiftungen, deren Satzungen bereits heute deutlich machen, dass für die Vergabe von Darlehen an Organmitglieder keine kleinteiligen Vorschriften über Art, Umfang und Höhe gebraucht werden, weil solche Darlehen dem Satzungszweck eindeutig widersprechen.... Da können Sie das erkennen und die Aufsicht sorgt dafür, dass das auch eingehalten wird.“

Ich stelle dazu fest: Genau hierauf zielt unser Antrag. Die damalige Aussage des Finanzministers steht im Widerspruch dazu, dass wir mit unserem Antrag mehr Bürokratie wollen. Warum sollte nicht in anderen Satzungen von Selbstverwaltungen die Aussage darüber getroffen werden können, ob Darlehen an Organmitglieder erlaubt sind oder nicht? So kann die Rechtsaufsicht konkret Verstöße gegen Satzungen prüfen. Anderenfalls kann sie es nicht.

(Dr. Heiner Garg)

Weiter sagte er:

„Wir sollten auf das bestehende Recht zurückgreifen und dieses auch anwenden.“

Hierzu stelle ich fest, liebe Kolleginnen und Kollegen: Bestehende Regelungen haben in der Vergangenheit ganz offensichtlich nicht ausgereicht. Eine Selbstverwaltung wie beispielsweise die AOK Schleswig-Holstein konnte sich gegenüber der Rechtsaufsicht über einen längeren Zeitraum einer intensiven Kontrolle erfolgreich entziehen. Das Sozialministerium als Rechtsaufsicht hat in diesem Fall seine zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gerade nicht ausgeschöpft, um die aufgedeckten Missstände rechtzeitig abzustellen, weil es sich selber über die Reichweite der Rechtsanwendung völlig unsicher war.

(Beifall des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Die „unmissverständliche Tendenz“ und die „negative Bewertung“, über die das Sozialministerium die AOK informiert haben will, hätten bereits nach den einschlägigen Paragraphen des SGB IV, nämlich § 88 - Prüfung und Unterrichtung - und § 89 - Aufsichtsmittel - dazu führen müssen, dass das erste Darlehen zurückgefordert worden wäre und alle weiteren Darlehen unterblieben wären. Nichts davon ist passiert.

Schließlich behauptete Herr Dr. Stegner:

„Durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz ist bereits in § 35 Abs. 6 Satz 2 SGB IV geregelt, dass die Höhe der jährlichen Vergütungen der einzelnen Vorstandsmitglieder einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen in einer Übersicht jährlich zum 1. März eines Jahres im Bundesanzeiger und gleichzeitig in der Mitgliederzeitschrift der betreffenden Krankenkasse zu veröffentlichen sind.“

Hierzu stelle ich abschließend fest: Der neue § 35 a Abs. 6 SGB IV ist bei weitem nicht zielführend. In dieser neuen Regelung werden nur Art und Höhe finanzieller Zuwendungen geregelt. Darlehen, liebe Kollegen, stellen regelmäßig keine Nebenleistungen zur jährlichen Vergütung von Organen oder eine wesentliche Versorgungsregelung dar. Darlehen sind nach § 35 a Abs. 6 SGB IV auch keine Zuwendung von Dritten. Darlehen der Körperschaft, der das Organ „Vorstand“ vorsteht, werden durch diese Rechtsnorm überhaupt nicht abgedeckt, also werden sie auch nicht veröffentlicht, also bleibt der FDP-Antrag nach wie vor notwendig.

Ich würde mich freuen, wenn wir nach einer ruhigen und sachlichen Debatte vielleicht doch zu einem anderen als dem Beschluss kämen, den der Sozialausschuss in seiner Mehrheit vorgesehen hat.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Siegrid Tenor-Alschausky das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Selbstverwaltung stärken – Rechtssicherheit schaffen“ - dieser Antrag der FDP beschäftigt uns heute erneut. Ich muss gestehen, es hat mich in Erstaunen versetzt, dass dieses Thema im Rahmen der Plenardebatte diskutiert wird, nachdem sich die beteiligten Ausschüsse mit diesem Antrag in mehreren Sitzungen intensiv auseinander gesetzt haben. Unsere Hoffnung, dass sich die antragstellende FDP-Fraktion im Verlauf dieser Beratungen von der Unsinnigkeit ihres Antrages würde überzeugen lassen, hat sich leider nicht erfüllt. Die heutigen Worte des geschätzten Kollegen Garg zeigen, dass die Haltung der FDP nach wie vor die gleiche ist.

Nun weiß man aus Erfahrung, dass sich die Oppositionsparteien von den guten Argumenten der Regierungsfraktionen und der Regierung zumindest in öffentlichen Sitzungen nur selten überzeugt zeigen. Dies gilt leider auch für die Beratung des vorliegenden Antrages.

Zur Erinnerung: Es wird sowohl eine Bundesratsinitiative als auch die Anpassung des Landesrechts gefordert mit dem Ziel, Körperschaften des öffentlichen Rechts, rechtsfähige Anstalten sowie Stiftungen des Landes zu verpflichten, in ihren Satzungen die Voraussetzungen zur Vergabe finanzieller Zuwendungen, Vorschüsse, Nebenleistungen und Darlehen an Organmitglieder in Art, Umfang und Höhe festzuschreiben.

Soll das heißen, dass der Landtag künftig über die Höhe von Nebenleistungen, Zuwendungen und so weiter bei den Institutionen diskutieren und je nach finanzieller Leistungskraft der Körperschaft an den Summen Kritik üben darf oder gar muss?

(Martin Kayenburg [CDU]: Nicht der Land- tag! Sie haben es offenbar nicht verstanden! So daneben kann man doch gar nicht sein!)

Ich kann mir vorstellen, dass der NDR oder die Rechtsanwaltskammer - um es vorsichtig auszudrü

(Siegrid Tenor-Alschausky)

cken - deutlich auf ihre Kompetenzen hinweisen würden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Frau Kollegin!)

Der Sozialausschuss hat bereits in seiner Sitzung am 4. März 2004 den Wissenschaftlichen Dienst gebeten, zu bestimmten Fragen im Zusammenhang mit dem vorliegenden Antrag Stellung zu nehmen. Dieser Bitte ist der Wissenschaftliche Dienst wie gewohnt in aller Ausführlichkeit und Sorgfalt nachgekommen. Nachdem zunächst einmal interpretiert wird, welche Körperschaften, rechtsfähigen Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts durch den FDP-Antrag erfasst werden sollen – diese Notwendigkeit spricht übrigens nicht gerade für die besondere Sorgfalt bei der Ausarbeitung des Antrags –,

(Lachen des Abgeordneten Martin Kayen- burg [CDU])

erläutert der Wissenschaftliche Dienst, was unter Körperschaften mit und ohne Gebietshoheit, unter rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts und Stiftungen des öffentlichen Rechts zu verstehen ist. Im Anhang werden beispielhaft Organisationen benannt.

Der Wissenschaftliche Dienst zeigt uns auf, aufgrund welcher gesetzlichen Grundlagen die jeweiligen Satzungen zu erstellen sind. So unterschiedlich die Wege bis zum Erlass einer Satzung bei Körperschaften des öffentlichen Rechts, rechtsfähigen Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts auch sind, eines ist gleich:

(Martin Kayenburg [CDU]: Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben?)

Am Ende seiner jeweiligen Ausführungen trifft der Wissenschaftliche Dienst die Feststellung: „Diese Satzung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde“.

Diese Aussage bekräftigt, was seitens der Regierung und der SPD-Fraktion bereits bei der ersten Plenarberatung des vorliegenden Antrags gesagt wurde: Die FDP plädiert im Ergebnis für ein Mehr an Staat, für ein Mehr an gesetzlicher Regulierung und damit für mehr Bürokratie.

Ich stelle für meine Fraktion fest: Der Antrag der FDP ist überflüssig.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Haben Sie mir ge- rade zugehört?)

Die Vorkommnisse bei der AOK, um deren Aufarbeitung es der FDP mit diesem Antrag eigentlich ging,

werden durch andere, geeignetere Verfahren, auf die sich dieses Parlament verständigt hat, aufgearbeitet.

Das implizit eingeforderte Transparenzgebot wurde mit der Neuordnung des SGB IV geregelt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Quatsch!)

Den dortigen Text, sehr geschätzter Herr Garg, interpretieren wir anders.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ich lese ihn ein- fach! Da steht es schlicht und wirklich drin!)

Dort wird formuliert:

„Die Höhe der jährlichen Vergütungen der einzelnen Vorstandsmitglieder einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen sind in einer Übersicht jährlich zum 1. März, erstmalig zum 1. März 2004, im Bundesanzeiger und gleichzeitig begrenzt auf die jeweilige Krankenkasse und ihre Verbände in der Mitgliederzeitschrift der betreffenden Krankenkasse zu veröffentlichen.“

Was bleibt also? Unseres Erachtens bleibt die Beantwortung der Frage, ob und wie Aufsichtsräte von Körperschaften, rechtsfähigen Anstalten und Stiftungen des Landes ihrer Kontrollfunktion der jeweils handelnden Gremien nachkommen. Das Einfordern qualifizierter Kontrolle durch die jeweiligen Aufsichtsräte hat für die SPD-Fraktion absolute Priorität.

Wenn diese Debatte vielleicht über das hohe Haus hinaus einen gesellschaftlichen Diskurs darüber auslöst, welche Personen in Aufsichtsräte entsandt werden sollen über welche Qualifikationen diese verfügen sollten, um ihrer Aufsichtspflicht angemessen nachkommen zu können, und wie viele Aufsichtsratsmandate eine einzelne Person eigentlich verantwortlich wahrnehmen kann, dann hat unsere Debatte hier vielleicht einen Sinn gehabt, der über die Feststellung der Tatsache hinausgeht, dass die FDP mit diesem Antrag ihrem sonst immer wieder geäußerten Credo zur Entbürokratisierung selber widerspricht.

Wir werden den vorliegenden Antrag, weil überflüssig, ablehnen und uns der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses anschließen.

(Beifall bei SPD und SSW - Martin Kayen- burg [CDU]: Ihre Uneinsichtigkeit war of- fensichtlich!)

Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Werner Kalinka das Wort.